Dossier

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Wie werden Schilddrüsenknoten diagnostiziert? Andreas Pfestroff, Markus Luster

Die Prävalenz von Schilddrüsenknoten liegt in Deutschland – je nach Untersuchungstechnik – bei 20 bis 50 %. Die Inzidenz steigt, denn durch moderne Ultraschalltechniken können immer kleinere morphologische Veränderungen entdeckt werden. Die meisten Knoten sind asymptomatisch – und daher häufig Zufallsbefunde. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Sie mit Hilfe verschiedener diagnostischer Methoden Schilddrüsenknoten erkennen und differenzieren können.

Prävalenz | Im Rahmen der „Schilddrüseninitiative Papillon“ 2001–2002 [1] fand ein Ultraschallscreening bei ca. 64 000 nicht-schilddrüsenspezifisch vorbehandelten Personen statt. In 23 % der Fälle lagen Schilddrüsenknoten bzw. herdförmige Veränderungen mit einem Durchmesser  >  5  mm vor. Bei 10  % fand sich eine Vergrößerung ohne Herdbefund. Lediglich bei ­ zwei Drittel zeigte sich ein Normalbefund (▶ Abb.  2). Eine zweite Studie an knapp 4000 ebenfalls nicht schilddrüsenerkrankten Pro­ banden zeigte, dass die Prävalenz von Schilddrüsenläsionen, die mittels Ultraschall diagnostiziert werden, mit 1,3 % bei jungen Männern bis 52,4  % bei älteren Frauen sehr breit streut (▶ Abb. 3) [2]. „Inzidentalom“ | Diese Daten beziehen sich ­ausschließlich auf das „Normalkollektiv“, also asymptomatische Probanden ohne bekannte Schilddrüsenerkrankung. Die hohe Prävalenz ­pathologischer Befunde lässt auf geringe kli­ nische Penetranz einer etwaigen Pathologie schließen. Der Begriff des „Inzidentaloms“, der bei ­Nebennierentumoren bereits etabliert ist, drängt sich in Zeiten verbesserter Diagnostik in viele weitere Felder – so auch in den Bereich der Schilddrüse. Inzidentalome sind „asymptomatische tumoröse Läsionen, die als unerwarteter Zufallsbefund im Rahmen einer nicht auf das ­betreffende Organ bezogenen bildgebenden ­Untersuchung nachgewiesen werden“ [20].

Anamnese und Klinik Allgemeines | Eine objektiv nachvollziehbare Symptomatik ist erst in späteren Erkrankungs­ stadien zu erkennen. Frühe Erkrankungen lassen sich subklinisch beispielsweise durch Sonografie des asymptomatischen Patienten oder durch das Screening von Calcitonin diagnostizieren. Die klinische Symptomatik unterscheidet sich grundsätzlich anhand ihrer Auslöser (▶ Tab. 1): ▶▶ Eine Schilddrüsenläsion ruft direkt über lokale, raumfordernde Prozesse Symptome hervor. ▶▶ Eine Funktionsstörung der Schilddrüse kann sich in pathogenetisch unterschiedlichen Krankheitsbildern zeigen. Der klinische Schweregrad der Funktionsstörung ist abhängig von: ▶▶ Schilddrüsenhormonparametern ▶▶ Nebenerkrankungen ▶▶ Alter des Patienten Anamnese | Die Anamnese sollte folgende Punkte umfassen: ▶▶ lokale Beschwerden ▶▶ klinische Zeichen einer Schilddrüsenfunktionsstörung ▶▶ Augensymptome ▶▶ familiäre Struma- und Karzinomhäufigkeit ▶▶ Medikamente ▶▶ Vor- und Begleiterkrankungen ▶▶ Jodexposition ▶▶ Rauchgewohnheiten ▶▶ Risikofaktoren für ein Malignom

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Definition | Ein Schilddrüsenknoten ist eine fokale Herdläsion der Schilddrüse. Er lässt sich diagnostizieren durch: ▶▶ Inspektion (▶ Abb. 1), ▶▶ Palpation ▶▶ Sonografie ▶▶ Szintigrafie ▶▶ Schnittbildgebung Häufig ist der Schilddrüsenknoten ein Zufalls­ befund im Rahmen einer Schilddrüsenresektion bzw. einer Autopsie.

