1950

Oehlert u. a.: Die Dysplasien der Magenschleimhaut

Deutsche Medizinische Wochenschrift

Dtsch. med. Wschr. 100 (1975), 1950-1956 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Die Dysplasien der Magenschleimhaut

Gastric mucosal dysplasias: what their clinical significance?

Das Problem ihrer klinischen Bedeutung W. Oehlert, P. Keller, M. Henke und M. Strauch Abteilung für experimentelle Pathologie und Hepato-Gastroenrerologie des Pathologischen Instituts der Universität Freiburg, I. Medizinische Klinik der Städtischen Kea nkenanstalten Karlsruhe und Gastroenterologisches Institut, München

Unter Berücksichtigung proliferationskinetischer, karyometrischer, histologischer und histochemischer Kriterien wird eine Definition des normalen und dyspiastischen Oberflächenepithels der Magenschleimhaut zu geben versucht. Anstelle von Bezeichnungen wie Oberflächenkarzinom, intraepitheliales Karzinom und Carcinoma in Situ des Magens wird der Begriff der Dysplasie III des Oberflächenepithels vorgeschlagen. Dieser Vorschlag ergibt sich aus kontrollbioptischen Untersuchungen der Magenschleimhaut über eine Zeit von einem Monat bis zu 2 Jahren, in denen die Rückbildungsfähigkeit oder die Persistenz derartiger Veränderungen nachgewiesen und ein Obergang in das Frühkarzinom nicht gefunden werden konnte. Das Ergebnis der über 2 Jahre laufenden und bei insgesamt 8262 Patienten durchgeführten Untersuchungen zeigt, daß es augenblicklich selbst mit proliferationskinetischen, karyometrischen und histochemischen Methoden nicht möglich ist, aus einer Einzeluntersuchung die prospektive Potenz bestimmter als »Präkanzerose« oder gar als »intraepitheliales Karzinom« bezeichneter Veränderungen des Oberflächenepithels der Magenschleimhaut zu bestimmen. Die durch die modernen Methoden der Magendiagnostik erreichten neuen Kenntnisse vor allem über die frühen Formen des Magenkarzinoms mit einer operativen Heilungschance von über 90% zwingen den Pathologen, sich intensiver als je zuvor mit der Beurteilung der in großer Menge anfallenden Magenbiopsien zu befassen. Nicht nur die Kenntnis der Morphologie bestimmter Magenschleimhautveränderungen, die möglicherweise dem Ausbruch des Krebswachstums vorgeschaltet sind, sondern vor allem die Bewertung ihrer Dignität und damit ihrer klinischen Bedeutung wird heute vom klinisch tätigen Pathologen gefordert. In jüngster Zeit ist eine ganze Serie von Veröffentlichungen erschienen, die sich mit denjenigen Veränderungen der Magenschleimhaut befassen, die als Grenzfälle zwischen noch gutartigem und bereits bösartigem Wachstum gelten und die als »borderline lesions« (25), als Oberflächenkarzinom (21, 22) oder als intraepitheliales Karzinom (29) bezeichnet werden. Die letztgenannten Untersuchungen und Definitionen beziehen sich ausschließlich auf Untersuchungen am Resektionspräparat vonMägen,die in derMehrzahl derFällewegeneinesMagenkarzinoms entfernt wurden. Von Nagayo (25) und von Grundmann (8), der aufgrund von histologischen Unter-

Using criteria of proliferation kinetics, karyometry, histology and histochemistry, the attempt at a definition of normal and dysplastic surface epitheliuni of the gastric mucosa is made. Instead of using such terms as surface carcinoma, intra-epithelial

carcinoma and carcinoma-in-situ, the term dysplasia III of the surface epithelium is suggested, because serial biopsies of gastric mucosa over periods ranging from one month to two years have demonstrated reversibility or persistence of such changes without transition into early carcinoma. Results of such studies in 8262 patients demonstrate that even proliferation-kinetic, karyometric and histochemical methods do not make it possible to judge from single tests the prospective potency of certain changes of the gastric surface mucosa as nprecancerouss or even »intra-epithelial carcinoma«.

suchungen sowohl am Resektionsmaterial als auch an Magenschleimhautbiopsien Veränderungen beschreibt, die seines Erachtens den Übergang vom atypischen Epithel zum eigentlichen Karzinomwachstum darstellen, wird der Begriff der Dysplasie unterschiedlichen Schweregrades auch für die Beurteilung von Magenschleimhautbiopsien benutzt, woraus sich dann Konsequenzen für die Therapie derartiger Magenschleimhautveränderungen ergeben. Bisher herrscht keine Einigkeit über die Nomenklatur und Definition derartiger Dysplasien, wobei vor allem eine von allen klinisch tätigen Pathologen anerkannte exakte Definition der Begriffe Dysplasie oder »borderline lesion«, die sich sowohl auf zytologische, zytometrische, proliferationskinetische als auch auf histologische und histochemische Kriterien stützt, noch fehlt. Von besonderer Bedeutung für die Entscheidung über das therapeutische Vorgehen beim Nachweis derartiger Veränderungen und für das Verstehen und die Zusammenarbeit zwischen Kliniker und Pathologen, die letztlich gemeinsam die Verantwortung für die einzuschlagende Therapie tragen, sind gesicherte Kenntnisse über die weitere Entwicklung der »Dyspiasien« und vor allem über den zeitlichen Verlauf einer möglichen Rückbildung oder den fortschreitenden Übergang ins Frühkarzinom. Aus-

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

is

Nr. 39,

26.

September 1975,

100.

