Rotthauwe u. a.: HL-A-Histokompatibilitätsatitjgene bei Kindern mit Coeliakie

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Dtsch. med. Wschr. 101 (1976), 849-854 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart

HL-A-Histokompatibilitätsantigene bei Kindern mit Coeliakie* H. W. Rotthauwe, Ch. Rittner, V. Waiyawuth und M. Becker Technische Assistenz: I. Täuberecht Kinderklinik (Direktor: Prof. Dr. W. Burmeister) und Institut fUr gerichtliche Medizin (Direktor: Prof. Dr. H. Elbel) der Universität Bonn

Bei 41 nicht miteinander verwandten Coeliakie-Kindern und bei 70 klinisch gesunden Eltern und 30 klinisch gesunden Geschwistern von 40 dieser Patienten wurde eine Analyse der HL-A-Antigene mittels eines Lymphozyten-Mikrotoxizitätstests durchgeführt. 58,5°/o der Patienten wiesen den Phänotyp HL-A 8 auf, verglichen mit einer Frequenz von 16,60/o in einer Kontrollgruppe von 320 Individuen (P < 0,0005). Bei Ausschluß von fünf Patienten nicht rein deutscher Abstammung erhöht sich die Frequenz von HL-A 8 auf 63,9°/o. Die ebenfalls stark erhöhte Frequenz des Antigens HL-A 1 bei den CoeliakiePatienten wird auf ein Kopplungsungleichgewicht zwischen den Antigenen HL-A 1 und HL-A 8 zurückgeführt. Die Frequenz des Haplotyps HL-A 1,8 war bei den Patienten statistisch hochsignifikant vermehrt (P < 0,0001), eine signifikante Frequenzerhöhung dieses Haplotyps wurde auch bei den Eltern (Pj 0,025), nicht dagegen bei den Geschwistern nachgewiesen. Außerdem wurde bei den Patienten eine erhöhte Häufigkeit des Antigens HL-A 12 und eine verminderte Frequenz von HL-A 7 und HL-A 9 gefunden. Fünf klinisch gesunde Geschwister hatten die gleichen HL-A-Haplotypen wie ihre betroffenen Brüder und Schwestern. * Mit Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (Ri 164/9, Ri 164/lo).

HL-A histocompatibility antigens in children with coeliac disease HL-A antigens were determined in 41 unrelated coeliac children and in clinically healthy parents and siblings of 40 of these patients using a lymphocyte microcytotoxicity test. S8.S°/o of the coeliac patients had phenotype HL-A 8 compared with an HL-A 8 frequency of l6.6°/o in a control group of 320 unrelated individuals (P < 0.0005). Excluding five patients not of pure German origin HL-A 8 frequency increases to 63.90/o. The increase of H1.-A 1 frequency in coeliac patients is attributed to linkage disequilibrium between HL-A 8 and HL-A 1. The haplotype HL-A 1.8 frequency was significantly increased in coeliac children (P < 0.0001) with frequency elevation also in parents 0.025) but not in siblings. (P Furthermore, an increase in frequency of HL-A 12 and a decreased frequency of HL-A 7 and HL-A 9 was found in coeliac patients. Five clinically healthy siblings had the same HL-A haplotypes as their affected sisters and brothers.

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Nr. 22, 28. Mai 1976, 101. Jg.

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Rotthauwe u. a. HL-A-Histokompatibilitätsantigene bei Kindern mit Coeliakie

Nach den Kriterien der European Society for Paediatric

Deutsche Medizinische Wochenschrift

Geschwistern die Haplotypen der Patienten deduziert. Insgesamt

Gastroenterology, die im Jahre 1970 aufgestellt wur- wurden 70 Eltern und 30 Geschwister aus 40 Familien untersucht. Kontrollgruppe. Sie umfaßt 320 Personen aus der westdeutschen den, ist die Coeliakie oder glutensensitive Enteropathie Bevölkerung, die weder mit den Patienten noch untereinander verals eine Erkrankung mit permanenter Glutenintoleranz wandt waren und aus den Gutachtenfällen des Instituts für gerichtdefiniert, die mit einer Atrophie der Mucosa (»fiat mu- liche Medizin der Universität Bonn stammen. cosa«) des proximalen Dünndarmes einhergeht. Meist bestehen klinische und biochemische Hinweise auf ein Tab. 1. Herkunft der Eltern der fünf Kinder, die nicht rein deutMalabsorptionssyndrom. Es kommen aber auch Fälle scher Abstammung sind vor, die zur Zeit der Untersuchung asymptomatisch sind. Glutenkarenz führt zu einer klinischen, biochemischen und histologischen Remission. Die Coeliakie ist eine Erkrankung, die vorwiegend bei Angehörigen der weißen Rasse auftritt, insbesondere bei

FamilienNr.

