Z. Orthop. 130 (1992)

467

Wieviel Bandscheibengewebe wird bei der perkutanen Nukleotomie tatsächlich entfernt? W. H. M . Castro, J. Jerosch, H. Halm, J. Rondhuis Klinik und Polikli nik für Allgemeine Orthopädie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (Direktor: Prof. Dr. W. Winkelmann)

In einer experimentellen Arbeit wird unter standardisierten Bedingungen bei 20 humanen Bandscheiben mit der nicht-automatisierten Diskektomie (NAPLD-Methode) und bei 20 humanen Bandscheiben mit der a utomatisierten Diskektomie (APLD-Methode) Nukleusgewebe ent fernt und gewogen. Ans chließend

wurde da s entfern te Gewebe bei der NAP LD-Met hode 45 Minuten in isotonischer Kochsalzlösung befeuchtet und gewogen . Das nasse Gewebe beider Verfahren wurde außerdem gefriergetroc knet und erneut gewogen . Das Verhältnis zwischen das Naßgewicht und Trockengewicht war bei der NA PLD-Met ho de einen Faktor II (im Durchschnitt: 7,7 g in Vergleich zu 0,7 g) und bei der APLD-Methode einen Faktor 15 (im Durchschnitt: 4,5 g in Vergleich zu 0,3 g), Dies bedeutet, daß die Flüssigkeitsaufnahme und -benetzung des Nukleusgewebes bei beiden Verfahren unterschiedlich ist, und daß die beiden Naßgewichte nicht miteinander verglichen werden dürfen . Bei vergleichenden klinischen Studien muß dieses Berücksichti gung finden . An gesichts der Tat sache, daß biom echani sche Veränderungen nach einer Diskektomi e abhän gig sind vo n der Menge des entfernten Nukleu smaterials, dürfen die NA P LD- und APLD-Meth od e nur dann miteinander verglichen werden, wenn die entfernte Menge an Nukleusgewebe in standardisierter Form z. B. als Trockengewich t angegeben wird.

So woh l bezüglich der nicht-automat isierten perkutanen lumbalen Diskektomie (NA PLD) als auch der automatisierten perkutanen lumbalen Diskektom ie (APLD) sind viele klinische Studien publi ziert worden (2, 4, 9). Aufgrund der guten klinischen Ergebni sse mit Erfolgsrate n von 70 % - 85"10 hat sich die perkutane Nukleotomi e insbesond ere in den letzten 5 Jahren zu einem Standardeingrif f bei der Behandlun g von Patienten mit einem Bandscheiben vorfall entwickelt. In der Literatur werden hinsicht lich der Menge des entfern ten Nukleusgewebe nicht immer Angab en gemacht. Andererseits ist jedoch bekannt (I), daß die Menge des entfernten Gewebes Einfluß auf die biomechani schen Veränderungen , die nach Anwendung einer perkutanen Nukleotomie auftreten, hat.

Z . Ortbop . 130 ( 1992) 467-471 © 1992 F. Enke Verlag Stuttgar t

How Much Nuclear Materia l is Removed \Vith Pe rcutaneo us

Nucleotomy? In an experimental study with standardized conditions nuclear material of 40 human lumbar discs was excised. In 20 the non- automated discectomy method was used (NAPLD-method). In the other 20 th e auto ma ted discectom y method (APLD-method) . The excised material was weighted . Aft er th e removal, the materia l of the NAPLD-method was wet with isotonic saline over 45 minutes and again weighted . Afterwards th e wet material of both method s was freeze dried and again weighted . Th e weight of the wet material of t he NAPLD-method in relation to that of the freeze dried material was a factor 11 (avera ge value: 7.7 g in relation to 0.7 g) a nd in the APLD-method a facto r 15 (average value: 4.5 g in relation to 0.3 g). Thi s mean s, that the uptake and distribution of the saline is different in both methods and for this reason it is not allowed to compare the wet weight of the two methods. Th is has to be considered in clinical comparising studies. Because the biom echan ical cha nges after a discectom y a re dependent of the amount of th e excised nuclear material, the NAPLD- and APLD-method can onl y be compared when the amount of the excised material is changed in a freeze dried weight.