Jg.

sagen über diese Fragen sind nur von umfangreichen Kontrolluntersuchungen an einem möglichst großen Biopsiematerial über einen möglichst großen Zeitraum hinweg zu erwarten. Wir haben derartige Untersuchungen zur Definition der Dysplasie und vor allem zur Frage ihrer klinischen Bedeutung in einer über 2 Jahre laufenden Studie am gastroskopischen Biopsiematerial von insgesamt 8262 Patienten durchgeführt.

Oehiert u. a.: Die Dysplasien der Magenschleimhaut

1951

Anordnung der Foveolae gastricae, entzündliche Veränderungen, Epithel- und oberflächliche Schleimhautdefekte, Differenzierung der Oberflächenepithelien (Schleimbildung), Anordnung.der Oberflächenepithelien innerhalb der Foveolae, Kernpolymorphie, Chromatindichte des Kerns, Nukleolengröße. In diese Arbeit wurden Untersuchungsergebnisse an insgesamt 36 Frühkarzinomen einbezogen, bei denen am Resektionspräparat die Häufigkeit einzelner chronischer Magenschleimhautveränderungen bestimmt wurde (Abbildung 6).

Das zur Untersuchung verwandte Biopsiematerial bestand im allgemeinen aus mindestens zwei, maximal aus 20 Einzelbiopsien pro Patient. Es wurde in üblicher Weise fixiert, in Paraplast eingebettet und mit dem elektrischen Mikrotom in Bänder von je 8 am dicken Serienschnitten aufgearbeitet, wobei jedes Schnittband etwa 100 Schnitte umfaßte. Von diesen wurden je acht auf einen Objektträger aufgezogen. Routinemäßig wurden Hämatoxylin-Eosin-(HE)und Perjodsäure-Schiff-(PAS-)Färbungen angefertigt, bei jeder Untersuchung wurden mindestens 24 Schnitte pro Einzelbiopsie beurteilt. In der gastroskopisch arbeitenden Abteilung einer Klinik (I Medizinische Klinik der Städtischet Krankenanstalten, Karlsruhe) erfolgte bei insgesamt 120 unausgewählten Fällen die Inkubation aller entnommenen Biopsiestücke in 37 °C warmer Ringer-Lösung, der 0,2 mCi/ml 3H-Thymidin (1,9 Ci/mmol spezifische Aktivität, Amersham) zugesetzt war. Während der 30minütigen Inkubationszeit wurde durch die Inkubationsflüssigkeit Luft geblasen und so eine ständige, allseitige Umspülung des inkubierten Gewebes garantiert. Die in Formalin fixierten Gewebsstücke wurden nach üblicher Aufarbeitung zu Autoradiogrammen durch Eintauchen in flüssige Emulsion in Gelform (Emulsion Kg, Ilford) verarbeitet. Die Auswertung der Autoradiogramme erfolgte durch Auszählung der markierten Zellkerne, die zur Gesamtzahl der Zellkerne im Markierungsbereich in Beziehung gesetzt wurden. Der 3H-Thymidin-Markierungsindex gibt somit die Zahl markierter Zellkerne pro 100 Zellkerne innerhalb des Markierungsbereiches an. Zur Auswertung wurden bevorzugt längsgeschnittene Foveolae gastricae im Biopsierand herangezogen, wobei nur diejenigen Zellkerne ausgezählt wurden, die sich innerhalb der Foveolae gastricae befanden. Die Kerne des Oberflächenepithels wurden nicht berücksichtigt.1 Unabhängig von diesen autoradiographischen Untersuchungen wurden an Magenschleimhautbiopsien mit einem Normalbefund Zellzählungen durchgeführt, um die Gesamtzellzahl pro Foveola zu ermitteln. Bei 300 Fällen wurden Kernmessungen des Oberflächenepithels mittels des Okularmikrometers durchgeführt, wobei der jeweilige Längs- und Querdurchmesser ermittelt und nach Addition beider durch Division durch 2 ein Mittelwert errechnet wurde.2 Die 3H-Thymidin-Inkubation mit folgender autoradiographischer Untersuchung und die Kernmessungen erfaßten folgende Magenschleimhautveränderungen: normales Oberflächenepithel,

entzündlich verändertes Oberflächenepithel bei Oberflächengastritis und chronisch-arrophischer Gastritis ( Dysplasie I), Veränderungen des Oberflächenepithels bei chronischer Gastritis, die wir als Dysplasie II bezeichnen, Veränderungen des Oberflächenepithels bei chronischer Gastritis, die wir als Dysplasie III bezeichnen. Bei der histologischen Beurteilung in der HE- und PAS-Färbung wurden für die Einordnung in die verschiedenen Veränderungen des Oberflächenepithels der Magenschleimhaut vor allem bewertet: Die ausführliche Beschreibung der Inkubationstechnik, des gesamten untersuchten Materials und der angewandten Zählmethode bzw. der statistischen Auswertung der erhaltenen Ergebnisse erfolgt in einer gesonderten Veröffentlichung. 2 Die Beschreibung der Durchführung der Kernmessung und ihrer Auswertung erfolgt ebenfalls in einer gesonderten Veröffentlichung. 1