Initialen

22

M. A.

37

J. S.

Nord- und Mitteleuropäern und ihren Abkömmlingen in anderen Kontinenten. Die Angaben über die Häufigkeit der Coeliakie in europäischen Bevölkerungen zeigen starke regionale Unterschiede, sie schwanken zwischen 1 auf 300 Geburten in West-Irland (18) und 1 auf

38 39

G. T. 5. G.

41

5. A.

gehörigen der kaukasoiden Rasse; seine Häufigkeit ist bei Nord- und Mitteleuropäern am höchsten und nimmt in Richtung Süd-Europa, Mittlerer Osten und Asien hin ab (4). In der europäischen Bevölkerung ist das Antigen HL-A 8 infolge eines Kopplungsungleichgewichtes vorwiegend mit dem Antigen HL-A 1 des SD-i-Locus kombiniert (Haplotyp HL-A 1,8).

In den letzten Jahren haben verschiedene Studien an Erwachsenen und Kindern mit einer Coeliakie eine hoch-

signifikante Frequenzerhöhung des Antigens HL-A 8, ganz überwiegend als Haplotyp HL-A 1,8, ergeben. Diese Assoziation zwischen einem bestimmten HL-AAntigen und der Coeliakie eröffnet neue Wege für Untersuchungen zur Genetik und der noch ungeklärten Pathogenese der glutensensitiven Enteropathie. Im folgenden berichten wir über HL-A-Untersuchungen bei Kindern mit einer Coeliakie und deren Angehörigen ersten Grades aus einer westdeutschen Bevölkerung.

Deutschland Palästina (Araberin) Italien Jugoslawien Deutschland

HL-A-Typisierung. Nach Separierung der Lymphozyten aus heparinisierrem Blut wurden die Antigene des SD-i- und SD-2-Locus mit dem Mikrolymphozytentoxizitätstest nach Terasaki und McClelland (29) bestimmt. Die Untersuchung erfolgte mit eigenen,

kommerziellen und von Prof. J. J. van Rood zur Verfügung gestellten Antiseren und umfaßte die folgenden Antigene: SD-i-Locus: HL-A 1, 2, 3, 9, 10, ii, W28, W29, W30, W31, W32; SD-2-Locus: HL-A 5, 7, 8, 12, 13, 14, 17, 27, W5, W10, W1S, W16, W18, W21, W22. HL-A-Antigene

za

SD-i-Locus 2

1

2

3

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0

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SD -2-Locu s 9

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32 X

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16 B.L

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19 ME 20 KSc

21 R.L Patienten. Eine HL-A-Typisierung wurde bei insgesamt 41 Coeliakie-Patienten der Universitäts-Kinderklinik Bonn vorgenommen. *22 M 23 C.0 Es handelt sich um 22 Mädchen und 19 Knaben im Alter von 1 bis 24 H.-P 15 Jahren. Sämtliche Patienten wiesen bereits im Kleinkindesalter 25 AX Symptome der Erkrankung auf. Die Diagnose der Coeliakie stützt 26 O.F sich auf den Nachweis der charakteristischen Veränderungen der 27 Chf 28 J.F Dünndarmschleimhaut (Zottenatrophie im Auflichtmikroskop und in der Histologie) im floriden Stadium der Erkrankung oder nach 29 U.J erneuter mehrjähriger Glutenbelastung. Alle Patienten wiesen im 30 SL 31 Riakuten Stadium typische klinische Zeichen sowie direkte und in32 HdF direkte biochemische Hinweise auf eine Malabsorption auf. Unter 33 J.F

I''

'e"Ph

glutenfreier Diät kam es bei allen Patienten zur Besserung des klinischen Bildes und - soweit untersucht - zur Normalisierung

131417 27

ar>1.