Abb. 1  74-jährige Patientin mit Struma per magna mit bereits durch Inspektion erkennbaren knotigen Veränderungen der Schilddrüse (mit freundlichem Dank an D. Librizzi).

Körperliche Untersuchung | Inspektion und Palpation zählen zur körperlichen Untersuchung der Schilddrüse – einschließlich Isthmusbereich und Jugulum. Ebenso gehören dazu: ▶▶ Beurteilung der Schilddrüsen- und Knoten­ konsistenz ▶▶ Schluckverschieblichkeit ▶▶ Messung des Halsumfangs ▶▶ Heiserkeit ▶▶ Stridor ▶▶ Einflussstauung

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Dossier ▶▶ vermehrter Stuhlgang ▶▶ Wärmeintoleranz



▶▶ Nervosität



 

▶▶ Unruhe

▶▶ Herzklopfen Jedoch zeigen sich diese Symptome bei den meist älteren Patienten mit einer Hyperthyreose nicht immer. Bei ihnen überwiegen häufig monosymptomatische Verlaufsformen. Leitsymptome können kardiale Zeichen sein, wie Tachykardie – besonders in Form der Tachyarrhythmia absoluta.

Schilddrüsen-Sonografie Abb. 2  Prävalenz von Schilddrüsenpathologien in der Sonografie [1].

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▶▶ eventuelle Augenbeteiligung

▶▶ Beurteilung möglicher Begleiterkrankungen

und der Stoffwechsellage

Grenzen der körperlichen Untersuchung | Der ­Palpation sind anatomische Grenzen gesetzt – wie etwa bei retrosternalen Befunden. Es bestehen aber auch physikalische Grenzen, z. B. bezüglich der Auflösung. So zeigt eine Arbeit an 2441 Patienten, inwieweit die Größe der Läsion und die Nachweiswahrscheinlichkeit durch die Palpation korreliert [4]. Nur die Hälfte der Läsionen mit einer typischen Größe zwischen 1–2 cm lassen sich tasten (▶ Tab. 2). Die Angaben des Patienten zur Anamnese und die Befunde der körperlichen Untersuchung können wichtige Hinweise zur ­ Funktionslage (Eu- oder Hyperthyreose) und zum Wachstumsverhalten der Struma (z.  B. schnell wachsender und daher malignom-verdächtiger Knoten) geben. Da zwischen Tumormasse und Zellzahl eine nicht lineare Beziehung besteht, kann allerdings jeder benigne Knoten den klinischen Verdacht hervorrufen, dass er rasch wächst – ohne dass sich die Wachstumskinetik der Zellen beschleunigt.

Vorsicht bei älteren Patienten | Typische Symptome für eine hyperthyreote Stoffwechsellage sind: ▶▶ gesteigerter Appetit ▶▶ Gewichtsabnahme

Technische Grundlagen | Der in der Sonografie verwendete Ultraschall ist Schall mit einer Frequenz oberhalb der menschlichen Hörgrenze. In der Diagnostik beim Menschen kommen Frequenzen zwischen 1 und 40 MHz bei einer mittleren Schallintensität von 100 mW / cm2 zum Einsatz. Die Ultraschallwellen werden über den piezoelektrischen Effekt in den Kristallen der Sonden erzeugt und auch wieder detektiert. Dabei werden kurze, gerichtete Schallwellenimpulse ausgesendet, die an Gewebe-Grenzschichten bzw. inhomogenen Geweben unterschiedlich stark reflektiert werden, was als Echogenität bezeichnet wird. Aus der Latenzzeit der reflektierten Signale kann die Tiefe der Strukturen ermittelt werden, während die Stärke der Reflexion vom Ultraschallgerät als Grauwert dargestellt wird. Vorteile | Die Sonografie ist in der Schilddrüsendiagnostik von zentraler Bedeutung. Sie ist ▶▶ in jedem Lebensalter ▶▶ ohne nennenswerte Kontraindikation und ▶▶ repetitiv durchführbar. Mit der Sonografie kann man die Schilddrüse in allen drei Raumebenen erfassen, was zusätzlich eine Volumetrie möglich macht. Es lassen sich vorwiegend morphologische Veränderungen darstellen – unabhängig vom Funktionszustand und einer evtl. schilddrüsenspezifischen Therapie. Patientenlagerung und Schallkopffrequenz | Während der Untersuchung liegt der Patient mit leicht überstrecktem Hals. Damit eine ausreichend hohe Auflösung gewährleistet ist, wird eine Schallkopffrequenz von mindestens 7,5 MHz benötigt.

