Übersicht

175

Hepatozelluläres Karzinom – Aktuelles zu Screening, Surveillance und Therapiestrategien (aktualisierte EASL-EORTC-Empfehlungen)

Autor

E. Roeb

Institut

Medizinische Klinik und Poliklinik II, Schwerpunkt Gastroenterologie, Universitätsklinikum Gießen, Deutschland

Schlüsselwörter " hepatozelluläres Karzinom l " Lebertumor l " multimodale Therapie l

Zusammenfassung

Abstract

!

!

Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) gehört mit 523 000 neuen Fällen pro Jahr zu den häufigsten Krebsentitäten weltweit. In den letzten Jahren haben sich sowohl hinsichtlich der Diagnostik als auch in Bezug auf die therapeutischen Optionen deutliche Verbesserungen ergeben. Die Überwachung von Risikopatienten führt zu einer frühzeitigeren Diagnose kleiner HCCs. Nach wie vor ist eine frühe Diagnose die beste Voraussetzung für ein kuratives Therapiekonzept. Die vorliegende Übersichtsarbeit fasst die aktuellen Leitlinien der European Association for the Study of the Liver (EASL) und der European Organisation for Research and Treatment of Cancer (EORTC) unter besondere Berücksichtigung des Screenings und der Surveillance von Risikogruppen für das HCC zusammen.

With an incidence of 523 000 new cases a year hepatocellular carcinomas (HCCs) belong to the most frequent cancer entities worldwide. Diagnostic and therapeutic procederes have been improved during the last years. Surveillance of patients with high risk factors leads to an early diagnosis. Up to now the detection of early HCCs represents the best prerequisite for any curative therapy. The present synopsis summarises the current guidelines of the European Association for the Study of the Liver (EASL) and the European Organisation for Research and Treatment of Cancer (EORTC) with a special focus on screening and surveillance of risk groups.

Einleitung

in Europa zur Entscheidungsfindung im Sinne einer evidenzbasierten Medizin. In der folgenden Übersichtsarbeit werden die Empfehlungen der EASL und die EORTC-Leitlinien an die deutschen Regularien adaptiert und somit an die Kapazitäten, die infrastrukturellen Gegebenheiten und wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland angepasst. Evidenzlevel und Datengüte werden entsprechend dem National Cancer Institute [2] angewendet. Der vorliegende Beitrag fasst schwerpunktmäßig den gegenwärtigen Stand von HCCScreening (Diagnostik), Surveillance (Überwachung) und Therapie zusammen.

Key words " hepatocellular carcinoma l " liver tumour l " multimodal treatment l

!

Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0033-1350669 Online-publiziert 16. 10. 2013 Zentralbl Chir 2014; 139: 175–183 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0044‑409X Korrespondenzadresse Prof. Dr. med. Elke Roeb Medizinische Klinik und Poliklinik II, Schwerpunkt Gastroenterologie Universitätsklinikum Gießen Klinikstraße 33 35392 Gießen Deutschland Tel.: 06 41/9 85-4 23 38 Fax: 06 41/9 85-4 23 39 [email protected]. uni-giessen.de

In einer aktuellen Publikation hat die EASL (European Association for the Study of the Liver) und die EORTC (European Organisation for Research and Treatment of Cancer) das Management des hepatozellulären Karzinoms, die Surveillance von Risikopatienten sowie das Screening und die therapeutischen Strategien für die betreffenden Patienten neu definiert [1]. Es handelt sich bei diesem Projekt um den ersten europäischen Gemeinschaftsbeitrag der EASL und der EORTC zur Erarbeitung gemeinsamer Leitlinien für das hepatozelluläre Karzinom (HCC). Mit der neuen Leitlinie wurden auch die zuletzt 2001 publizierten Expert Panel Opinions aktualisiert. Aufgrund der zahlreichen klinischen und wissenschaftlichen Fortschritte in den letzten 10 Jahren war eine Modernisierung dringend erforderlich. Das Ziel der Leitlinie ist eine bessere und aktuellere Unterstützung von Ärzten, Patienten, Gesundheitssystemen und der Gesundheitspolitik

Epidemiologie !