Ergebnisse Definition des »normalen Oberflächenepithels der Magenschleimhaut«. Das Magengrübchen zeigt im Bereiche der Antrumschleimhaut etwa 90 Zellen im Längs-, 33 Zellen im Querschnitt des größten Durchmessers. Daraus errechnet sich eine mittlere Gesamtzellzahl von 3000 Zellen pro Magengrübchen. Die Zellkerne der schleimbildenden Zylinderepithelien sind in einer gleichmäßigen Reihe längs der Basalmembran angeordnet, das Zytoplasma enthält PAS-positive Schleimmassen, die unter Umständen in der Lichtung der Foveolae gastricae angetroffen werden. Der mittlere Kerndurchmesser beträgt 5,5-7,0 tm. Mitotisch aktive Zellen sind im Corpusbereich vor allem im Bereiche des Drüsenhalses, imAntrum praktisch ausschließlich am Grunde der Magengrübchen lokalisiert. Der Markierungsindex, bezogen ausschließlich auf die Zellen des Magengrübchens im Antrumbereich, beträgt 1-3%. Unter der Annahme einer DNS-Synthesezeit von 10 Stunden (20) und Berücksichtigung eines mittleren Markierungsindex von 2% würde dies einer Generationszeit der Zellen des gesamten Magengrübchens von 20,8 Tagen entsprechen. Tanaka (32) erhielt mittels der Inkubationsmethode für das Oberflächenepithel der Antrumschleimhaut einen Markierungsindex von lO,90/o, der sich jedoch nur auf die Proliferationszone des Magengrübchens bezieht. Von Klein und Lennartz (14, 15) wird ein im Vergleich zu unseren Ergebnissen um den Faktor 10-20 niedrigerer Markierungsindex angegeben. Hierbei wurde allerdings die Zahl im Autoradiogramm markierter Zellkerne nicht wie bei uns nur auf die Zelizahi im Magengrübien, sondern auf die Gesamtzellzahl des Oberflächenepithels bezogen. In neueren Untersuchungen (10, 19) wurde mittels der Inkubationsmethode im Antrumbereich ein Markierungsindex von 12,8 ± 1,80/o bestimmt, woraus sich bei einer DNS-Synthesezeit von 10 Stunden eine Generationszeit der Epithelien der Foveolae gastricae von 3,4 Tagen errechnen würde. Camplejohn und Mitarbeiter (2) schließlich ermittelten mittels der stathmokinetischen Technik in der Antrumschleimhaut eine Zellneubildungsrate von 12,7 pro 1000 Zellen pro Stunde. Bei der von uns ermittelten Gesamtzellzahl von 3000 Zellen in den Magengrübchen der Antrumschleimhaut würde sich eine mittlere Lebensdauer der Epithelien in diesem Bereich von etwa 200 Stunden ergeben. Die zum Teil mit gleicher Methodik ermittelten Markierungsindices und die hieraus errechneten Generationszeiten unterliegen, wie die Beispiele gezeigt haben, erheblichen Differenzen, die teilweise methodisch bedingt sind, jedoch gleichzeitig auf den relativ geringen Aussagewert derartiger Ergebnisse bei der Charakterisierung bestimmter Magenschleimhgutveränderungen und deren Wertigkeit hinweisen. tYbereinstimmung besteht in allen genannten Arbeiten über die Lokalisation der DNS-synthetisierenden Zellen in der normalen Schleimhaut und im pathologisch veränderten Oberflächenepithel.

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

Material und Methode

Oehlert u. a.: Die Dysplasien der Magenschleimhaut

Entzündlich bedingte Veränderungen des Oberflächenepithels der Magenschleimhaut (Dysplasie I). Sowohl die akute als auch die chronische Gastritis gehen mit einem vermehrten Zeilverlust und einer entsprechend gesteigerten Zelineubildung des Oberflächenepithels einher. Im histologischen Bild äußert sich dies in einer Vergrößerung des Pools proliferativ aktiver und einer Verminderung der Zahl ausdifferenzierter, sekretorisch aktiver Zellen. Bis zu zwei Drittel des gesamten Magengrübchens sind mit mitotisch aktiven, basophilen Zellen besetzt, wie dies im Inkubationsautoradiogramm deutlich erkennbar ist (Abbildung 1*). Dementsprechend steigt der Markierungsindex in unseren Versuchen auf ein Vielfaches der Norm an und beträgt mit erheblichen Schwankungsbreiten bei der chronischen Oberflächengastritis und der chronischatrophischen Gastritis 10-20%. Der Ersatz sekretorisch aktiver durch mitotisch tätige Zellen hat im zytologischen Bild eine Verschiebung der Kern-Plasma-Relation zugunsten des Zellkernes, eine verstärkte zytoplasmatische Basophilie, eine Abnahme der Schleimbildung und eine Vergrößerung des mittleren Kerndurchmessers auf 8 bis 10 tm zur Folge. Dementsprechend findet man in einem entzündlich infiltrierten Stroma unterschiedlich weitgestellte Magengrübchen mit einer erheblich verminderten Schleimbildung, einem dunkelkernigen Epithel und vermehrter mitotischer Aktivität (Abbildung 2a und b). Die Kernvergrößerung und die Verschiebung der KernZytoplasma-Relation in dieser vermehrt proliferativ aktiven Zeilpopulation ist zu einem großen Teil durch die Zunahme tetraploider, in der S- oder G2-Phase befindlicher Zellkerne bedingt. Grad und Ausmaß des Entzündungsprozesses äußern sich in der Zahl zugrunde gehender, teilweise in die Lichtungen der Magengrübchen abgestoßener, teilweise an der Leistenspitze vermehrt eliminierter Epithelien, in der Dichte der entzündlichen Stromainfiltration und im Auftreten kleiner oberflächlicher Schleimhautdefekte. Alle genannten Veränderungen sind rückbildungsfähig, und mit der Verminderung der Zellproliferation erfolgt die Zunahme differenzierter, schleimbildender Zylinderepithelien und damit die Wiederherstellung der typischen Struktur und Funktion des Oberflächenepithels. Diese zytologischen und histologischen Veränderungen, die durch die Entzündung und ihre Folgen bedingt sind, beobachten wir sowohl im Oberflächenepithel der im übrigen unveränderten Magenschleimhaut, bei der foveolären Hyperplasie mit Schleimhautatrophie als auch in der intestinalen Metaplasie, bei der die Becherzellen durch mitotisch aktive, undifferenzierte Epithelien ersetzt werden. Dysplasie II des Oberflächenepithels der Magenschleimhaut. Für die Einordnung der Veränderungen des Oberulächenepithels in diese Kategorie sind für uns folgende Kriterien entscheidend: die Umwandlung der Magengrübchen zu teils kryptenartigen, teils drüsigen Strukturen mit einem dunkelkernigen, basophilen, lebhaft proliferierenden Epithelbesatz. In allen Abschnitten werden dabei mitotisch aktive Zellen und dementsprechend im In*

