Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) (2014) 108, 251—257

Online verfügbar unter www.sciencedirect.com

ScienceDirect journal homepage: http://journals.elsevier.de/zefq

SCHWERPUNKT

Krankenhausfälle für ambulant behandelbare Erkrankungen in Deutschland Hospitalisations for ambulatory care sensitive conditions in Germany Tobias Freund 1,∗, Günther Heller 2, Joachim Szecsenyi 1,2 1 2

Universitätsklinikum Heidelberg, Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Heidelberg AQUA - Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Göttingen

Eingegangen/submitted 1. März 2014; überarbeitet/revised 21. April 2014; akzeptiert/accepted 5. Mai 2014

SCHLÜSSELWÖRTER Ambulante Versorgung; vermeidbare Krankenhausaufenthalte; Qualitätsindikatoren; chronische Krankheiten



Zusammenfassung Hintergrund: International werden Krankenhauseinweisungsraten für ambulant behandelbare Erkrankungen als populationsbezogene Indikatoren für die Verfügbarkeit und Qualität ambulanter Versorgung eingesetzt. Grundlage ist die Annahme, ein Teil dieser Krankenhauseinweisungen sei durch ambulante Maßnahmen vermeidbar. Der Sachverständigenrat für das Gesundheitswesen in Deutschland schlägt in seinem aktuellen Sondergutachten zu diesem Zweck die Betrachtung von Krankenhauseinweisungen bei Diabetes, Asthma, Hypertonie und Herzinsuffizienz vor. Ziel der Arbeit: Dieser Artikel untersucht regionale Unterschiede hinsichtlich dieser Indikatoren sowie ihre zeitliche Entwicklung und diskutiert mögliche Erklärungen. Material und Methoden: Auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes werden deskriptivstatistische Analysen sowie raumanalytische Regressionsmodelle dargestellt. Einbezogen wurden Daten der Krankenhaus-und Ärztestatistik. Die raumanalytischen Modelle wurden auf Basis bayesianischer Statistik erstellt. Ergebnisse: Während zwischen 2000 und 2010 die Zahl der Krankenhausfälle für Asthma abgenommen hat, ist sie für die Indikationen Diabetes, Hypertonie und Herzinsuffizienz angestiegen. Der Vergleich altersstandardisierter Fallzahlen zwischen einzelnen Bundesländern zeigt insbesondere in den östlichen Bundesländern sowie im Saarland für den beobachteten Zeitraum überdurchschnittlich hohe Krankenhausfallzahlen. Dies lässt sich zumindest teilweise durch Unterschiede in der Hausarztdichte bzw. der Zahl aufgestellter Betten in Allgemeinkrankenhäusern erklären.

Korrespondenzadresse: Dr. med. Tobias Freund, Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Voßstraße 2, 69115 Heidelberg. Tel.: +49 (0) 6221 56 39160; Fax: +49 (0) 6221 56 1972 E-Mail: [email protected] (T. Freund).

http://dx.doi.org/10.1016/j.zefq.2014.05.001 1865-9217/

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T. Freund et al. Diskussion: Wenngleich nicht alle Krankenhausfälle aufgrund ambulant behandelbarer Erkrankungen vermeidbar sind, zeigen diese Ergebnisse Potential für eine Optimierung der ambulanten Versorgung in Deutschland.

KEYWORDS Ambulatory care sensitive conditions; avoidable hospitalisations; chronic care; quality indicators

Summary Background: On the basis of the assumption that a significant proportion of hospitalisations for so-called ambulatory care sensitive conditions (ACSCs) are potentially avoidable by ambulatory care measures, hospitalisation rates for ACSCs are used internationally as population based indicators for access to and quality of ambulatory care. The German Council of Health Experts proposes hospitalisation rates for diabetes, asthma, hypertension and chronic heart failure as ACSC measures in Germany. Objectives: This article focuses on regional differences in ACSC rates, describes the longitudinal development and explores potential determinants. Material and methods: Descriptive statistical analyses as well as spatial regression analyses were performed on the basis of Federal Statistical Office data. We included data from the hospital and physician statistics. Bayesian spatial regression techniques were used. Results: Whereas hospitalisation rates for asthma decreased between 2000 and 2010, hospitalisation rates for diabetes, hypertension and chronic heart failure increased. Comparing age-adjusted ACSC rates across all German federal states, the Eastern states as well as Saarland showed significantly higher ACSC rates over time. This observation can in part be explained by physician density and the number of hospital beds. Conclusion: Although not all ACSC hospitalisations can be avoided, these results display a potential for optimising care across healthcare sectors in Germany.

