Klin. Wschr. 53,643-652 (t975) - © by Springer-Verlag 1975

Ibersichten Granulocytendysfunktion I. A n g e b o r e n e S t 6 r u n g e n D. Niethammer, A. Wildfeuer, E. Kleihauer und C. Haferkamp Department ffir Kinderheilkundeund Abteilungfur Pathologie I der Universit/itUlm

Granulocyte DysJunction. Part L Inborn Defects Summary. The insightin the functionand dysfunctionof granuIocyteslately arouses more and more interest. This report summarises our present knowledge.In the first of two chapters the authors review the molecnlar basis of granulocytefunction and the inborn defects of chemotaxis, opsonisation,phagocytosisand intracellular killing of bacteria and fungi. Key words: Granulocytes,function;inborn defects,chemotaxis, opsonisation, phagocytosis,intracellularmicrobicidalactivity. Zusammenfassung. Die Funktion der Granulocytenund deren St6rungenfindetzunehmendBeachtung.Die vorliegendelJbersicht soll den augenblicklichenStand des Wissens zusammenfassen.Im ersten von zweiTeilenwird ein/,)berblickfiberdie molekulareBasis der Granulocytenfunktiongegebenund die wesentlichstenangeborenen St6rungen der Chemotaxis, Opsonierung, Phagocytoseund intracellulfirenAbt6tung von Keimenwerden referiert. Schliisselwgrter: Granulocyten,Funktion, angeboreneDefekte, Chemotaxis, Opsonierung, Phagocytose, intracellulfireKeimabt6tung.

Der menschliche Organismus besitzt zur Abwehr yon Infektionen durch Bakterien, Pilze oder Viren Schutzmechanismen, deren teilweises oder v6tliges Versagen verheerende Folgen nach sich ziehen kann. Ein solcher Defekt ist h/iufig angeboren, kann jedoch auch im Rahmen anderer Erkrankungen oder durch medikament6se Therapie erworben werden. W/ihrend ffir die Abwehr von Viren im wesentlichen das Immunsystem mit seinen zellul/iren und humoralen Anteilen verantwortlich ist, sind die phagocytierenden Zellen des Blutes als prim/ire Gegner von Bakterien und Pilzen anzusehen. Diese F/ihigkeit der Phagocytose, d.h. der Aufnahme von Partikeln, wurde bereits 1883 von Metschnikoff [121] entdeckt. Sie ist eine Eigenschaft der neutrophilen und eosinophilen Granulocyten sowie der Monocyten. Der Anstieg yon Granulocyten im peripheren Blutbitd und ihre Ansammlung im Eiter w/ihrend einer bakteriellen Entztindung sowie die Infektanf"~illigkeit bei angeborenen oder erworbenen Neutropenien und Agranulocytosen machen die Notwendigkeit dieser Zellen ffir die Abwehr deutlich. Bei dem Krankheits43

Kiln. Wschr. 53. Jahrg.

bild der septischen Granulomatose des Kindesalters (Behrendes et al. [19], Landing et al. [108], Bridges et al. [27] wurde erstmals eine St6rung der Granulocytenfunktion nachgewiesen (Holmes et al. [90], Quie et al. [154]). Inzwischen wurde gezeigt, dab die chronische Granulomatose des Kindesalters zwar eine klinische Einheit bildet, die Atiologie dieser Erkrankung jedoch heterogen ist. Neue Defekte mit gest6rter Granulocytenfunktion sind dazugekommen und unser Wissen auf diesem Gebiet hat sich in den letzten zehn Jahren erheblich erweitert. In der letzten Zeit haben wir uns eingehend mit der Frage der Infektabwehr befal3t (Haferkamp [ 7 5 77], und ftinf Patienten mit serumabh/ingigen Funktionsst6rungen der Granulocyten wurden von uns untersucht (Haferkamp et al. [78]). Inzwischen haben wir neun weitere Kinder mit Defekten gefunden (Niethammer et al. (unver6ffentlichte Ergebnisse)). Die hier vorliegende Ubersicht soll in zwei Teilen einen Uberblick fiber dieses relativ neue Gebiet geben. Dabei mul3 betont werden, dab es bisher noch h/iufig nicht gelingt, eine brauchbare Korrelation zwischen den Testergebnissen und dem klinisch erfal3baren Krankheitsbild zu geben. Vieles ist im Ftul3 und manches wird sicher fiber kurz oder lang widerrufen werden mfissen. Unsere eigene Erfahrung mit den Untersuchungsergebnissen bei kranken und gesunden Kindern lassen es jedoch notwendig erscheinen, eine Bestandsaufnahme zu erheben. Der erste Teil befal3t sich mit der molekularen Basis der Granulocytenfunktion und den angeborenen St6rungen. Im zweiten Teil soll dann ein Uberblick fiber die sekund/ir im Rahmen von Allgemeinerkrankungen auftretenden Defekte gegeben werden. Das, was hier fiber die Granulocyten gesagt wird, gilt sicher im wesentlichen auch ftir die Monocyten und Makrophagen. Unser Wissen dartiber ist jedoch wesentlich geringer. Der h/iufig beobachtete Anstieg der Monocyten bei verschiedensten Formen der Agranulocytose wurde schon lange im Sinne eines Ersatzes gedeutet.

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D. Niethammer et al. : Granulocytendysfunktion. I

Schritte der Granulocytenfunktion Vielfach wird in der Literatur unter Phagocytose das gesamte komplexe Geschehen von der gezielten Bewegung der Zelle bis zur vollstfindigen Abt6tung des Keimes verstanden. Es erscheint jedoch sinnvoller, die Phagocytose als einen Teilschritt der gesamten Abwehr anzusehen, die bestimmten Gesetzm/il3igkeiten untertiegt.

Chemotaxis In das Gewebe eingedrungene Bakterien setzen Substanzen frei, die zusammen mit aus dem Gewebe selbst abgegebenen Stoffen einen chemotaktischen Reiz auf die Granulocyten und Monocyten austiben. Dies ffihrt zu einer Wanderung der Granulocyten aus den Gef/iBen in das infizierte Gewebe in Form einer gerichteten Migration.

men mit dem Inhalt der Granula zur Abt6tung der Bakterien ffihren. Im Elektronenmikroskop wird die Struktur der Bakterien aufgelockert, wfihrend gleichzeitig die Granula verschwinden.