Abbildungen 1-5 siehe Tafel Seite 1957-1959

Deutsche Medizinische Wochenschrift

kubationsautoradiogramm markierte Zellkerne auf gefunden. Die Schleimbildung der Epithelien fehlt in diesen Umwandlungsbezirken völlig. Das Epithel zeigt neben der verstärkten zytoplasmatischen Basophilie eine verstärkte Kernpolymorphie und eine Verschiebung der Kern-Plasma-Relation zugunsten der Zellkerne (Abbildung 3 b). Der Markierungsindex im Inkubationsautoradiogramm steigt in derartig umgewandelten Arealen des Oberflächenepithels bis auf 20-30% an (Abbildung 4). Der mittlere Kerndurchmesser zeigt wegen der Kernpolymorphie eine große Streubreite, liegt jedoch immer deutlich über 10 im. Als Folge des Fehlens der Schleimproduktion mit Verlust der Mucosabarriere sind häufig flache, inkomplette Erosionen entwickelt, deren Lokalisation den Umbauzonen entspricht (Abbildung 3 a). Auf Querschnitten sind vereinzelt drüsig angeordnete Magengrübchen in Dos-à-dos-Stellung nachweisbar, wobei in die Lichtung hineinragende Epithelknospen ausgebildet sind (Abbildung 3 b). Vereinzelt ist das Epithel vor allem am Grunde der Foveolae gastricae mehrreihig und wird von gelapptkernigen Leukozyten durchwandert (Abbildung 3 b). Die Veränderungen beschränken sich auf das Oberflächenepithel, das immer im Sinne einer foveolären Hyperplasie oder aber einer intestinalen Metaplasie verbreitert ist. Wir beobachteten die Dysplasie II im Rande von Ulzerationen, im Bereich von Ulkusnarben und bei der chronischen Gastritis mit oder ohne Atrophie. In der Mehrzahl der Fälle war die Dysplasie II im Antrum lokalisiert. Diese als Dysplasie II bezeichnete Veränderung des Oberflächenepithels der Magenschleimhaut entspricht der Dysplasie mittleren Grades von Grundmann (8) oder auch den von anderen Autoren als »proliferative intestinale Metaplasie«, »Zellatypie« oder »Proliferation der Drüsenhalszellen mit Zellatypien« (6) bezeichneten Umbauvorgängen der Magenschleimhaut. Dysplasie III des Oberflächenepithels der Magenschleimhaut. Hierbei ist die Umwandlung der kryptenartigen Foveolae gastricae in drüsige Strukturen noch stärker ausgeprägt als bei der Dysplasie II. .Sie werden von einem meist mehrreihigen Epithel mit deutlicher Kernpolymorphie, vergrößerten Nukleolen und zytoplasmatischer Basophilie mit völligem Verlust der Schleimbildung ausgekleidet. Die knospenartige Epithelproliferation in den Lichtungen der drüsenartigen Magengrübchen täuscht solide Zellstränge vor. Durch die Ausbildung von Zeliknospen mit zahlreichen Mitosen wird die Begrenzung gegen die Basalmembran unscharf. Auf Querschnitten ist die Dos-à-dos-Stellung der von mehrreihigem Epithel ausgekleideten drüsenartigen Foveolae besonders deutlich ausgeprägt, wobei gleichfalls auch eine vermehrte Kerndichte als Folge der Verschiebung der Kern-PlasmaRelation zugunsten des Zellkernes auffällt (Abbildung Sb). Der Verlust der Schleimbildung führt zur Ausbildung größerer inkompletter Erosionen, innerhalb ausgeweiteter, umgewandelter Magengrübchen liegen abgestoßene Epithelien, Kerntrümmer sowie neutrophile und eosinophile Granulozyten (Abbildung Sa). Der Markierungsindex im Inkubationsautoradiogramm liegt bei 20

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

195 2.

Oehiert u. a.: Die Dysplaoien der Magenschleimhaut

Nr. 39, 26. September 1975, 100. Jg.

1. Zahl und Geschlechtsverteilung der in den Jahren 1973 und 1974 gastrobioptisch untersuchten Patienten und Häufigkeit der dabei erhobenen pathologischen Befunde

Tab.