Hintergrund Vermeidbare Krankenhauseinweisungen verursachen Kosten im Gesundheitssystem und stellen für Patienten und Angehörige eine potentielle Belastung dar [1]. Im Jahr 1993 bewerteten Billings et al. [2] im Rahmen eines Konsensusverfahrens unterschiedliche Erkrankungen inwieweit sich Krankenhauseinweisungen für diese Indikationen durch eine einfach zugängliche und qualitativ hochwertige ambulante Versorgung verhindern ließen. Das Ergebnis war ein erstes Set so genannter ,,ambulatory care sensitive conditions‘‘ (ACSC), d.h. ambulant behandelbarer Erkrankungen [2]. Krankenhauseinweisungen für diese Indikationen könnten sich, zumindest teilweise, durch primärpräventive Maßnahmen (z.B. Impfungen), rechtzeitige Kontrolle einer akuten Verschlechterung oder optimales Langzeitmanagement chronischer Krankheiten (inkl. Sekundärprävention) verhindern lassen. Vor diesem Hintergrund wurden diese Indikationen als populationsbasierter Qualitätsindikator für die ambulante Versorgung empfohlen. In den vergangenen zwanzig Jahren sind in den USA, Australien, England, Spanien und weiteren Ländern eine Vielzahl von Indikatorensets von ACSC eingeführt worden [3]. Diese wurden jeweils den regionalen epidemiologischen und gesundheitspolitischen Verhältnissen angepasst, ein international geltendes Indikatorenset ist bisher nicht gefunden worden [3]. Aktuelle Studien zu Krankenhauseinweisungen für ACSC weisen auf ihre komplexe Kausalität hin [4]. So unterliegen etwa ursächliche Faktoren wie niedriger sozioökonomischer Status [5], geringe Hausarztdichte [6] und hohe regionale Krankenhausbettenzahl [7] nicht unmittelbar der Kontrolle ambulanter Leistungserbringer. Das aktuelle Sondergutachten des Sachverständigenrats Gesundheit in Deutschland ,,Wettbewerb an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer

Gesundheitsversorgung‘‘ stellt erstmals populationsbezogene Indikatoren zu potentiell vermeidbaren Krankenhauseinweisungen in Deutschland vor. Basierend auf der Prävalenz in der hausärztlichen Praxis werden Einweisungen für Diabetes, Asthma, Herzinsuffizienz und Hypertonie zum regionalen Vergleich empfohlen. Daten zur regionalen Verteilung von Krankenhausfällen zu diesen Indikationen könnten zu einer sektorübergreifenden Qualitätsdiskussion beitragen [8]. Bisher fehlen in Deutschland Veröffentlichungen zu longitudinalen regionalen Vergleichen von Krankenhausfallzahlen für diese Auswahl ambulant behandelbarer Indikationen. Ziel dieser Arbeit ist daher eine Darstellung der Krankenhausfallzahlen, ihrer zeitlichen Entwicklung und eine Diskussion möglicher Einflussfaktoren wie Hausarztdichte und Krankenhausbettenzahl.

Methoden Analysebasis der vorliegenden Arbeit sind die Daten des Statistischen Bundesamtes und der Gesundheitsberichterstattung des Bundes (GBE). Es werden absolute Werte sowie altersstandardisierte Werte berichtet, um die Daten verschiedener Jahre bzw. verschiedener Regionen miteinander vergleichen zu können. Für die betrachteten Indikationen wurden die Kodierungen der ICD10-GM verwendet: Herzinsuffizienz (I50), Diabetes mellitus (E10-E14), Asthma bronchiale (J45-J46), Hypertonie (I10-I15). Diagnosedaten wurden der Krankenhausstatistik des Statistischen Bundesamtes entnommen [9]. Der fallbezogenen Diagnosestatistik liegt eine Vollerhebung der Krankenhäuser zugrunde. Für die Betrachtung des zeitlichen Verlaufs wurden Daten aus den Jahren 2000-2010 in die Analyse einbezogen. Daten zur Anzahl der aufgestellten Krankenhausbetten wurden der Krankenhausstatistik des Statistischen Bundesamtes entnommen. ,,Aufgestellte Betten‘‘ sind alle

