Der historische Rückblick 3 2ft

Hermann Johannes Pfannenstiel (1862-1909) Zum 80 .Todesta g Blographte eines groue n de u tsc he n G}'nä kol og en A. Jensen

Z u s a mm ("n fa ssunlt~

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Vor 80 Jahren, am 3. Juli 1909. starb der Gynä kologe Hermann Johunnes Pfannens tiel an de n Folgen ei ne s ßerufsunfalls. Sein Todestag markiert da s u nerwartet e Ende eine s 4 7jä hrigen Man nes auf dem Höhepunkt seine r glanzvollen Karriere a ls Arz t, dessen vermächtn is als Mensch und wt ssensch eüter a uch heute noch tief beeindru ckt. Pf annenstiel wu rde am 28. Juni 1862 in Be rlin gebore n. ~ac h dem Abitur (1880) studierte er geg en den wttl en se ines Vaters Med izin. worauf dieser ihm jede finanzielle Unterstützung entzog. Dennoch legte er bereits 188 5 in Berlin das Staatsexamen ab un d wurde noch in de msel ben Jahr mit csu mma ru m Iaude" zum Docto r med icinae promoviert . Seine Assis tenzzeit verb rachte Pfannenstiel bei v. Rabenau (Berltn]. Pauly (Posen ) un d Fritsch [Bresla u], bei dem er sich 1890 habilitiert e. Im April 1889 hei ratete Pfonnenstte! seine Jugendfre undin Elisabeth: Behlendorff. und 1890 wurde d er einzige Sohn wunetm ge boren . Im J anu a r 1894 eröffnete Pfan nenstiel ein e gynä kologisc he Privatpraxis . bis er 1896 Professor ....-urde und d ie gynä kologische Abteilung a m Krankenhau s de r Elisabethinerin ne n in areslau übe rna hm . Hie r entsta nd seine im Jahre 1900 publizierte Arbeit ü be r den suprasy m physären Fa szienquersc hnitt ( ~Pfarm ens tiel- Q uersch i tt · l , mit der er weltweit bekan nt wu rde . Seit 1891 war Pfannenstiel ständiger Sch riftfüh-

rer de r Deutsc hen Ges ellschaft für Gynäk ologie u nd seit 1896 Mithera usgeber de s Archivs für Gynäkologie . Im Ja h re 190 2 wurde Pfanne nstiel a ls Nac hfolger ehr. A. H tönteins an d ie Un ivers itä t Gießen berufen. Drei weitere Berufungen nach Leyden (Holland}. Erlangen u nd Fre iburg lehnte Pr a b (19 04) , worauf die Stude nte n ihr em verehrten Lehrer ei nen Fackelzug be reiteten. Im J ahre 190 7 na hm Pf allTl enstiel den Ruf nach Kiel als Nachfolger R. Uerths a n. Kurz vor seinem Tod wurde a m 9. Mai 1909 au f se in Betreiben hin die Nordwes tdeutsc he Gesellsch aft für Gynä kologie u nd Gebu rts hilfe gegründet. Als wissen sc haftle r war Pfann enstiel bese elt von eine m breitangelegten Forscherdra ng . der sich paarte mit Intelligenz . Akribie . Organisationsve rmögen und eisernem Fleiß . Er hinterließ ein bedeutendes und vielseitiges w-tssenschaü liches Werk übe r Ovarialtumoren. Neubü dunge n des Uterus. Eieinbettu ng, End emetritis. Ikterus grevts neonaroru m. abdominale und vagi nale Geschwulstope rationen. Vagina lplasti ken und bec kens palte nde Opera tionen. In Anerk ennung seiner Leistu ngen wu rden Pfanne nst iel pos thum eine Ged ächtn is-Plakette . ein e Stiftung (K. Semmt und ein Preis (Nord.....est deutsche Gesell schaft flir Gynäko logie und Geb urtsh ilfe] ge w idmet. Die Wert schät zung H. J. Pfa nne ns tiels a ls Men sch, Arzt. Wissensc ha füer. Lehrer un d Freund wird durch eine Vielzahl zeit genössischer Nekrologe eindrucksvoll belegt .

'kl r 80 J ah ren sta rb der Gynäkologe Hermann Johannes Pfan nenstiel. Spin Todestag - der 3, Ju li 1909 - ma rkiert das un erwartet e Ende ei nes Man nes a uf dem Ilöh epunkt seiner gla nzvo llen Karrie re als Arzt. desse n ve rm äcbtnis als Mensch und w lssenschanfer auf Mitmenscben u nd Nac hwelt gleic he rmaße n ei ne n tiefen Eindruck h inte rlassen hat.

Mit d iese n werten beschließt Paul Bernha rd Kroe mer; der sel bst 10 Ja h re lan g a n der Seite Plan nensüels gea rbeitet hat. den Nekrolog über se inen Lehrer und Pörd ere r; de r wen ige Tage nach seinem 47 . Geburtstag und nicht einma l zw et Jahre nach Übe rn a hme de r Universnäts-Peauenkttnt k und Hebammenlehranstalt in Kiel a n den Folgen eines tragisc hen Berufsunfalls versta rb .

~ \\'oh l se lten ist ei n Ant von se inen Kran ken so verehrt word en, selten ist ei n Poreebe r von seinen zengenossen so einsti mmig gesc hä tzt wo rden. se lten ist ein Chef von sei nen Assistenten so bet ra ue n wo rde n wie J'fan·

.Eine klein e Stic hverletzu ng a m Mittetlin· gvr de r lIand. welc he er sich am 23 . Ju ni 1909 be i der Entfem ung eine r mit Strepto kokken infiziert en Ovarialzyste lUgezngen hat te. wu rde zur Einga ngs pforte de r todbrin ge nden Kra nkhei t. Oie Allg('mpin inff'ktinn began n am Morgen nach der wrletzung mit ei ne m lf.stünd ig('n Schü nelfrost , Iübrte nach wenigen Ta gt-n zur Nctestasteru ng in belden Unte rsch enkeln un d endet e mit a llge me iner Sepsis. . . Am Nach mittag des 2. Ju li bra chte e ine ba rmhnrztge Tr übung des Bew uß tse tns die von alle n Bl'teiligten er holTte

nens tiel. M(6 )

Ge burts h. u. Frauenheilk. 50 (1990) 326 -334 Verlag Stung art . ~I' W York

o Oeorg Thieme

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Unin·rsitäts· Fraul'n klini k Git'&-n IGl.Dirt'klor Prof. Or. Wo KünZl'U

Histor ical Betrospect The gynaecologis t Hermann Johann es Pfcnnen st iel died 80 years ago. on J uly 3. 1909. from the sequelae of an occu pational ecctd en t. His death marked the un expected end of a splendid ca ree r as a ph ysidan, whose her itage in terms of hu ma nity and scientific achle vemen ts is most im pressi ve, even tod ay. Pf annens tiel was born in Berlin on J une 28 , 1862. He stud ied medici ne in Berlin (1880 - 1885) aga inst his fat her 's wishes and was th er efore dep r ived of any finaneial su ppen. Nevert heless. he eompteted his studies a nd his doctora te thesis Lsumma eu m leude ") in 1885. Pf a nnenstiel was trained by v. Raben au Iß erlin : gynaecologyj. Pauly (Posen : surg ery, internal medicine) and Frits ch (Bres lau : gynaecologyj . a nd became a leeturer at the Universi ty of Breslau in 1890 L ll abilit ation"]. In 1889 he married Elisabeth Behlendorf[. and in 1890 his only son wilhelm was born . In Jan uary 1894 he estabüshed a private pr actice in Breslau un ti! he wa s awa rde d a p rofessorship in 1896. ln the sa me yea r hc becam e direc tor of thc Dcpa nmen t of Gyna ccolngy at a hospita l in arestau (Krankenha us der Hlsabetht nertnn en j. where he developed in 1900 his world-Iam ous transverse lapa rotomy tech nique (supr asy mphysärer Faszienquer schnittJ nam ed afte r him t. Pf annenst ieiQuerschnitt"]. From 1891 he was secretary of the Germa n Sodety for Gynaec ology (Deutsche Gesellsc haft für Gynäkologie) an d srnce 1896 he was co-editor of theArchives of

Euph orie. Die Orientieru ng schwa nd. Der Kra nke wurde somnol en t. In der Mor gensonn e des 3. Ju li. .. ist Pfanne nstiel sa nft entsc hla fen. ~ (6) So na hm d ie hoffnungsvolle Ka rriere Pf an nensuels. der be ru fen sc hien. e iner . dcr e rsten Füh rer un ter den deut schen Gyn äkolo gen" (7 )zu we rden, ein tragisches End e.