Geschlecht

Jahr

Anzahl

pathologischer Befund

1973

2912

2121

1372

749

1974

5350

3518

2167

1351

Gesamt

8262

5639

3539

2100

Kontrollbiopsien. In Tabelle 1 sind für die Jahre 1973 und 1974 die Zahl der Patienten, die dabei erhobenen pathologischen Befunde und die Aufteilung in die beiden Geschlechter angegeben. Im allgemeinen standen pro Patient 3-20 Einzelbiopsien zur Untersuchung zur Verfügung, die, in getrennten Behältern eingesandt, getrennt aufgearbeitet und befundet wurden. Aus der Tabelle geht die Zunahme des Eingangsmaterials an gastroskopisch gewonnenen Magenschleimhautbiopsien sehr eindrucksvoll hervor. Tab. 2. Die chronisch-atrophische Gastritis, die Dysplasien Il/Ill und das Karzinom im Biopsiematerial der Jahre 1973 und 1974

nur diejenigen, von denen Kontrollbiopsien untersucht wurden. Tab. 3. Häufigkeit und Persistenz der Dysplasien 11/111 der Magenschleimhaut im Biopsiematerial der Jahre 1973 und 1974 (Kontrollen durch 2-5 Folgebiopsien innerhalb von einem Monat bis zu 2 Jahren)

Jahr

1973

1974

Gesamt

unverändert

Patienten Dysplasie Besserung n Il/Ill 2912 5350

8262

Verschlechte-

rung

88 (100°/o)

42

42

(47,7°/o)

(47,7°/o)

197 (100°/o)

74

100

23

(37,5°/o)

(50,8°/o)

(11,70/o)

285 (100°/o)

116 (40,7°/o)

142 (49,8°/o)

27 (9,5°/o)

4 (4,6°/o)

In Tabelle 3 ist das Ergebnis der bioptischen Kontrollen von Dysplasien des Oberflächenepithels der Magenschleimhaut II und III angegeben. Dabei fällt auf, daß in der Mehrzahl der Fälle innerhalb der Beobachtungszeit von 1 Monat bis zu 2 Jahren in etwa 40-50% eine Besserung des Befundes eintritt. In etwa der Hälfte aller Fälle bleibt der Befund unverändert, und nur selten beobachteten wir eine Verschlechterung der dysplastischen Veränderungen des Oberflächenepithels. Wie Tabelle 4 erkennen läßt, verhalten sich dabei die Dysplasie II und III unterschiedlich. Die Dysplasie II bildet sich in über 50% der Fälle zurück, wobei im allgemeinen bei der Kontrolluntersuchung nur noch eine vermehrte proliferative Aktivität mit zunehmender Ausdifferenzierung des Oberflächenepithels beobachtet wird. In nur 30% der Fälle bleibt die Dysplasie II unverändert und in 16% konnten wir einen Übergang von der Dysplasie II zur Dysplasie III beobachten. Grundsätzlich anders liegen die Verhältnisse bei den von uns mit III gekennzeichneten dysplastischen Veränderungen des Oberflächenepithels. Hier konnten wir in etwa 22% insofern eine Besserung beobachten, als sich die Kernpolymorphie zurückgebildet hatte bzw. die drüsige Anordnung der Foveolae gastricae und die Mehrreihigkeit des Epithels zurückgegangen waren. Tab. 4. Veränderungen der Dysplasie II und der Dysplasie III während der bioptischen Kontrollen Dysplasiegrad

unver-

Anzahl

Besserung

166 (100°/o)

89 (53,6°/o)

119 (100°/o)

27

92

(21,9°/o)

(78,1°/o)

I

anoert -

Ver. schlechte-

rung

patho-

Jahr

chronischPatienten logischer atrophische Dysplasie Karzinom 'I/In n Gastritis Befund

1973

2912

2121

424

88

104

1974

S350

3518

832

197

195

Gesamt

8262

5639

1256

285

299

Tabelle 2 zeigt wiederum für zwei Jahre getrennt die Häufigkeit der chronisch-atrophischen Gastritis und des Magenkarzinoms in unserem Material. Die in dieser Tabelle angegebene Anzahl an Dysplasien 11/Ill erfaßt

II III

50

27

(30,3°/o)

(16,1°/o)

-

In nur drei Fällen, in der Tabelle nicht aufgeführt, wurde bei einer Dysplasie III in einer kurz danach durchgeführten Kontrollbiopsie ein voll ausgebildetes Magenkarzinom gefunden. In allen drei Fällen war bereits bei der Erstuntersuchung gastroskopisch ein Magenkarzinom angenommen worden, das allerdings bei der Entnahme nicht getroffen worden war.

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

bis 30%, wobei die Markierungszone die gesamte Länge der kryprenartigen Foveolae umfaßt. Der Kerndurchmesser liegt mit großer Streubreite immer über 10-15 tm. Die meist herdförmig im Antrumbereich lokalisierten Umbauzonen finden wir am häufigsten bei der chronischatrophischen Gastritis und im Ulkusrand, wobei gleichzeitig eine foveoläre Hyperplasie oder intestinale Metaplasie besteht. Die aus einer schon vorhandenen intestinalen Metaplasie durch Zunahme mitotisch aktiver Zellen und Abnahme der Becherzellen entstandene Dysplasie zeigt eine Persistenz der Panethschen Körnerzellen am Grunde der kryptenartigen Foveolae, und nur der Nachweis dieser Körnerzellen ermöglicht es, die Dysplasie auf die intestinale Metaplasie zurückzuführen. Die von uns als Dysplasie III bezeichneten Veränderungen des Oberflächenepithels entsprechen im wesentlichen dem Oberflächenkarzinom von Mason (21, 22), dem als intraepitheliales Karzinom definierten Umbau des Oberflächenepithels von Schade (29) und lassen sich in tlbereinstimmung bringen mit den von Grundmann (8) beschriebenen » schweren « Dysplasien.