In der vorliegenden Arb eit wurde auf experimentelle Weise nach einer APLD und einer NAPLD die Menge des entfernt en Nuk leusgewebes bestimm t.

Mat erial und Methoden 14 hum ane lumbale Wirb elsäulen wurden nach der Autopsie entnommen. Die Daten dieser Präparate sind in Tabelle I aufgelistet. Nach Entnahme wurden die Präparate so fort in luftundurchlässige Siegelrandbeutel vakuumeingeschweißt und tiefgefroren ( -25 ' Celsius). Ein Au strocknen der Präparate wurde auf diese Weise verhindert.

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Zusammenfass ung

W. H . M . Castro und Mitarb.

468 Z. Orthop. 130 (1992) Daten der untersu chten Lendenw irbelsäulenpräpara-

ten Wi rbelsäulennumm er

Geschle cht

Alte r

Todesursac he

354/90 35 7/90 4 14/9 0 5 20 /90 5 21 /90 536 /90 537 /90 542 /90 544/90 545 /90 5 51 /90 55 7/90 56 3/90 56 9/90

w eiblich w eiblich weib lich männlich w eiblich w eiblich w eiblich w eiblic h männlich w eiblich männ lich männlich we iblich männ lich

67 76 87 57 64 64 69

Tumorleiden Herzinsuff izienz Akuter Herztod Respiratoire Insuff . Hirnmassenblut ung Kardiogene r Shoc k Herzinsuff izienz Hirnb lutung Tumorleiden Akuter Herztod Respiratoire Insuff . Tum orleiden Hämorrhagischer Shock Tumorleiden

72 77

53 52 64 49 49

J. J. J. J. J. J. J. J. J. J. J. J. J. J.

Um bereits vor dem Experiment einen Eindruck über den Zustand der Bandscheiben zu bekommen, wurden die Präparate während der Lagerung einmal , innerhalb von 24 Stunden, bis + 22 0 Celsius aufgetaut und anschließend kern spintomographisch untersucht. Die Untersuchung war notwendig, um zu gewährleisten, daß Bandscheiben gleicher kernspintomographischer Signalintensität und Höhe des Zwischenwirbelraumes miteinander verglichen wurden. Es wurden nur Bandscheiben mit normalen Verhältnissen für die Studie selektiert. Nach dieser Untersuchung wurde die gesamte Lendenwirbelsäulenmuskulatur entfernt und die Präparate in Bewegungssegmente (d. h. Wirbelkörper Bandscheibe - Wirbelkörper) unterteilt. Die experimentelle Untersuchung erfolgte zwischen 2 bis 6 Wochen nach der kernspintomographischen Untersuchung. Es wurden

insgesamt 40 Bewegungssegmente untersucht. Hierbei wurde bei 20 Präparaten eine automatisierte (Gruppe: APLD) und bei 20 anderen Präparaten eine nicht -automatisierte perkutane Diskektomie (Gruppe: NAPLD) durchgeführt. 18 bis 24 Stunden vor der experimentellen Untersuchung wurde ein Bewegungssegment innerhalb dieser Zeit bis auf + 4 Celsius aufgetaut. Das Segment wurde in einer elektromechanischen Material-Testmaschine eingespannt. Diese ermöglichte eine genaue axiale Belastung eines Bewegungssegmente s. 0

Die Temperatur während eines Untersuchungs vorganges betrug 37 Celsius, eine Simulierung des in-vivo-Zustandes. Dazu wurde Luft durch ein auf konstanter Temperatur gehaltenes Wasserbad geblasen. Die jetzt 100% feuchte, warme Luft wurde in einen Behälter geleitet, der während eines Untersuchungsvorganges das Bewegungssegment einfaßte (Abb. la und b); ein Austrocknen des Präparates wurde somit verhindert. Die Temperatur wurde mittel s eines elektronischen Temperatur-Meßgerätes überwacht. 0

