Thamer u. a. Hepatitis-Bs-(HBs-)Antigen und anti-HBs bei Diabetikern
Aktuelle Diagnostik
Deutsdie Medizinische Wochenschrift
Redaktion: Prof. Dr. H. Hornbostel, Hamburg Prof. Dr. W. Kaufmann, Köln Prof. Dr. W. Siegenthaler, Zürich
Dtsch. med. Wschr. 101 (1976), 1692-1693 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart
Hepatitis-Bs-(HBs-)Antigen und anti-HBs bei Diabetikern
G. Thamer, Ch. Hasslacher, P. Wahl und B. Kommerell Medizinische Universitätsklinik Heidelberg, Innere Medizin IV (Gasrroenterologie) (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. B. Kommerell)
Das Hepatitis-Bs- (HBs-)Antigen (Hepatitis-B-Oberflächen-Antigen, früher Australia-Antigen genannt) findet sich bei Diabetikern besonders häufig. Diese Tatsache, auf die erstmals Madalinski und Mitarbeiter (S) in Polen sowie Hasslacher und Mitarbeiter (2) in Deutschland hingewiesen haben, belegt indirekt das seit langem bekannte erhöhte Hepatitis-B-Risiko dieser Personengruppe. Welche Faktoren für die in früheren Jahren beschriebene erhöhte Hepatitismorbidität ausschlaggebend waren, ist bisher ebenso unklar wie die Ursache des in letzter Zeit beobachteten Rückgangs der Erkrankungsrate bei Diabetikern (4). Bei unseren Untersuchungen (3, 7) über die Frequenz des Antikörpers gegen das HBs-Antigen (anti-HBs) konnten jetzt Hinweise auf die Ursachen der erhöhten Hepatitismorbidität der Diabetiker in früheren Jahren Tab.
1.
einerseits und des in jüngster Zeit beobachteten Rückgangs der Erkrankungsrate andererseits gefunden werden. Da analog anderen Viruserkrankungen die Frequenz des Antikörpers gegen das HBs-Antigen als Maß für die Durchseuchung einer Bevölkerungsgruppe mit dem HBs-Antigen bzw. mit dem Hepatitis-B-Virus angesehen werden kann, spiegeln sich epidemiologische Veränderungen besonders deutlich in Veränderungen der anti-HBs-Frequenz wider. In unseren Untersuchungen wurden daher im Abstand von 2 bis 3 Jahren bei zwei verschiedenen diabetischen Patientengruppen HBsAntigen und anti-HBs radioimmunologisch (6) bestimmt und die Befunde mit anamnestischen Daten korreliert. Die wichtigsten anamnestischen Daten und Ergebnisse dieser Untersuchung sind in den Tabellen 1 und 2 zusammengefaßt. Zunächst bestätigt sich der auch von
Anamnestische Daten der untersuchten Patientengruppen
Untersuchungszeit 1971/72 n = 145
1974/75
n261
Lebensalter (Jahre)
Diabetesdauer (Jahre)
stationäre Behandlung
38
60,9 T 13,4
16,8 T 6,5
39 (60,9°/o)
30
51
57,7 T 13,5
5,6 T 5,6
48 (59,3°/o)
138
53
85
51,6 T 13,5
20,8 T 8,2
109 (79,0°/o)
123
38
85
60,3 T 10,4
7,6 T 6,2
84 (68,3°/o)
Geschlecht
Behandlung
n
Insulin
64
26
Nicht-Insulin
81
Insulin
Nicht-Insulin
Heruntergeladen von: NYU. Urheberrechtlich geschützt.
1692.
12.
November 1976, 101. Jg.
Thamer u. a.: Hepatitis-Bs-(HBs-)Antigen und anti-HBs bei Diabetikern
anderen Autoren (4) gefundene Rückgang der Hepatitismorbidität bei Diabetikern. Lag diese 1971/72. bei rund 23%, so betrug sie 1974/75 nur noch 13%. Parallel hierzu reduzierte sich die HBs-Antigen-Frequenz von 6,2 auf 2,2%. Die anti-HBs-Frequenz nahm in demselben Zeitraum von 40,7% auf 17,6% ab und erreichte damit sogar den Wert für gleichaltrige Normalpersonen aus dem süddeutschen Raum (1). Bei Aufgliederung nach Therapieformen in insulinund nicht-insulin-behandelte Diabetiker fanden sich auffällige Unterschiede. Bei insulinbehandelten Diabetikern war die Hepatitismorbidität ebenso wie die antiHBs-Frequenz 1971/72 eindeutig am höchsten. Bei dieser Patientengruppe nahm die anti-HBs-Frequenz jedoch von 51,6% 1971/72 auf 21,0% 1974/75 ab. Dieser Rückgang der anti-HBs-Frequenz korrelierte mit Änderungen der Spritzgewohnheiten. Während 1971/72 nur 11% der insulinbehandelten Diabetiker Einwegspritzen benutzten, verwandten 1974/75 55% der Diabetiker Einwegmaterial. Tab. 2. HBs-Antigeh-, anti-HBs-Frequenz und Hepatitismorbiditat der 1971/72 und 1974/75 untersuchten Diabetiker. n. s. = nicht signifikant 1971/72 n
HBs-AntigenFrequenz
=
145
1974/75 n
=
261
Signifikanz
6,2°/o
2,2°/o
P
< 0,05
anti-HBsFrequenz gesamt
40,7°/o
17,6°/o
P
< 0,05
Insulin
51,6°/o
21,0°/o
P < 0,05
13,8°/o
P
P