Jedes Jahr werden mit steigender Tendenz 10,9 Millionen Fälle von Tumorerkrankungen und 6,7 Millionen Fälle von tumorassoziierten Todesfällen gemeldet. Die häufigsten Tumorarten stellen Brust- und Lungenkrebs sowie kolorektales

Roeb E. Hepatozelluläres Karzinom …

Zentralbl Chir 2014; 139: 175–183

Heruntergeladen von: Universite Laval. Urheberrechtlich geschützt.

Hepatocellular Carcinoma – Current Aspects of Screening, Surveillance and Therapeutic Strategies (Revised EASL-EORTC Recommendations)

Übersicht

Karzinom dar. Die häufigsten Ursachen für krebsbedingte Todesfälle sind Lungenkrebs, Magenkrebs und Leberkrebs [3, 4]. Der Leberkrebs stellt die sechsthäufigste Todesursache mit 749 000 neuen Diagnosen pro Jahr dar und sogar die dritthäufigste krebsbedingte Todesursache mit 692 000 Fällen pro Jahr. Leberkrebs ist verantwortlich für 7 % aller Krebsfälle. 90 % der primären Leberkrebsarten sind auf das HCC zurückzuführen und stellen somit ein immenses globales Problem dar. Während die Inzidenz ein Maß für die Anzahl der Neuerkrankungen in einem definierten Zeitraum darstellt, wird mit der Prävalenz der Bestand an Kranken zu einem definierten Zeitpunkt und mit der Mortalität die Zahl der Todesfälle pro Bevölkerungsumfang in einem definierten Zeitrahmen angegeben. Die Inzidenz des HCC steigt progredient mit dem Alter der Bevölkerung an und erreicht ihren Höhepunkt im 70. Lebensjahr [5]. In China und in der schwarzen amerikanischen Bevölkerung liegt das mittlere Alter der Patienten allerdings deutlich darunter. Die Japaner weisen mit 70 bis 79 Jahren das höchste Lebensalter bei Inzidenz des HCC auf [6]. Männer sind rund 2,4-mal häufiger betroffen als Frauen [4]. Es gibt deutliche lokoregionäre Unterschiede in der HCC-Inzidenz. Die höchste Inzidenzrate findet sich in Ostasien, in Afrika südlich der Sahara und in Milanesien (Neuguinea, Fidschi, u. a.). In diesen Gebieten treten ca. 85% aller Fälle auf [3, 4]. In industriell entwickelten Ländern ist die Inzidenz mit Ausnahme von Südeuropa relativ gering. Weltweit steigt die HCC-Inzidenz allerdings deutlich an. In Europa liegt die Inzidenz- und Mortalitätsrate bei 65 000 bzw. 60 240 Fällen pro Jahr, in den Vereinigten Staaten von Amerika bei 21 000 bzw. 18 400 Fällen. Es wird vermutet, dass im Jahr 2020 die US-amerikanische HCC-Inzidenz bei ca. 78 000 und die Mortalität bei ca. 27 000 liegen wird [4]. Innerhalb der männlichen Bevölkerung ist die HCC-Mortalität in den letzten 10 Jahren vor allem in Österreich, Dänemark, Deutschland, Griechenland, Irland, Portugal, Norwegen, Spanien, Schweiz und Großbritannien angestiegen, fiel hingegen in Finnland, Frankreich, Italien, den Niederlanden und Schweden ab [7]. In den USA stieg die Rate der HCC-abhängigen Todesfälle in den Jahren 1990 bis 2000 um 44% an, wohingegen die Rate anderer krebsbedingter Todesursachen nur um 18 % anstieg [8]. Die steigende Zahl an Hepatitis-C-bedingten (HCV) HCC-Fällen sollte verstärkte Anstrengungen hinsichtlich des Screenings und der Therapie der chronischen HCV-Infektion nach sich ziehen [9]. In Zukunft ist mit deutlich besseren Prognosen (Schätzung für den Zeitraum 2010 bis 2020) durch Einführung/Verbesserung der HCV-Therapie und Verbesserung des HCC-Screenings zu rechnen [4]. In Japan, wo die HCV-bedingte HCC-Rate nach dem Zweiten Weltkrieg als Erstes beschrieben wurde, ist mittlerweile ein Abfall der Inzidenz für HCCs zu erkennen [6]. Die Vakzinierung gegen HBV hat die Rate der HBV-assoziierten HCC-Ereignisse drastisch gesenkt. Diese Daten stammen vorwiegend aus den Untersuchungen von Kindern in Taiwan [10].

