48 Kim. Mb!. Augenheilk. 198 (1991)

Homonyme Hemianopsie als nngewöhnliches Leitsymptom beim chronischen subduralen Hämatom H. Huismans Nordenham

Der Autor berichtet einen 82jahrigen Patienten mit chronischem subduralen Hamatom. Aus der Anamnese war em Kopftrauma 4 Wochen zuvor bekannt. Das kraniale Computertomogramm deckte 2 subdura!e Hämatome auf, eines uber der rechten Hirnhemisphare mit leichter Verdrangung der Mittellinie sowie leichter Kompression des Seitenventrikels, das andere uber der linken Hirnhemisphare, kleiner als das erstgenannte. Das einzige neuro-ophthalmologische

Symptom war eine homonyme Hemianopsie nach !inks.

Homonymous Hemianopic Visual Field as an Uncommon Leading Symptom of Chronic Subdural Hematorna

Author reports on a 82-years old man with two chronic subdural hematomas after head-trauma 4 weeks ago: one above right cerebral hemisphere with light displacement of median line, light compression of side-ventricle, too. A second one fronto-temporal above left hemisphere, smaller than the other one. Defect of visual field was the only neuro-ophthalmologic sign.

Beiden Krankheitsformen gemeinsam ist em bestimmtes zeitliches Interval! zwischen Blutungsbeginn und klinischen Krankheitssymptomen. Fur das posttraumatische subdurale Hämatom betragt dieses etwa 4-8 Wochen (Huber, 1956).

Die Diagnosestellung ist im aligemeinen dadurch erschwert, daB sich ailgemeine Hirndrucksymptome (Stauungspapille, Halbseitenerscheinungen, Jackson-Anfalle) erst ganz allmahlich entwickeln bzw. fehien konnen: Kopfschmerz, ailgemeine Mattigkeit, zeitweilige Desorientierung, psychische Alterationen bis hin zu Personhichkeitsveranderungen und Apathie beherrschen die Symptomatik. Der aligemeine neuro!ogische Untersuchungsbefund ist oft unergiebig, mitunter bestehen hier die einzigen Symptome in geringen Reflexdifferenzen. Im Liquor cerebrospinalis können gelegentlich leichte Pleozy-

tose, Erythrozytenbeimengungen oder Xanthochromie nachgewiesen werden. Die neuro-ophthalmologischen Symptome wurden in Tabelle 1 zusammengesteilt. Daruberhinaus fand Huber Gesichtsfeldausfälle: homonyme Hemianopsie (parieto-okcipitales Hamatom) in einem Fall, homonyme Quadrantenanopsie (temporale, frontotemporale Lokalisation des Hämatoms) in zwei weiteren Fallen.

Material und Methode Eigene Beobachtung

Das chronische subdurale Hämatom tritt bekanntlich in zwei Erscheinungsformen auf, die sich nur histologisch durch Untersuchung der Randpartien des Hamatoms und der Dura mater (Grote, 1975) voneinander unterscheiden lassen: 1. die chronische post-traumatische Form meist jUngerer Patienten nach Schadeltrauma mit Einril3 von Brükkenvenen — auch mitverletzter arterieller Gefäl3e namentlich bei Hirnrindenkontusion — mit sich zwischen Dura mater und Arachnoidea ausbreitender Blutung, 2. die ,,Pachymeningiosis haemorrhagica interna" meist alterer Menschen mit Blutungen aus einem Granulationsgewebe der subendothelialen Schicht des inneren Durablattes sowohi post-traumatisch, als auch spontan bereits nach einem Bagatelitrauma, em- und auch doppelseitig.

82jahriger Patient. Aus der ailgemeinen Vorgeschichte bis auf eine maBige arterielle Hypotonie keine Besonder-

heiten bekannt. Auch die Augenanamnese 1st unauffallig. Der Patient ist dem Verfasser seit 10 Jahren bekannt. Die letzte Brille

ist in ihren optischen Werten seither unverandert. Ferne: beidseits +0,5 sph.—0,5 zyl./90°, Addition für die Nähe beidseits +3,0 sph. SR/SL 0,8 cc. Anamnese: vor genau 4 Wochen sei er vor seincr Haustür gestürzt und auf den Hinterkopf gefallen. Keine Bewufltlosigkeit, keine retrograde Amnesie. Vor einer Woche sei seiner Frau aufgefallen, daB er beim Autofahren ,,einen Linksdrall" besal3e, d.h. immer wieder auf die linke Fahrspur geriete. Daraufhin sei eine gründliche Untersuchung durch den Hausarzt durchgeführt worden, die jedoch einen vollig normalen Befund ergeben habe. hermit wolite sich die Ehefrau nicht zufriedengeben und suchte den Autor in seiner augenarztlichen Sprechstunde auf.