Tod der Granulocyten Im weiteren Verlauf folgt unabwendlich der Untergang der phagocytierenden Zellen. Die Vakuote wird undicht und entleert ihren Inhalt in den Granul0cyten, der dadurch zerst6rt wird. Dieser Untergang fiihrt dann erneut zur Freisetzung chemotaktisch wirkender Substanzen, was zur weiteren Anlockung von Granulocyten ftihrt.

Molekulare Basis der einzelnen Schritte der Granulocytenfunktion

Chemotaxis Opsonierung und Fixierung der Keime an die Granulocytenmembran Bevor die Zelle die Bakterien in sich aufnehmen kann, werden diese zun/ichst an die Zellmembran angelagert. Dazu sind im Serum nachweisbare Substanzen notwendig (Wood [193]), die als Opsonine bezeichnet werden. Der Vorgang der Opsonierung scheint ffir die Phagocytose der Bakterien unabdingbare Voraussetzung zu sein.

Phagocytose Die an der Membran fixierten Bakterien werden von Pseudopodien umschlossen. Gleichzeitig stfilpt sich ein Teit der Membran nach innen und bildet eine Vakuole, genannt Phagosom. Ein Granulocyt ist in der Lage, zahlreiche Bakterien zu phagocytieren, wobei sowohl mehrere Bakterien in einer Vakuole iiegen k6nnen, als auch eine Zelle mehrere Phagosome enthalten kann. Akute Entzfindungen scheinen die Bildung von Vakuolen und die Ingestion von Partikeln zu stimulieren (Seebach et at. [165]).

Die gezielte Wanderung von Zellen auf einen chemischen Reiz hin, ist ein ProzeB, der von zellul/iren und humoralen Faktoren beeinflugt wird. Eine Ubersicht gibt die Tabelle 1. Ihre Bildung und Freisetzung ist teitweise recht komplex, was besonders ftir das Komplementsystem gilt (f3bersicht bei Ward [178]). Ein chemotaktisch wirksames Fragment aus C3 (C3b) kann auf verschiedenste Weise im K6rper entstehen. Einmal setzt eine gemeinsame Reaktion yon C1, C2 und C4 dieses Spaltprodukt frei, zum anderen sind Enzyme wie Plasmin, Trypsin, Thrombin, Gewebsproteasen, Proteasen in Gelenkflfissigkeit und bakterielle Proteasen dazu in der Lage. Ein chemotaktisch aktives Fragment aus C5 wird von einer gemeinsamen Reaktion von C1 - C 4 freigesetzt sowie ebenso von Trypsin, bakteriellen Proteasen, und einer Protease aus Lysosomen von neutrophilen Granulocyten (Ward et al. [182]). Dieses Enzym wird besonders beim Zerfall von Granulocyten frei und fiihrt zur Chemotaxis neuer Granulocyten. Weiterhin wirken chemotaktisch ein Komplex aus C5, C6 und C7 sowie andere humorale Faktoren, Bak-

Degranulierung Schon wenige Minuten nach der Ingestion der Bakterien lagern sich neutrophile Granula an die Vakuolenmembran an, beide verschmelzen miteinander und der Inhatt der Granula ergiel3t sich in die Vakuole.

Abt6tung der Bakterien W~ihrend der Phagocytose werden eine Reihe von Stoffwechselschritten aktiviert, die letztendlich zusam-

Tabelle 1 Chemotaktisch wirksame Faktoren Komplementsystem :

C3-Fragment (C 3 a) Cs-Fragment (C 5 a) Cs~v-Komplex

Andere Faktoren :

L6sliche bakterielle Faktoren Produkte von mit Antigen stimulierten Lymphocyten Kollagenolytische Produkte Lipopolysaccharide

D. Niethammer

et al.

: Granulocytendysfunktion. I

terienprodukte (Ward et al. [183]), kollagenolytische Produkte aus Fibroblasten (Chang et al. [31]) sowie Substanzen, die aus der Interaktion zwischen Lymphocyten und Antigenen entstehen (Ward et al. []83]). Die chemotaktisch wirksamen Stoffe mfissen in irgendeiner Form mit der Zelle reagieren, um die Bewegung auszul6sen. Uber diesen Vorgang wissen wir nicht allzu viel. Zumindest drei Enzyme scheinen dabei eine Rolle zu spielen, eine inaktive Proesterase, die durch Komplementfragmente in eine aktivierte Form ~berftihrt wird und ein Enzym, das Charakteristika einer Natrium-, Kalium-ATP-ase zeigt (Einzelheiten und Literatur bei Ward [178]). Auf der anderen Seite sind auch chemotaktisch hemmende Substanzen nachgewiesen worden. So wurde ein granulocytenimmobilisierender Faktor beschrieben, der diese Zellen im Entzfindungsfeld konzentrieren soll (Goetzl et al. [66]). AuBerdem scheint es noch weitere solche Faktoren zu geben (Ward et al. [181], Smith et al. [167]).

Opsonierung und Fixieren der Bakterien an die M e m b r a n

An diesem Vorgang sind verschiedene Substanzen beteiligt. Dazu geh6ren spezifische, hitzestabile Antik6rper gegen Bakterien vom IgG-Typ, IgM im Komplex mit C1-C4 und ein weiterer hitzelabiler Faktor, der nicht dem Komplementsystem angeh6rt (Hirsch et al. [86], Johnston et al. [95], Rabinovitch [156], Williams [189]). Neben C3b, das durch eine Aktivierung von C fiber C ~ gebildet wird, wird auch C5 zur optimalen Opsonierung ben6tigt (Alper et aL [1], Miller et al. [124]). Ein weiteres hitzelabiles System zur Fixierung von C3b funktioniert ohne Antik6rper und ohne C~-~. Dabei ist das Properdin beteiligt (Pillemer et al. [151], Alper et al. [2]). Ftir die Phagocytose von Partikeln wie Candida albicans wird im Gegensatz zu Erythrocyten, Pneumokokken und Latexpartikeln C5 ben6tigt.