Tab. 2  Größenabhängige Nachweiswahrscheinlichkeit von Schilddrüsenläsionen durch Palpation [4].

Tab. 1  Symptome bei Schilddrüsenknoten.

Symptome bedingt durch raumfordernde Prozesse

Symptome durch systemischen Effekt

Größe (Sonografie)

Nachweis bei Palpation

▶▶ sichtbare Raumforderung

▶▶ Hyperthyreose bei funktioneller Autonomie

 20 mm

48 %

▶▶ Heiserkeit

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Malignität | Welche der bei der Sonografie erfassten Indizien auf Malignität hinweisen, wird derzeit diskutiert. Die Spezifität streut in den Studien mit Werten ▶▶ von 41 bis 92 % für echoarme Knoten, ▶▶ von 44 bis 95 % für Mikrokalzifikationen und ▶▶ von 48 bis 92 % für eine unscharfe Knotenabgrenzung. Analog zu den BI-RADS-Kriterien (Breast Imaging Reporting and Data System) bei der Diagnostik des Mammakarzinoms sind für Schilddrüsenläsionen die TI-RADS-Kriterien (Thyroid Imaging ­Reporting and Data System) entwickelt worden [21]. Diese haben sich in Deutschland in der täglichen Praxis bisher jedoch nicht durchgesetzt, da die Dokumentation sehr komplex ist. Unterschieden werden 6 Kategorien von TIRADS 1 (normale Schilddrüse) bis TIRADS 6 (histologisch nachgewiesene Malignität). In der zweithöchsten Kategorie 5 liegt die Malignitätswahrscheinlichkeit bei etwa 80 %. Lymphknoten | Bei der Sonografie sollten zervikale Lymphknoten ebenfalls mitbeurteilt werden. Da ihre Anzahl und Größe interindividuell und altersabhängig variiert, müssen weitere Kriterien, wie das Vorliegen eines Hiluszeichens, hinzuge­ zogen werden. Das Hiluszeichen ist bei nicht malignom­ verdächtigen Lymphknoten in ca. 29–87 % der Fälle sichtbar.

Malignitätsverdächtig sind Lymphknoten,

▶▶ die ihre ovaläre Form verloren haben und

▶▶ eine starke Binnenvaskularisation besitzen. Die Lage der Lymphknoten ist von besonderer Relevanz. Lymphknoten im Bereich der Komparti-

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mente III und IV sind eher malignomverdächtig als Lymphknoten in den Kompartimenten I und II. Welche Rolle die Ultraschall-Elastografie bei der Beurteilung von Halslymphknoten einnimt, ist unklar – bisher sind die Erfahrungen begrenzt. Die berichteten Sensitivitäten und Spezifitäten zur Detektion von Lymphknotenmetastasen liegen bei 83–85 % bzw. 98–100 %.

Abb. 3  Altersabhängige Prävalenz von Schilddrüsenläsionen [2].