Ätiologie und Risikofaktoren !

Die geografische Verteilung und die Hauptrisikofaktoren sind in " Tab. 1). der folgenden Tabelle dargestellt (l Zirka 90% der HCCs sind mit einer bekannten Risikokonstellation assoziiert. Zu dieser gehören vor allen Dingen die chronischen viralen Hepatitiden (HBV und HCV), Alkoholabusus sowie eine Exposition gegenüber Aflatoxinen. In Afrika und Ostasien sind die meisten HCC-Fälle auf HBV zurückzuführen, wohingegen in den

Roeb E. Hepatozelluläres Karzinom …

Zentralbl Chir 2014; 139: 175–183

Tab. 1 Geografische Daten für die Hauptrisikofaktoren des HCC, abgewandelt nach EASL-EORTC Clinical Practice Guidelines entsprechend der Daten der International Agency for Research on Cancer (IARC). Im Internet: http:// www-dep.iarc.fr/; 2 013 (Stand: 11. 01. 2013). geografische

AAIR

HCV

HBV

Alkohol

andere

Region

M/W

(%)

(%)

(%)

(%)

Europa " Süden " Norden Nordamerika Asien & Afrika Asien China Japan Afrika weltweit

6,7/2,3 10,5/3,3 4,1/1,8 6,8/2,3

60–70

10–15

20

10

50–60 20

20 70

20 10

10 (NASH) 10 (Aflatoxin)

70

10–20

10

10

31

54

15

21,6/8,2 23/9,6 20,5/7,8 1,6/5,3 16/6

AAIR: Altersadjustierte Inzidenzrate; M: männlich; W: weiblich

industriell entwickelten Gebieten nur ca. 20 % der Fälle HBV-assoziiert sind. In diesen Ländern scheint die chronische HCV-Infektion zu den Hauptrisikofaktoren zu gehören [3]. Weltweit sind 54 % aller HCC-Fälle durch eine HBV-Infektion bedingt (ca. 400 Millionen Menschen sind HBV-infiziert). 31 % aller HCC-Fälle weisen eine HCV-assoziierte HCC-Entwicklung auf (weltweit sind ca. 170 Millionen HCV-infiziert). Lediglich 15 % der HCC-Fälle sind mit anderen Erkrankungen assoziiert. Die Leberzirrhose ist ein wichtiger Risikofaktor für die HCC-Entwicklung und kann sowohl durch eine chronische Virushepatitis als auch durch Alkoholabusus, genetisch bedingte Stoffwechselerkrankungen wie Hämochromatose oder Alpha-1-Antitrypsin-Mangel und die nichtalkoholische Fettlebererkrankung (NASH) hervorgerufen worden sein. Prinzipiell können also alle ätiologischen Formen der Zirrhose mit einer HCC-Komplikation behaftet sein. HBV und NASH können auch auf dem Boden einer Nichtzirrhose HCC-Ursachen sein, wohingegen HCV in den meisten Fällen (außer bei hoher entzündlicher Aktivität) nur im Rahmen einer zunehmenden Zirrhose sich mit HCC manifestiert. Das Risiko ist allerdings bei den chronischen Hepatitisinfektionen deutlich höher. Insgesamt entwickeln ca. 30 % der Zirrhosepatienten im Verlauf ihres Lebens ein HCC [11]. In Langzeitstudien konnte eine HCC-Inzidenz bei Zirrhosepatienten von 1 bis 8% pro Jahr festgestellt werden [12]. Neuere Studien haben einen Anstieg der HCC-Inzidenz parallel zur Höhe der portalen Hypertension (direkte Messung) sowie in Assoziation zur Zunahme der Lebersteifigkeit (Messung mittels transienter hepatischer Elastografie) festgestellt [13, 14]. Zu den Prädiktoren für eine HCC-Entwicklung bei HBV-Patienten zählen das HBe-Antigen, eine hohe Viruslast und der HBV-Genotyp C [15–17]. Die HBV-Viruslast korreliert darüber hinaus auch mit dem Risiko der Zirrhoseprogression [18]. In ähnlicher Weise konnte auch bei der Hepatitis-C-Infektion der Genotyp 1b mit einem ansteigenden HCC-Risiko in einer aktuellen Metaanalyse assoziiert werden [19]. Die orale Aufnahme von Aflatoxin B1 aus Aspergillus flavus oder Aspergillus parasiticus ist ein wichtiger Co-Faktor für die HCC-Entwicklung in einigen Teilen Afrikas und Asiens. Epidemiologische Studien konnten eine gute Korrelation zwischen dem oral zugeführten Aflatoxin-B1Gehalt, TP53-Mutationen und der Inzidenz des HCC, insbesondere bei HBV-infizierten Personen nachweisen [20]. Patienten mit Hämochromatose entwickeln in bis zu 45 % aller Fälle ein HCC [21], sehr häufig auf dem Boden einer vollständig etablierten