et al. [133]). Die gesamte Aktivit/it dieses Leukokinins

findet man im Peptid Tuftsin, das die Struktur Threonin-Lysin-Prolin-Arginin hat und synthetisiert wurde (Najjar et al. [133], Nishioka [138]). Das Peptid stammt aus der Milz (Najjar et al. [134]) und wird durch ein an der Zelloberfl~iche sich befindendes Enzym (Leukokininase) von Leukokinin abgetrennt (Najjar et al. [133]). AnschlieBend wird es von der Zelle aufgenommen, wfihrend das Gammaglobulin in der Milz mit einem neuen Peptidmolekfil beladen wird. In hormonartig niedriger Dosierung (0,05-0,1 gg/ml) stimuliert es in vitro die Phagocytose in Bakterien. Ftir die optimale Aktivitfit scheint Sialinsfiure notwendig zu sein (Constantopoulos et al. [40]). Nach Splenektomie verschwindet das Tuftsin-Peptid vollst~indig (Najjar et al. [132, 134])und es findet sich eine defekte Phagocytose in vitro (Constantopoulos et al. [41]). Degranulierung

Uber die molekularen Vorg~inge bei der Degranulierung ist nichts bekannt. Die Granula selbst sind morphologisch, physikalisch und chemisch nicht homogen. Es lassen sich mindestens zwei verschiedene Formen voneinander unterscheiden, die groBen azurophilen Granula, die wfihrend des Promyelocytenstadiums aus der inneren F1/iche des Golgi-Apparates entstehen, und die kleineren, spezifischen Granula, die in den Myelocyten aus der fiul3eren Oberflfiche des Golgi-Apparates entstehen (Bainton et aI. [15]). Die Abgrenzung einer dritten Form wird noch diskutiert. AuBer der Myeloperoxidase enthalten sie eine gr6Bere Zahl von antimikrobiellen Substanzen und hydrolytischen Enzymen (Ubersicht bei Spitznagel [170], und Bagglioni et al. [13]), (Tabelle 2). Die alkalische Phosphatase findet sich nach neuesten Untersuchungen nicht in den Granula, sondern in der Membranfraktion (Bretz et al. [26]). Tabelle 2. Wichtigste Eigenschaften der Granula in menschlichen neutrophilen Granulocyten

Phagocytose

Fiir den nfichsten Schritt, die eigentliche Phagocytose der Bakterien in die Zelle und die Bildung der Phagosome, wird Energie ben6tigt. Diese stammt vom ATP, das allein durch die anaerobe Glykolyse bereitgestellt wird (Karnovsky [98]). Stimulierend auf die Phagocytose wirkt ein Peptid, das nach der Tufts-University Tuftsin-Peptid genannt wurde. Najjar und seine Mitarbeitergruppe beschrieben ein Gammaglobulin, genannt Leukokinin, das die Phagocytose zwei- bis dreifach stimuliert, indem es an die Granulocytenoberfl/iche angelagert wird (Fidalgo et al. [58, 59], Najjar

645

Azurophile Granula

Spezifische Granula

800 mg

500 mg

Ent~ehung

im Promyetoc)~en

im Myelocyten

Ursprung

innere Oberfl/iche des Golgi-Apparates

~iu/3ereOberfl~iche des Golgi-Apparates

Verteilung

25%

75%

Inhalt

(Kristallin) Lysosomale Enzyme Myeloperoxydase Lysozym Muramidase

(homogen)

Gr6Be

Lysozym Laktoferrin

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D. N i e t h a m m e r et at. : Granulocytendysfunktion. I

Bakterienabtgtung

AIs Folge der Phagocytose treten mehrere Ver~inderungen des intracellulfiren Stoffwechsels auf. Es kommt zu einem erh6hten Sauerstoffverbrauch, einer gesteigerten H202-Produktion und einer Steigerung des Hexose-Mono-Phosphat-Shuntes. Diese Ereignisse scheinen ftir die Abt6tung notwendig zu sein. Fiir die Aufnahme yon Bakterien ist, wie bereits erwfihnt, Energie durch ATP notwendig, die durch die anaerobe Gtykolyse gebildet wird. Diese steigt w/ihrend der Phagocytose um 20% an. Gleichzeitig wird dabei wahrscheinlich auch vermehrt NADH gebildet, das ftir die Synthese yon H202 in einer durch die NADH-Oxidase katalysierte Reaktion notwendig ist. Ein Teil des H202 perfundiert in die PhagocytoseVakuole und ist dort zusammen mit der Myeloperoxidase ffir die Abt6tung der Bakterien verantwortlich. Dieses Enzym ist in grogen Mengen im Granulocyten der azurophilen Granula enthalten (Bainton et al. [14, I5], Dunn et al. [53]). Ihre Aktivitfit wird durch die Phagocytose gesteigert (Paul et al. [147]). Das notwendige Wasserstoffsuperoxyd entsteht entweder durch den sprunghaften Anstieg der Zellatmung (respiratory burst) oder wird auch von katalasenegativen Bakterien in ausreichender Menge produziert. Ffir die antimikrobielle Potenz der Myeloperoxidase ist weiterhin ein Halogenion als oxidierbarer Kofaktor notwendig. Jod ist am wirksamsten (Klebanoff [103]) und kann in zellfreien Enzymsystemen durch Schilddrfisenhormone ersetzt werden (Klebanoff [102, 104]). In vivo kann Chlor, das in der Zelle in grol3er Menge vorhanden

ist, das Jod m6glicherweise ersetzen. Die Bakterienmembran wird durch diesen Mechanismus jodiert, was zum Absterben der Keime ftihrt. Dieser Mechanismus kann mit radioaktivem Jod gut sichtbar gemacht werden (Klebanoff [102]). Eine zweite Folge der HzO2-Bildung ist eine Steigerung des Hexose-Mono-Phosphat-Shuntes (Abb. 1). Zun/ichst wird durch H202 die Oxydation yon Glutathion durch die Glutathionperoxidase gesteigert. Dadurch entsteht NADP, dessen Konzentration entscheidend fiir die Aktivitfit des Hexose-Mono-PhosphatShuntes ist, dessen Dehydrogenasen dadurch aktiviert werden (Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase und 6Phosphor-Gluconat-Dehydrogenase) (Holmes etat. [92], Karnovsky et aI. [98]). Noch nicht eindeutig gekl/irt ist, ob das notwendige NADH ffir die NADHOxydase aus der anaeroben Glykolyse oder m6glicherweise aus einer Transhydrogenasereaktion stammt (s. Abb. 1). Drei verschiedene Enzymdefekte sind bisher beschrieben worden, die zu einer verminderten oder fehlenden Abt6tung yon Bakterien ffihren. Bei einem totalen Fehlen der Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase kann die durch H202 bedingte Stimulierung des Hexose-Mono-Phosphat-Shuntes nicht stattfinden, was ebenso ffir das Fehlen der Glutathioperoxidase zutrifft, wghrend ein Fehlen der NADH-Oxydase keine oder zu geringe Bildung yon H202 verursacht (Abb. 1). Ein wichtiger Stoffwechselschritt, dessen Wirkungsmechanismus jedoch nicht klar ist, ist die Steigerung des Hexose-Mono-Phosphat-Shuntes.