Krankenhausfälle für ambulant behandelbare Erkrankungen in Deutschland betriebsbereit aufgestellten Betten des Krankenhauses, die zur vollstationären Behandlung von Patientinnen und Patienten bestimmt sind. Die Zahl der aufgestellten Betten wird als Jahresdurchschnittswert der an den Monatsenden vorhandenen Bettenzahl ermittelt. Betten zur teilstationären oder ambulanten Unterbringung, Betten in Untersuchungsund Funktionsräumen sowie Betten für gesunde Neugeborene werden nicht einbezogen [9]. Es wurden ausschließlich allgemeine Krankenhäuser (ohne Einrichtungen zur Rehabilitation und Vorsorge) für die Berechnung herangezogen. Die Darstellung der Zahl der Hausärzte erfolgt standardisiert auf 100.000 Einwohner anhand der Ärztestatistik des Statistischen Bundesamtes. Diese basiert auf dem Bundesarztregister des Kassenärztlichen Bundesvereinigung [10]. Die Definition ,,Hausarzt/Hausärztin‘‘ richtet sich dabei nach § 73 Abs. 1a SGB V: Allgemeinärzte, Kinderärzte, Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung, die die Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung gewählt haben; Ärzte, die nach § 95a Abs. 4 und 5 Satz 1 in das Arztregister eingetragen sind und Ärzte, die am 31. Dezember 2000 an der hausärztlichen Versorgung teilgenommen haben. Neben deskriptiv-statistischen Verfahren kamen raumanalytische Regressionsmodelle auf Basis der Bayesianischen Statistik zum Einsatz [11]. Hierzu wurden auf Basis der vorliegenden Daten sowie der formalisierten Regressionsmodelle Simulationen mit Hilfe so genannter MonteCarlo-Markov-Ketten vorgenommen. Ziel war es dabei, die Wahrscheinlichkeit der Alternativhypothese ,,Regionale Fallzahl liegt über bzw. unter dem Bundesdurchschnitt‘‘ sowie im Rahmen von linearen Regressionsmodellen die Wahrscheinlichkeit der Alternativhypothese ,,Es besteht ein Zusammenhang zwischen Hausarztdichte bzw. Zahl aufgestellter Krankenhausbetten und regionaler Fallzahl‘‘ zu testen. Dabei wurden sowohl Effekte der räumlichen Nachbarschaft als auch Zeitreiheneffekte mit Hilfe von ,random-effects‘ bzw. ,continuous time linear autoregressive functions‘ berücksichtigt. Entsprechend der methodischen Standards dieses, im Bereich der Raumanalysen weit verbreiteten, Modellansatzes wurden grundsätzlich zwei parallele Simulationen mit unterschiedlichen Ausgangswerten vorgenommen und ihre Konvergenz mit Hilfe der

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Gelman-Rubin-Statistik für alle dargestellten Parameter formal überprüft [12]. Die dargestellten Ergebnisse wurden mit jeweils 300.000 bis 800.000 Simulationen errechnet, so dass der Monte Carlo Standard Fehler weniger als 1% der posterioren Standardabweichung betrug. Verwendet wurde die Programme WinBUGS Version 1.4.3 [13] sowie R Version 2.15.3 [14].

Ergebnisse Im Folgenden werden Krankenhausfälle für die Indikationen Herzinsuffizienz, Diabetes mellitus, Asthma bronchiale und Hypertonie im regionalen Vergleich zwischen den Bundesländern für den Zeitraum von 2000 bis 2010 dargestellt. Zeitliche Entwicklung von Krankenhauseinweisungen für ambulant behandelbare chronische Erkrankungen Während bei der Indikation Asthma bronchiale zwischen 2000 und 2010 ein Abfall der absoluten — nicht altersstandardisierten — Zahl der vollstationären Krankenhausfälle zu beobachten ist (von 47.973 [2000] auf 26.751 [2010], -21.222 Fälle, -44%), stiegen Krankenhausfälle für die übrigen Indikationen zwischen 2000 und 2010 an: Herzinsuffizienz (von 239.694 [2000] auf 371.335 [2010], +131.641 Fälle, +55%), Diabetes mellitus (von 102.405 [2000] auf 172.303 [2010], +69.898, +68%) und Hypertonie (von 134.372 [2000] auf 205.496 [2010], +71.124, +53%) (siehe Abbildung 1). Regionale Unterschiede bei der Versorgung ambulant behandelbarer chronischer Erkrankungen Betrachtet man die altersstandardisierten Raten vollstationärer Krankenhausfälle pro 100.000 Einwohner für die betrachteten Indikationen für den Zeitraum 20002010 so zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern (Abbildung 2). Auffällig ist insbesondere, dass bei den Indikationen Diabetes,

