The Interesting Case

Einleitung !

Primäre nicht adenomatöse Tumoren der Hypophyse und des Infundibulums sind sehr selten. In der aktuellen WHO-Klassifikation von 2007 wird zwischen Pituizytom, Granularzelltumor und Spindelzellonkozytom (sämtlich WHO Grad I) unterschieden (Louis DN et al. Acta Neuropathol 2007; 114: 97 – 109). 1893 berichteten Boyce und Beadles erstmals über einen Granularzelltumor der Neurohypophyse. Bis 1997 wurden 42 Patienten (Schaller B et al. Neurosurgery 1998; 42: 166 – 171) und bis heute 86 Patienten (Covington MF et al. AJNR Am J Neuroradiol 2011; 32: 2067 – 2072) mit Granularzelltumor der

Sellaregion (von der Neurohypophyse oder dem Infundibulum ausgehend) beschrieben. Wir berichten im Folgenden über einen Patienten mit einem Granularzelltumor des Infundibulums.

Fallbericht

ml) sowie ein erniedrigtes Testosteron (1,29 nmol/l) und IGF1 (34 ng/ml). Im Weiteren wurde bei dem in Bezug auf den suprasellären Tumor asymptomatischen Patienten eine Teilentfernung des Tumors über eine pterionale Kraniotomie durchgeführt. Die histologische Diagnose lautete Granularzelltumor WHO Grad I. In anschließenden MRT-Kontrollen über 4 Jahre war der Resttumor größenkonstant. Mittlerweile liegen bei dem Patienten Visusstörungen vor. Dieser konnte sich dennoch bisher nicht zu einer weiteren OP entschließen. Kontrollen der endokrinologischen Laborparameter liegen nicht vor.

!

Bei dem 46-jährigen Patienten wurde wegen mehrfacher anfallsartiger Ereignisse mit Tonusverlust der Extremitäten ohne " Abb. 1) Bewusstseinsverlust ein MRT (● angefertigt. Es fand sich als Zufallsbefund eine große supraselläre Raumforderung. Laborchemisch fanden sich lediglich eine geringe Hyperprolaktinämie (916 μIU/

Abb. 1 Sagittale T1w-Aufnahme a, sagittale b, c und koronare d T1wAufnahmen mit Fettsättigung nach Kontrastmittelgabe, axiale T2w-Aufnahme e. Großer suprasellärer Tumor, der sich eindeutig von der Hypophyse abgrenzen lässt. Ein hinterer Klinoidfortsatz reicht dicht an den Tumor

Diskussion !

Während früher diverse nicht adenomatöse Tumoren der Sella und suprasellären Region (incl. Granularzelltumoren und pilozytischen Astrozytomen) als Pituizytome bezeichnet wurden, ist der Begriff ak-

heran (a, c, Pfeile). Die Neurohypophyse lässt sich nicht T1w-hyperintens abgrenzen. Der Hypophysenstiel hat Kontakt zum Tumor und wird deutlich nach rostral ausgelenkt (b, Pfeil). Ausdehnung des Tumors in den 3. Ventrikel d und die Fossa interpeduncularis e.

Lettau M, Munk R. Granularzelltumor des Infundibulums … Fortschr Röntgenstr 2014; 186: 805–806 · DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0033-1356188

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Granularzelltumor des Infundibulums

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The Interesting Case

tuell reserviert für niedriggradig maligne gliale Tumoren, die von der Neurohypophyse oder dem Infundibulum ausgehen und sich von pilozytischen Astrozytomen unterscheiden lassen (Louis DN et al. Acta Neuropathol 2007; 114: 97 – 109). Vor der aktuellen WHO-Klassifikation von 2007 wurden diverse Granularzelltumoren der Sellaregion unter anderen Namen publiziert wie: Myoblastom, Pituizytom, Infundibulom oder Choristom. Pituizytome gehen von Pituizyten, glialen Zellen des Hypophysenhinterlappens und Infundibulums, aus. Es werden 5 ultrastrukturelle Varianten der Pituizyten unterschieden: helle, dunkle, granuläre, ependymale und onkozytäre (Takei Y et al. Cell Tissue Res 1980; 205: 273 – 287). Bisher wurde davon ausgegangen, dass Granularzelltumore von granulären Pituizyten und Spindelzellonkozytome von follikulostellaren Zellen der Adenohypophyse ausgehen. In einer aktuellen neuropathologischen Arbeit (Mete O et al. Am J Surg Pathol; 2013 Jul 24: epub ahead of print) fanden sich jedoch Hinweise darauf, dass Pituizytome, Granularzelltumore und Spindelzellonkozytome sämtlich von (den ultrastrukturell unterschiedlichen Varianten der) Pituizyten ausgehen. Die Autoren schlagen deshalb als neue Bezeichnungen für das Spindelzellonkozytom „onkozytäres Pituizytom“ und für den Granularzelltumor „Granularzell-Pituizytom“ vor. Covington et al. (Covington MF et al. AJNR Am J Neuroradiol 2011; 32: 2067 – 2072) fanden in einer Übersichtsarbeit zu Pituizytomen/Granularzelltumoren/Spindelzellonkozytomen im MRT unterschiedliche Lokalisationen: rein intrasellär (21,2 %/0 %/ 0 %), intrasellär und suprasellär (39,3 %/ 37,7 %/100 %), rein suprasellär (39,3 %/ 62,2 %/0 %). Jeweils 75 % der Pituizytome und Granularzelltumore ließen sich nicht von der Hypophyse abgrenzen. Bei unserem Patienten liegt der Granularzelltumor rein suprasellär am Infundibulum und lässt sich gut von der Hypophyse abgrenzen. Auf den T1w-Aufnahmen waren die Tumoren hypointens (0 %/16,6 %/25 %), isointens (86,7 %/75 %/75 %) oder hyperintens (13,3 %/ 8,3 %/0 %) und auf den T2w-Aufnahmen hypointens (12,5 %/41,1 %/keine Angabe),