Gebllrtsh.

11.

Frauenheil k. 50 (1990) 327

Gynaeco logy (Archiv für Gynä kologtel, In 1902 Pfannen< stiel wa s olTered the chair of Obstetrics and Gyna ecology at the University ofG iessen to succeed ehr. A. I/. Lohtein. wh o had died in 1901. He rejected thr ee other chairs at Leyde n (Holla nd), Erlangen and Freibu rg whic h w ere offered to him in 1904 . In apprectatton of these dectslons. the stude nts organized a torchlight pr ocession in his honour. In 190 7 Pf annenstiel acce pted the chair at the Untverstty of Kiel in successi on to R. Werth . On May 9, 1909 , a few weeks befor e he d ied , the Northwest Germ an Society for Gyn aecology an d Obstetrtcs (Nordwestd eut · sehe Gesellsc haft für Gynäkologie und Geburtshilfe) wa s founde d on hls advice. Pf a nnens tiel was a gifted scte nüst. w hose intelligence . acc u racy, diligence, a nd orga nizing abilities were the basis for an except tonally multifar ious and importa nt c-uvre . His widesp read screnttüc inte rests included pa tho logy of both ovary a nd uter us. nidation of the fertilised egg, endometri tis. ne onata l ja un dtce . ab domina l and vaginal tumour surge ry, vaginal plastic surgery, a nd pubeotomy during pregna ncy. In remembran ce of Pfannenstiers achieve ments a medal, a fou nda tion (K. Sem m), a nd an awar d (Nordwe stdeutsche Gesellscha ft für Gynä kologie un d Geburtshil fe) were dedicated to him. The great esteem. in which H. 1. Pfcnnenstiel w as he ld for his huma n qualities an d as a ph yslcla n. scte nüs t. teeeher. a nd Irrend. is .....'ell documented by a numb er ofi mpresslve contemporan eous nec rologues .

Sein Lehrer und väte rliche r Freund Heinrich l-ritsch schrieb : ~We n n ma n als Idea l eines medizinische n Professo rs hinstellt, daß er ein guter Lehre r; ein fleißiger Förder ar der wtsscnscha rt un d ein erfolgreiche r huma ner Arz t sein sull, so wird jeder zuge ben, daß gerade Johan nes Pf annenstiel d iese dre i Eigenscha fte n in ga nz ausgezeichneter Weise besessen hat.. . Pfannenstiel ist a uf dem \Vege se ines Lebens nu r nach oben gestiegen zum Huhm, zu Ehren un d zu Erfolgen. Das trübe Absteigen in Hesignati on und Enttäuschung blieb ihm er spar t! Aber gro ß ist der Verlust für d ie Wissen schaft, für die Hilfesuchenden und nicht wen ige r für seine Freu nde. .. Ich selbst ver liere voll tiefen Sehrnerzes einen zuverlässigen und geliebten Freu nd, der mir von seiner Dank ba rkeit und Tre ue unendlich viele Beweise gege ben ha t." (4) Wer war dieser lIer ma nn Jo ha nnes l'jannenst iel. desse n kurz es Leben und wirken - das vor 80 Ja hren ein trag isches Ende fan d - einen so tie fen Eind ruck bei seinen Fre unden, Mitar beitern und Kollegen hinte rlassen ha t? (Abb. 1) Setn Lehen und Wl'rk

Abb. 1 Portrait HermannJohannes Pfannensllel.

Pfon neneüel sta mmte a us Berlin. Er wu rde am 28. J uni 186 2 a ls zweiter von dr ei Söh nen des Kgl. Bank d irektors Herman n Pf anne nstiel und seine r aus einer evangelische n Pastore n-Familie sta mmenden Fra u J oha nna , geb. lJom itz. ge boren und besuchte . zusa mmen mit seine m kna pp ein Ja hr ältere n Bruder Atexa nder . das tra ditionsreiche Be rliner hu man istische Fr ied rich-WilhetmGymna sium. Hier bestan d er da s Abitur im Ja h re 1880.

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Hermann Johunnes Pfannenstiel

Geburtsh . u. Frauenheilk. 50 (1990)

nachdem er aufgrund seiner sehr guten Leistungen eine Klasse übersprungen hatte, während sein eher musisch begabter Bruder sitzengeblieben war und die Schule vorzeitig verließ. Sein jüngerer Bruder Paul starb zweijährig (10). Mit dem Vater, der sich gegen Frau und Kinder durch unnachgiebige Härte auszeichnete, kam es trotz der schulischen Erfolge seines Sohnes Johannes zum Zerwürfnis. Als Pfannenstiel gegen den Willen seines wohlhabenden Vaters, der für ihn ein Theologie-Studium vorgesehen hatte, an der Friedrich-Wilhelms-Universität Medizin studieren wollte, wurde ihm im Zorn darüber die finanzielle Unterstützung für das Medizinstudium versagt. Nur dem Bitten seiner Mutter war es zu verdanken, daß zumindest die notwendigen Mittel für das erste Semester im Jahre 1880 vom Vater bewilligt wurden. Danach war Pfannenstiel, der sich durch Schüler-Unterricht finanziell über Wasser hielt, auf sich selbst gestellt. Die prekäre Finanzlage zwang ihn, sich die Studiengebühren, wenn möglich, stunden zu lassen, was dazu führte, daß er bis in seine Assistenzarztzeit in Breslau hinein noch Abzahlungen leisten mußte. Ferner mußte er das Studium so schnell wie möglich abschließen. Ein Wechsel des Studienortes, wie damals unter Studenten üblich, kam natürlich nicht in Frage, er blieb sämtliche 9 Semester in Berlin. Bei allen Belastungen während der Studienzeit, werden Pfannenstiel ein heiteres Wesen und ein Sinn für Humor und Geselligkeit nachgesagt (10). „Als seine hervorragendsten Lehrer waren auf seinem Studiengang von besonderem Einfluß auf ihn: K. B. Reichert, W (von) Waldeyer, dann F. du Bois-Reymond, R. Virchow, Fr. Th. Frerichs, E. von Leyden, H. Senator, C. Schroeder. Hieran schließen sich A. L. S. Gusserow und weiter B. (von) Langenbeck und E. von Bergmann. "(8). Die klinische Ausbildung Mit der Gynäkologie kam Pfannenstiel praktisch wie theoretisch sehr früh in Kontakt. Bereits im Jahre 1884, d.h. vor Abschluß seines Studiums durch das Staatsexamen im Jahre 1885, war er Assistent des Berliner Gynäkologen v. Rabenau. Und bald darauf, am 13. August 1885, wurde er mit seiner Dissertation „Extirpatio uteri carcinomatosi", die das reiche Krankengut der Frauenklinik der Berliner Charite zur Grundlage hatte, mit „summa cum laude" zum Doctor medicinae promoviert (Gusserow). Weitere gynäkologische Anregungen erhielt Pfannenstiel nach seiner Übersiedlung nach Posen (5), wo er von Oktober 1885 bis März 1887 am städtischen Krankenhaus Assistent (1 Jahr chirurgische Abteilung, 1/2 Jahr innere Abteilung) des Geheimen Sanitätsrats Pauly war, der sich wissenschaftlich für die Gynäkologie besonders interessierte und auch literarisch auf diesem Fachgebiet tätig war. Die Fortsetzung seiner wissenschaftlichen Wanderjahre vollzog sich in Breslau. Noch nicht ganz fest entschlossen, Gynäkologe zu werden, bewarb sich Pfannenstiel an der Universitäts-Frauenklinik Breslau um eine Assistentenstelle bei Heinrich Fritsch, der ihn dann dauernd für die Gynäkologie gewinnen konnte. Vom 29. März