Befunde: SR/SL 0,4 s.c. Orthophorie. Keine Motilitatseinschrankungen bei Führungs-, Kommando- und Kim. Mbl. Augenheilk. 198 (1991) 48—50

1991 F. Enke Verlag Stuttgart

Spahbewegungen; keine Doppe!bi!der. Physiologische Pupillenreaktionen auf Licht- und Konvergenzimpuls regelrecht, bei iso-

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Zusammenfassung

K/in. Mb!. Augenheilk. 198 (1991) 49

Homonyme Hemianopsie a/s ungewohnliches Leitsymptom

Neuro-ophthalmoiogische Symptome beim subduralen Hämatom. KrayenbOhl und Noto, Neurochirurgische Klinik Zurich

Zahi der Fate (Gesamt: 50 Fallel

Neuro-ophthaimologisches Symptom Stauungspapiiie

Ails Ausbildungsgrade von geringer Papillenunschdrfe bis zur vollausgebildeten stark prominenten SIP. Homolateral gelegentlich deutircher ais kontralateral ausgeprdgt

Stbrung der Pupilienmotorik

Unilaterale Mydnase und Lichtstarre hm Regelfali homolaterai zum Hämatom) ibloRe) Anisokorie; in Ca. 50% der FdIIe auf der Hämatomseite; Bede Pupillen starr und eng: Verdacht auf bilaterales Hämatom

Periphere

Abducensparese

Khvuskanten-

6

Aug en mu s ke I pa rese

I roc hi ea ri spa rese

Sy n drum

1

11

Klpvuskanten-

Gesamt

_______ I-. •IuI

Abb. 1 a Homonyme Hemianopsie nach links

3

Syndrom

21

fallAste von der Hirnoberf!ache demarkiert. Gleichzeitig besteht eine !eichte Kompression des rechten Seitenventrike!s mit diskreter Mittel!inienverlagerung, so dal3 es sich danach urn em isoden-

ses chronisches Subdura!harnatorn rechts hande!n dtirfte. Uber der linken Hemisphare fronto-tempora! !iegt ebenfal!s eine band-

formige, fast isodense Verdichtung ka!ottennah, die zur Himoberfläche an eine !iquordichte bandforrnige Aufhe!!ung grenzt,

die in die Hirngyri ein!uft. Intrazerebral sind daneben keine weiteren hypo- oder hyperdensen Herdbildungen abzugrenzen. Beurteilung: GroBes isodenses Subdura!hflmatorn flber der rech-

ten Himnhemisphare mit geringer Mittellinienverlagerung und leichter Seitenventrikelkompression. Uber der linken Hemispha-

Abb. 1 b Homo-

re fronto-tempora! ist daneben em k!eineres, tei!s iso-, tei!s hypodenses chronisches Subduralhämatom dargeste!!t (Abb. 2, Abb. 3).

Verlauf: Uberweisung in eine neurochirurgische Klinik. Bei der Aufnahmeuntersuchung befand sich der 82jahrige, rustige Patient in gutem AZ und EZ. Keine Kopfschmerzen, keirie Ubelkeit, kein Erbrechen. Leichte Reflexsteigerung !inks bei im ubrigen unauffa!!igem neurologischen Befund. Zeit!iche und drt!iche Orientierung, uber die Situation orientiert. Therapier uber eine parieto-okcipitale und fronto-parietale Bohrlochtrepanation wurde rechtsseitig das erheblich unter Druck stehende chronisch subdura!e Hflmatom entleert. Zur postoperativen Drainage Anlage einer Jackson-Pratt-Drainage. 11 Tage spater linksseitige Bohrlochtrepanation parietal und Entleerung eines chronisch-subdura!en Hämatoms. Nach postoperativer Befundverschlechterung mit Entwick!ung einer armbetonten !inksseitigen Hemiparese und febrilen Temperaturen, wurde dann !4 Tage koren mitteiweiten Pupillen. Brechende Medien: Cataracta seni- spdter em hochparietales Bohrloch rechts ange!egt, und das unter us incipiens (Cataracta corticalis cuneiformis, Kernsklerose) Druck stehende Resthamatom neben Anteilen von Pus (Kultur: beidseits. Augenhintergrund: Aderhautsklerose. i.o. Druck app!. hamolysierender Staphylococcus aureus) abgesaugt. Postoperativ bds. 14 mmHg. Gesichtsfelder: homonyme Hemianopsie nach testgerechte antibiotische Therapie. Besserung des A!lgemeinbefindens mit Ruckbi!dung der armbetonten !inksseitigen Hemipalinks (Abb. 1); kein visue!!es Hemineglect. Exophtha!mometrie: nyme Hemianopsie nach links

Hertel 16—97—16 mm. Hornhautsensibi!ität seitengleich intakt.

rese.