Glukose G-6- PD

Glukose-6-P 1 Fruklose-6-P

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Fruk[ose- 1,6-diP

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6-Phosphoglukonat ,

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Glukose-6 - Phosph at - Dehydro,clenase 6- Phosl:)hoglukonat- Dehyd rogenase Glutathion- Reduktase Glutathion- Peroxydase NADPH : NAD-Transhydrogenase NADH -Oxydase.

Abb. 1. H e x o s e m o n o p h o s p h a t - S h u n t : Enzyme, die zu Abt6tungsdefekten ffihren, sind unter~trichen. Das N A D H ffir die N A D H - O x y d a s e s t a m m t entweder aus dem Embden-Meyerhof-Weg oder aus der Transhydrogenasereaktion

D. Niethammer et aL : Granulocytendysfunktion. I Tabelle 3. Mel3bare Stoffwechselvorg~ingebei der Phagocytose I. 2. 3. 4. 5. 6.

Anstieg des Sauerstoffverbrauchs Anstieg der Glucose-l-~4C-Oxydation Anstieg der H202-abhfingigen ~4C-Format-Oxydation Anstieg des Glucoseverbrauchs und der Laktatproduktion NBT-Reduktion Iodierung der Bakterienmembran

Tabelte 4. Notwendige Faktoren und Stoffwechselvorg~ngebei der Abt6tung yon Mikroorganismen I. Chemotaxis

Bakterielle Substanzen Komplementfaktoren (Ca, Cs, Cg6~) Produkte yon mit Antigen stimulierten Lymphocyten

II. Opsonierung

spezifische Antik6rper (IgG-Typ) IgM-Komplex mit C1-C4, C3u, C5 hitzelabiler Faktor, Properdin

III. Phagocytose

Energie (ATP aus der anaeroben Glykolyse)

IV. Degranulierung V. Abt6tung

NADH-Oxydase Glu cose-6-P-Dehydrogenase Glutathion-Peroxydase Hexose-Monophosphat-Shunt Myeloperoxydase H202 Halogene (Jod, Chlor) Lysozym proteoloyfische Enzyme Superoxyd (Q)

Wfihrend also die Notwendigkeit verschiedener Enzsqnsysteme eindeutig geklfirt ist, erscheint die molekulare Basis der Wirkung dieser Systeme noch unklar. Die M6glichkeit, die metabolischen Vorg/inge zu messen, sind vielffiltig und in Tabelle 3 zusammengefal3t. Tabelle 4 gibt einen Uberblick fiber die Faktoren und Stoffwechselvorg/inge bei der Abt6tung von Mikroorganismen. Prostaglandin E hemmt die Freisetzung von lysosomalen Enzymen ebenso wie Theophyllin (Weissmann et at. [t86]) sowie die (1-C 14) Glucose-Oxidation und die NBT-Reduktion ohne die Phagocytose zu beeintr/ichtigen (Fleyer und Finch [60]). M6glicherweise erh6ht es die Konzentration von 3',5'-cyclischen AMP, das den Hexose-Mono-Phosphat-Shunt ebenso wie Theophyllin blockiert (Qualliotine et al. [53]). Superoxyd (Cr2) scheint ebenfalls eine Rolle bei der intracellul~ren Abt6tung zu spielen (Curnutte et al. [45]). Ob dieses Radikal direkt wirkt oder aus ihm sogar noch reaktivere Verbindungen entstehen, ist nicht bekannt (Fridovich [62]). Zusammenfassend mug man sagen, dab eine gr613ere Zahl von intracellul~iren Mechanismen zur Ab-

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t6tung von Bakterien zur Vefffigung stehen, deren Wirkungsweise und Zusammenspiel jedoch nur teilweise aufgekl~irt sind. Abtdtung yon Sproflpilzen durch GranuIocyten

Ffir die Abt6tung von Candida albicans ist die Kombination von Myeloperoxidase und H2O 2 notwendig (Lehrer et al. [112, 113]). Granulocyten von Patienten mit einem kongenitalen Myeloperoxidasemangel t6ten Candida albicans nicht ab (Lehrer et al. [112]). Auch Leukocyten der septischen Granulomatose verm6gen diese Sprol3pilze nicht abzut6ten (Lehrer [109]). Trotzdem ffihrt der Myeloperoxidasedefekt nicht immer zu generellen Candida-Infektionen. Die fungiziden Eigenschaften der Leukocyten sind bei Patienten mit Nierentransplantaten wahrscheinlich durch die immunsuppressive Therapie reduziert (Lehrer et al. [114]). Sulfonamide verhindern in vitro die Abt6tung von Sprol3pilzen durch das Myeloperoxidasesystem (Lehrer [110]). Klinisch ~iul3erst wichtig ist, dab einige Sulfonamide bei einer Konzentration von 50 rag/100 ml (Sulfadiacin und Sulfadisoxacol), die bei Niereninsuffizienz durchaus vorkommen k6nnen, eine Abt6tung von Sprol3pilzen votlst/indig btockieren. Diese Tatsache sollte besonders bei der Therapie von Patienten mit Urfimie oder Abwehrschwfiche berficksichtigt werden. g?ste fiir die einzelnen Schritte der Granulocytenfunktion

Die Tabelle 5 gibt eine Ubersicht fiber Funktionsteste und die weiteren Untersuchungsm6glichkeiten zur Differentialdiagnostik der einzelnen Funktionsst6rungen. Auf die technischen Einzelheiten der Teste kann im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden. Angeborene St6rungen der Granutocytenfunktion