A. Jensen

1887 bis zum 1. Januar 1894 war er dort Assistent an der Königlichen Universitäts-Frauenklinik und bildete sich immer mehr zum Gynäkologen aus. „Von Pauly auf die Geschwülste der weiblichen Genitalorgane aufmerksam gemacht, begann er sogleich mit intensiven Vorarbeiten für das Studium der Ovarial- und Parovarialtumoren. Sein eifriges und pflichtbewußtes Wesen sicherten ihm in kurzer Zeit das Vertrauen seines Lehrers sowie die wissenschaftliche Förderung und Freundschaft von Professoren und Assistenten der verschiedenen Institute. Die Anregungen, die er in diesen glücklichen Breslauer Jahren von R. Heidenhain, K. Flügge, F. v. Mikulicz, E. Ponfick (Pathologie), v. Born (Histologie), 0. Lubarsch (Pathologie) und Fr. Röhmann (Physiologische Chemie) empfing, haben seine Entwicklung entscheidend beeinflußt. Nach gründlichen Vorarbeiten in den Instituten von Heidenhain und Ponfick entstand seine erste ausgiebige Studie Über die Pseudomucine der cystischen Ovarialgeschwülste - Beiträge zur Lehre vom Paralbumin und zur pathologischen Anatomie der Ovarialtumoren', mit der er sich am 23. April 1890 bei Fritsch habilitierte." (11) „Pfannenstiel hielt gut frequentierte Kurse ab und las über seine Spezialfächer vor ständig wachsendem Auditorium." (8) Im April 1889 heiratete Pfannenstiel, erneut gegen den väterlichen Widerstand, die in den Augen des Vaters mittellose Vollwaise, Elisabeth Behlendorff, eine um ein Jahr ältere Jugendfreundin , die, bei ihren Großeltern aufwachsend , eine vorzügliche schulische Bildung durch Schwestern des Johanniterordens genossen hatte (10). Am 12. Februar 1890 wurde dem jungen Paar der erste und einzige Sohn, Wilhelm, geboren, der in seiner Kindheit oft kränklich, bisweilen schwerkrank, war. Dies veranlaßte die Eltern, Wilhelm durch Privatlehrer unterrichten zu lassen. Wegen der ständig angespannten Finanzlage Pfannenstiels, dessen Gehalt monatlich 105 Mark betrug, ermunterte ihn sein Chef und väterlicher Freund H. Fritsch, eine gynäkologische Privatpraxis in seinem Wohnhaus im Breslauer Klosterviertel zu eröffnen. Daraufhin schied Pfannenstiel zum 1. Januar 1894 aus der Frauenklinik aus, in der er seit 1893 als Co-Examinator tätig war. Die Praxis soll nur zögernden Zulauf gehabt haben, so daß sich die finanzielle Situation der Familie Pfannenstiel nur langsam besserte. So mußten z. B. die ersten geselligen Abende bei Pfannenstiels mit geliehenem Eßgeschirr bestritten werden, was der guten Stimmung dieser beliebten Ereignisse aber keinen Abbruch getan haben soll (10). Die tiefen Einblicke, die Pfannenstiel in dieser Zeit in die Probleme des niedergelassenen Gynäkologen und praktisch tätigen Arztes nehmen konnte, waren möglicherweise die Triebfeder für sein intensives Bemühen als Klinikdirektor in Gießen und Kiel, die ärztliche Fortbildung neu zu organisieren und ständig zu verbessern. Im April1896 wurde Pfannenstiel das „Prädikat" Professor zuerkannt, und im Mai desselben Jahres (1896) übernahm er bis zu seiner Berufung nach Gießen im Jahre 1902 als Primärarzt die Leitung der gynäkologischen

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lIermann Jettannes Pfannen stiel

Obwoh l Pfann enst iel wä hre nd dieser Zeit a ls Le hre r und Exa mina tor in ak ademische r Betäti gun g blieb un d vor a llem gynä kologisch-c hirurgisc h ein erfolgreicher Klinikleiter wa r - a us dieser Zeit sta mmt u. a . die Entwicklung des bis heute mit se ine m Name n verbunde ne n suprasymphysä re n Fascienquer schn ittes - ga b ihm die Betätigung außerha lh der Universität nicht die erholTte Befriedigung. lIieran konnte auch sein erfolgreiches und allseits anerkanntes Wirken als stä nd iger Schriftfüh rer der Deutschen Gesellschaft für Gynäk ologie se it 1891 und als Mitherausgeb er des Archivs für Gynä kologie seit 1896 nichts ä nde rn. l'[annens tiet se hnte sic h nach a usg iebiger a kade mische r I.ehrtäti gkeit. Uas Ordinariat in Gie ßen Dieser inni ge \Vunsch wurde ihm durch die Berufun g zum o. Ö. Professor an die Univers itä t Gieß en erfüllt (Berufungskommission : H. W Bostroem, G. Gaflky. P. Poppert: Prä limina rvot um: primo loco - O. V. llerff. Basel. gegen ih n tr eten gesundhe itliche Bedenk en auf. und e r hätt e a us vertra gsrec htliehe n Gründe n den ve rwa isten Lehrstuhl ers t mit groß e r Verz öger ung best eigen könn en ; secundo loco - Pfann ens tiel. Bres la u: tertio loco - O. v. Frunque, Wür zburg) (9). Am 26. März 1902 übern ahm Pfann ens tiel. kur z vor Volle nd ung seines 40 . l.ebensjah res , als Nac hfolger von I.öhleia . der am 25. Oktober 190 I ver storb en war, die Leitu ng der Gieß e ner Univers it ätsFra uenklinik und lIeh amm enschul e und e rhielt dafü r vom Groß herzo gliche n Minist e rium des Innern ein J ah re sgeh alt von 4500 Mark. d. h, 375 Mark monatlich. was ihn endlich aller finanzieller Sorgen enthob (Abh. 2) (9). ..Im Dien st von tiefem Erns t und minut iöser Pünktli chk eit verlan gte e r tPf unn ens tiell von se ine n Ass istenten peda ntisch ge na ue Aus führung der vere inbarten Ma ßn ahm en . wie e r a uch übe r die klein st en Detail s in se iner Klinik orie ntiert wa r. Be i a ller Bestimmtheit se ines \Vesens herrscht e er nicht wie e in a utokra tischer Dikta tor, sonde rn er suchte zu üb erzeugen e he e r befahl und ver tru g woh lber echtigten Wider spruch . Er wa r a ber a uch der zuverlässigste Freund se ine r Assis te nte n. In der Anle itung zum Ope rie re n und zu ä rz tliche r Betä tigung wie zum se lhstä ndige n Fors chen bewi es er un ermüdlich e Geduld. Er ve rsta nd es. se ine Mita rb eiter a nzuspornen und zu förd ern. wie e r a ndere rseits a uch mit kü hler Vernu nft un d scha rfe r Kritik nicht binter dem Berg hielt." (6)