Mit der Verdachtsdiagnose ,,intrakranie!!e B!u-

tung - DD. subdurales Hämatom" - wurde der Patient dem Neurologen vorgesteilt. Befunde: Hyperakusis links. Leichter Meningismus. Ha!teversuch: Absinken des linken Armes und Beines.

Linksseitig verminderte Vibrationsempfindung. EEG: AlphaGrundaktivität von 9/sec. ohne Herdzeichen oder Krampfpotentia!e. Ro.-Schäde!: kein pathologischer Befund.

Kraniales CT: Während die Kleinhirnhemipharen symrnetrisch von dern !eicht verbreiterten Subarachnoida!raum umgeben sind, fä!It eine homogene isodense Verdichtung fiber der rechten Hemisphare auf, die sich nach Kontrastmitte!bo!usgabe durch die jetzt kontrastierten subarachnoidealen Ge-

Besprechung

Der geschilderte Krankheitsfall erhä!t seine Bedeutung zum einen aufgmund Fehiens klassischer ophthalmoneurologischer Symptome, wie sie unter dem klinischen Oberbegriff ,,Klivuskanten-Syndrom" a!lgemein zusammengefal3t werden, zum anderen wegen Fehiens auch a!!gemein-neuro!ogischer Symptomatik im Gegensatz zu einem doch recht eindrucksvol!en Befund der kranialen Computertomographie. Einziges, und damit auch gleich-

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Tab. 1 11949)

K/in. Mbl. A ugenheilk. 198 (1991)

H. Huismans: Homonyme Hemianopsie a/s ungewohnliches Leitsymptom

tfl CONTRAST

R

VV 75 UL +5? +15 Abb. 2 Computertomogramm. GroRes isodenses subduralhãmatom der rechten Hirnhemispbare mit geringer Mittellinienverlagerung und Ieichter Seitenventrikelkompression

Abb. 3 Computertomogramm des gleichen Patienten. Uber der linken Hemisphdre fronto-temporal kleineres, teils isodenses, teils hypodenses chronisches Subduralbämatom. (Das CT wurde im Rbntgeninstitut Dr. OeiIDr. Lemb in Bremerhaven durchgefL hrt)

zeitiges klinisches Leitsymptom war hier em Gesichtsfeld-

defekt, eine homonyme Hemianopsie nach links. Uber Gesichtsfelddefekte beirn chronischen subduralen Hma-

Literatur Duus, P.: Neurologisch-topische Diagnostik. Thieme, Stuttgart 1976

torn finden sich in der Literatur nur wenige, in Anhangig- Grote, W.: Neurochirurgie. Thieme, Stuttgart 1975 A.: Augensymptome bei Hirntumoren. H. Huber, Bern 1956 keit von der Harnatornlokalisation wechselnde, Befund- Huber, Krayenbuh/, H., G. Not o: Das intrakranielle subdurale Hamatom. Zit. mitteilungen. Der augenarztliche Konsiliarius sollte daher bei A. Huber. H. Huber, Bern 1949 die Moglichkeit des Vorliegens eines subduralen Hama- Quervain, F. de: Die starre Pupillenerweiterung in der Diagnostik der

toms bei unklarem Gesichtsfeldausfall und anamnestischem Schadeltraurna in seine differentialdiagnostischen Uberlegungen miteinbeziehen.

Schädel- und Hirntraumen. Zit. b. A. Huber. Schweiz. Med. Wschr. I, 75 (1935)

Scheid, W.: Lehrbuch der Neurologie. Thieme, Stuttgart 1983 Soyka, D.: Kurzlehrbuch der klinischen Neurologie. Schattauer, Stuttgart 1975

Suchenwirth, .R. M. A.: Taschenbuch der klinischen Neurologie. Fischer, Stuttgart 1976

Manuskript erstmals eingereicht 28. 8. 1989, zur Publikation in der vorliegenden Form angenommen am 13. 9. 1989.

Dr. med. Horst Huismans Augenarzt v. Helmholtzstralte 4 2890 Nordenham

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[Homonymous hemianopsia as an unusual leading symptom in chronic subdural hematoma].

Author reports on a 82-years old man with two chronic subdural hematomas after head-trauma 4 weeks ago: one above right cerebral hemisphere with light...
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