isointens (12,5 %/58,9 %/keine Angabe) oder hyperintens (75 %/0 %/keine Angabe). Der Tumor unseres Patienten ist T1wisointens und überwiegend T2w-isointens mit geringen hyperintensen Anteilen. Kontrastmittelenhancement fand sich bei allen Tumoren, homogen (73,7 %/47,8 %/ 28,6 %) oder heterogen (26,3 %/52,2 %/ 71,4 %). Bei unserem Patienten ist das Enhancement deutlich und heterogen. Damit lassen sich Pituizytome, Granularzelltumore und Spindelzellonkozytome im MRT zwar nicht sicher voneinander unterscheiden, eine rein intraselläre Tumorlage spricht jedoch für ein Pituizytom und eine rein supraselläre Tumorlage gegen ein Spindelzellonkozytom. Die rein intrasellären sowie intrasellären und suprasellären Tumoren lassen sich rein bildgebend nicht von Hypophysenadenomen unterscheiden. Die wichtigste Differenzialdiagnose der rein suprasellären Tumoren ist das Kraniopharyngeom, das häufig Verkalkungen und Tumorzysten aufweist. Demgegenüber sind zystische Granularzelltumoren der Sellaregion sehr selten (Mumert ML et al. J Neurosurg 2011; 114: 325 – 328) und können Rathke Taschenzysten ähneln. Eine sehr seltene Differenzialdiagnose ist das Ependymom der Hypophyse. Bei diesem grundsätzlich benignen Tumor ist die Histogenese ungeklärt und es wird eine Abstammung von Pituizyten diskutiert (Scheithauer BW et al. Hum Pathol 2009; 40: 435 – 440). Einblutungen in Granularzelltumoren der Sellaregion sind ebenfalls sehr selten (Graziani N et al. Br J Neurosurg 1995; 9: 97 – 102), während ein perifokales Ödem mehrfach beschrieben wurde. Auf CT-Aufnahmen wurden Granularzelltumoren der Sellaregion mehrfach als hyperdense Tumoren beschrieben (Ji CH et al. Neuroradiology 1995; 37: 451 – 452), wobei auch Tumorverkalkungen vorkommen können (Bubl R et al. Neuroradiology 2001; 43: 309 – 312). Auf Fluorodeoxyglucose-Positronen-Emissions-Tomografie (FDG-PET)-Aufnahmen konnte ein Hypometabolismus eines suprasellären Granularzelltumors gezeigt werden (Wilkinson MD et al. J Comput Assist Tomogr 2003; 27: 26 – 29). Malignisierungen und

Tumorrezidive wurden bei Granularzelltumoren der Sellaregion bisher nicht berichtet. In einer Autopsiestudie fanden sich bei 6,6 % (91 von 1364) der Patienten Granularzellknoten in der Neurohypophyse oder dem Infundibulum (Luse SA et al. Cancer 1955; 8: 616 – 622), was auf einen hohen Anteil an asymptomatischen Granularzelltumoren der Sellaregion hinweist. Die meisten Granularzelltumoren werden in der 5. Lebensdekade entdeckt und Frauen sind häufiger betroffen als Männer (Buhl R et al. Neuroradiology 2001; 43: 309 – 312). In der Studie von Covington et al. (Covington MF et al. Am J Neuroradiol 2011; 32: 2067 – 2072) waren die Symptome bei Patienten mit Granularzelltumor unspezifisch, am häufigsten waren Sehstörungen (64 %), Kopfschmerzen (32,8 %) und Amenorrhoe (18,7 %). Bei unserem Patienten handelt es sich um einen Zufallsbefund, allerdings liegen mittlerweile Sehstörungen vor, die durch den großen suprasellären Tumor mit Affektion des Chiasma opticum bedingt sind. Der bei unserem Patienten wahrscheinlich durch Affektion des Infundibulums verursachte Hypopituitarismus ist ungewöhnlich für einen Granularzelltumor und wurde häufiger beim Pituizytom (17,1 %) und Spindelzellonkozytom (38,4 %) gesehen. Es wurde ein Granularzelltumor der Neurohypophyse beschrieben, der eine Akromegalie verursachte (Losa M et al. J Neurosurg 2000; 93: 121 – 126). Die Therapie des Granularzelltumors der Sellaregion besteht in der Resektion. Postoperativ kann es zu einem Hypopituitarismus kommen. Intrakranielle Granularzelltumore außerhalb der Sellaregion sind ebenfalls sehr selten und wurden in diversen Lokalisationen beschrieben (Rickert CH et al. Histopathology 1997; 30: 464 – 471). In extrakraniellen Lokalisationen (subkutanes Gewebe, Zunge, Haut, seltener Gastrointestinaltrakt – meist Oesophagus) sind Granularzelltumore relativ häufig und meist benigne mit geringer Rezidivrate, jedoch in ca. 2 % maligne (Gokasian ST et al. J Cutan Pathol 1994; 21: 263 – 270). M. Lettau, R. Munk, Heidelberg/Freiburg

Lettau M, Munk R. Granularzelltumor des Infundibulums … Fortschr Röntgenstr 2014; 186: 805–806 · DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0033-1356188

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