Abbildung 1 Zeitliche Entwicklung der Fallzahl vollstationären Krankenhausfälle aufgrund ambulant behandelbarer chronischer Krankheiten 2000-2010

254

T. Freund et al.

Abbildung 2 Altersstandardisierte Raten vollstationärer Krankenhausfälle pro 100.000 Einwohner für ambulant behandelbare chronische Krankheiten im regionalen Vergleich

Herzinsuffizienz und Hypertonie die östlichen Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und SachsenAnhalt deutlich überdurchschnittliche altersadjustierte Fallzahlen im Vergleich zum Bundesdurchschnitt aufwiesen. Baden-Württemberg zeigt hingegen als einziges Bundesland konsistent für alle untersuchten Indikationen unterdurchschnittliche altersadjustierte Fallzahlen im beobachteten Zeitraum. Die Größenordnung der über den Zeitraum gemittelten relativen regionalen Abweichungen vom Bundesdurchschnitt schwanken für die einzelnen Indikationen zwischen — 30% und +53% (siehe Tabelle 1). Dabei weist die Hausarztdichte einen positiven Zusammenhang zu altersadjustierten Krankenhausfallzahlen mit Hypertonie (+5 Fälle jährlich pro zusätzlichem Hausarzt je 100 Einwohner) und einen negativen Zusammenhang mit altersadjustierten Krankenhausfallzahlen für

Herzinsuffizienz (-1 Fall jährlich pro zusätzlichem Hausarzt je 100 Einwohner) auf. Demgegenüber findet sich ein Zusammenhang zwischen der Zahl der aufgestellten Betten in Allgemeinkrankenhäusern und der altersadjustierten Krankenhausfallzahl für Herzinsuffizienz (+2 Fälle jährlich pro zusätzlich aufgestelltem Bett je 100 Einwohner). Für alle übrigen Indikationen zeigte sich in den vorgenommenen Simulationen kein Einfluss von Hausarztdichte oder Krankenhausbettenzahl.

Diskussion Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes die zeitliche Entwicklung sowie regionale Unterschiede hinsichtlich vollstationärer Krankenhausaufenthalte für die ambulant behandelbaren

Krankenhausfälle für ambulant behandelbare Erkrankungen in Deutschland

255

Tabelle 1 Populationsadjustierte Krankenhausfälle für ambulant behandelbare chronische Krankheiten im Vergleich mit dem Bundesdurchschnitt in den Jahren 2000-2010.

Anteil der Varianz der Krankenhausfälle, der durch Wohnort des Patienten zu erklären ist# Schleswig-Holstein Hamburg Niedersachsen Bremen Nordrhein-Westfalen Hessen Rheinland-Pfalz Baden-Württemberg Bayern Saarland Berlin Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern Sachsen Sachsen-Anhalt Thüringen Einflussfaktoren Hausarzt pro 100 Einwohner Aufgestellte Krankenhausbetten/100.000 Einwohner

Asthma

Diabetes

Hypertonie

Herzinsuffizienz

23%

8%

10%

17%

-4%1 [-20% bis +14%] +13% [-6% bis + 34%] +5% [-13% bis +24%] +14% [-5% bis +35%] +20% [+1% bis +43%] -4% [-21% bis +14%] +3% [-14% bis + 23%] -15% [-30% bis ±0%] +2% [-15% bis +21%] +23% [+2% bis +46%] -38% [-50% bis - 27%] +1% [-16% bis +20%] -7% [-23% bis +1%] -13% [-28% bis +3%] +40% [+17 bis +66%] -7% [-23% bis +10%]