Wir wollen zun/ichst die Krankheitsbilder besprechen, die bereits einigermal3en klar umrissen sind. Tabelle 6 gibt einen Uberblick fiber die wichtigsten angeborenen Granulocytenfunktionsst6rungen. Die septische Granulomatose des Kindesalters (Chronic granulomatous disease of childhood, CGD) wurde 1950 erstmals beobachtet und 1957 beschrieben (Behrendes et al. [19]). Eine l~Tbersicht aus dem Jahre 1971 umfal3t 92 Patienten der Weltliteratur (Johnston et al. [96], vgl. auch Good et al. [70], Truckenbrodt et aL [175]). Das klinische Bild ist charakterisiert durch zahlreiche

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D. Niethammer et aL : Granulocytendysfunktion. I Tabelle 5. Untersuchungsm6glichkeiten bei Verdacht auf St6rungen der Granulocytenfunktion

Stadium

Funktionsteste

Weitere Untersuchungen

I. Chemotaxis

a) Chemotaxis in Boydenkammer [24] b) Random Mobility [79, 83, 119 128, 1671 c) ttautfenster nach Rebuck [157] d) Adhfisivit/it [64, 167]

Komplementsystem

II. Oposonierung

Phagocytose-Index [152]

Komplementsystem Immunoglobine

III. Phagocytose

Phagocytose-Index [152]

Tuftsin-Peptid

Metabol. Fotgen der Phagozytose :

Licht- u. Elektronenmikroskopie

a) Anstieg des O2-Verbrauchs b) Anstieg der Glucose-I-14COxydation c) Anstieg des H202 d) Anstieg der H202-abh~ingigen

IV. Degranulierung Va. Abt6tung von Mikroorganismen

a) Abt6tung yon Bakterien [90] b) Abt6tung yon SproBpilzen [113] c) Iodierung der Bakterienmembran [102]

Vb. Enzyme

a) NBT-Index (NADH-Oxydase?) [152]" b) Myeloperoxydase (histiochemisch)

14C_Format_Oxydation a) NADH-Oxydase b) Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase c) Glutathion-Peroxydase

a Zahlreiche Variationen beschrieben. Tabelle 6. ~bersicht fiber angeborene Granutocytenfunktionsst6rungen Stadium I. Chemotaxis

angeboren Chediak-Higashi-Syndr om Lazy-Leukocyte-Syndrome Job-Syndrom Fehlen von chemotaktischen Substanzen (C3, Cs) Hemmfaktoren (gegen Granulocyten und chemotaktische Substanzen) Neugeborene

II. Opsonierung

Komplementdefekte (C5) Sichelzellanfimie (Pneumokokken) Humorale Immundefekte

III. Phagocytose

Morbus Down Tuftsin-Mangel Paroxysmale nfichtliche tt~imoglobinurie

IV. Degranulierung

Chediak-Higashi-Syndrom septische Granulomatose des Kindesalters

septische Granulomatose V. Abt6tung yon des Kindesalters Mikroorganismen a) NADH-Oxydase-Mangel b) Glu cose-6-P-DehydrogenaseMangel c) Glutathionperoxydase-Mangel d) ? Lipochrome Histiocytose Job-Syndrom Myeloperoxydase-Mangel Chediak-Higashi-Syndrom Neugeborene (E. coli) IgA-Mangel (?) Hemmfaktoren (gegen PHA-Stimulierung)

Infektionen, die bereits im 1. Lebensjahr beginnen. Es findet sich in fast allen Fallen eine ausgeprfigte Lymphadenitis, oft mit AbszeBbildung. Die h~iufigste infekti6se Erkrankung ist eine Pneumonie. Typisch sind auch eine Dermatitis, die granulomat6s, ekzematoid oder lupus-fihnlich aussehen kann, sowie Splenomega!ie, Leberabszesse, Osteomyletiden, stS.ndige Rhinitis und Konjunkfivitis, Niufige Diarrhoen und Stomatitiden. Auch eine Perikarditis ist nicht selten. 34 der 92 Patienten starben vor dem 7. Lebensjahr. Histologisch finden sich typische Granulome in Lymphknoten, Lunge, Leber, Milz und Haut mit Riesenzetlen, zentralen Nekrosen und lymphohistiocytfiren, invasiv zerst6renden Entzfindungen. Die Histiocyten sind hfiufig pigmentiert. Oft findet sich eine ausgepr/igte Leukocytose mit Werten fiber 40 000/mm 3. Hypergammaglobulinfimie und chronische Infektan~mie sind typisch. Der Immunstatus ist bis auf Ausnahmen normal. Der hfiufigste Erreger ist der Staphylococcus aureus. Es folgen Klebsiella, Enterobacter-Gruppe, E. coli, Serratia marcescens, Pseudomonas, Proteus und Salmonella. Diese Bakterien sind alle katalasepositiv, wfihrend Bakterien, die keine Katalase besitzen, wie Pneumokokken, fi-hfimolysierende Streptokokken und H~imophilus influenzae zu keinen granulomat6sen Entzfindungen ffihren. Bei einigen Patienten kommen Infekte mit Candida albicans oder Aspergillus fumigatus vor. Der kritische Defekt in den Granulocyten scheint die Unf'~ihigkeit zu sein, H z O 2 zu bilden. Der Anstieg des O2-Verbrauches, die Stimulation des Hexose-Mono-Phosphat-Shuntes und die Jodierung der Bakterien bleiben aus (Holmes et al. [91]). Die Reduk-