Farbduplexsonografie | Abhängig vom Grad der Durchblutung können Knoten unterteilt werden. Eine verstärkte Randperfusion spricht eher für ein benignes Adenom. Eine intranodulär verstärkte Durchblutung – mit und ohne arterio-­ venöse Fistel – kann auf ein Schilddrüsenkarzinom hinweisen. Elastografie | Mit Hilfe der Elastografie lässt sich die Festigkeit von Schilddrüsenläsionen bestimmen. So weisen Schilddrüsenkarzinome oft einen höheren Härtegrad auf als benigne Veränderungen. „Weiche“ Knoten haben einen hohen negativen Vorhersagewert. Ein mäßig hoher positiver prädiktiver Wert im Hinblick auf ein Schilddrüsenmalignom wird lediglich erreicht, wenn die Läsion „hart“ vermessen wird. Abhängig vom ­Tumortyp, scheint es jedoch Unterschiede zu ­geben: So sind z. B. follikuläre Schilddrüsenkarzinome allgemein elastischer. Umgekehrt können

Tab. 3  Gängige Sonografieparameter zur Dignitätsabschätzung [3].

Parameter

Sensitivität (%)

Spezifität (%)

Positiver prädiktiver Wert (%)

Negativer prädiktiver Wert (%)

Mikrokalzifikationen

26–59

86–95

24–71

42–94

Hypoechogenität

27–87

43–94

11–68

74–94

Irreguläre Begrenzung, kein Halo

17–78

39–85

9–60

39–98

Solider Aufbau

69–75

53–56

16–27

88–92

Intranoduläre Perfusion

54–74

79–81

24–42

86–97

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Bei der Beurteilung fokaler Läsionen sind folgende Parameter zu erheben: ▶▶ Größe ▶▶ Randbegrenzung (scharf / unscharf) ▶▶ echoarmer Randsaum (Halo-Zeichen), ▶▶ etwaige Verkalkungen (Mikro- / Makrokalk) ▶▶ Echogenität (echonormal, echoreich, echoarm ▶▶ echokomplex, echofrei) (▶ Abb. 4) ▶▶ Größe und Struktur zervikaler Lymphknoten ▶▶ Merkmale der zentralen und peripheren Durchblutung der Läsion Einen Überblick über die gängigen Sonografieparameter zur Dignitätsabschätzung gibt ▶ Tab. 3.



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Beurteilungskriterien | Die Schilddrüse bzw. ihre fokalen Läsionen sollten anhand von verschie­ denen Beuteilungskriterien untersucht werden. Dazu gehören: ▶▶ Größe beider Lappen ▶▶ Echogenität (wie etwa pathologisch verändert bei Autoimmunprozessen) ▶▶ Perfusion (z. B. „Thyroid storm“) ▶▶ Vorhandensein fokaler Läsionen

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Dossier Abb. 4  Sonografie einer echoarmen Läsion im Isthmusbereich rechts paramedian (Papilläres Schilddrüsenkarzinom pT3 pR2 pV1 bei einem 82-jährigen Patienten).

auch benigne Läsionen, wie fokale Autonomien, einen erhöhten Härtegrad aufweisen [5]. Um die Elastografie zu interpretieren, sollte man den Szintigrafiebefund kennen. Die Elastografie wird zudem weniger valide, wenn multinodöse Strumen und Kalzifikationen vorliegen. Kontrastsonografie | Die Sonografie mit kontrastverstärkenden Substanzen wie „Microbubbles“ hat in den bisher veröffentlichten Studien nicht zu einer signifikant höheren Detektionsrate von Schilddrüsenkarzinomen geführt. Daher scheint sie der konventionellen Sonografie in Kombination mit der Farbduplexsonografie nicht überlegen zu sein.