-14% [-38% bis +11%] -29% [-49% bis -8%] -11% [-36% bis +16%] -13% [-38% bis +13%] -2% [-29% bis +27%] ± 0% [-28% bis +31%] -26% [-47% bis -4%] -15% [-39% bis +10%] -8% [-34% bis +19%] -4% [-30% bis +26%] -11% [-36% bis +15%] +27% [-8% bis +66%] +67% [+20% bis +117%] +12% [-19% bis +46%] +45% [+5% bis +89%] +36% [-2% bis +77%]

-20% [-41% bis +5%] -30% [-48% bis -19%] -12% [-35% bis +16%] -17% [-39% bis +8%] +14% [-16% bis +49%] -5% [-30% bis +24%] +9% [-20% bis +42%] -30% [-49% bis -9%] -3% [-28% bis +27%] +4% [-23% bis +36%] -32% [-50% bis -11%] +29% [-4% bis +69%] +53% [+13 bis +100%] +8% [-20% bis +42%] +40% [+4% bis +83%] +53% [+14 bis +101%]

-23% [-40% bis -4%] -12% [-31% bis +10%] -6% [-26% bis +17%] -27% [-43% bis -10%] ±0 [-21% bis +25%] -4% [-24% bis +20%] +7% [-15% bis +34%] -22% [-39% bis -3%] -1% [-21% bis +24%] +24% [-2% bis +55%] +6% [-16% bis +32%] +23% [-3% bis +54%] +24% [-2% bis +55%] ±0 [-21% bis +25%] +25% [-1% bis +56%] +21% [-5% bis +51%]

- 3 Fälle2 [- 3 bis +6] + 1 Fall [-1 bis +1]

- 1 Fall [-6 bis + 3] + 1 Fall [± 0 bis + 1]

+ 5 Fälle [+1 - +10] ±0 [- 1 bis ± 0]

- 1,1 Fall [- 1,4 bis -0,7] + 2 Fälle [+1 bis +2]

# Der

Varianzanteil durch regionale Verteilung (unabhängige Variable) wurde mit Hilfe von Regressionsmodellen im Rahmen einer MonteCarlo-Markov-Ketten Simulation ermittelt. 1 Dargestellt ist die prozentuale Abweichung der Krankenhausfälle im entsprechenden Bundesland verglichen mit dem Bundesdurchschnitt (sowie 95% Konfidenzintervall des Schätzwertes in Klammern) für den Zeitraum von 2000-2010. Die Daten wurden mit Hilfe von Regressionsmodellen im Rahmen einer Monte-Carlo-Markov-Ketten Simulation ermittelt. 2 Dargestellt sind absolute Fallzahlen auf Basis der Betakoeffizienten sowie 95% Konfidenzintervalle des Schätzwertes in Klammern. Die Daten wurden mit Hilfe von Regressionsmodellen im Rahmen einer Monte-Carlo-Markov-Ketten Simulation ermittelt.

chronischen Erkrankungen Asthma, Diabetes, Herzinsuffizienz und Hypertonie. Zusammenfassend zeigt sich für alle im Sachverständigenratsgutachten genannten populationsbezogenen Indikatoren für potentiell verringerbare Krankenhausfälle Handlungsbedarf. Die Entwicklung der stationären

Krankenhausfälle aufgrund von Asthma ist kontinuierlich rückgängig. Dennoch zeigen sich auch auf insgesamt niedrigem Gesamtniveau noch deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern. Während etwa stationäre Asthmafälle in Berlin in den Jahren 2000-2010 38% unter dem Bundesdurchschnitt lagen, wies Sachsen-Anhalt im selben Zeitraum