1953

'954

Deutsche Medizinische Wochenschrift

Oehiert u, a. Die Dysplasien der Magenschleimhaut

chronische Gastritis

chronisch -otrophische Gastritis foveolhre Hyperplasie

intestinale Metoplosie lymphotische Hyperplasie

Ulkus Polyp

3

910

1112 1314

1516171819202122232425262728293031 3233343536

II.... iUiuiuuuuIIlIIIuIIIIIIIIulII Ill lIli 11111 III Il III 111111 I I 1

normal

2

4

5 6

7 8

lullI Ill lull I I

I I

1111 Ill liii IllI I

Il IllIllIll IllIllIllIlIl I 11111111111

o 8

28 32

29 25

In Abbildung 6 sind die bei insgesamt 36 Frühkarzinomen des Magens aufgefundenen Begleitveränderungen der Magenschleimhaut angegeben. Diese Angaben beziehen sich auf die Untersuchungsergebnisse am Resektionspräparat, das entsprechend den Angaben von Mochizuki (23) und nach der von uns in einer früheren Arbeit bereits angegebenen Methode (27) aufgearbeitet wurde. Bei der Definition und Diagnose des Frühkarzinoms hielten wir uns in jeder Hinsicht an die aus der Literatur bekannten histologischen Kriterien (7, 11, 18, 26, 34). Auf eine Differenzierung der insgesamt 36 Magenfrühkarzinome in die gastroskopisch definierten Unterformen und in den M- und SM-Typ wurde verzichtet, da sie im Rahmen dieser Arbeit nicht von Interesse ist. Da in allen 36 Fällen der hier angegebenen Frühkarzinome dysplastische Veränderungen II und III bestanden, wurde diese Magenschleimhautveränderung nicht in das Schema aufgenommen

Diskussion Wie die Ergebnisse in Abbildung 6 eindeutig erkennen lassen, sind die von uns untersuchten 36 Frühkarzinome in nahezu allen Fällen in einer foveolären Hyperplasie mit intestinaler Metaplasie beim Bestehen einer chronisch-atrophischen Gastritis entwickelt. In nur einem Falle handelte es sich um einen karzinomatös entarteten adenomatös-villösen Polypen der Magenschleimhaut, in drei weiteren Fällen war das Frühkarzinom in einer chronischen Gastritis ohne Atrophie, aber mit foveolärer Hyperplasie entstanden. Diese Beobachtungen stehen in Ubereinstimmung mit Studien über die statistische Signifikanz des Zusammentreffens von chronisch-atrophischer Gastritis und Magenkarzinom (9, 31, 33). Von Mason (22) wird darauf hingewiesen, daß in allen von ihm untersuchten Resektionsmägen mit einem »Oberflächenkarzinom« eine atrophische Gastritis bestand, die nicht in allen Fällen von einer intestinalen Metaplasie begleitet war. Alle von Schade (29) als intraepitheliales Karzinom bezeichneten Schleimhaurveränderungen waren in Mägen mit chronisch-atrophischer Gastritis und gleichzeitig bestehender intestinaler Metaplasie lokalisiert. In unseren eigenen Befunden konnten wir bei der Untersuchung der Resektionsmägen neben dem Frühkarzinom gleichzeitig eine atrophische Gastritis und Veränderungen beobachten, welche unserer Dysplasie IIIII entsprechen. Damit reihen sich unsere Befunde in die zahlreichen Beobachtungen deutscher und japanischer Autoren (1, 16, 18, 26, 34) ein, nach denen der chronisch-atrophischen Gastritis mit foveolärer Hyperplasie und intestinaler Me-

taplasie eine entscheidende prädisponierende Bedeutung für die Magenkrebsentstehung zukommt. Dennoch ist es unseres Erachtens nicht gerechtfertigt, die chronisch-atrophische Gastritis oder die foveoläre Hyperplasie und intestinale Metaplasie als Präkanzerose zu bezeichnen. Wir wissen aus-eigenen Beobachtungen, daß die Rückbildung derartiger lokaler Veränderungen im Ulkusrand möglich ist, und wir müssen vor allem zugeben, daß wir der entsprechenden Veränderung im Einzelfalle nicht ansehen, ob sie sich zurückbildet, stationär bleibt oder sich zum Magenkarzinom weiterentwickelt. Weder die autoradiographische Bestimmung der Lokalisation und Zahl DNS-synthetisierender Zellen, des Mitoseindex oder der Zellneubildungsrate noch histochemische Untersuchungen (29) sind in der Lage, Aufschlüsse über die Entwicklungsrichtung der genannten Veränderungen zu geben. Diese Unsicherheit hinsichtlich der prospektiven Potenz der chronisch-atrophischen Gastritis und der foveolären Hyperplasie sowie der intestinalen Metaplasie gelten, wie unsere Ergebnisse gezeigt haben, auch für die von uns als Dysplasie I, II und III definierten Veränderungen des Oberflächenepithels, obwohl sie in allen Fällen der von uns untersuchten Frühkarzinome und Karzinome anzutreffen sind. Interessant erscheint uns die in Abbildung 6 deutlich erkennbare Tatsache, daß in der Mehrzahl der Frühkarzinome eine stark ausgeprägte lymphatische Hyperplasie besteht. Unter Berücksichtigung der von Sion und Friedell (30) mitgeteilten Beobachtungen über das Wachstumsverhalten von Polypen und Karzinomen des Dickdarmes bei gleichzeitig bestehender lymphatischer Hyperplasie kann man annehmen, daß sie morphologischer Ausdruck einer besonders günstigen lokalen Immunabwehrlage des Patienten ist, womit sich eine der möglichen Erklärungen für das lange lokalisiert bleibende, langsame Wachstum des Magenfrühkarzinoms ergibt. In den Jahren 1973 und 1974 haben wir insgesamt 42 Magenfrühkarzinome beobachtet, denen insgesamt 299 durch Biopsie diagnostizierte fortgeschrittene Magenkarzinome gegenüberstehen.