Heruntergeladen von: Universite Laval. Urheberrechtlich geschützt.

176

Übersicht

Surveillance von Risikopatienten !

Im Rahmen der systematischen und kontinuierlichen Surveillance sollte bei Risikopatienten ein regelmäßiges Screening im Hinblick auf ein HCC durchgeführt werden. Das Ziel der Surveillancestrategie ist eine Reduktion der krankheitsassoziierten Mortalität. Im Falle des HCC ist die frühe Diagnose oder die Diagnose eines früheren Tumorstadiums ein wichtiger Surrogatparameter für das Patientenüberleben.

Patienten mit Leberzirrhose Mehrere Studien zur Kosteneffektivität zeigten, dass eine HCCInzidenz von 1,5 % pro Jahr und mehr ein Screening von HCC-Patienten mit Leberzirrhose und zwar unabhängig von der Ätiologie der Zirrhose empfehlenswert macht [30, 31]. Patienten auf der Warteliste für eine Lebertransplantation sollten unabhängig vom funktionellen Leberstatus einem HCC-Screening unterzogen werden, um die Priorität für die Transplantation immer wieder neu definieren zu können. Spezifische Empfehlungen für die Surveillance von Zirrhosepatienten fehlen allerdings aufgrund fehlender Studiendaten.

gischen Ansprechen bei HCV- und HBe-Antigen-Serokonversion oder anhaltender HBV‑DNA-Suppression bei chronischer HBVInfektion eliminiert das Risiko des HCC nicht [35–38]. Diese Patienten sollten weiterhin einer Surveillance-Strategie zugeführt werden.

Sonografie, abdomineller Ultraschall Der abdominelle Ultraschall ist das bildgebende Verfahren, das am häufigsten für die Surveillance des hepatozellulären Karzinoms eingesetzt wird. Die Sensitivität des Ultraschalls liegt je nach Studie zwischen 58 und 89 %, die Spezifität ist größer als 90 % [39, 40]. Sowohl die Leitlinien der European Federation of Societies for Ultrasound in Medicine als auch der Asia-Pacific-Association for the Study of the Liver propagieren die kontrastmittelunterstütze Sonografie als bildgebendes Verfahren zur Charakterisierung fokaler Leberläsionen [41]. Bei den frühen HCCs ist die Detektionseffektivität mit 63 % deutlich geringer [42]. In einer aktuellen japanischen Kohorte konnte durch sorgfältig durchgeführte Ultraschalluntersuchungen die mittlere Größe der zum ersten Mal diagnostizierten Tumoren auf 1,6 ± 0,6 cm reduziert werden [43]. Die Popularität des abdominellen Ultraschalls liegt in der nahezu risikolosen Anwendung dieses nicht invasiven Verfahrens, der guten Akzeptanz sowie der relativ moderaten Kostenstruktur. Das Verfahren bedarf allerdings einer guten Ausbildung im Hinblick auf die schwierige Detektion bei fibrotischen Septen und Regenerationsknoten in der chronisch entzündeten Leberfibrose. Aufgrund dieser Limitationen beruht die Detektionsrate von frühen HCCs sehr stark auf der Erfahrung des Untersuchers und der Qualität des Ultraschallgeräts.