Damit das Präparat ebenfalls die gewünschten 37 Celsius erreichen konnte, wurde vor dem Anfang einer Testserie der Behälter mit dem Präparat zunäch st über 30 Minuten vorgewärmt. Während dessen wurde das Bewegungssegment außerdem mit einem axialen Druck von 1000 N belastet. Durch diese Vorlast wurde zum Versuchsbeginn eine physiologische Beanspruchung des Bewegungssegmentes simuliert (8). Während der an schließenden APLD oder NAPLD wurde die axiale Belastung auf 500 N reduziert. Damit wurde der axiale Druck in vivo im Liegen simuliert, da am Patienten eine perkutane Nukleotomie ebenfalls im Liegen unter Lokalanästhesie durchgeführt wird. 0

Für die APLD stand ein Nukleotorn Gerät der Firma Surgical Dynamics (Firma G. Hug GmbH , Freiburg) zur Verfügung . Über den posterolateralen Zu-

Abb. 1a und b Speziell angefert igter Behälter, der w ährend einer Testserie das Bew egung ssegment umfa ßt. Angefeuchtete , w arme Luft wi rd über einen isolierten Schlauch (links im Bild ) in den Behälter geblasen

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Tab. 1

Wieviel Bandscheibengewebe wird bei der perkutanen Nukleotomie tatsächlich entf ernt ?

Bei der NAP LD wurde, ebenfa lls übe r einen posterolateralen Zugang zur Bandscheibe, der Annu lus fibrosus mit einem Trephine perforiert (Durchmesser 3,0 mm un d 4,5 mm; Firma Aesculap) , An schließend wird mit Hilfe einer Nukleusfaß zange Band scheibengewebe entfern t. Für diese Unters uchung sta nden mehr ere gerad e und abgewinkelte Nukleusfaßzangen mit einem Durchmesser von 3,5 mm und 4,5 mm zur Verfü gun g. Insgesam t wurde 3,0 Gramm Nukleusgewebe entfernt (,in-vitro-Nukleusgewebe') . Nach Beendigung einer NA PL D wurde dieses Gewebe über 45 Minut en (ent spri cht der Zeitda uer einer APLD) in die gleiche Flüssigkeit (isotoni sche Kochsalzlösung) eingelegt, die auch zur APLD verwendet wurde. Dadu rch konnte eine maximale Flüssigkeitsaufn ahme und -benetzung des in-vitro- Nukleusgewebes erfolgen. Nach 45 Minuten wurde dieses feuchte Gewebe erneut gewogen (,Naßgewicht' ).

Tab . 2

Die Gew ichte nach Entnahme von Nukleusgewebe mit der NAPLD-Methode (in-vitro-Nukleusgew ebel, nach 4 5 m inütiger Einlage in isotonischer Kochsalzlösung (Naß gew ichtl und nach Gefriertrocknen ITroc kengew ichtl

Nr.

1. 2. 3 4. 5. 6. 7. 8. 9 10 . 11. 12 . 13 . 14. 15 . 16 . 17. 18. 19. 20 .

in vit ro Nukleusgewebe

L2/3 L3/4 L4/5 L511 L1/2 L2/3 L3/4 L4/5 L511 L3/4 L4/5 L5/ 1 L4/5 L511 L2/3 L3/4 L3/4 L4/5 L2/3 L3/4

M ittelwert :

3.0 3,0 3.0 3,0 3,0 3.0 3.0 3,0 3.0 3.0 3.0 3.0 3,0 3.0 3,0 3.0 3,0 3,0 3.0 3,0

9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9

naß I

7,6 7.9 8 .1 9,1 8 ,8 7 ,3 7,0 7 ,8 8,2 6,9 8 ,3 6,2 6,3 6,6 7 ,2 7 ,9 7,6 7,4 8,9 8,3

trocken

9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9

0,7 0,7 0 ,7 0 ,8 0 ,8 0,7 0.7 0,7 0,8 0,7 0,8 0, 6 0 ,8 0 .6 0 ,0 0 ,0 0,7 0 ,8 1,0 0,7

7,7 9

3.0 9

9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9

0,7 9

Gramm

'0 7.7

Anschließend wurde das entfernte Nukleusgewebe von den Band scheiben der beiden Gruppen gefriergetroc knet. Dadurch wurde das gesamte Wasser aus dem Gewebe entfernt und es konnte ein .T rockengewicht ' des entfernten Gewebes der 40 Bandscheiben festgestellt werden.

