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Posttraumatische Belastungsstörungen

Wie seelische Verletzungen krank machen Traumen und Stress können langfristig psychische und körperliche Störungen verursachen. Über welche Mechanismen seelische Spuren ihre krankmachende Wirkung entfalten, wird heute immer besser verstanden.



© Barbara Winzer / fotolia.com

Traumatische Erfahrungen wie Todesangst, Gewalt, Verfolgung, Verlust, Missbrauch oder Vernachlässigung können die eigenen Bewältigungsstrategien übersteigen. Betroffenen gelingt es oft über Jahre nicht, sich aus den schrecklichen Erinnerungen zu befreien, sie werden ständig vom Erlebten eingeholt, ja sogar verfolgt. Die Folge ist eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), die zu Depressionen, Angststörungen, Suchtkrankheiten und Suiziden, aber auch zu chronischen Schmerzen, kardiovaskulären, metabolischen und auch immunologischen Krankheiten bis hin zu Malignomen führen kann. Erfährt ein Kind ein solches Trauma, so können sich die negativen Auswirkungen erst im Erwachsenenalter bemerkbar machen.

Die Folgen traumatischer Erfahrungen können jahrzehntelang anhalten.

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Gen-Umwelt-Interaktionen In den letzten Jahren ist es gelungen, mittels neurobiologischer und molekularer Forschung Einblicke zu gewinnen, wie solche tiefen seelischen Spuren entstehen können, erklärte Dr. Christine M. Heim, München. Dass Gen-Umwelt-Interaktionen bei der Entstehung eines PTBS eine wichtige Rolle spielen, gilt heute als gesichert. „Der entscheidende Faktor bei der Entstehung eines PTBS ist die Anzahl der erlebten traumatischen Ereignisse“, so Prof. Iris-Tatjana Kolassa, Ulm. Das Risiko für eine PTBS ist jedoch auch genetisch determiniert: Die genetische Ausstattung beeinflusst die Auswirkungen eines Traumas auf Stressreaktivität, Immunsystem, Hirnstrukturen und -funktion. Überdies sind genetische Faktoren auch maßgeblich dafür verantwortlich, ob eine traumafokussierte Psychotherapie erfolgreich ist. Trauma in der Kindheit – Depression als Erwachsener Bei depressiven Patienten mit kindlichem Trauma ist die Reaktivität des Corticotropin-Releasing-Hormon-Systems gesteigert, d. h. die CRH-Aktivität ist erhöht. Dagegen ist die Oxytozin-Konzentration verringert. Morphologisch findet sich eine Verkleinerung des Hippocampus im Gehirn. „Diese klassischen Merkmale einer Depression dürften eine Folge von frühem Stress sein und reflektieren somit auch das Risiko für eine Depression bei Traumatisierten“, so Heim. Im Kindesalter ist das Gehirn besonders sensitiv für eine erfahrungsgesteuerte Plastizität. Wenn eine Erfahrung hoch-aversiv oder nicht altersadäquat ist, wird die Repräsentation im Gehirn verringert. „Eine solche kortikale Adaptation kann protektiv sein und das Kind vor dem Erlebnis schützen“, so Heim.

Doch im Erwachsenenalter könnte diese „Verdünnung“ ein biologisches Substrat für psychische Störungen sein. Voralterung des Immunsystems Über welche Mechanismen kann traumatischer Stress Krankheiten hervorrufen? Untersuchungen konnten zeigen, dass die zytotoxischen T-Zellen reduziert werden. Gleichzeitig treten vermehrt DNA-Schäden in den Immunzellen auf. Auch die regulatorischen T-Zellen nehmen ab, was das Risiko für Autoimmunerkrankungen erhöht. Durch vermehrte Zytokinbildung entsteht ein proinflammatorischer Zustand. „All dies führt zu einer vorzeitigen Alterung des Immunsystems“, so Kolassa. Je mehr traumatische „Eventtypen“ eine Person erlebt hat, desto stärker sind die Effekte in den biomolekularen Systemen. Therapie der Wahl: Psychotherapie Eine etablierte Therapie bei PTBS ist die Psychotherapie. „Interessanterweise entfaltet sie auch eine günstige Wirkung auf der molekularen Ebene“, so Kolassa. Sie führt zu einer Verminderung der DNASchäden an den Immunzellen und erhöht die Anzahl regulatorischer T-Zellen. Doch nicht alles ist reversibel. So kann eine Psychotherapie die Zahl zytotoxischer T-Zellen nicht erhöhen. Dr. Peter Stiefelhagen ■ ■ Quelle: DGPPN, 27.11.2014 in Berlin

Posttraumatische Belastungsstörung

Fazit für die Praxis 1. Traumen können längerfristig zu psychischen und körperlichen Störungen i. S. einer PTBS führen.

2. Dabei kommt es zu neurobiologischen morphologischen und molekularen Veränderungen.

3. Eine PTBS führt zu Veränderungen im Immunsystem, die durch eine Psychotherapie zumindest teilweise korrigiert werden können.

MMW-Fortschr. Med. 2015; 157 (5)

[How emotional abuse can cause illness].

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