Editorial

Genetische Defekte und ultraviolette Strahlung: Von alten Tugenden in der Klinik zu neuen wissenschaftlichen Entwicklungen bei seltenen Erkrankungen – und zurück Es ist eine besondere Stärke des Dermatologen, durch genaue Beobachtung und Beschreibung des Hautbefundes entscheidende Hinweise zur Erkrankung seines Patienten zu erhalten. Insofern ist der Hautbefund das Fundament sowohl für Diagnostik, pathophysiologisches Verständnis als auch die Therapie einer Hautkrankheit. Als Ende des 19. Jahrhunderts Moritz Kaposi und andere Autoren den klinischen Befund von Menschen mit Xerosis cutis und poikilodermatischem Erscheinungsbild auf sonnenexponierter Haut beschrieben, verwendeten sie (neben Dermatosis Kaposi und Atrophoderma pigmentosum) bereits den heute verwendeten Begriff „Xeroderma pigmentosum“ und legten in diesem Sinne damit das Fundament für die Aufklärung dieser Erkrankung. Seit den 1960er Jahren zeigten wissenschaftliche Untersuchungen, dass diese Erkrankung tatsächlich durch einen genetischen Defekt bedingt ist, bei dem DNA Schäden, die durch ultraviolette Strahlung entstehen, nicht entfernt werden können. In den Jahren darauf konnte der defekte Mechanismus, die sogenannte Nukleotid-Exzisions-Reparatur (NER), mit seinen Proteinkomponenten funktionell aufgeklärt werden und es war klar, dass diese Patienten ihre Haut in besonderem Maße vor Sonnenexposition schützen müssen. Ist diese monogene Erkrankung damit aufgeklärt und kann getrost im heutigen Jahrtausend „vor sich hin verstauben“? Gerade im Zeitalter aufwändiger Hochdurchsatz-Technologie, „Genome-Wide-Association-Studies“ und „Single-Cell“-Exomsequenzierung spielen monogenetisch bedingte Erkrankungen eine wichtige Rolle, da sie einerseits klar defi nierte genetische Ursachen und andererseits häufig gut umschriebene klinische Phänotypen aufweisen. Immer häufiger werden heute deshalb zielgerichtete therapeutische Ansätze zuerst bei Menschen mit seltenen Erkrankungen erprobt und später in ihrer Indikation auf die gesamte Bevölkerung ausgedehnt. Über die Bedeutung für innovative Therapieansätze hinaus, konnten durch Untersuchungen an seltenen Erkrankungen entscheidende wissenschaftliche Erkenntnisse erlangt werden, die von allgemeiner Bedeutung sind. Neben NER kennen wir mit Basenexzisionsreparatur (BER), Doppelstrangbruchreparatur (DSBR), Mismatch-Reparatur (MMR) und Interstrand-Crosslink-Reparatur (ICLR) weitere Mechanismen, bei denen infolge eines genetischen Defekts

Mark Berneburg seltene, oft autosomal rezessive, Erkankungen wie Ataxia teleangiectatica, Bloom Syndrom, Cockayne Syndrom, Fanconi Anämie, Trichothiodystrophie und Werner Syndrom resultieren können. Andererseits wird zunehmend klarer, dass Defekte in diesen Reparaturmechanismen auch bei Menschen mit heterozygotem Genotyp – und damit primär gesundem Phänotyp – eine Rolle spielen. Beispiele hierfür sind Defekte in der DSBR beim Mammakarzinom sowie Defekte in der NER beim Bronchialkarzinom. Darüber hinaus wissen wir, dass die Proteinkomponenten der einzelnen Reparaturmechanismen keineswegs nur isoliert in ihrem jeweiligen Mechanismus agieren, sondern mitunter multiple Funktionen in der Zelle ausüben und damit die Flexibilität unseres Proteoms sehr effi zient steigern. Umgekehrt wissen wir aber auch, dass einzelne Reparaturmechanismen nicht nur bei dessen Ausfall die Funktion eines anderen Reparaturmechanismus übernehmen können, wie dies beispielsweise für NER, DSBR und BER bei Vorliegen oxidativ induzierter DNA Schäden der Fall ist. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass viele der Erkrankungen mit genetischer Instabilität überlappende klinische Befunde zeigen. Pigmentveränderungen, Gefäßneubildungen, neurodegenerative Symptome, vorzeitige Alterung und eine massiv erhöhte Inzidenz von Tumoren kann man bei Menschen mit diesen Erkrankungen beobachten. Trotzdem – oder gerade deswegen – ist es sinnvoll, sich die wichtigsten Symptome der einzelnen seltenen Erkrankungen immer wieder vor Augen zu führen. Hierdurch ist es dem klinisch tätigen Hautarzt möglich, die spezielle Erkrankung sicher zu erkennen, zu diagnostizieren und die richtige Behandlung einzuleiten.

© 2014 Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG). Published by John Wiley & Sons Ltd. | JDDG | 1610-0379/2014/1210

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Editorial Korrespondenzanschrift

Das Minireview von Lehmann et al. zu Xeroderma pigmentosum tut genau dies [1]. Klinische Befunde werden klar und gut bebildert dargestellt, pathophysiologische Zusammenhänge aktuell und verständlich erläutert und das Management dieser Erkrankung wird inklusive neuer Therapieansätze anschaulich dargelegt. Daher würde ich mich sehr freuen, wenn die Lektüre dieses Artikels dem Dermatologen genau das Fundament liefert, das ihm bei Hautbefund, weiterführender Diagnostik und Therapie hilft.

Prof. Dr. med. Mark Berneburg UKR – Universitätsklinikum Regensburg Klinik und Poliklinik für Dermatologie Franz-Josef-Strauss-Allee 11 93053 Regensburg E-Mail: [email protected]

Literatur 1

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Lehmann J, Schubert S, Emmert S. Xeroderma pigmentosum (XP): diagnostisches Vorgehen, interdisziplinäre Patientenversorgung und neue Therapieansätze. J Dtsch Dermatol Ges 2014; 12:

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[Genetic defects and ultraviolet radiation: from old virtues in the clinic to new scientific developments in rare diseases - and back].

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