Hierbei versta nd er es . das Inter esse a nde re r Univers itä ten a n se ine r Per son zum Wohle der Kli nik po litisch zu nutzen . So schrieb er zunäc hst arn 9. April 1904 an den Rektor der Gieße ner Univers itä t: ..Eue r Magnificeu z beehre ich m ich hierdurch erge benst mitzutheilen . da ss mir heu te der bad ische Ministeri alra th ßöhm per sönlich im Auftr a ge des Minist ers den Huf nach Freiburg unt er se hr ehrenvollen Bed ingu ngen überbracht hat und dass ich ihm mein e BereitwiJIigkeit den Huf a nzune hmen ber eits zu e rkenne n gege ben hab e. Mit freundlichem Gruss Euer Magnificen z ganz erge bene r P/allll ellstier( 9) . bevor er- nach Dur chsetzun g se ine r Forderungen - a m 13. April 190 4. dem Hekt or die en dgültige Ablebnung seines Hufes mitteilte. Die lIessisch e Hegierung und I.and esun ive rsität dankten Pf annens tiel sei ne n Ve rzicht m it der gro ßzügigen Bewilligun g der e rw ünsc hten Erweiterungs ba uten für d ie Gieß cner Fra uenklinik. Dies war für ih n ein wichtiger politischer Erfolg. Außerdem wurde er mitden üblichen äuß ere n Ehr unge n, wie mit der Verleihung des ..Cha ra klers als Geh eimer Med izina lrat" (20. J uli 1904 ) und mit der Ver leihu ng des l.udwigs-Ord en -Hittcrkrcu zes bedacht. Die Gieß cne r Stude nten be reiteten Pfo nne ns üel. zum Zeic he n ihrer Vereh ru ng und Dankbark eit. am 6. J uni J 904 . nach Bekanntwerd en der Entscheidung zu bleiben . eine n Fakkelzug (7). Die Plän e für die nunme hr bewilligte Erwe iterung der Klinik hat Pfan nenstiel se lbs t e ntwo rfe n. Sie bein haltet en eine n modernen aseptische n und se ptische n Opera tio nssaa l im ersten Obcr gesch oß und eine n modernen Geburtssaal im Erdgesc hoß. Dieser sog. • PfannenstielFlügel", der s ich vom Treppenhaus des Hauptein gan ges a us nach recht s e rstreckte. wurd e im Herbst 1907 /1 908 ferti ggesteJIt. Im J a hre 1905 wa r Pf annenstiel Dekan der Medizinisch en Fakultä t de r Univers itä t Gieß en. d ie neb en seiner Pe rso n a us den Professoren H. W' Bostroem (pa thologie), A. Vossills (Augenheilkunde). 11. Strahl (Ana tomie). R. Sommer (Psychiatr ie). J . Gepp ert (Pharmakologie). I! Pappen (Cbirurgie). 11. Kossel (llygiene) und C. Ecka rd (Ana tom ie und Physiologie. vers torbe n im Somme rse meste r 1905. dafür O. Frank , Physiologie) und Fr. M or it z

r

In den fünf J ahren se ine r Tä tigkeit in Gieße n lag Pfann en st iel besond er s d ie Reform des ll ebarn men wesen s . die Ne ube lehung des wissensch aftlich en medizinischen Vere inslebe ns und die Organ isati on des Sä uglings- und Mutters chutzes im Groß he rzogtu m Hessen am Herzen . Ferne r se tzte e r sich inten siv für die Gene hmigung a usgede hnter Er weit erungsba ute n für d ie Fra ue nklinik ein, die - erst 1890 unt er l.ohleln erric htet - e rhe bliche bau lich e Män gel aufwies.

Die Ermllung dieser Aufgab en vera nlaßte ihn . drei wei tere Berufungen nach I.eyden (I Iolland) , Erlange n und Frei burg vom April und J uni 1904 a bzule hnen.

Abb.2 Postkarte mit Ansichtder GieBenerFrauenklinikundihresDirektors. H. J. Pfannenstiel. ausdemf ahre 1904, geschriebenvonWalther Löhlein. Sohn des 1901verstorbenen Amtsvorgängersvon Pfannenstiel, Chr. A.H. Löhlein.

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Abteilung a m neuerbauten Krankenhaus der Elisa bethinerinn en in Breslau (9).

Gebllrtsh. ll. Frauellheilk. 50 (/ 990) :J29

Geburtsh. u. Frauenheilk . 50 (1990) (Innere Medizin) bestand. Während seiner Amtsperiode wurden 10 Fakultätssitzungen abgehalten. Neben den üblichen Amtsgeschäften, wie der Bearbeitung von 46 Promotionsgesuchen (das Promotionsexamen wurde von allen Kandidaten bestanden), 4 Anträgen auf Eröffnung des Habilitationsverfahrens und 2 Anträgen auf Ernennung zum apl. Professor etc., muß als die herausragende Leistung der Fakultät unter der Ägide Pfannenstiels die gegen den Widerstand des Großherzoglichen Innenministeriums beharrlich verfochtene und schließlich von diesem am 1. November 1905 verfügte Einrichtung eines Lehrstuhls für Haut- und Geschlechtskrankheiten angesehen werden (A. Jesionek) (3). Ferner widmete sich Pfannenstiel während des Dekanats intensiv der Organisation ärztlicher Fortbildungsveranstaltungen. So wird außer der Durchführung von Fortbildungsabenden in zweiwöchigen Abständen, alternierend mit den Tagungen der Medizinischen Gesellschaft, auch die Durchführung von vierzehntägigen praktischen Kursen beschlossen. Die Beantragung der Errichtung einer dringend erforderlichen Ohrenklinik wurde, wie in den vorangegangenen Jahren, vom Ministerrium abschlägig beschieden (3). Dieses Projekt sollte erst 1913 verwirklicht werden, nachdem der amtierende Lehrstuhlinhaber E. H. M. Leutert am 9.12.1909 unter Protest um Entlassung gebeten hatte: „Prof. Dr. Leutert macht der Redaktion die Mitteilung, daß er um Entlassung aus dem Hessischen Staatsdienste ohne Pension nachgesucht habe, nachdem das Ministerium aus Finanzgründen abgelehnt hat, die projektierte Ohrenklinik zu bauen. Archiv für Ohrenheilkunde 82,1910,164". (1) Zur Zeit Pfannenstiels war die personelle Besetzung der Klinik knapp bemessen. Es gab nur vier Ärzte, den Leiter der Klinik und Lehrstuhlinhaber, der gleichzeitig 1. Hebammenlehrer war, den Oberarzt und ehemaligen kommissarischen Leiter der Klinik Prof. H. Walther, der 2. Hebammenlehrer war, den 1. Assistenten P. B. Kroerner, der sich 1904 unter Pfannenstiel habilitierte und dann sein „Vertreter in allen Dienstgeschäften" wurde und Fr. Cohn, den er im Herbst 1907 als 1. Assistenten mit nach Kiel nahm (9). Trotz seiner hervorragenden Leistungen und seines offenkundig guten Rufes als Wissenschaftler und Kliniker im In- und Ausland, waren die Machtbefugnisse Pfannenstiels unter der Großherzoglichen Regierung in Darmstadt begrenzt. So mußte er seinen dreiwöchigen Jahresurlaub - nach Befürwortung durch den Rektor der Universität - durch das Innenministerium bewilligen lassen. Dies setzte nicht nur einen entsprechend positiven „Bericht" des Rektors, sondern auch die Bekanntgabe des Vertreters voraus. Gerade diese Vertreterfrage führte im April 1906 zu einem längeren Briefwechsel zwischen dem Ministerium, dem Rektor und Pfannenstiel, da befürchtet wurde, daß die Benennung von Kroemer als seinen „Vertreter in allen dienstlichen Angelegenheiten" zu einer „Ausschaltung" des 2. Hebammenlehrers führen könnte (9):