D. Niethammeret aI. : Granulocytendysfunktion.I tion von NBT findet ebenfalls nicht statt (Baehner et al. [9], Nathan et al. [135]). Die Ursache des Mangels an HzO2-Bildung ist nicht eindeutig geklart. Wahrend einige Autoren einen Mangel an NADH-Oxydase dafiir verantwortlich machen (Baehner et al. [7, 8]), wird dem von anderer Seite widersprochen (Holmes et aI. [92]). Bei mehreren Madchen fand sich ein Mangel an Glutathionperoxidase (Holmes et at. [92]). Schliel31ich wurde noch bei einigen Patienten ein vollstandiger Mangel an Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase (Cooper et al. [42], Gray et aI. [72]) oder eine gesteigerte Instabilitat dieses Enzymes (Bellantine et aL [18]) gefunden. Bei der letzten Form ist der Verlauf milder, die Stoffwechselvorgange sind nicht so stark unterdriickt. Der totale Defekt dieses Enzyms ist sehr selten und schon bei 20% der normalen Aktivit/it ist keine Granulocytenfunktionsst6rung feststellbar (Baehner et al. [10]). M6glicherweise spielt auch eine verz6gerte Degranulierung eine Rolle (Gold et al. [67]). CTber die Vererbung dieser Krankheit ist folgendes zu sagen: Die ersten 32 Falle von septischer Granulomatose waren mannlich, ihre Vater zeigten normale, ihre Matter, die mtitterlichen GroBmtitter und ein Teil der Schwestern Intermediarwerte im NBT-Test (Windhorst et al. [191], Johnston et al. [96]). Die Vererbung in diesen Fallen ist also eindeutig X-chromosomal. Inzwischen wurden auch weibliche Patienten (Baehner et at. [9], Quie et al. [155], Azimi et al. [4]) und mannliche Patienten, deren Eltern normal waren, gefunden (Davis et al. [47], Douglas et al. [50], Kontras et al. [107], Hitzig et al. [88]). In letzteren F~illen wird also eine autosomal rezessive Vererbung angenommen.

J o b s - S y n d r o m (Hiob-Syndrom)

Diese Erkrankung wurde erstmals von Davis et al. [46] beschrieben und ist charakterisiert durch eine helle Haut, rote Haare, rezidivierende, kalte Staphylococcus-aureus-Abszesse, Ekzeme, Otitis, Sinusitis und Pneumonien sowie Pilzinfekte. Bei zwei Patienten waren die intracellulfire Abt6tung von Staphylococcus aureus und Serratia marcescens, die Phagocytose, tier NBT-Test und die intracellulare Jodierung normal (White et at. [188]). Neuerdings wqarden vier Patienten mit hohen IgE-Werten und granulocytenabhangigem Chemotaxisdefekt beschrieben (Hilt et al. [84]). Bei einem weiteren Fall bestand ein Abt6tungsdefekt gegen Staphylococcus aureus und Klebsiellen bei normalet Phagocytose (Bannatyne et at. [16]). Der NBT-Test war pathologisch. Die Vererbung in diesem Fall war autosomal rezessiv; eine jtingere Schwegter hatte einen verringerten NBT-Index sowie eine reduzierte Abt6-

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tung von Bakterien und eine weitere Schwester war an Infektionen verstorben. Histologisch fand sich keine lipochrome Histiocytose und ebenso keine granulomat6se Entztindung. Dieser Fall bildet vielleicht klinisch eine Einheit mit den ersten beiden Patienten, unterscheidet sich jedoch deutlich von diesen durch die pathologischen Funktionsteste.

Lipochrome Histiocytose

Diese Erkrankung wurde erstmals 1962 beschrieben (Ford et al. [61]). Sie zeichnet sich durch lipochrome Pigmentierung der Histiocyten, Hypergammaglobulinamie, Lungeninfiltrate, Splenomegalie, rheumatoide Arthritis und Infektanf~illigkeit aus. Bei dieser familifiren Erkrankung wird nach Phagocytose der Hexose-Mono-Phosphat-Shunt nicht gesteigert und es erfolgt keine Jodierung der Bakterien (Rodey et aI. [158]). Der NBT-Test ist negativ und die intracellulare Abt6tung yon Staphylococcus aureus vermindert. Die Teste ergeben also das gleiche Bild wie bei der septischen Granulomatose. Die lipochrome Histiocytose unterscheidet sich jedoch davon durch die rheumatoide Arthritis und das Fehlen der granulomat6sen Entztindung. Beim Job-Syndrom fehlt dagegen die lipochrome Histiocytose.

Chediak-Higashi-Syndrom

Diese seltene, autosomal rezessiv vererbte Krankheit ist charakterisiert dutch teilweisen Albinismus, rezidivierende Infekte und Riesenlysosome (White [187]) in den meisten granulahaltigen Zellen (Chediak [33], Higashi [80]). Eine gleichartige Erkrankung wurde in Nerzen, Rindern und Mausen beschrieben (Blume et al. [21]). Zusatzlich findet man bei den Patienten eine Granulocytopenie bei einer normalen Zahl von weiBen Vorstufen im Knochenmark (Blume et at. [20]), was eine zusatzliche Beeintrfichtigung tier Abwehr bedeutet. Die Patienten erkranken hauptsfichlich an Infekten mit grampositiven Erregern. Viele entwikkeln eine Hepatomegalie, Lymphadenopathie und Pancytopenie sowie lymphocytare und histiocytfire Proliferationen (Deut et at. [48]). Der Funktionsdefekt der Grarmlocyten ist nicht aufeinen der Schritte beschr~inkt. Wfihrend die Migration im Hautfenster zunfichst als normal beschrieben wurde (Page et al. [143]), wurden neuerdings eindeutige Beeintrfichtigungen der Einwanderung in das Rebucksche Hautfenster beobachtet (Clark et al. [34]). Die Chemotaxis der Granulocyten ist ebenfalls vermindert. Dieser Defekt wird besonders deutlich, wenn die Po-

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D. Niethammer et at. : Granulocytendysfunktion. I

rengr613e der Boyden-Kammer verringert wird (Clark et al. [34]). M6glicherweise ftihrt die Gr6Be der Granula, die bis zu einem Durchmesser von 4 mg betragen kann (Blume et aI. [21]), zu einer starren Struktur der Zelle, wodurch eine Durchwanderung der Membran oder die Wanderung zum Infektionsherd beeintrfichtigt wird. Die Phagocytose selber ist nicht gest6rt (Page et al. [143], Windhorst [190], Root et at. [160], Root [161]). Dagegen findet sich eine Verz6gerung und quantitative Verringerung der Degranulierung (Stossel et at. [172]). Die intracellulfire Abt6tung von Staphylococcus aureus, /3-hfimolysierenden Streptokokken, Pneumokokken und Serratia marcescens ist deutlich verz6gert (Root et al. [160]). Eine abnorme Verteilung und verminderte Aktivit/it verschiedener lysosomaler Enzyme wurde beschrieben (Kimball et al. [101]). Bei dem Chediak-Higashi-Syndrom findet sich also eine Kombination der Beeintrfichtigung der Chemotaxis mit einer verminderten und verz6gerten Degranulierung und einem Defekt der intracellulfiren Abt6tung. D e f e k t e der Chemotaxis