Szintigrafie Technische Grundlagen | Für die weitere, funktionellen Abklärung von Schilddrüsenläsionen stehen verschiedene nuklearmedizinische Methoden zur Verfügung. Die konventionelle, planare Szintigrafie der Schilddrüse nach Applikation von Technetium-99 m (als Pertechnetat TcO 4) ist eine ubiquitär verfügbare, zügige, sichere und gut verträgliche Untersuchung, um die Funktionalität der Schilddrüse bzw. einer ­L äsion zu beurteilen. Allerdings wird der Stoffwechsel der Schilddrüse und ihrer Läsionen nicht vollständig nachempfunden. Der mem­ branständige Natrium-Iodid-Symporter (NIS) verkennt TcO 4 als Iodid und ­f ördert es nach in­ trazellulär (Iodination). Ein Einbau in Schild­ drüsenhormone (Iodisation) erfolgt nicht. Dennoch ist die initiale Pertechnetat-Aufnahme, auch Technetium-Uptake genant, ein äußerst ­solides Surrogat für n ­ ahezu alle abzuklärenden Störungen des Stoffwechsels der Schilddrüse oder einzelner Läsionen. Pfestroff A, Luster M. Wie werden Schilddrüsenknoten ...  Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 565–572

Die vollumfängliche Darstellung des Jodmetabolismus gelingt jedoch nur mit Jodisotopen (z. B. Jod-123) in der Basisdiagnostik oder auch Jod-131 bei malignen Erkrankungen.

Differenzierung der Läsionen | Bei der Szintigrafie wird eine semiquantitative Aussage bezüglich der Funktionalität der Läsion in Relation zum umliegenden Schilddrüsenparenchym getroffen. Demnach lassen sich Läsionen formell differenzieren in: ▶▶ hyperfunktionell ▶▶ isofunktionell ▶▶ hypofunktionell Häufig findet man die Begriffe „heißer“, „warmer“ und „kalter Knoten“ (▶ Abb. 5). Die Durchführung einer Szintigrafie ist erst ab einer Läsionsgröße von 1 cm sinnvoll. „Kalter“ Knoten | Wird ein Areal als hypofunktionell beschrieben, kann Malignität nicht ausgeschlossen werden. Die Wahrscheinlichkeit eines Schilddrüsenkarzinoms hängt vom klinischen Kontext ab und liegt beim „kalten Knoten“ bei etwa 2–5 %. Einfluss auf die a-priori-Wahrscheinlichkeit eines Malignoms haben u. a.: ▶▶ Alter ▶▶ Geschlecht ▶▶ Jodversorgung ▶▶ Struma ▶▶ Solitärität des Knotens Eine Form des „kalten Knotens“ ist die blande Zyste, die sich in der Regel sonografisch sicher diagnostizieren lässt. Diese allein ist keine Indikation für die Szintigrafie. „Heißer“ Knoten | Eine fokale Autonomie als Korrelat einer sonografisch beschriebenen Läsion lässt sich ebenfalls vergleichsweise leicht über die

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Dossier Szintigrafie und / oder Suppressionsszintigrafie abklären (▶ Abb. 6). Schwierig ist jedoch die weitere D ­ iagnostik bei hypofunktionellen Knoten oder dem kleinen Knoten ohne Korrelat in der Szintigrafie.

d. h. der in der Schilddrüse angereicherte prozentuale Anteil der applizierten Aktivität. Da es unter Suppressionsbedingungen zu einer intensiven Speicherung kommt, ist die Diagnose der fokalen Autonomie gesichert.

Sonografie bei Autonomie | Mit der Sonografie (bzw. mit zusätzlicher Dopplersonografie) lassen sich Autonomien weder beweisen, noch ausschließen. Sie hilft aber Herdbefunde zu identifizieren, die potenziell als unifokale oder multifokale Au­tonomie in Frage kommen.

Eine Feinnadelpunktion, z. B. um ein Malignom auszuschließen, ist in diesem Fall nicht erforderlich – eine Therapie bedenkenlos möglich. Die Radiojodtherapie ist risikoarm, weshalb man sie der Operation vorziehen sollte. Bei der Indikation müssen stets die Beschwerden und das Lebensalter berücksichtigt werden. Bei großen Strumen > 50 ml Gesamtvolumen sollte vor allem bei mechanischen Problemen eher operiert werden.