8

6

4

0.7

2

Ergebnisse

Tabelle 2 und Abbildung 2 zeigen die Ergebnisse der Messun gen der Gewichte der NA PLD Gru ppe. Der Vergleich der drei Mittelwerte ergibt , da ß das Naßgewicht im Mitt el 2,6mal so groß wie das Gewicht des in-vitro Nukl eusgewebes ist: Mitt elwert Naßgewicht 7,7 g (Sta ndard-ab weichung: ±0,82 g) im Vergleich zum in-vitr o Nukleusgewebe 3,0 g (Stand ard abweichu ng: ± 0,0 g). Die Streubreite des Naßgewichtes liegt zwischen 6,2 g und 9,1 g. Das Verhältnis zwischen dem Mittelwert des in-vitro Nukleusgewebes und des Trockengewichtes führt zu einem Fa ktor 4,3: 3,0 g im Vergleich zu 0,7 g (Stand ard ab weichun g: ± 0,09 g). Streubreite des Tr ocken gewichtes ist 0,6 g bis 1,0 g. Das Verhältnis zwischen dem Mitt elwert des Na ßgewichtes und des Trockengewichtes ist viel grö ßer, und zwar Fakt or 11 : 7,7 g versus 0,7 g. Tabelle 3 und Abbildung 3 zeigen die Ergebnisse der Messungen der Gewichte aus der AP LD Gru ppe.

469

0 I n vltro Gew ic ht

Naß ge w l chl

Troclcengew lchl

A bb. 2 Mittelwerte der Gew ichte nach Entnahme von Nuke lusgewebe mit der NAPLD-Methode. Der Vergleich dieser We rte zeigt, daß das Naßgewicht im M ittel 2,6 x so groß ist w ie das in-vit ro-Gewic ht und 11 x so groß w ie das Trockengew icht

Der Vergleich der Mittelwerte in dieser Gr uppe ergibt , daß das Naßgew icht nach 45 Minuten im Mittel 15mal so groß wie das Trockengewicht ist: Mittel wert Naßgewicht 4,6 g (Stand ard ab weichung: ± 2,7 g) im Vergleich zum Troc kengewicht 0,3 g (Sta nda rdabwe ichung : ± 0,2 g). Die Streub reite des Naßgewicht es liegt zwischen 7,9 g und 1,5 g. Streubreite des Trockengewichtes ist 0,6 g bis 0,1 g.

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gang (7) wur de zunä chst mit einem Trephine der Annulus fibrosus perf oriert wonac h an schließend das 2,0 mm dicke Nukleoto m pulpos us hereingeführt wur de. Da da s End e des Nukleotoms stumpf ist, wird eine Perforation der ventralen Gegenseite der Bandscheibe verhütet. Unter sich wiederholenden Schnitt -Saug-Bewegungen (bis zu 180 pro Minute) wird Nukleus-gewebe entfernt , daß über eine Spülanl age in einem Sieb aufge fangen wird . Das ,Absaugen' wurde in 3 Schritten durchgeführt ; jeweils nach 15 Minuten wurde das Gewicht des entfernten Nukleusgewebe au f 0,1 g gena u gewogen und als ,Naßgewicht' gekennzeichnet. Die Gesamtdauer der APLD betru g somit 45 Minuten.

Z. Orthop. 130 (/ 992)

Z. Orthop. 130 (1992)

W. H. M. Castro und Mitarb.

Tab. 3 Die Gewichte nach Entnahme von Nukleusgewebe mit der APLD-Methode (Naßgewicht). Neben die Gesamtmenge entnommenen Nukleusgewebe nach 45 Minuten sind sowohl die Mengen je 15 Minuten absaugen' aufgelistet sowie nach Gefriertrocknen (Trockengewicht) N r.

Segment

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20.