Die Ursache ffir Chemotaxisdefekte ist vielffiltig, wie Tabelle 6 zeigt. Der Defekt kann serumabh/ingig sein oder in den Granulocyten selbst liegen. Beide Formen kommen sowohl angeboren als auch erworben vor. Tabelle 7 gibt einen Uberblick fiber die bisher in der Literatur beschriebenen angeborenen Defekte der Chemotaxis. Aus der Tabelle wird einmal deutlich, wie unterschiedlich die Untersuchungsprogramme der einzelnen Arbeitsgruppen sind, zum anderen sind die klinischen Bilder ebenfalls teilweise recht verschieden. Das macht die Einordnung der Einzelbeschreibungen sehr problematisch. Auffallend ist jedoch die relativ hgufige Erw~ihnung von Ekzemen und kongenitaler Ichthyosis (Miller et al. [124, 128], Haferkamp et al. [78], Hill et al. [83]). Miller et al. [126] inaugurierten ftir zwei F/ille mit granulocytenabh~ingigem Chemotaxisdefekt, defekter Random mobility und Leukopenie den Ausdruck ,,Lazy-Leukocyte-Syndrome". Dieser nur schlecht fibersetzbare Ausdruck beinhaltet, dab die Granulocyten dieser Patienten auf chemotaktische Reize auch im AB-Poolserum nicht oder nut ganz gering reagieren. Sie sind also ,,zu faul". Inzwischen wurde dieser Ausdruck auch ffir andere granulocytenabhfingige Chemotaxisdefekte verwendet, auch wenn die Leukopenie fehlt (Haferkamp et al. [78]). Defekte derOpsonierung

Zwei Familien mit mangelnder Opsonierung aufgrund eines Komplement-Cs-Defektes wurden be-

schrieben (Miller et al. [124], Jacobs et al. [94]). Die vier Kardinalsymptome. sind: Generalisierte seborrhoische Dermatitis, schwere Diarrhoe, rezidivierende, lokale und generalisierte Infektionen (meistens gramnegative Erreger) und Dystrophie. Die immunologischen Messungen von C5 ergaben Normalwerte, wfihrend die Phagocytose von Partikeln, die einer Opsonierung durch C5 bediirfen (Hefe im Gegensatz zu Erythrocyten, Pneumokokken und Latex-Partikeln), eindeutig defekt war. Frischplasma, das Cs enthfilt, ffihrte in zwei Patienten aus einer Familie zur dramatischen Besserung. Trotz der Ahnlichkeit des klinischen Bildes und des Cs-Mangels bestehen Unterschiede zwischen den beiden Familien in bezug auf chemotaktische Aktivitfit, Erbgang, Reaktion auf Plasmagaben und C4Wert. Patienten mit Sichelzellanfimie haben eine defekte Opsonierungsaktivitfit gegeniiber Pneumokokken (Winkelstein etal. [192]). M6glicherweise fehlt im Serum ein hitzelabiler, nicht dem Komplementsystem angeh6render Faktor, der fiir die normale Opsonierung notwendig ist (Johnston et at. [95]). Defekte der Phagocytose (Ingestion)

Fehlen oder Defekt des Tuftsinpeptides Zwei nicht verwandte Patienten mit anomalem Tuftsinpeptid (Constantopoulos et al. [38, 39]) litten an rezidivierenden Infekten, besonders Pneumonien, aber auch an Haut- und Lymphknoteninfektionen. Jeweils ein Elternteil zeigte denselben Defekt ohne krank zu sein. Mit Gammaglobulingaben war der Krankheitsverlauf gut zu beeinflussen. Im Gegensatz dazu fehlt das Peptid bei splenektomierten Menschen ganz (Constantopoulos et at. [41]). Dies mag die Sepsisgefahr nach Splenektomie erkl~iren, wie eine Literaturstudie von 14067 Patienten zeigt. (Erikson et al. [55]). Drei Familienmitglieder mit angeborener Milzhypoplasie und rezidivierenden Infekten wurden ebenfalls beschrieben (Kevy [100]). Die Grundkrankheit, die AnlaB zur Splenektomie gibt, spielt sicher ffir die H~iufigkeit und den Ausgang von Infekten ebenfalls eine Rolle (Gallis [63]). Myeloperoxydasemangel

Seit 1920 ist mehrfach yon Patienten mit verminderter oder negativer F/irbung der Myeloperoxydase berichtet worden. Dabei wurden folgende Erkrankungen beobachtet: Ein Patient mit Pneumokokkenpneumonie (Graham [71]), zwei Patienten mit Economoencephalitis (Sato et at. [164]), drei Patienten mit refrak-

651

D. Niethammer et al. : Granulocytendysfunktion. I Tabelle 7. fSbersicht fiber die F/ille mit angeborenem Chemotaxisdefekt Autoren

Ward

n

S/G Ursache

Rand. Mob.

Hautfenster

1 S

Inhibitor

1 S

Inhibitor

d(S)

d?

1 S

Inhibitor

d (S)

d

1 S 1 S

Adhfis, Phag.

Abt6tung v. Bakt,

d

NBT

Besonderheiten

Can&

d

d

d

n

n

n

n

n

n

n

C5-Mangel

d (S)

n

C3-Mangel

n

d

etal. [181]

Soriano etal. [169]

Smith

Normalisierung durch Plasmagabe

etal. [167]

Miller

generalisierte Cytomegalieinfektion

n

ekzemat6se Dermatitis

et al. [124]

Alper et at. [1] Haferkamp etal. [78]

Niethammer

n

Klinefeltersyndrom

1

S/G

n

d(S)

d(S)

n

t

S

n

d (S)

d (S)

n

1

S

n

n

d (S)

n

congen. Ichth,, ekzemat. Dermat., Leukozytose

1

G

d

n

d(G)

n

Leukozytose, fhmilifir

2

G

d

n

n

n

Neutropenie, Lazy-Leukocyte-Syndrome

1

G

d

n

n

n

Leukozytose

n

n

n

n

n

n

congen. Ichth., rez. Inf. mit Trichoph. rubrum

n

n

n

chron. Ekzem, IgE-Erh6hung

n

d

d

n

n

d

n

m6glicherweise sekund~ir

d

n

d

n

histologisch: Granulombildungen

d

d

n

d

geschlechtsgebundene Agammaglobulinfimie

d

n

d

n

eigenartige Kernmorphologie d. Granulocyten, Spez. Granula ohne alkal. Phosphatase

etal. [1371

Miller et al. [126]