Computertomografie und MRT Es gibt keine Daten, welche die Durchführung einer DünnschichtComputertomografie (CT) oder eines dynamischen MRTs für die Surveillance von HCC-gefährdeten Patienten unterstützen würden. Erste Erfahrungen zeigen, dass die Rolle falsch-positiver Ergebnisse weitere Untersuchungen nach sich ziehen und diese wenig kosteneffektiv sind. CT und MRT sollten nur eingesetzt werden, wenn intestinale Gasüberlagerungen, deutliche Adipositas und Brustwanddeformitäten die Durchführung eines adäquaten Ultraschalls unmöglich machen.

Screening !

Bildgebende Verfahren Patienten ohne Leberzirrhose Patienten mit chronischer Hepatitis B und C weisen ein Risiko für die HCC-Entwicklung auf, auch in Abwesenheit einer ausgedehnten Leberfibrose oder Zirrhose. Die HCC-Inzidenz liegt bei diesen Patienten bei ungefähr 0,2 % pro Jahr [32, 33]. Die Daten für die HCC-Inzidenz bei Patienten mit chronischer HCV-Infektion ohne Zirrhose sind zum Teil widersprüchlich. Die transiente hepatische Elastografie scheint aber ein vielversprechendes Werkzeug zu sein, um die Patienten im Hinblick auf unterschiedliche HCCRisiken zu stratifizieren [13, 34].

Patienten mit chronischer Virushepatitis nach Behandlung In den letzten Jahren konnte die erfolgreiche Therapie der Patienten mit chronischer HBV- und HCV-Infektion deutlich gesteigert werden. Aber eine erfolgreiche Therapie mit anhaltendem virolo-

Die Screeninguntersuchungen beim HCC beinhalten serologische Tests und bildgebende Verfahren. Unter den bildgebenden Verfahren ist der Ultraschall am weitesten verbreitet. Je nach Studie reichen die Sensitivitäten von 58 bis 89 %, die Spezifität ist meist größer als 90% [40, 44]. Eine Metaanalyse aus 19 Studien konnte nachweisen, dass die große Mehrheit der HCC-Tumoren weit vor klinischer Apparenz mit einer Sensitivität von 94 % im Ultraschall diagnostiziert werden kann [42]. Gerade bei zirrhotischer Leberstruktur mit fibrösen Septen und regenerativen Knoten ist die exakte Abgrenzung vom HCC gegenüber den Regeneratknoten sehr schwierig. Es liegen wie bei der Surveillance auch keine Daten vor, welche die Anwendung von CT- oder MRT-Untersuchungen im Rahmen des HCC-Screenings favorisieren. Befinden sich die Patienten auf der Warteliste zur Lebertransplantation, sind CT- und MRT-Untersuchungen jedoch gute Alternativen zum Ultraschall.

Roeb E. Hepatozelluläres Karzinom …

Zentralbl Chir 2014; 139: 175–183

Heruntergeladen von: Universite Laval. Urheberrechtlich geschützt.

Zirrhose. Ebenfalls zirrhoseassoziiert sind die HCC-Fälle bei Alpha-1-Antitrypsin-Mangel [22]. Bei Morbus Wilson entwickelt sich ein HCC zwar selten, aber immer auf dem Boden einer Zirrhose [23]. Deutliches Übergewicht, Diabetes mellitus und Steatosis hepatis werden in den letzten beiden Jahrzehnten immer häufiger als Ursachen für die Entwicklung eines HCC angesehen [24, 25]. Eine NASH kann in Assoziation zu chronisch viralen Hepatitiden das Risiko für die HCC-Entwicklung erhöhen [24, 25]. Alkoholabusus und Rauchen stellen klare Co-Faktoren für die HCCEntwicklung dar [26]. Starke Raucher haben ein deutlich höheres HCC-Risiko als Nichtraucher. Mit dem Human Immunodeficiency Virus (HIV) infizierte Patienten weisen ebenfalls ein höheres HCC-Risiko auf und HIV ist ein wichtiger Co-Faktor bei der Risikostratifizierung des HCCs von Patienten mit chronisch viraler Hepatitis [27]. Eine Fall-Kontroll-Studie konnte eine signifikante Assoziation zwischen dem Gen für den Epidermal Growth Factor (EGF) und dem Risiko einer HCC-Entwicklung darstellen (28). Der EGF-Genotyp G/G war darüber hinaus in einer kontrollierten Multicenterstudie mit einem erhöhten HCC-Risiko assoziiert [29]. Anhand eines Modells, das den EGF-Genotyp sowie soziodemografische und klinische Variablen enthält, ließen sich Patienten mit niedrigem, mittlerem und hohem HCC-Risiko identifizieren.