L2/3 L3/4 L4/5 L5/1 L2/3 L3/4 L4/5 L5/1 L2/3 L3/4 L4/5 L5/1 L4/5 L5/1 L2/3 L3/4 L3/4 L4/5 L3/4 L2/3

Mittelwert:

(15') 3,3 g 1,0 g 1,9 g 2,1 g 0,8 g 5,3 g 3,6 g 1,5 g 1,8 g 2,0 g 3,6 g 3,9 g 1,0 g 3,7 g 2,6 g 3,0 g 6,5 g 3,8 g 3,8 g 2,7 g

(30')

(45')

1,0 g 2,2 g 2,0 g 0,6 g 0,4 g 0,4 g 0,8 g 0,7 g 1,2 g 1,0 g 1,6 g 2,2 g 0,4 g 0,7 g 0,3 g 1,3 g 1,4 g 0,7 g 1,5 g 1,2 g

naß (gesamt)

0,3 g 4,6 g 0,5 g 3,7 g 0,0 g 3,9 g 0,1 g 2,8 g 0,3 g 1,5 g 0,1 g 5,8 g 0,6 g 5,0 g 1,3 g 3,5 g 1,1 g 4,1 g 0,6 g 3,6 g 2,2 g 7,4 g 0,0 g 6,1 g 0,8 g 2,2 g 0,7 g 5,1 g 0,5 g 3,4 g 0,1 g 4,4 g 0,0 g 7,9 g 0,1 g 4,6 g 0,6 g 5,9 g 2,1 g 6,0 g

2,9 g 1,1 g 0,6 g 4,6 g

trocken 0,4 0,3 0,1 0,1 0,1 0,1 0,2 0,3 0,6 0,6 0,2 0,6 0,1 0,3 0,3 0,4 0,4 0,4 0,4 0,2

g g g g g g g g g g g g g g g g g g g g

0,3 g

Gramm 64,6 7

4 2,9 3

1,1 0,6

1

0,3

7

0erste 15 ' zweite 15'

dritte 15'

gesamt Na6gew . Trockengew.

Abb. 3 Mittelwerte der Naßgewichte nach Entnahme von Nukelusgewebe mit der APLD-Methode. In den ersten 15 Minuten wird am meisten Nukleusgewebe entfernt. Der Vergleich der Werte ergibt, daß die Gesamtmenge entfernten Naßgewichtes 15 x so groß ist wie das Trockengewicht

Diskussion Trotz einer Vielzahl von klinischen Studien liegt unseres Wissens nur eine experimentelle Untersuchung vor , die der Frage nach der Menge des entnommenen Nukleusgewebes bei der perkutanen Nukleotomie nachgegangen ist (10 ). Im Vergleich zu der vorliegenden Studie ist in der Untersuchung von Pfeiffer u. Mitarb. (10) die Bestimmung der Gewichte des entnommenen Bandscheibengewebes anders ermittelt worden . Sie entfernten nach einer 45minütigen NAPLD im Durchschnitt