Definition, Diagnose und klinische Bedeutung der Dysplasien des Oberflächenepithels der Magenschleimhaut

Der Definition von Grundmann (8) entsprechend, verstehen wir unter Dysplasie »eine auf die Epitheizone be-

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

Abb. 6. Magenschleimhautveränderungen bei Frühkarzinom (nach Untersuchungen an Resektionspräparaten des Magens).

schränkte atypische Schleimhaut« des Magens. Dies wäre gleichbedeutend mit einem Umbau des Oberflächenepithels, der zum Verlust seines typischen Aufbaus und damit zum Verlust seiner in den verschiedenen Magenabschnitten charakteristischen Struktur und Funktion führt. Dieser Umbau kann unabhängig von den in tieferen, differenzierten Anteilen der Corpus- oder Antrumschleimhaut ablaufenden Veränderungen erfolgen. Wie wir bei der Gegenüberstellung des typischen und des atypisch-dysplastischen Oberflächenepithels zeigen konnten, macht vor allem der Differenzierungsverlust des schleimbildenden Oberflächenepithels mit der Vergrößerung des Pools mitotisch aktiver Epithelzellen innerhalb der Foveolae gastricae den entscheidenden Unterschied aus. Diese Umdifferenzierung des schleimbildenden Epithels in ein proliferativ aktives ist bei jedem entzündlich bedingten erhöhten Zeilverlust mit entsprechend gesteigerter Zellneubildung nachweisbar und voll reversibel. Wir beobachten diesen Prozeß einer vorübergehenden Entdifferenzierung bei jeder akuten oder chronischen Gastritis, sei sie auf das Oberflächenepithel beschränkt oder über alle Schleimhautanteile ausgebreitet.

Wir haben diese Veränderung als Dysplasie I bezeichnet und sie so bewertet, daß eine Kontrolle nicht erforderlich ist. In anderen Fällen geht der Vergrößerung des Pools undifferenzierter, proliferativ aktiver Zellen innerhalb der Foveolae gastricae eine Umstrukturierung des Oberflächenepithels insofern parallel, als sich drüsenartige Formationen bilden, die auf Querschnitten dos-à-dos stehenden Drüsenlichtungen gleichen. Die vermehrte proliferative Aktivität äußert sich in einer Kernpolymorphie und im vermehrten Auftreten von Mitosefiguren. Gleichzeitig finden sich als Ausdruck einer überstürzten Zellproliferation mehrreihiges Epithel und Epithelknospen, welche die Lichtung der Foveolae gastricac einengen. Insgesamt besteht dabei ein Mißverhältnis zwischen dem Ausmaß der Entzündung und den Veränderungen am Oberflächenepithel. Wir haben diese Veränderungen als Dysplasie II bzw. III bezeichnet. Hier sei nochmals darauf hingewiesen, daß es sich dabei um Veränderungen des Oberflächenepithels handelt, die sich sowohl in einer foveolären Hyperplasie als auch in einer intestinalenMetaplasie mit oder ohne begleitende chronische oder chronisch-atrophische Gastritis entwikkein können. Die als Dysplasie II beschriebene Umstrukturierung des Oberflächenepithels wird von anderen Autoren als »proliferativ aktive intestinale Metaplasie«, als »Proliferation des Drüsenhalses mit Zeilatypien« oder einfach als »Oberflächenepithel mit Zellatypien« bezeichnet (S). Der von uns als Dysplasie III bezeichnete Umbau des Oberflächenepithels entspricht in jeder Hinsicht dem »surface carcinoma« von Mason (21, 22) sowie Crespi und Mitarbeitern (3), dem »intraepithelialen Karzinom« von Schade (29) und der »schweren Dysplasie« von Grundmann (8). Sie ist nicht identisch mit den von Kuhlencordt (17) als »Carcinoma in situ« beschriebenen Schleimhautveränderungen an Resektionsmägen, die wir heute als Frühkarzinome bezeichnen würden.