177

Übersicht

Abb. 1 Diagnostischer Algorithmus. * Radiologischer HCC-Hinweis: arterielle Hypervaskularisation und venöse bzw. späte Wash-out-Phase. ** Lediglich in radiologischen Zentren mit hoher Expertise und High-End-Geräten sollte sich das Screening auf ein einzelnes radiologisches Verfahren stützen. In den meisten deutschen Zentren stehen neben der kontrastmittelverstärkten Sonografie auch die dynamische kontrastmittelverstärkte MRT und ein Mehrphasen-CT zur Verfügung.

Serologische Marker Zu den serologischen Markern, die für die Frühdiagnostik eines HCC infrage kommen, gehören α-Fetoprotein (AFP), D-GammaCarboxy-prothrombin (DCP), der Quotient aus glykosyliertem AFP zum Gesamt-AFP, α-Fucosidase und Glypican-3 [12]. AFP wird häufiger im Rahmen des Screenings verwandt als in der Surveillance. In Kombination mit dem Ultraschall erhöht AFP die Detektionsrate für HCCs um 6 bis 8 %. Patienten mit Leberzirrhose weisen ohnehin eine fluktuierende AFP-Konzentration im Serum auf [43]. Für Screeninguntersuchungen ist AFP nur von limitierter Bedeutung. Besonders bei kleinen Tumoren ist die Sensitivität des Markers viel zu gering. Als diagnostischer Test weist ein AFP von 20 ng/ml eine gute Sensitivität, aber schlechte Spezifität auf, wohingegen ein Cut-off von 200 ng/ml die Sensitivität erniedrigt, aber die Spezifität deutlich erhöht [45]. Zusammenfassend stellt also die Ultraschalluntersuchung die am besten geeignete Screeningmethode bei Leberzirrhose dar. Die Kombination Ultraschall mit AFP wird nicht generell empfohlen. Das HCC-Screening-Intervall sollte bei 6 Monaten liegen [46]. Eine Metaanalyse von 2009 konnte zeigen, dass die gepoolte Sensitivität eines ultraschallbasierten Screenings von 70% bei einem 6-Monate-Intervall auf 50 % bei einem 12-Monate-Intervall abnimmt [42].

Allgemeines zum Screening Eine frühzeitige HCC-Diagnosestellung ist in den westlichen Industrienationen in 30–60 % der Fälle möglich. Nur diese frühe Diagnose ermöglicht die Applikation eines kurativen Therapieregimes. In den frühen 90er-Jahren war die Anzahl der Tumordetektionen bei Raumforderungen < 2 cm Durchmesser unter 5%, wohingegen zurzeit 30 % dieser Fälle in Japan detektiert werden [47]. Die ausschließliche Verwendung einer Imaging-Technik wird nur für Zentren mit einem exzellenten radiologischen High-EndEquipment empfohlen. Die arterielle Hypervaskularität und eine spätvenöse Wash-out-Phase sind hier wegweisend. Bei der frühen Diagnose ist entscheidend, dass die radiologischen Paradekriterien für das HCC nur in einem kleinen Anteil der 1 bis 2 cm großen Tumoren auftreten [44]. Aus diesem Grund sind die Biopsie und die Bestimmung immunologischer Marker in den meisten Fällen erforderlich. Zur pathologisch-histologischen Diagnos-

Roeb E. Hepatozelluläres Karzinom …

Zentralbl Chir 2014; 139: 175–183

tik sei hier verwiesen auf die internationale Konsensuskonferenz von 2009 [48].

Therapie !