In einer Knotenstruma können autonome neben funktionell inaktiven und somit eventuell karzinomverdächtigen Knoten parallel vorkommen. Funktionell inaktive Knoten können auch bei zusätzlich bestehender disseminierter Autonomie auftreten. Ferner beweist auch ein supprimiertes basales TSH bei einer latenten Hyperthyreose nach Jodexzess (z. B. nach Röntgenkontrastmitteloder Amiodaron-Exposition) keine funktionelle Autonomie. Allerdings sollte man im Hinblick auf das Hyperthyreoserisiko bei Schilddrüsenknoten eine Autonomie ausschließen. Funktionsdiagnostik mit Elastografie? | Die zunehmend eingesetzte Elastografie hilft, die nichtinvasive Differenzialdiagnostik bei Schilddrüsenknoten zu optimieren. Welchen Stellenwert sie in der Funktionsdiagnostik der Schilddrüsenknoten einnimmt, ist jedoch aufgrund der derzeit begrenzten Datenlage schwer zu beurteilen. Szintigrafie ist entscheidend | Einzig die Szintigrafie ist unter Suppressionsbedingungen in der Lage, eine Autonomie zu beweisen oder auszuschießen. In der Primärdiagnostik thyreoidaler Knoten > 1 cm ist – ungeachtet des basalen TSH-Werts – eine Szintigrafie angezeigt.

Für die Szintigrafie der Schilddrüse wird in der klinischen Routine Tc-99 m-Pertechnetat benutzt. Hier gibt es zwei mögliche Konstellationen: 1. Bei einem spontan supprimiertem basalen TSH ( 1 cm ▶▶ Knoten jeder Größe (USA: > 5 mm) mit sonografischen Malignitätskriterien ▶▶ Knoten jeder Größe mit extrakapsulärem Wachstum oder metastasierten Lymphknoten ▶▶ Knoten jeder Größe bei Patienten mit einer Bestrahlung im Halsbereich in der Vorgeschichte ▶▶ Knoten mit erhöhten Calcitoninwerten nach Ausschluss beeinflußender Faktoren wie Rauchen, Protonenpumpeninhibitoren, Niereninsuffizienz, chronischer Alkoholkonsum ▶▶ echokomplexe Knoten ▶▶ Knoten von Patienten, bei denen bei erstgradigen Verwandten papilläre Schilddrüsenkarzinome oder medulläre Schilddrüsenkarzinome aufgetreten sind oder die ein Multiple Endokrine Neoplasie Typ 2 haben Soliden Anteil punktieren | Bei gemischt solide / flüssigkeitsgefüllten Läsionen punktiert man den soliden Anteil – die Zystenflüssigkeit sollte aber untersucht werden. Wenn kein Verdacht auf Malignität besteht, ist keine Punktion erforderlich. Diagnostische Punktionen von reinen Zysten Pfestroff A, Luster M. Wie werden Schilddrüsenknoten ...  Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 565–572

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Abb. 7  Überblick über die vier Modalitäten im Fallbeispiel (mit bestem Dank an D. Librizzi). (A) Sonografie: Rechtsseitiger, echoarmen Knoten (22 mm groß) mit inhomogenem Echomuster. (B) Elastografie: Homogen weicher Befund. (C) In der Tc-99 m-PertechnetatSzintigrafie ist ein hypofunktionelles Areal rechts zu erkennen. (D) Die Tc-99 m-SestamibiSzintigrafie zeigt eine deutliche Mehranreicherung.

Dossier sollten ebenfalls nicht erfolgen. Therapeutische Entlastungen hingegen können klinisch durchaus sinnvoll sein.