A. Jensen

Auf den Bericht (des Rektors) d. d. 26. d. M. ... wollen wir (das Großherzogliche Ministerium des Innern) zunächst einer Äußerung darüber entgegensehen, wie die Vertretung des Professors Dr. Pfannenstiel in seiner dienstlichen Eigenschaft als 1. Hebammenlehrer geregelt werden soll. Eine Ausschaltung des 2. Hebammenlehrers wird hierbei doch wohl kaum beabsichtigt sein." Nach einer entsprechend ausführlichen schriftlichen Erläuterung Pfannenstiels, warum nur Kroerner, der im Gegensatz zu Walther in der Klinik wohnte, als Vertreter ,,... bezüglich der praktischen Ausbildung" der Hebammenschülerinnen ,,...bei den Tag und Nacht stattfindenden Geburten" in Betracht käme, ergeht am 12. April 1906 vom Ministerium - etwas schärfer formuliert - ein Bewilligungsschreiben an den Rektor der Universität mit folgender Mitteilung: ,,.. wobei zu beachten bleibt, daß die Vertretung des genannten (Pfannenstiel) in seiner Eigenschaft als 1. Hebammenlehrer in der bisher üblichen Weise zu erfolgen hat. Wir wollen die Beteiligten hiervon in Kenntnis setzen." Dieses Schreiben des Ministeriums mußte von den „Beteiligten", Pfannenstiel, Walther und Kroerner, gegengezeichnet werden (9). Ob die administrativen Strukturen im Großherzoglichen Hessen, die ein Mann von der Natur Pfannenstiels als Beengung empfunden haben muß, seinen Weggang begünstigten oder ob er nach über fünfjährigem erfolgreichem Wirken in Gießen alle gesteckten Ziele erreicht hatte und - wie Kroerner in seinem Nekrolog schreibt - -..das ihm liebgewordene Gießen verließ, weil er als Nachfolger R. Werths einen umfassenderen Wirkungskreis im weiteren Vaterlande zu finden hoffte..." (6), ist ungewiß. Tatsache ist, daß Pfannenstiel im Juni 1907 den Ruf nach Kiel erhielt, diesen sofort annahm und mit Schreiben vom 10. Juni 1907 bereits den Rektor der Gießener Universität davon in Kenntnis setzte (9): „Euer Magnificenz beehre ich mich hierdurch ergebenst mitzutheilen, dass ich den an mich ergangengen Ruf, vom 1. Oktober d. J. ab die Leitung der Universitäts-Frauenklinik sowie die Lehrtätigkeit eines ordentlichen Professors für des Fach der Frauenheilkunde und Geburtshülfe in Kiel zu übernehmen, angenommen habe. Euer Magnificenz ganz ergebenster Dr. Pfannenstiel." „So wurde Pfannenstiel, o. ö. Professor der Schleswig-Holsteinischen Landesuniversität, Geheimer Medizinalrat und Nachfolger Werths am 1. Oktober 1907 Direktor der Frauenklinik und Hebammenlehranstalt in Kiel. (11)"

Das Ordinariat in Kiel „Darmstadt am 2. April 1906. Betreffend: Urlaubsregelung des Großh. Direktors der Universitäts-Frauenklinik zu Gießen.

Nur 4 Semester lang konnte Pfannenstiel in Kiel wirken, da wurde seinem Leben ein unerwartetes Ende gesetzt. Dennoch hat er es auch dort verstanden, sich

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durch seine Führungsqualitäten und durch seine Schaffenskraft sehr bald einen Namen zu machen. Sein ihn bis zum Tode begleitender 1. Assistent Franz Cohn, dessen Unterschrift auf Pfannenstiels Totenschein zu finden ist, schreibt in seinem Nekrolog: Eine „seltene Klarheit und Lebhaftigkeit seines Geistes" zeichnete ihn während seines ganzen Wirkens aus. „Schnelles Erfassen von Situationen und Menschen machten ihn ebenso zum umsichtigen Organisator wie zum geschickten Diplomaten, zum sicheren Operateur wie zum lichtvollen klinischen Lehrer. Eine rastlose Schaffensfreude stachelte ihn zu einer unermüdlichen Tätigkeit, die bei seiner zierlichen, aber sehnigen und zähen Körperbeschaffenheit manchmal fast Verwunderung erregen mußte Ohne Zersplitterung, jeder erholenden Nebenbeschäftigung abhold, wandte er seine ganze Kraft dem praktischen und wissenschaftlichen Betriebe seiner Klinik zu. In eiserner Pünktlichkeit und zielbewußter Einfachheit sah er die Haupterfordernisse einer gesunden klinischen Leitung. Mit nie erlahmender Energie wußte er das, was ihm das Richtige schien, im Bereiche seiner Klinik und auch in weiteren Kreisen durchzusetzen; gern ließ er sich jedoch auch durch motivierten Widerspruch überzeugen. Trotz der hervorstechenden Entschiedenheit seines Denkens und Handelns war sein Wesen nicht Strenge, sondern jene unbeirrte Heiterkeit, die in der Überwindung von Schwierigkeiten, in der sicheren Leitung von Menschen und Geschehnissen ihre Freude findet. Und so war er auch den Patienten gegenüber nicht der strenge, über dem klinischen Organismus thronende Operateur, sondern der liebevolle Arzt, der durch teilnahmsvolles Eingehen auf die Individualität der Kranken und auch auf ihre kleinen Beschwerden das Gefühl der Geborgenheit in ihnen zu erwecken wußte." (2) „Das dauernde Vertrauen und die Anhänglichkeit seiner Klientinnen hat den Verstorbenen für manche Härten des Lebens entschädigt." (6) Die letzte Phase von Pfannenstiels Leben in Kiel wurde von E. Philipp und G. Hörmann 1955 im Rahmen einer medizinhistorischen Studie anläßlich des 150jährigen Bestehens der Kieler Universitäts-Frauenklinik und Hebammen-Lehranstalt umfassend dargestellt und soll hier im Wortlauf wiedergegeben werden (11, 12). „Pfannenstiel kam nach Schleswig-Holstein als Meister seines Faches und erfahrener Klinikleiter - im Vollbesitz seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit. Er war eben 45 Jahre alt geworden und spürte nach der tiefgründigen Forschertätigkeit immer mehr den Drang, in die Breite zu wirken. Mit nie ermüdender Spannkraft war er ständig um die Verbesserung und Erweiterung der klinischen Einrichtungen bemüht. Als Klinikleiter teilte er Tag und Nacht die großen und kleinen Nöte seiner Schutzbefohlenen; den Assistenten war er bei aller Strenge ein unermüdlicher Lehrer und Berater in ihrer klinischen Arbeit, im Laboratorium oder an den regelmäßigen Referierabenden. Die Hebammenschülerinnen und Studenten folgten mit Bewunderung seinen einfachen, klaren und inhaltsreichen Vorträgen. Im Frühjahr 1908 konnte er die straff geführte Klinik ohne Sorge für 3 Monate seinem Oberarzt Hoehne überlassen und mit seiner Frau eine ausgiebige