4,7 g Bandscheibengewebe und 1,6 g nach einer 45minütigen APLD. Um einen gewissen Ausgleich zwischen den NAPLD- und APLD- Gewebe zu erlangen , wurde das Gewebe zentrifugiert . Ob durch das Zentrifugieren eine Standardisierung des Flüssigkeitsgehaltes zu erzielen ist, ist unsicher. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigen, daß das Verhältnis Naßgewicht zu Trockengewicht bei der APLD einen Faktor 15 und bei der NAPLD ein Faktor 11 beträgt. Der Unterschied liegt in der unterschiedlichen Flüssigkeitsaufnahme und -benetzung des Bandscheibengewebes. Der Grund , daß diese bei der APLD größer ist als bei einer NAPLD, scheint im unterschiedlichen Zustand des entnommenen Nukleusgewebe nach einer APLD im Vergleich zur NAPLD zu liegen. Mittels der APLD entnommenes Gewebe ist „ feingemahlen ". Dadurch wird offensichtlich sowohl das Aufnahmevermögen für die Flüssigkeit, wie auch die Benetzungsfähigkeit vergrößert. Beim Zentrifugieren ist es nicht möglich exakt festzustellen, wieviel Flüssigkeit aus dem feuchten Gewebe entfernt wird und wieviel letztendlich im Gewebe zurückbleibt. Deshalb wurde in der vorliegenden Arbeit das entnommene Gewebe nicht zentrifugiert sondern gefriergetrocknet. Von den vielen publizierten Arbeiten, die sich mit den klinischen Ergebnissen der perkutanen Nukleotomie befassen, fehlen bei den meisten Studien Angaben über die entfernte Menge. In den Arbeiten, bei denen Angaben vorliegen, variieren diese stark. Häufig fehlen Angaben, wie die Messungen durchgeführt wurden. Hijikata (4) entfernte mittels der NAPLD-Methode, zwischen 30 und 60 Minuten, 1 g bis 3 g. Mit der gleichen Methode entfernte Graham (3) innerhalb 20 bis 30 Minuten im Durchschnitt 1,5 g. Suezawa u. Mitarb. (14) entfernten im Durchschnitt 4,5 g (Streubreite zwischen 1,5 bis 13 g). Es muß jedoch angemerkt werden, daß die kleinen Fragmente in physiologischer Kochsalz-Lösung aufbewahrt wurden. Nach der APLD-Methode entfernten Davis u. Mitarb. (2) im Durchschnitt 2,1 g; Maroon u. Mitarb. (6) innerhalb von 45 Minuten 5 g bis 7 g und Seibel u. Mitarb. (13) innerhalb von 35 Minuten im Durchschnitt 3,5 g (Streubreite zwischen 1,9 g und 7,9 g). Aus diesen Arbeiten mit den unterschiedlichsten Mengenangaben und annähernd gleichen Erfolgsraten nach perkutaner Nukleotomie Behandlung geht hervor, daß die entnommene Menge keinen wesentlichen Einfluß auf das Behandlungsergebnis zu haben scheint. Diese Ansicht wird auch von anderen Autoren (5, 11) vertreten. Die Lokalisation der Gewebeentnahme soll hingegen von Bedeutung sein. Der gezielt dorsale Arbeitsvorgang wird von der Balgrist Arbeitsgruppe mittels der biportalen perkutanen Nukleotomie mit Diskoskopie empfohlen, insbesondere bei subligamentär gelegenen Bandscheibenvorfällen (12). Bei vermehrt dehydrierten breiten Bandscheibenprotrusionen im mittleren Lebensalter sollte aufgrund experimentellen Untersuchungen der o. g. Arbeitsgruppe ebenfalls eine möglichst dorsale Gewebeentnahme stattfinden. In der vorliegenden Studie wurden ausschließlich gesunde, normale Bandscheiben selektiert, so daß die Lokalisation der Gewebeentnahme für die Fragestellung der Studie von keiner Bedeutung war.

Die Relevanz der Angaben der entfernten Mengen liegt in den biomechanischen Veränderungen, die nach einer perkutanen Nukleotomie auftreten. Brinckmann und Grootenboer (1) stellten fest, daß nach Entfer-

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Wieviel Bandscheibengewebe wird bei der perkutanen Nukleotomie tatsächlich entfernt?

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t». med. W. H. M . Castro Klinik und Pol iklinik für Allgemeine Ort hopädie der w estfälischen w ühelm s-Univer sität A lbert -Sch weitzer-Str aße 33 0-4400 M ünster

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nung von jeweils 1,0 g nor malen Nuk leusgewebes die Höh e der Bandscheibe um 0,80 mm abn immt und die radiale Au sdehnung um 0.20 mm zunimmt. Wenn ein Vergleich zwischen den verschieden perkut anen Nuk leotomie Verfahren unter Berücksicht igung des entfernten Nukleu sgewebes du rchgeführt wird, dann sollte im Hinb lick auf die o.g. biome chanis chen Veränderungen eine Stand ardi sieru ng bei der Gewichtsbestimmung statt finden. Nur so können die unt erschiedlichen Verfahr en valide verglichen werden.

Z. Orthop. 130 (1992)

[How much intervertebral disk tissue is in reality removed in percutaneous nucleotomy?].

In an experimental study with standardized conditions nuclear material of 40 human lumbar discs was excised. In 20 the non-automated discectomy method...
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