PET / CT der Goldstandard der Ganzkörperdiagnostik. Konsequenz für Klinik und Praxis ▶▶ Schilddrüsenknoten sind oft ein Zufallsbefund. ▶▶ Mit Hilfe der Sonografie lassen sich morpholo-

Calcitonin-Bestimmung Dr. Andreas Pfestroff ist Oberarzt in der Klinik für Nuklearmedizin an der Uniklinik Marburg. [email protected]

Prof. Dr. Markus Luster ist Direktor der Klinik für Nuklearmedizin an der Uniklinik Marburg. [email protected]

Calcitonin-Screening umstritten | Der positive prädiktive Wert (PPV) bei leicht erhöhtem basalen Calcitoninwert für die Diagnose von medullären Schilddrüsenkarzinom (MTC) ist nach wie vor umstritten. In einer deutschen, 2012 veröffentlichten Studie mit 11 270 Patienten, bei denen ein Schilddrüsenknoten nachgewiesen wurde, zeigte sich bei 32 Patienten basal und nach Pentagastrinstimulation eine Hypercalcitoninämie [19]. 20 dieser Patienten wurden operiert, bei 10 wurde ein MTC gefunden. Der positive prädiktive Wert (PPV) für ein MTC betrug damit 31 % – in der Gruppe der operierten Patienten sogar 50 %. In ­einer Untergruppe von 26 Patienten mit basalen CT von 13 bis 50 pg / ml wurden 14 Patienten ­operiert, in 4 Fällen fand sich ein MTC. Jedoch ist Pentagastrin in Deutschland nicht zugelassen und muss über eine internationale Apotheke ­besorgt werden.

▶▶

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Literatur 1 Reiners C. Thyroid gland ultrasound screening (Papillon Initiative). Report of 15 incidentally detected thyroid cancers]. Internist 2003; 44: 412–419 2 Völzke H et al. The prevalence of undiagnosed thyroid disorders in a previously iodine-deficient area. Thyroid 2003; 13: 803–810 3 Frates MC et al. Management of thyroid nodules detected at US: Society of Radiologists in Ultrasound consensus conference statement. Radiology 2005; 237: 794–800 4 Wiest PW. Thyroid palpation versus high-resolution thyroid ultrasonography in the detection of nodules. J Ultrasound Med 1998; 17: 487–496 5 Ruhlmann M, Stebner V, Görges R et al. Diagnostik hyperfunktioneller Schilddrüsenknoten. Bedeutung der US-Elastographie. Nuklearmedizin 2014; 53: 173–177 6 Dietlein M, Eschner W, Lassmann M et al. Procedure guideline for thyroid scintigraphy (version 4). Nuklearmedizin 2014; in press 7 Schicha H, Hellmich M, Lehmacher W et al. Should all patients with thyroid nodules ≥ 1 cm undergo fine-needle aspiration biopsy? Nuklearmedizin 2009; 48: 79–83 8 Brito JP, Morris JC, Montori VM. Thyroid cancer: zealous imaging has increased detection and treatment of low risk tumours. BMJ 2013; 347: f4706 9 Ross DS, Tuttle RM. Observing micopapillary thyroid cancers. Thyroid 2014; 24: 3–6 10 Ito Y, Miyauchi A, Kihara M et al. Patient age is significantly related to the progression of papillary microcarcinoma of the thyroid under observation. Thyroid 2014; 24: 27–34 11 Sugitani I, Toda K, Yamada K et al. Three distinctly different kinds of papillary thyroid microcarcinoma should be recognized: our treatment strategies and outcomes. World J Surg 2010; 34: 1222–1231 12 Luster M, Weber T, Verburg FA. Differentiated thyroid cancer-personalized therapies to prevent overtreatment. Nat Rev Endocrinol 2014; 10: 563–574 13 Theissen P, Schmidt M, Ivanova T. MIBI scintigraphy in hypofunctioning thyroid nodules-can it predict the dignity of the lesion? Nuklearmedizin 2009; 48: 144–152

Werden alle klinischen Daten berücksichtigt, hat das Calcitonin-Screening einen akzeptablen PPV für das MTC bei Patienten mit Schilddrüsenknoten.

Das Screening sollte in spezialisierten Zentren eingesetzt werden. Bei einer eigenen bisher unveröffentlichten Studie hatten bei einem Kollektiv von 4858 gescreenten Patienten lediglich 2 ein MTC. Diese sehr geringe Prävalenz rechtfertigt die Kosten des (Massen-) Screenings kaum.