256 stationäre Asthmafälle in Höhe von 40% über dem Bundesdurchschnitt auf. Betrachtet man zusätzlich Saarland (+23%) sowie Nordrhein-Westfalen (+20%), so ist möglicherweise ein Teil der beobachteten Fallzahlunterschiede der Verbreitung von Industrieanalagen zuzuordnen. Insgesamt ist der Einfluss der räumlichen Verteilung für die Indikation Asthma, mit 23% Anteil der erklärten Varianz, am höchsten. Die Zahl der vollstationären Krankenhausfälle für Diabetes ist in den vergangenen 11 Jahren deutlich gestiegen. Der Anstieg der Krankenhausfälle verlief insbesondere in den Jahren 2000 bis 2005 steiler als in den Jahren 2005 bis 2010, ein Effekt der möglicherweise auf die verbindliche Einführung von Fallpauschalen im Jahr 2004 zurückzuführen ist. Im regionalen Vergleich finden sich insbesondere in den östlichen Bundesländern deutlich überdurchschnittliche Fallzahlen. Mecklenburg-Vorpommern zeigt dabei mit 67% über dem Bundesdurchschnitt liegenden Fallzahlen den deutlichsten Anstieg. Für die Indikation Hypertonie zeigt sich interessanterweise für den Einfluss der Hausarztdichte ein inverser Trend. Höhere Hausarztdichte führt zu einem Anstieg stationärer Einweisungen, von denen die Mehrzahl jedoch Kurzzeiteinweisungen sind [9]. Es bleibt fraglich, welcher Anteil dieser Hospitalisierungen potentiell vermeidbar wäre. Augenfällig ist jedoch, dass es im Vergleich zu den anderen drei Indikatoren für diese Indikation als einzige kein eigenes Disease Management Programm gibt. Allerdings könnte der Effekt einer vermehrten Krankenhauseinweisung wegen Hypertonie auch über eine vermehrte Detektion von Hypertonie in der Primärversorgung interpretiert werden, die sekundär konsekutiv zu einer niedrigeren Prävalenz an Krankenhausaufenthalten mit Herzinsuffizienz führt. Ein Phänomen, welches insgesamt zu begrüßen wäre. Für die Herzinsuffizienz zeigt sich ein stetiger Anstieg der bereits im Jahr 2000 hohen Krankenhausfallzahlen innerhalb der vergangenen zehn Jahre. Im regionalen Vergleich zeigen insbesondere Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und das Saarland deutlich überdurchschnittliche Fallzahlen, ein Umstand der sich offenbar durch eine geringe Hausarztdichte einerseits und eine höhere Bettenzahl in Allgemeinkrankenhäusern andererseits zumindest teilweise erklären lässt. Es gilt, geeignete Strategien zur Optimierung der ambulanten bzw. sektorübergreifenden Versorgung von Patienten mit Herzinsuffizienz in Deutschland zu entwickeln. Eine Notwendigkeit, die sich aufgrund der demografischen Entwicklung und des darauf zu erwartenden Anstiegs der Herzinsuffizienzprävalenz weiter verstärken wird [15]. Einen ersten Ansatz stellt bereits das DMP Modul Herzinsuffizienz dar, welches im Jahr 2009 eingeführt wurde [16]. Inwieweit die beobachtete Zunahme der stationären Versorgung von Patienten mit Herzinsuffizienz mit der Dichte der stationären Versorgung durch die DRG-Einführung oder aber auch durch eine im vergangenen Jahrzehnt zunehmend durchgeführte Implantation von implantierbaren Defibrillatoren erklärt werden kann, ist Gegenstand laufender Analysen. Vergleicht man die hier dargestellten Ergebnisse mit einer Kleinraumanalyse deutscher Kreise zum Einfluss der Arztdichte auf die Zahl potentiell vermeidbarer Krankenhausfälle auf Basis des britischen Indikatorensets, so bestätigt diese weitgehend die in dieser Arbeit beobachteten regionalen Differenzen der Krankenhausfallraten

