Einführung zum Thema Ophthalmologe 2014 · 111:412–413 DOI 10.1007/s00347-013-2919-6 Online publiziert: 16. Mai 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

N. Pfeiffer1 · M. Augustin2 1 Augenklinik der Universitätsmedizin Mainz 2 Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP),

Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Hamburg

Versorgungsforschung in der Augenheilkunde

In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ist ein erheblicher Anstieg der Nachfrage nach augenärztlicher Versorgung festzustellen, der sich aus der veränderten demografischen Zusammensetzung unserer Gesellschaft ergibt und zu einer erheblichen Zunahme der ophthalmologischen Behandlungsfälle führt. Neben der Nachfrage hat sich auch das Angebot an ophthalmologischen Leistungen in der Diagnostik und der Therapie von Augenerkrankungen in den letzten Jahren wesentlich erweitert und verbessert. Beispielhaft seien hier nur die Einführung der intravitrealen Anti-VEGF-Therapien genannt oder die optische Kohärenztomographie (OCT), die sowohl den Vorderabschnitt als auch den Hinterabschnitt des Auges in bisher nicht vorstellbarem Detailreichtum darstellt. Ein Wandel der Nachfrage und des Angebots führen immer auch zu einer neuen „Marktsituation“. Das vermeintlich kostengünstige Nischenfach Augenheilkunde hat insgesamt einen Bedeutungszuwachs im Vergleich zu anderen medizinischen Fächern erfahren. Diese Veränderung spüren nicht nur die Patienten und die „leistungserbringenden“ Augenärzte selbst, sondern sie betrifft gerade auch die Planer und Kostenträger des Gesundheitswesens. Ein wachsendes Angebot an individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) und umständliche Kostenerstattungsverfahren z. B. bei intravitrealen Therapieverfahren deuten darauf hin, dass der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen der Dynamik der Weiterentwicklung in der Augenheilkunde bis-

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lang nicht hinreichend nachgekommen ist und möglicherweise noch immer Defizite in der Wahrnehmung der gewachsenen Bedeutung der Augenheilkunde bestehen. In diesem Zusammenhang bekommt die Versorgungsforschung eine immer größere Bedeutung. Die Versorgungssituation in der Augenheilkunde war bislang nur selten Gegenstand einer wissenschaftlichen Analyse. Es zeigt sich jetzt, dass wir dringend mehr Informationen über den Versorgungsbedarf und die Versorgungsqualität sowie zu Kosten und Nutzen der ophthalmologischen Versorgung benötigen. Auch besteht Bedarf nach einem besseren Verständnis über die Zusammenhänge von Versorgung und Ergebnisqualität.

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Der Versorgungsforschung kommt eine immer größere Bedeutung zu Die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) und der Berufsverband der Augenärzte Deutschlands (BVA) haben diese Entwicklung aufgegriffen und im Oktober 2012 das Weißbuch zur Situation der ophthalmologischen Versorgung in Deutschland herausgegeben [1]. Auch der Ophthalmologe hat bereits ein Leitthema mit dem Schwerpunkt der ophthalmologischen Epidemiologie im März 2013 veröffentlicht. Das vorliegende Themenheft versucht die Notwendigkeit und die Verwendung von Versorgungsdaten in der Augenheilkunde zu beschreiben und schlaglichtartig schon

bestehende Forschungsaktivitäten vorzustellen. Dazu wird in einem Übersichtsartikel von Wolfram zunächst das Konzept der Versorgungsforschung und ihrer Methoden erläutert und ihre Bedeutung für die Augenheilkunde skizziert. Im Beitrag von Neubauer wird die volkswirtschaftliche Dimension von Augenerkrankungen dargelegt und erstmals eine gesamtgesellschaftliche Angabe der Kosten für Augenerkrankungen in Deutschland versucht. Die weitreichenden Auswirkungen der demografischen Veränderungen für die Augenheilkunde beschreiben Hoffmann und Tost in ihrem Beitrag und zeigen die sich daraus ergebenden Forschungsperspektiven auf. Finger illustriert am Beispiel der altersbedingten Makuladegeneration den erheblichen Zuwachs des Versorgungsbedarfs durch neue Therapieverfahren, der weitreichende Konsequenzen für die alltägliche ophthalmologische Versorgungspraxis mit sich bringt. Jürgens und Tost nehmen sich der Frage an, wie sich ein veränderter ophthalmologischer Gesundheitsstatus in einer Neuausrichtung der Augenversorgung niederschlagen kann. In der Gesamtschau wird bei Lektüre der Publikationen deutlich, dass Versorgungsforschung bereits in die Augenheilkunde in Deutschland Eingang gefunden hat. Dennoch bedarf es einer noch intensiveren Förderung und Koordination, um das Thema Versorgungsforschung dauerhaft in der Augenheilkunde zu verankern, um so relevante Daten und Informationen zu erheben und nach innen und außen zu kommunizieren. Die wei-