Stellenwert anderer bildgebender Verfahren CT und MRT nicht geeignet | Die Fachgesellschaften empfehlen weder Magnetresonanztomografie (MRT) noch Computertomografie (CT) in der Routinediagnostik von Schilddrüsenknoten (ETA). Beide Verfahren geben keine validen Informationen über die Dignität eines Schilddrüsenknotens – ausser, dass sie ein organüberschreitendes Wachstum nachweisen. Der bei der Schilddrüsendiagnostik relevante Weichteilkontrast der CT in Nativtechnik ist deutlich eingeschränkt. Interessenkonflikt Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. DOI 10.1055/s-0041-101539 Published online: 1.4.2015 Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 565–572 © Georg Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-0472

Cave  Jodhaltige Röntgenkontrastmitteln sollten bei CT-Untersuchungen strikt vermieden werden, da eine eventuell notwendige Radiojodtherapie bei einem Schilddrüsenkarzinom sonst über ­Monate verzögert werden kann.

Anders sieht es beim fortgeschrittenen, jodrefraktären Schilddrüsenkarzinom aus: Hier ist die

gische Veränderungen darstellen. Autonomien können mit ihr nicht erkannt werden. Einzig die Szintigrafie ist unter Suppressionsbedingungen in der Lage, eine Autonomie zu beweisen oder auszuschießen. Wird ein Areal als hypofunktionell beschrieben, muss ein maligner Befund ausgeschlossen werden. Beim papillären Mikrokarzinom ist eine Operation nicht unbedingt notwendig. Der Patient sollte über die Alternative – eine engmaschige sonografische Kontrolle der Läsionen – aufgeklärt werden. Die Tc-99 m-Sestamibi-Szintigrafie zeigte sich der Feinnadelpunktion bisher nicht überlegen. CT und MRT werden in der Routinediagnostik von Schilddrüsenknoten nicht empfohlen.

Vollständiges Literaturverzeichnis unter http://dx.doi.org/10.1055/s-0041-101539

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Dossier 18 Harrell RM, Bimston DN. Surgical utility of Afirma: effects of high cancer prevalence and oncocytic cell types in patients with indeterminate thyroid cytology. Endocrine Practice 2014; 20: 364–369 19 Schneider C, Kobe C, Schmidt M et al. Calcitonin screening in patients with thyroid nodules. Diagnostic value. Nuklearmedizin 2012; 51: 228–233 20 Dralle H. Inzidentalome der Schilddrüse. Überdiagnostik- und Therapie gesunder Schilddrüsenkranker? Chirurg 2007; 78: 677–686 21 Horvath E, Majlis S, Rossi R et al. An Ultrasonogram Reporting System for Thyroid Nodules Stratifying Cancer Risk for Clinical Management. J Clin Endocrinol Metab 2009; 90: 1748–1751

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14 Cooper DS, Doherty GM, Haugen BR et al. Revised American Thyroid Association Management Guidelines for Patients with Thyroid Nodules and Differentiated Thyroid Cancer: The American Thyroid Association (ATA) Guidelines Taskforce on Thyroid Nodules and Differentiated Thyroid Cancer. Thyroid 2009; 19: 1167–1214. 15 Gharib H, Papini E, Paschke R et al. American Association of Clinical Endocrinologists, Assoziatione Medici Endocrinologi, European Thyroid Association Medical Guidelines for Clinical Practice for the Diagnosis and Management of Thyroid Nodules. Endocr Pract 2010; 16 Suppl 1: 1–43 16 Nikiforov YE, Nikiforova MN. Molecular genetics and diagnosis of thyroid cancer. Nat Rev Endocrinol 2011; 7: 569–580 17 Alexander EK, Kennedy GC, Baloch ZW et al. Preoperative diagnosis of benign thyroid nodules with indeterminate cytology. N Engl J Med 2012; 367: 705–715

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[How are thyroid nodules diagnosed?].

The prevalence of thyroid nodules in Germany - depending on the diagnostic technique used - ranges from 20 to 50 %. The overall incidence increases, p...
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