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Studienreise nach den Vereinigten Staaten, England und Paris antreten. Während dieser anstrengenden Wochen hat er auf Bitten der amerikanischen Kollegen in vielen Hörsälen gesprochen und in manchem Operationssaal seine Methoden praktisch vorgeführt. In den amerikanischen Kongreßberichten dieser Zeit erschien Pfannenstiel als sprachgewandter internationaler Redner, dank seiner gründlichen Sprachstudien, mit denen er sich auf die Reise vorbereitet hatte. Mit neuen Eindrücken und reichen Erfahrungen kehrte er nach Kiel zurück. Er nahm seine vielseitige klinische und wissenschaftliche Tätigkeit sogleich wieder auf und bemühte sich darüber hinaus, der Klinik in Stadt und Land Einfluß und Geltung zu verschaffen. So lag ihm die Heranziehung der praktisch tätigen Ärzte zu gedeihlicher Zusammenarbeit besonders am Herzen. Die Medizinische Gesellschaft in Kiel wurde nach seinen Vorschlägen umgestaltet, und das Anscharhaus gründete auf seine Anregung bald eine Privatkrankenanstalt. Am 9. Mai 1909 wurde schließlich die auf sein Betreiben ins Leben gerufene Nordwestdeutsche Gesellschaft für Gynäkologie mit ihrer ersten Sitzung in Hamburg eröffnet; er selbst hielt einen Vortrag über die geburtshilflichen Hilfsoperationen bei uneröffnetem Muttermund. Pfannenstiel stand auf der Höhe seines Lebens und schien berufen, die Führung der Deutschen Gynäkologie mit zu übernehmen, als ihm ein tragischer Berufsunfall, kurz nach seinem Geburtstage im Jahre 1909, unvermittelt zum Verhängnis wurde. ... Johannes Pfannenstiel starb am 3. Juli 1909 - unbegreiflich für seine treue Frau und aufopfernde Helferin, seinen eben in das medizinische Studium eintretenden Sohn und für alle, die ihm und seinem Werk nahestanden. Die wenigen Jahre, die Pfannenstiel als Lehrer in Gießen und Kiel vergönnt waren, haben ihm einen ausgiebigen Erfolg in der Heranbildung akademisch tätiger Schüler versagt. Franz Cohn wurde am 1. September 1907 erster Assistent bei Pfannenstiel in Kiel; er habilitierte sich am 28. November 1908 und schied am 14. Mai 1910 aus dem Lehrkörper aus, um sich in Greifswald umzuhabilitieren. Dort wurde er Oberarzt an der Frauenklinik und 1913 Professor; 1920 übernahm er die Leitung der gynäkologischen Abteilung des Israelitischen Krankenhauses in Frankfurt am Main." Philipp Jung ging schon 1897 zu A. Martin nach Greifswald, habilitierte sich 1900, wurde 1908 Nachfolger von C. Menge in Erlangen und 1910 von H. M. Runge in Göttingen, 1917 starb er an den Folgen einer beim Operieren zugezogenen Infektion. - Paul Bernhard Kroemer arbeitete 10 Jahre unter Pfannenstiel, habilitierte sich bei ihm im Jahre 1904 und wurde 1907 Oberarzt bei E. Bumm in der Charite - als Nachfolger des nach Marburg berufenen W. Stoeckel. 1908 folgte die Ernennung zum Professor, 1910 der Ruf nach Greifswald als Nachfolger von M. Henkel. Er starb 1917 im Alter von 43 Jahren an einem chronischen Nierenleiden. - v. Alvensleben und Lüsebrink übernahmen die Hebammenschulen in Magdeburg und Bochum" (11, 12). Sein wissenschaftliches Werk Als Wissenschaftler war Pfannenstiel beseelt von einem unbändigen, breitangelegten Forscherdrang, der sich paarte mit Intelligenz, Akribie, Organisa-

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Hermann Johannes Pfannenstiel

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tionsvermögen und eisernem Fleiß. Dabei war er -wie man seinen Arbeiten entnehmen kann - immer um Kompetenz nicht nur auf dem eigenen Forschungsgebiet, sondern auch in den Nachbardisziplinen bemüht, die er sich durch fundierte theoretische, methodische und literarische Studien erwarb. Ferner verstand er es, während seiner wissenschaftlichen und klinischen Tätigkeit - unter Nutzung seines scharfen Verstandes und seiner raschen Auffassungsgabe - die am Ort vorhandenen Möglichkeiten zur Beantwortung drängender wissenschaftlicher Fragen optimal zu nutzen. Nur durch diese Effizienz, Kompetenz und Konsequenz seines wissenschaftlichen Denkens und Handelns und durch den festen Willen, etwas Besonderes zu leisten, war es Pfannenstiel möglich, in der Kürze seiner Schaffensperiode, ein ebenso profundes wie vielseitiges wissenschaftliches Werk zu hinterlassen. Die wissenschaftlichen Leistungen Pfannenstiels und ihre Bedeutung für unser Fach wurden von E. Philipp und G. Hörmann aus kritischer Distanz gewürdi ihrer Darstellung aus dem Jahre 1955 ist auch heute nichts hinzuzufügen: „Pfannenstiel war durch seine wertvollen wissenschaftlichen Beiträge, besonders aus der Breslauer Zeit, inzwischen ein bekannter Mann. Seine grundlegenden Studien über die Malignität der papillären Ovarialgeschwülste, über die Genese der Flimmerepithelzysten, unilokulären Zysten, Dermoide und Teratome, die der Habilitationsschrift bald nachfolgten, waren eine Fundgrube für alle auf diesem Gebiet arbeitenden Forscher. Darüber hinaus hatte er 1894 in Frommel's Jahresberichten das große Kapitel über die Krankheiten der Ovarien geschrieben und 1897 als berufener Kenner „Die Erkrankungen des Eierstocks und des Nebeneierstocks" in J. Veits Handbuch der Gynäkologie verfaßt.

Sammlung

Klinischer Vorträge beRruodet wu Richard von Yollnusaur. Neue Folge

Ernst von Bergmann, Wilhelm Erb ned Franz von Winekel.

Nr. 268. eher die 1"onheile dee eopescymphyfüren Ravcienyuerechoit4 für die grnikologischeo Keeliotomieen , sogleich ein Britta; eo der Indikationfstellong der Operationsrege

J. Pfannenstiel

Bnbeknpti,mprei, Por ei., 9,n, .,n 30 Vortagen i5 M ek. Prei, kd,. dmsia,u ilenw e Pf .1..yq.b.. rd,,,. 1900.

Leipzig Druck md Verlag von Breitkopf und Din,1 190n.

Abb. 3 : Titelblatt der Arbeit über den suprasymphysären Fascienquerschnitt aus dem Jahre 1900.

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Neben den Ovarialtumoren untersuchte Pfannenstiel in dieser Zeit auch die Neubildungen des Uterus; die Ergebnisse teilte er in mehreren Arbeiten mit, so z. B. über das traubige Sarkom der Cervix uteri, über das gleichzeitige Auftreten von Karzinom am Kollum und am Körper des Uterus, über die pathologische Anatomie und Histogenese des Uteruskrebses aufgrund eines weiteren Falles von doppeltem Karzinom des Uterus, über Myome und Adenomyome u. a. Die letzten Jahre seiner Breslauer Zeit galten vor allem dem Studium der uterinen und tubaren Eieinbettung; die Ergebnisse erschienen nach mehreren Einzelarbeiten als Monographie in v. Winckels Handbuch der Geburtshilfe 1903. Die exakte und gründliche Darstellung dieses schwierigen Gegenstandes fand allgemeine Anerkennung, obwohl Pfannenstiel in Zusammenarbeit mit dem Histologen Born das Zottensynzytium und damit auch die sogenannten malignen Deziduome als Abkömmlinge mütterlichen Gewebes erkärt. Für Kenner der Materie ist dieser Irrtum in der Deutung, dem Pfannenstiel hier unterlag, Beweis für die Gründlichkeit seiner Untersuchungen, und rückblickend kann man nur sagen, daß seine immer wieder angeführten Argumente und Befunde die endgültige Klärung des bedeutsamen Problems wesentlich beschleunigt haben. Diese Grundlagenforschung gab Pfannenstiel den sicheren Rückhalt bei seiner vielseitigen praktischen und literarischen Betätigung auf chirurgisch-gynäkologischem Gebiet. So beteiligte er sich mit großem Eifer am Ausbau der abdominalen und vaginalen Geschwulstoperationen und Vaginalplastiken. Seine Bemühungen um eine Verbesserung der Laparotomietechnik führten 1900 zur Entwicklung des suprasymphysären Faszienquerschnittes, der von namhaften Fachgenossen bald als wesentlicher Fortschritt auf dem Gebiete der abdominalen Chirurgie gerühmt wurde und heute als „PfannenstielQuerschnitt" eine Zierde der gynäkologischen Operationslehre darstellt (Abb. 3). In Gießen begann er sich mit Nachdruck für die Vereinfachung der kleinen gynäkologischen Therapie einzusetzen und mit eindrucksvollen Darstellungen der verschiedensten Gewebsschädigungen die verbreitete Atmokausis oder Chlorzinkbehandlung der Endometritis beharrlich zu bekämpfen. Die Gießener Klinik gab ihm zugleich die ersehnte Gelegenheit zum praktischen Studium geburtshilflicher Probleme, für die das Krankenhaus der Elisabethinerinnen wenig Anregung geboten hatte. Immer wieder bemühte er sich dabei um die Ausgestaltung einer rationellen Therapie des engen Beckens durch den Ausbau der beckenspaltenden Operationen." (11) Die große Bedeutung, die Pfannenstiel als Wissenschaftler und Kliniker in seiner Zeit gehabt hat, kommt auch in der großen Zahl von ehrenvollen Mitgliedschaften in nationalen und internationalen wissenschaftlichen Gesellschaften zum Ausdruck. So wurde er 1903 korrespondierendes Mitglied der Gesellschaft für Vaterländische Kultur; 1904 korrespondierendes Mitglied der Gesellschaft für Geburtshilfe in Leipzig; 1905 korrespondierendes Mitglied der k. k. Gesellschaft der Ärzte in Wien; 1907 Ehrenmitglied der Mittelrheinischen Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie; 1907 Ehrenmitglied der Kgl. Gesellschaft der Ärzte in Budapest; 1908 Ehrenmitglied der American Gynecological Society und 1908 Ehrenmitglied