Fachnachrichten tere Forschung und die Umsetzung ihrer Ergebnisse werden in den nächsten Jahren eine herausragende Bedeutung für die Positionierung der Augenheilkunde im deutschen Gesundheitswesen haben. Unser Ziel für die Zukunft muss es sein, die Deutungshoheit über die ophthalmologische Versorgungskompetenz selber zu bewahren und dies nicht anderen zu überlassen. Die Ophthalmologie befindet sich damit im Kanon anderer Organfächer wie der Dermatologie, die eine systematische Versorgungsforschung aufgebaut haben [2]. Ein Ziel sollte es auch sein, das „Deutsche Netzwerk für Versorgungsforschung“ (DNVF) als Dachverband von über 70 medizinischen Fachgesellschaften und Verbänden mit Themenstellungen der Augenheilkunde mitzugestalten [3].

Prof. Dr. Norbert Pfeiffer

Literatur 1. Wolfram C, Pfeiffer N (2013) Weißbuch zur Situation der ophthalmologischen Versorgung. Hrsg. von der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) 2. Franzke N, Augustin M (2011) Health services research in dermatology. Current status. Hautarzt 62:170–177 3. Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung (2011) 5 Jahre Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e.V. 2006–2011 Entwicklung und Ausblick

Gezielte Stimulation einzelner Zapfen Wissenschaftler der Universität Bonn, der University of California und der University of Alabama konnten erstmals gezielt einzelne Zapfen stimulieren. Dafür benutzen sie bei 4 Testpersonen eine Apparatur, bei der ein Laser mithilfe eines biegsamen Spiegels fokussiert wurde. Ein Computerprogramm überwachte die Augenbewegung und gab immer nur dann einen Laserstrahl ab, wenn die gewünschte Zelle an der passenden Position war. Dabei reichte für die Wahrnehmung eines Lichtreizes die Stimulation eines einzelnen Zapfen aus. Allerdings nur, wenn eine bestimmte Schwelle überschritten wurde. Die Forscher fanden zudem heraus, dass die Wahrnehmungsschwelle des Sehfelds erheblich höher ist. Mit Hilfe dieser neuen Technik lässt sich nicht nur in Gewebspräparaten feststellen, ob z.B. die Zahl der Zapfen abnimmt, sondern auch, ob die Funktion beeinträchtigt ist. Weiterhin erlaubt die Technik die Wirkung von Medikamenten sichtbar zu machen. So lässt sich vorstellen, direkt zu beobachten, ob der Funktionsverlust der Zellen durch Medikamente aufzuhalten oder zu bremsen ist.

Prof. Dr. Matthias Augustin

Korrespondenzadresse Prof. Dr. N. Pfeiffer Augenklinik der Universitätsmedizin Mainz Langenbeckstr. 1, 55131 Mainz norbert.pfeiffer@  unimedizin-mainz.de

Literatur: Harmening W, Tuten W, Roorda A et al (2014) Mapping the Perceptual Grain of the Human Retina. The Journal of Neuroscience. DOI: 10.1523/JNEUROSCI.5191-13.2014 Quelle: Universität Bonn, www.uni-bonn.de

Prof. Dr. M. Augustin Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP), Universitätsklinikum   Hamburg-Eppendorf (UKE) Martinistr. 52, 20246 Hamburg [email protected]

Interessenkonflikt.  N. Pfeiffer und M. Augustin geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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