Transarterielle Chemoembolisation, Radiofrequenzablation, perkutane Ethanolinjektion, eine systemische Therapie (z. B. mit Sorafenib), die postmortale Lebertransplantation oder eine Lebendleberspende zählen zu den möglichen therapeutischen Interventionen. Die Leberresektion ist eine First-Line-Option für Patienten mit solitärem Tumor und gut erhaltener Leberfunktion, mit normalem Bilirubin, einer Thrombozytenzahl über 100 000 und einem venösen hepatischen Druckgradienten von < 10 mmHg (Evidenz 2A, Empfehlungsgrad 1B; eine anatomische Resektion wird empfohlen). Für eine Lebertransplantation ist es unerheblich, ob die Lebertransplantation vom verstorbenen Spender oder vom Lebendspender durchgeführt wird. Entscheidend ist das Einhalten der (Mailand-) Kriterien. Zusätzliche Operationsindikationen für Patienten mit mulitfokalen Tumoren innerhalb der Mailand-Kriterien sind Raumforderungen ≤ 3 cm oder Patienten mit milder portaler Hypertension, die insgesamt ungeeignet für eine Lebertransplantation sind. Diese Verfahren erfordern einen prospektiven Vergleich mit lokoregionären Therapieverfahren (Evidenzgrad 3A, Empfehlungsgrad 2C). Die perioperative Mortalität bei Leberresektionen zirrhotischer Patienten liegt bei 2 bis 3 %. Eine neoadjuvante oder adjuvante Therapie konnte bislang das Outcome der Patienten mit Resektion oder lokaler Ablation nicht verbessern (Evidenzgrad 1B, Empfehlungsgrad 2C). Das Hauptrisiko einer Resektion liegt bei der Tumorrekurrenz in der verbleibenden Restleber. Eine Übersicht über aktuelle chirurgische Therapien wurde an dieser Stelle erst kürzlich gegeben [49]. Als Überbrückungstherapie während der Wartezeit auf eine Lebertransplantation werden in den meisten Transplantationszentren z. B. lokal ablative Verfahren angewandt, um eine weitere Tumorprogression abzuwenden. Die Hauptstudien, auf denen diese Vorgehensweisen beruhen, sind Fallserien, Fall-Kontroll-Studien

Heruntergeladen von: Universite Laval. Urheberrechtlich geschützt.

178

und Kohortenstudien, die nachgewiesen haben, dass eine Radiofrequenzablation im Vergleich zur TACE höhere Raten an kompletter Nekrose erzielt [50–52].

Lokale ablative Verfahren Die lokale Tumorablation mittels Radiofrequenzablation oder perkutaner Ethanolinjektion wird zurzeit als die Standardtherapie für Patienten mit BCLC-0-A-Tumoren angesehen, die für eine chirurgische Resektion nicht infrage kommen (Evidenzgrad 2A, Empfehlungsgrad 1B). Andere ablative Verfahren wie die Mikrowellenablation oder Kryoablation werden untersucht. Die Radiofrequenzablation wird in den meisten Fällen empfohlen, in denen der Tumor kleiner als 5 cm im Durchmesser beträgt [53] (Evidenzgrad 1 iD, Empfehlungsgrad 1A). Die Ethanolinjektion wird in den Fällen empfohlen, in denen eine Radiofrequenzablation technisch nicht durchführbar ist (ca. 10– 15 % der Fälle). Tumoren unter ≤ 2 cm BCLC0 können mit beiden Techniken eine Ansprechrate von mehr als 90 % erzielen. Es ist unsicher, ob die lokalen Ablationsverfahren bei den kleinen Tumoren als kompetitive Alternative zur Resektion angesehen werden können (Evidenzgrad 1EA, Empfehlungsgrad 1C) [1].