Higgins etal. [82]

Clark etat. [35]

1G

n

d

Miller

3 G

n

n

n

etal. [128]

Hill

3 G

Histamin (?)

n

etat. [831

Edelson et al. [54]

Steermann

1

G

d

1 ?

d

1

?

d

1

G

n

d

etal. [171]

Strauss

1 G

Spez. Granula

n

etat. [174]

n=normal; d=defekt; leere Felder=nicht untersucht; S =serumabh/ingig; G=granulocytenabhfingig. t/irer, m e g a l o b l a s t f i r e r A n f i m i e ( H i g a s h i et at. [81]), v o n d e n e n einer an e i n e m K l e b s i e l l e n i n f e k t ( A r k a w a e t aI. [3]), ein a n d e r e r a n einer A s p e r g i l l o s e ( L e h r e r et aI. [115]) v e r s t o r b e n ist. P a t i e n t e n m i t rezidivierenden C a n d i d a - I n f e k t e n ( L e h r e r e t al. [104]) u n d P a t i e n ten o h n e Infektanf~illigkeit w u r d e n ebenfalls beschrieben ( G r i g n a s c h i et al. [74], U n d r i t z [176], L e h r e r e t aI. [109]). D i e G r a n u l o c y t e n m i t e i n e m M y e l o p e r o x y d a s e d e f e k t , d e r a u t o s o m a l rezessiv v e r e r b t wird, h a b e n

einen A b t 6 t u n g s d e f e k t gegen C a n d i d a a l b i c a n s (Lehrer e t al. [109]) u n d ihre A b t 6 t u n g s f f i h i g k e i t gegen Stap h y l o c o c c u s a u r e u s u n d S e r r a t i a m a r c e s c e n s ist r e d u ziert ( L e h r e r et al. [109], K l e b a n o f f [104]). Die E m p f i n d l i c h k e i t gegen b a k t e r i e l l e I n f e k t e ist j e d o c h nicht gesteigert. M 6 g l i c h e r w e i s e w i r d d e r M a n g e l a n M y e l o peroxydase durch vermehrte H202-Bildung kompensiert, w o d u r c h die n i c h t e n z y m a t i s c h e K o m p o n e n t e d e r B a k t e r i e n a b t 6 t u n g g e f 6 r d e r t w i r d ( K l e b a n o f f [105]).

652

D, Niethammer et al. : Granulocytendysfunktion. I

Granulocytenfunktion und Morbus Down

Die Infektanf~lligkeit von Patienten mit Morbus Down ist bekannt. Da die Ursache daftir bisher nicht eindeutig gekl/irt werden konnte, lag es nahe, die Granulocytenfunktion bei diesen Patienten zu iiberprfifen. So wurden in einer Studie bei 10 yon 63 mongoloiden Kindern ein Abt6tungsdefekt gegen/iber Staphylococcus aureus gefunden (Gregory et al. [73]). Andere Autoren zeigten einen verringerten Phagocytose-Index und eine verminderte Adh/isivifftt der Granulocyten bei Patienten mit Morbus Down (Rosner et al. [163]). Weitere Untersuchungen sind aus der Literatur nicht bekannt. Die drei beschriebenen Defekte sind sicher nicht ausgeprfigt genug, um die generelle Infektanf/illigkeit yon Kindern mit Morbus Down zu erkl/iren.

Granulocytenfunktionsstdrung bei Neugeborenen

Neugeborene sind ebenfalls eine Gruppe mit gr6gerer Infektanf/illigkeit. Es fand sich eine verringerte Opsonierungsaktivit/it gegen E. coli, bei normaler Aktivit/it gegen Staphylococcus aureus und Streptokokken der Gruppe B. Die Ursache daffir mag im Mangel an 19-S-Antik6rpern gegen E. coli liegen. Dies ffihrt zur Beeintr/ichtigung der Abt6tung yon E. coli und m6glicherweise auch anderer gramnegativer Erreger (Dosset et al. [49]). Weiterhin findet sich eine relative Beeintr/ichtigung der zellul/iren und humoralen Komponente der Phagocytose, die nur bei verdfinntem Plasma deutlich wird (Miller [122]). Die chemotakti-

sche Antwort der Granulocyten bei Neugeborenen ist ebenfalls deutlich vermindert. Zus/itzlich ist die chemotaktische Aktivit/it des Serums verringert, was m6glicherweise auf einen Mangel an C3 und C5 zurfickzuf/dhren sein kann. IgM korrigierte diese Defekte nicht (Miller [123]). Der spontane NBT-Test ist bei Neugeborenen erh6ht. Der Grund daffir ist nicht bekannt (Humbert et at. [93]). Er normalisiert sich etwa vier Wochen nach der Geburt (Park et al. [144], Goel et al. [65]). Frfihgeborene dagegen reagieren auf Infektiohen mit einer Abnahme von NBT-positiven Zellen (Cocchi et al. [37]). Eine neue Studie zeigt, dab Frfihgeborene unter 2000 g Geburtsgewicht etwa nur 1/3 positive Zellen haben, wenn man sie mit Werten von Neugeborenen fiber 2 000 g vergleicht (Goel et al. [65]). Die Ursachen ftir diese yer/inderungen des NBT-Testes sind v611ig unklar. Literaturverzeichnis s. Teil II. D. Niethammer E. Kleihauer Department f. Kinderheilkunde der Universitfit Ulm D-7900 Ulm/Do Prittwitzstr. 43 A. Wildfeuer O. Haferkamp Abteilung f. Pathologie I der Universitfit Ulm D-7900 Ulm/Do Oberer Eselsberg Bundesrepublik Deutschland

[Granulocyte dysfunction. I. Inborn defects (author's transl)].

Klin. Wschr. 53,643-652 (t975) - © by Springer-Verlag 1975 Ibersichten Granulocytendysfunktion I. A n g e b o r e n e S t 6 r u n g e n D. Niethammer...
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