17 M.Sc 18 G.J

Patienten und Methoden

Algerien (Araber) Palästina (Araber) Italien Jugoslawien Ägypten (Araber)

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34 C.K 35 R.0

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36 Stfl der Schleimhautarchitektur. Über klinische, biochemische und dünndarmbioptische Befunde eines Teiles dieser Patienten wurde bereits *37 J.S G.T ausführlich berichtet (6). Abgesehen von fünf Patienten waren alle *38 *39 s.c übrigen laut Angaben der Eltern rein deutscher Abkunft. Die Her40 ET kunft der Eltern der fünf nicht rein deutschen Kinder (Familien-Nr. *41 SA 22, 37, 38, 39, 41) geht aus Tabelle 1 hervor. * nicht rein deutscher Herkunft Familienuntersuchun gen. Soweit organisatorisch möglich, wurden in Familienuntersuchungen durch HL-A-Typisierung von Eltern und Abb. 1. HL-A-Phänotypen bei 41 Kindern mit Coeliakie.

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iI'1 III.

I*W21 Wit Y

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6500 Geburten in Schweden (S). Das Auftreten der Coeliakie zeigt eine auffallende Ubereinstimmung mit dem Vorkommen des Histokompatibilitäts-Antigens HL-A 8 am SD-2-Locus (zum HL-A-System: 3, 30). Das Antigen HL-A 8 findet sich vornehmlich bei An-

Herkunft der Eltern Mutter Vater

.

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Statistik. Genfrequenzen wurden mit der Genzähimethode ermittelt. Die x2-Berechnung erfolgte mit der Yates-Korrektur.

heit der Patienten 60,97% bzw. 58,54% (Kontrollen 30% bzw. 16,56%). Bei Ausschluß der fünf Patienten nicht rein deutscher Herkunft erhöht sich die Frequenz von HL-A 1 und HL-A 8 auf 63,88%; vier dieser Kinder

In Abbildung 1 sind die vollständigen HL-A-Phänotypen der 41 Coeliakie-Kinder wiedergegeben. Tabelle 2 zeigt die Häufigkeiten der HL-A-Phänotypen bei den Patienten und einer Kontrollgruppe. Für fünf HL-A-Antigene finden sich statistisch signi-

fikante Frequenzunterschiede zwischen Patienten und Kontrollen. Die Häufigkeiten der Antigene HL-A 1 und HL-A 8 sind bei den Patienten statistisch hochsignifikant

vermehrt (P < 0,0005); die Irrtumswahrscheinlichkeit für die gleichfalls erhöhte Frequenz des Antigens HL-A 12 und die erniedrigten Frequenzen der Antigene HL-A 7 und HL-A 9 liegt zwischen 2% und 5%. Die Häufigkeit von HL-A 1 und HL-A 8 beträgt bei der Gesamt-

besitzen kein HL-A 8, der fünfte Patient hat die Antigene HL-A 1 und HL-A 8 von seiner deutschen Mutter geerbt.

Die Frequenzsteigerung der Antigene HL-A 1 und HL-A 8 ist überwiegend durch das gemeinsame Auftre-

ten im Haplotyp HL-A 1,8 bedingt. Beide Antigene kommen gemeinsam bei 22 von 41 Patienten (53,7%) vor. HL-A 1 ohne HL-A 8 findet sich bei 3 von 41 Patienten (7,3%) und HL-A 8 ohne HL-A 1 bei 2 von 41 Patienten (4,9%). Hinzuweisen ist noch auf das gehäufte gemeinsame Vorkommen der beiden auf dem SD-2-Locus gelegenen Antigene HL-A 8 und HL-A 12. Die Assoziation ist statistisch hochsignifikant (Tabelle 3).

Tab. 2. Häufigkeiten der HL-A-Antigene bei 41 Kindern mit Coeliakie, verglichen mit einer Kontrollstichprobe aus dem westdeutschen Raum (n = 320). n. s. = nicht signifikant, n. t. = nicht getestet Kontrollen Genfrequenz

Patienten Genfrequenz

Antigene

x2

(1 Freiheitsgrad)

P

1. Locus 14,40

[HL-A histocompatibility antigens in children with coeliac disease (author's transl)].

HL-A antigens were determined in 41 unrelated coeliac children and in clinically healthy parents and siblings of 40 of these patients using a lymphocy...
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