T. Freund et al. auf Ebene der Bundesländer [17]. Eine Ausnahme bilden die Kreise Ostbayerns, welche bei detaillierterer Betrachtung in der Kleinraumanalyse Krankenhausfallraten in der obersten Quartile zeigen. Hinsichtlich des Zusammenhangs von Hausarzt- bzw. Internistendichte auf die Gesamtzahl von Krankenhausfällen aufgrund ambulant behandelbarer Erkrankungen beobachteten Sundmacher und Busse, dass sehr niedrige Arztdichten mit niedrigeren Raten assoziiert sind, während im breitesten Beobachtungsbereich mittlerer Arztdichten eine Zunahme der Arztdichte zu einer Verringerung der Krankenhausfallraten führt. Dies könnte im ersten Fall durch fehlende Diagnostik in Gebieten ärztlicher Unterversorgung erklärbar sein. Niedrigeres Haushaltseinkommen sowie geringere Entfernung zum nächsten Krankenhaus zeigten sich insgesamt bei ihrer Analyse als signifikante Prädiktoren für Krankenhausfälle aufgrund der untersuchten ambulant behandelbaren Indikationen während die Zahl aufgestellter Krankenhausbetten keinen signifikanten Einfluss hatte [17]. Insgesamt bleibt hervorzuheben, dass der Indikator ,,stationäre Behandlungen aufgrund ambulant behandelbarer chronischer Erkrankungen‘‘ nur bedingt geeignet ist, die Qualität ambulanter Versorgung abzubilden [18,19]. Während vergleichende Betrachtungen auf der Makroebene Aufschluss über (regionale) Optimierungspotentiale geben können, zeigt sich auf der Ebene des einzelnen Falles eine hohe Komplexität der Ursachen ,,potentiell vermeidbarer Krankenhausfälle‘‘, welche nach Einschätzung von deutschen Hausärzten in weniger als der Hälfte der Fälle durch ambulante Versorger tatsächlich beeinflussbar sind [4]. Dabei sind derartige Analysen nur im Rahmen von patientenbezogenen longitudinalen Analysen möglich. So wird die Verringerung von tatsächlich vermeidbaren Krankenhausaufenthalten auch von Seiten des Sachverständigenrates als sektorübergreifende Aufgabe verstanden [8]. Die hier vorgelegten Analysen sollen hierzu einen ersten Anstoß liefern. Weitere Forschungsprojekte sollten sich zudem im Rahmen prospektiver Studien mit den Ursachen und ,,potentiellen Vermeidungsstrategien‘‘ von Krankenhausfällen aufgrund ambulant behandelbarer Erkrankungen befassen. Dabei sollte insbesondere die Patientenperspektive ausreichende Berücksichtigung finden. Die vorliegende Studie weist eine Reihe von Limitationen auf. Zunächst basieren alle dargestellten Analysen auf Daten des statistischen Bundesamtes. Zwar handelt es sich hierbei um eine verlässliche, auf Vollerhebungen gestützte, Datenquelle, doch beeinflusst das zugrundeliegende Kodierverhalten in Krankenhäusern maßgeblich die Qualität der Daten. Insgesamt ist bei den verwendeten stationären Daten allerdings allein aufgrund des Krankenhausentgeltgesetzes eine weitgehend einheitliche Kodierung anzunehmen. Die Einführung der verbindlichen stationären Fallpauschalen im Jahr 2004 stellt für die longitudinale Betrachtung eine relevante Einflussgröße dar, um die in der vorliegenden Arbeit durch geeignete statistische Verfahren adjustiert wurde. Der Sachverständigenrat rät in seinem aktuellen Gutachten ausdrücklich von einer prävalenzadjustierten Betrachtung der Krankenhausfälle ab, da sich ambulante Versorgungsqualität gerade auch im Bereich der Diagnostik zeige [8]. Allerdings limitiert diese Empfehlung Vergleiche über die Zeit bzw. zwischen einzelnen Regionen insofern, als dass der Einfluss

Krankenhausfälle für ambulant behandelbare Erkrankungen in Deutschland regional heterogener Krankheitsprävalenzen unberücksichtigt bleibt.

Fazit

[6]

Zusammenfassend zeigt sich für alle untersuchten Indikatoren Handlungsbedarf: Für die Indikationsgruppe Asthma ergaben sich deutliche regionale Schwankungen, die auf ungehobene Optimierungspotentiale in der Versorgung hindeuten und weiterer Detailanalysen bedürfen. Letzteres gilt auch für den beobachteten direkten Zusammenhang zwischen Hausarztdichte und Krankenhausfällen wegen Hypertonie einerseits und indirekten Zusammenhang zwischen Hausarztdichte und Krankenhausfällen wegen Herzinsuffizienz andererseits, der in der Summe auch ein Effekt der Sekundärprävention von Herzinsuffizienz durch ein intensivere Diagnostik und Therapie der Hypertonie verstanden werden könnte. Insbesondere in den östlichen Bundesländern sowie im Saarland bedarf es weiterer Anstrengungen einerseits bestehendem Hausärztemangel zu begegnen und andererseits durch optimierte ambulante und sektorübergreifende Versorgungskonzepte potentiell vermeidbare Krankenhauseinweisungen zu verringern.

[7]

[8]

[9]

[10]

[11]

[12]

Interessenkonflikte [13]

Keine. [14]

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[Hospitalisations for ambulatory care sensitive conditions in Germany].

On the basis of the assumption that a significant proportion of hospitalisations for so-called ambulatory care sensitive conditions (ACSCs) are potent...
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