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der Oberrheinischen Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie (6). Die bedeutendsten Ehrungen posthum wurden Pfannenstiel durch den jetzigen Klinikdirektor seiner letzten Wirkungsstätte, der Kieler Universitäts-Frauenklinik und Hebammenschule, Prof. Dr. K. Semen, zuteil, der zu seinem 70. Todestag eine Pfannenstiel-Gedächtnis-Plakette stiftete und anläßlich der 175-Jahrfeier der Hebammenschule eine „Stiftung zum Gedenken der Professoren Gustav Adolph Michaelis und Hermann Johannes Pfannenstiel" ins Leben rief. Ferner wird der ,,...heute alle zwei Jahre von der Nordwestdeutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe für hervorragende wissenschaftliche Arbeiten verliehene - 1981 geschaffene - PfannenstielStaude-Preis die Pionierarbeit des damals hochanerkannten Wissenschaftlers würdigen und seinen Namen fortleben lassen" (13). Seine persönliche Entwicklung Blickt man anläßlich seines 80. Todestages auf das Leben und Wirken von Hermann Johannes Pfannenstiel zurück, so muß man, um ihm gerecht zu werden, nicht nur den Forscher, Lehrer und Arzt, sondern auch den Menschen Pfannenstiel betrachten, und man muß sich fragen, welche besonderen Voraussetzungen dazu beigetragen haben, daß Pfannenstiel, nach einhelliger Meinung derer, die ihn kannten, in allen Bereichen seines beruflichen und privaten Lebens so Vorbildliches zu leisten in der Lage war. Beruflich fallen Pfannenstiels Zielstrebigkeit und große Gelehrigkeit ebenso ins Auge wie seine Lehrbegabung und wissenschaftliche Akribie mit klarem Blick für das medizinisch Wichtige seiner Zeit. Diese wesentlichen Voraussetzungen für eine große Karriere als Arzt in Forschung und Lehre waren - bei aller Härte gegen sich selbst und trotz mancher Härten des Lebens - gepaart mit einem heiteren hilfsbereiten Wesen und mit menschlicher Wärme. Hiervon profitierten nicht nur Familie, Mitarbeiter und Studenten, sondern vor allem seine Patienten, „ ... ihnen gab er sich stets als heiterer Seelenarzt, der ihre großen und kleinen Nöte ärztlich und menschlich zu lindern wußte." (6). Die Kombination aus intellektuellen und menschlichen Qualitäten, die er von mütterlicher Seite geerbt zu haben schien, gepaart mit Fleiß und Selbstdisziplin, kaufmännisch pragmatischem Blick und einer bis zur Pedanterie reichenden Gründlichkeit - Eigenschaften, die wohl eher väterlichen Ursprungs waren - bildeten die Grundpfeiler für Pfannenstiels erfolgreichen Lebensweg. Betrachtet man seine Jugend, so sind die ausgezeichneten schulischen Leistungen, die er an dem bekannt anspruchsvollen Friedrich-Wilhelm-Gymnasium spielend leicht erbrachte, Beleg dafür, daß Pfannenstiel offenbar mit allen geistigen Gaben für eine hervorragende berufliche Zukunft ausgestattet war. Hinzu kam, daß er aus der Konkurrenzsituation zu seinem Bruder heraus bereits als Schüler gewohnt war, sich Bestleistungen abzuverlangen. (10)

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Fördernd auf Pfannenstiels Leistungsbereitschaft hat sich sicher der für ihn folgenschwere Konflikt mit seinem Vater ausgewirkt, der sich an dem von ihm selbstbewußt am Gymnasium zu Protokoll gegebenen Wunsch, Medizin studieren zu wollen, entzündete. Der despotische Vater, der möglicherweise an Minderwertigkeitsgefühlen gegenüber seinem gebildeten Schwiegervater, der Pastor war, litt, verlangte von seinem Sohn mit unbeugsamer Härte, daß dieser Theologie studieren solle. Es kam zum Eklat. Wie sehr Pfannenstiel den väterlichen Vorschlag des Theologiestudiums ablehnte und welche Spuren der Konflikt darüber hinterließ, zeigt die Tatsache, daß später Pfannenstiel und seine Frau Elisabeth - beide waren evangelisch getauft - innerhalb der Familie offenbar so wenig über Religion sprachen, daß ihr Sohn Wilhelm, trotz anderweitig sehr guter Vorbereitung durch seinen Privatlehrer, um ein Haar die Aufnahme in die Sexta des Gymnasium verfehlte, da er weder von den Zehn Geboten, noch vom Vaterunser oder gar vom Christlichen Glaubensbekenntnis je etwas gehört hatte. (10) Menschlich enttäuscht von der unverständlichen Starrsinnigkeit seines Vaters, der mit seiner Intoleranz gegenüber den Berufswünschen seines begabten Sohnes innerhalb der Familie allein dastand, war Pfannenstiel mit 18 Jahren familiär und finanziell auf sich selbst gestellt. Der Konflikt zwischen Vater und Sohn war unüberbrückbar, wodurch Pfannenstiel - sich seiner geistigen Leistungsfähigkeit durchaus bewußt - frühzeitig zur Selbständigkeit und Selbstdisziplin gezwungen war. Angetrieben durch die ablehnende Haltung seines Vaters dem Arztberuf gebenüber, wollte Pfannenstiel, der aufgrund seiner Kurzsichtigkeit vom Militärdienst befreit war, erst recht in Studium und Beruf Höchstleistungen erbringen. Sein großer Fleiß und eine gute Zeiteinteilung machten es möglich, daß er in kürzester Zeit das Studium abschloß und mit „summa cum laude" promoviert wurde, obwohl er sich nebenbei, zunächst durch SchülerUnterricht und dann durch Assistenz bei dem Gynäkologen v. Rabenau, seinen Lebensunterhalt verdienen mußte. Diese Phase seines Lebens muß prägend für die Persönlichkeitsentwicklung, das Selbstverständnis und die Berufsauffassung Pfannenstiels gewesen sein, der auch später ,,...jeder zerstreuenden Nebentätigkeit entsagte und seine Schüler fortgesetzt die Notwendigkeit geistiger Konzentration durch Wort und Beispiel lehrte." (6) Die Kraft für solche Leistungen schöpfte Pfannenstiel aber nicht nur aus sich selbst . Er suchte und fand Beistand bei seiner Jugendfreundin , Elisabeth Behlendorff, mit der er sich als Zwanzigjähriger heimlich verlobte ( 10). Sie wurde seine treue Lebensgefährtin und 7 Jahre später - wider väterlichen Willen - seine Ehefrau. Zum zweiten Male bewies Pfannenstiel - jetzt im persönlichen Bereich - Selbstbewußtsein , Entscheidungskraft und ein sicheres Urteilsvermögen. Die Schicksalsgemeinschaft des vom Vater verstoßenen Pfannenstiel und seiner Verlobten Elisabeth Behlendorff die, unehelich geboren, ohne richtiges Elternhaus bei Pflegeeltern und später bei den Großeltern aufwachsen mußte, verband beide tief, so daß