Empfehlungen zur Chemoembolisation Die Chemoembolisation wird für die Patienten empfohlen, die ein Tumorstadium BCLC Stadium B aufweisen, multinoduläre und asymptomatische Tumoren ohne Invasion in die Gefäße oder extrahepatische Manifestationen (Evidenzgrad 1IIA, Empfehlungsgrad 1A). Die Anwendung von sogenannten Drug-eluting Beads zeigte ähnliche Erfolge wie Lipiodolpartikel, war aber weniger häufig mit systemischen Nebenwirkungen assoziiert (Evidenz 1B, Empfehlungsgrad 2B). Die Chemoembolisation wird bei Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose, fortgeschrittener Leberinsuffizienz und makroskopischer Gefäßinvasion oder extrahepatischen Manifestationen nicht empfohlen (Evidenzgrad 1IIA, Empfehlungsgrad 1B). Eine „selektiv interne Radiotherapie“ (SIRT) mit 131J oder 90Y in sogenannten Glass Beads hat vielversprechende antitumorale Effekte gezeigt mit einem sicheren Anwendungsprofil. Diese Methode kann jedoch noch nicht als Standardtherapie empfohlen werden (Evidenzgrad 2A, Empfehlungsgrad 2B). Selektive intraarterielle Chemotherapien oder Lipiodolinjektionen werden nicht für das Management des HCC empfohlen (Evidenzgrad 2A, Empfehlungsgrad 2B). Die externe 3-dimensionale konformale Radiotherapie wird zurzeit untersucht. Bisher gibt es keine Evidenz, diesen therapeutischen Ansatz in das Management der HCC-Behandlung einzuführen (Evidenzgrad 3A, Empfehlungsgrad 2C) [1].

progressiv wachsen (Evidenzgrad 1IA, Empfehlungsgrad 1A). Es gibt zurzeit keine klinischen oder molekularen Biomarker, mit denen ein gutes Ansprechen auf Sorafenib identifiziert werden kann (Evidenz 1A, Empfehlungsgrad 2A). Die systemische Chemotherapie, eine Therapie mit Tamoxifen oder eine Immuntherapie, antiandrogene oder pflanzenbasierte Therapieansätze können für das klinische Management des HCC nicht empfohlen werden (Evidenz 1–2A, Empfehlungsgrad 1A/B). Weiterhin ist auch keine geeignete Therapie verfügbar für Patienten mit Nebenwirkungen unter oder einer Intoleranz gegenüber Sorafenib. In entsprechenden Fällen wird die Anwendung von Best supportive Care oder eine Einschleusung der Patienten in klinische Studien empfohlen (Empfehlungsgrad 2B). Unter bestimmten Umständen kann eine palliative Radiotherapie bei extrahepatischen Metastasen wie zum Beispiel des Skelettsystems durchgeführt werden (Evidenz 3A, Empfehlungsgrad 2C). Patienten mit einem Tumorstadium BCLC D sollten eine palliative Therapie erhalten, einschließlich einer Schmerztherapie, einer Ernährungstherapie und psychologischer Unterstützung. Diese Patienten sollten nicht in klinische Studien eingeschleust werden (Empfehlungsgrad 2B). Eine zusammenfassende Darstellung der aktuellen Leitlinien der " Tab. 2. EASL und EORTC bietet l

Ausblick !

Cost-Effectiveness einer HCC-Surveillance Für die meisten Patienten mit Child-A-Zirrhose bietet ein 2-faches jährliches Screening auf klinisch inapparente Tumoren hin, die einer chirurgischen Resektion zugänglich sind, keinen signifikanten Überlebensvorteil. Für ausgesuchte Patientengruppen jedoch mit der längsten zirrhoseassoziierten Überlebensrate verlängert das Screening die mittlere Lebenserwartung bei niedrigeren Kosten [30]. Ein CT-Screening für HCCs ist eine kosteneffektive Strategie bei transplantierbaren Patienten mit einer Zirrhose auf dem Boden einer chronischen HCV-Infektion, vergleichbar mit anderen weitgehend akzeptierten Screeninguntersuchungen wie Mammografie und Vorsorgekoloskopie. [54]. Für die evaluierten Screeningstrategien zeigt die 2-fache jährliche AFP-Bestimmung in Kombination mit einem jährlichen Ultraschall die größtmögliche qualitätsadjustierte Lebenszeitverlängerung mit einer Kosteneffektivität von

[Hepatocellular carcinoma - current aspects of screening, surveillance and therapeutic strategies (revised EASL-EORTC recommendations)].

With an incidence of 523 000 new cases a year hepatocellular carcinomas (HCCs) belong to the most frequent cancer entities worldwide. Diagnostic and t...
169KB Sizes 0 Downloads 0 Views