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Hermann Johannes Pfannenstiel

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sie, allen beruflichen, finanziellen und familiären Problemen zum Trotz, eine glückliche und harmonische Ehe führten (10). Dies wiederum war für Pfannenstiel eine wichtige Voraussetzung, um allen klinischen und wissenschaftlichen Anforderungen, die er an sich stellte, gerecht werden zu können.

fand, eine der bedeutendsten Persönlichkeiten, die unser Fach je hervorgebracht hat. Pfannenstiel hat durch sein Leben als Forscher, Lehrer, Arzt und Mensch Maßstäbe gesetzt.

Die enge und glückliche Beziehung zu Elisabeth mag auch erklären, warum Pfannenstiel in den schweren Studienjahren und auch später trotz allen Leistungsdruckes als eher heiter und gesellig beschrieben wird. Dieser sympathische Wesenszug, Höchstleistungen zu vollbringen und doch Mensch zu bleiben, trägt ihm in seiner wissenschaftlichen Laufbahn Respekt und Anerkennung bei den Kollegen und die Freundschaft von Heinrich Fritsch, seinem wichtigsten Lehrer, ein.

Überarbeitete Zusammenstellung der wissenschaftlichen Publikationen Pfannenstiels nach A. Martin und A. von Rosthorn (7) beim Verfasser.

Pfannenstiels wissenschaftliche Arbeiten

Bildnachweis Das Portrait und die Postkarte gehen auf Vorlagen in der Frauenklinik Gießen zurück. Die übrige Abbildung ist der entsprechenden Schrift entnommen. Danksagung

Ausdruck dieser Menschlichkeit, die von seinen Mitarbeitern ebenso anerkannt wurde, wie von seinen Studenten und Patienten, war u. a. die Fürsorglichkeit seinem ständig kränkelnden Sohn Wilhelm gegenüber, den er trotz großer finanzieller Engpässe durch Privatunterricht bis zur Gymnasialreife bringen läßt, um den körperlich schwachen Jungen nicht dem rauhen Alltag einer normalen Grundschule auszusetzen. (10)

Der Verfasser dankt Herrn Prof. Dr. J. Benedum, Gf. Direktor des Institutes für Geschichte der Medizin der Universität Gießen , für seine tatkräftige Unterstützung bei Konzeption und Durchführung dieser Arbeit und Herrn Assistenzarzt Thorsten Caesar, Gießen , für die Überlassung wichtiger, im Rahmen seiner Doktorarbeit recherchierter, Details über das Leben von H. J. Pfannenstiel.

Literatur Schon als Student hat Pfannenstiel, indem er notgedrungen Schüler unterrichtete, didaktisches Geschick erworben und ausgebaut, das ihn später als allseits anerkannten akademischen Lehrer auszeichnen sollte. „Lehren war ihm Lebensberuf. Bei den Studenten erfreute er sich großer Beliebtheit wegen seines klaren gehaltvollen Vortrages und wegen seines verständnisvollen Eingehens auf alle Nöte der Studierenden..." (6). Seine didaktischen und rhetorischen Fähigkeiten, gepaart mit der Gründlichkeit seiner Forschung, die er in treffender Ausdrucksweise meisterhaft präzise darzustellen vermochte, machten ihn zu einem akademischen Lehrer allerersten Ranges. Aber auch als Diskussionsredner war Pfannenstiel besonders geschätzt, „weil er schlagfertig und redegewandt seine Bemerkungen streng sachlich zu gestalten wußte; ... er besaß die Kunst zu opponieren, ohne anzugreifen; er war nie verletzend, auch wenn er anderer Meinung war." (6) Pfannenstiels große Karriere als Gynäkologe ist neben seinen intellektuellen und menschlichen Qualitäten und seinem Arbeitseifer vor allem seinem Vermögen, die örtlichen Gegebenheiten zur wissenschaftlichen Betätigung optimal zu nutzen, zuzuschreiben. Hierbei verstand er es, die Unterstützung führender Wissenschaftler aus Nachbardisziplinen zu gewinnen, die er durch seine schnelle Auffassungsgabe und seine Akribie beeindruckte. Nur so wird verständlich, daß Pfannenstiel durch seine wissenschaftlichen Arbeiten auf den unterschiedlichsten Gebieten der Gynäkolgie - von der Pathologie des Ovars über die Implantation des befruchteten Eies und den suprasymphysären Fascienquerschnitt bis hin zum habituellen Ikterus gravis des Neugeborenen - in kurzer Zeit Weltgeltung erlangte.

1 Benedum, J.: 375 Jahre Medizin in Gießen: Eine Bild- und Textdokumentation von 1607-1982, Wilhelm Schmitz Verlag, 1983. 2 Cohn, Fr.: Johannes Pfannenstiel, MMW 56 (1909), 1601. Dekanatsbuch der Universität Gießen von 1905, Universitätsarchiv Gießen. 4 Fritsch, H.: Nachruf auf J. Pfannenstiel, Zentralbl. f. Gynäkol. 33 (1909), 1065. 5 Holzapfel, K.: Johannes Pfannenstiel t, DMW 35 (1909), 1443. 6 Kroemer, P B.: Nachruf auf J. Pfannenstiel, Verh. d. Deutsch. Gesellsch. f. Gynäkol. 13 (1909), 1. 7 Martin, A., A. von Rosthorn: Hermann Johannes Pfannenstiel 1-, MGG 30 (1909), 137. 8 N. N.: Dr. med. Johannes Pfannenstiel: In: Geistiges Deutschland, Galerie von Zeitgenossen, Berlin 1902, ohne Seitenangabe. 9 Personalakte der Universität Gießen von H. J. Pfannenstiel 1902-1907, Universitätsarchiv Gießen. 1° Pfannenstiel, W.: Familienchronik, unveröffentlicht, Privatbesitz, 1947. n Philipp, E., G. Hörmann: Hermann Johannes Pfannenstiel (1862-1909). In: Die Kieler Universitäts-Frauenklinik und Hebammen-Lehranstalt 1805-1955, hrsg. von E. Philipp, G! Hörmann, Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1955, S. 83-88 und S. 122. 12 Semm, K.: Hermann Johannes Pfannenstiel (1862-1909), Zentralbl. f. Gynäkol. 110 (1988),1593-1597. 13 Semm, K., M. Weichert-v. Hassel: Universitäts-Frauenklinik Kiel - Ihre Bedeutung für die Frauenheilkunde. Eine medizinhistorische Studie zum 180jährigen Bestehen, Alpendruck, Geretsried, Kiel 1985.

Prof. Dr med. A. Jensen

Damit ist und bleibt der Gynäkologe Hermann Johannes Pfannenstiel, auch achtzig Jahre nachdem seine glanzvolle berufliche Laufbahn ein allzufrühes Ende

Universitäts-Frauenklinik Klinikstraße 32 D-6300 Gießen

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[Hermann Johannes Pfannenstiel (1862-1090). On the 80th anniversary of his death. A biography of a famous German gynecologist].

The gynaecologist Hermann Johannes Pfannenstiel died 80 years ago, on July 3, 1909, from the sequelae of an occupational accident. His death marked th...
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