Oehiert u. a,: Die Dysplasien der Magenschleimhaut

1955

Unsere Kontrolluntersuchungen haben gezeigt, daß innerhalb der von uns durchgeführten - in vielen Fällen sicher zu kurzen - Verlaufskontrollen kein Ubergang einer Dysplasie II oder III in ein Karzinom erfolgt ist. Die Dysplasie III hat sich in immerhin rund 22% zurückgebildet und zeigte in den übrigen 78% keine fortschreitende Tendenz. In Übereinstimmung mit anderen Autoren (8) können wir uns deshalb nicht zu der Bezeichnung Carcinoma in situ, Oberflächenkarzinom oder intraepitheliales Karzinom entschließen, weil diese Bezeichnung für den Kliniker die Operationsindikation bedeutete, die wir unter Berücksichtigung unserer Untersuchungsergebnisse für nicht gerechtfertigt halten. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, daß wir als Pathologen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in der Lage sind, dem Kliniker sichere Aussagen über den weiteren Krankheitsverlauf bei einer Dysplasie II oder III zu machen. Diese Unsicherheit gilt in gleicher Weise für die Beurteilung der »borderline lesions« (25), des »Carcinoma in situ« (3, 21, 22) und des »intraepithelialen Karzinoms« (29). Unsere Auffassung wird noch unterstrichen durch die bisher erworbenen Kenntnisse über das Wachstum des Frühkarzinoms, das lange Jahre stationär bleiben kann (Beobachtungszeiten bis zu 9 Jahren; Murakami, T.: persönliche Mitteilung 1974), und anderer entweder als Präkanzerose gedeuteter Veränderungen (13) oder als Frühform des »early cancer« als Ila-Subtyp oder als Dysplasie bezeichneter Umbauvorgänge der Magenschleimhaut, die in Beobachtungszeiten bis 2u 7 Jahren keinen Übergang in das Magenkarzinom erkennen ließen (Fukushi, S.,T. Mochizuki: persönliche Mitteilung 1974). Unsere Beobachtungen, die augenblicklich jedoch noch zu kurz sind, machen es wahrscheinlich, daß die von uns als Dysplasie II, aber auch als Dysplasie III bezeichneten Veränderungen des Oberflächenepithels rückbildungsfähig sind. Einer der möglichen Rückbildungs- und Heilungsmechanismen der Dysplasie und sehr wahrscheinlich auch des Frühkarzinoms ist die Ulzeration des atypischen Epitheis, das aus der Umgebung durch normales Oberflächenepithel ersetzt wird. Die Ursache für die kompletten oder inkompletten Erosionen bei der Dysplasie ist die zelluläre Entdifferenzierung und fehlende Schleimbildung und der damit verbundene Verlust der Mucosabarriere. Die hierdurch ermöglichte Abdauung des atypischen Epithels und der Ersatz im günstigsten Falle durch typisches, im ungünstigen durch atypisches Epithel erklärt die zahlreichen Beobachtungen über die Geschwürsheilungen beim »early cancer« (28). Weder proliferationskinetische Untersuchungen oder Kernmessungen noch histochemische Reaktionen am Gewebsschnitt sind für die Diagnose der Dysplasie III von entscheidender Bedeutung. Keine derartige Untersuchung liefert uns Anhaltspunkte für das weitere Verhalten der Magenschleimhautveränderung und seine prospektive Potenz. Allein das in zahlreichen Biopsien sich wiederholende feingewebliche Gesamtbild führt zur Diagnose, und nur die sorgfältig entnommenen und ausreichend histologisch untersuchten Mehrfachbiopsien im Verlauf mehrerer gastroskopischer Kontrollen in angemessenem

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

Nr, 39, 26. September 1975, 100. Jg.

Oehlert u. a.: Die Dysplasieti der Magenschleimhaut

zeitlichem Abstand erlauben eine die Therapie bestimmende Aussage über die Fortentwicklung oder Rückbildung der Dysplasie im Einzelfall. Wir sind uns bei dieser Aussage und vor allem auch bei der Interpretation unserer Ergebnisse der Schwierigkeit bewußt, flächenhafte, multipel und diskontinuierlich auftretende Veränderungen des Oberflächenepithels der Magenschleimhaut, um die es sich bei den Dysplasien handelt, mit genügender Sicherheit über längere Zeit hinweg zu kontrollieren. Dies ist nur durch multiple, gezielte, unter Sicht entnommene Biopsien möglich (4-6), und der Aussagewert derartiger laufender Kontrollen ist entscheidend von der Erfahrung des gastroskopisch arbeitenden Klinikers und der engen Zusammenarbeit des Gastroenterologen mit dem Pathologen abhängig. Diese Voraussetzungen gelten jedoch in gleicher Weise für die Diagnose des Frühkarzinoms wie aller anderen lokalisiert auftretenden Veränderungen des Magen-Darm-Traktes. Literatur Bùchner, F.: Dic Histologie der peptischen Veränderungen und ihre Beziehung zum Magencarcinom. Veröff. Kriegs- u. Konstitutionspath. 18 (1927), 1. Cample)ohn, R. S., W. A. Aherne, N. A. Wright, D. C. Britton, G. Bone: Measurement of cell production rates in human gastrointestinal cancer. 7th Meeting E. S. G. C. P., Abstracts (1975), 21.

Crespi, M., A. Bigotti, S. Di Matteo: Early gastric cancer. In Grundmann, E., J-I. Grunze, S. Witte (ed.): Early Gastric Cancer (Springer: BerlinHeidelbergNew York 1974), 60. Elster, K.: in Demling, L., R. Otten(ann, K. Elster (Hrsg.): Endoskopie und Biopsie der Speiseröhre und des Magens (Schattauer: Stuttgart 1972). Elster, K.: False diagnosis in the diagnostic of early gastric cancer. In: Grundmann, E., H. Grunze, S. Witte (ed.): Early Gastric Cancer (Springer: BerlinHeidelbergNew York 1974), 58. Elster, K.: Doubtful cases and precancerous lestons (indicative list of various methods). In: Grundmann, E., H. Grunze, S. Witte (cd.): Early Gastric Cancer (Springer: Berlin-HeidelbergNew York 1974), 176. Grundmann, E.: Histologie und Histogenese des Magen-Frühcarcinoms. Therapiewoche 24 (1974), 3824.

(8) Grundmann, E.: Histologic types and possible initial stages in early gastric carcinoma. Beitr. Path. 154 (1975), 256. (9) Hanik, L., O. Gregor: Atrophic gastritis in pernicious anemia as possible gastric cancer precursor. Abstracts Fourth World Congress of Gastroenterology, Copenhagen (1970), 262. (10) Hart Hansen, O., T. Pedersen, J. Larsen, A. Johansen: The correlation between cell proliferation kinetics and histology in human gastric mucosa. Abstracts V. World Congress of Gastroenterology (1974), 152. (11) Kasugai, T., H. Kato, T. Takase, M. Tsubouchi, Y. Yamaoka, S. Nakazawa, S. Kobayashi, Y. lshibashi, T. Hattori: The diagnosis of gastric cancer, especially early gastric cancer - the gastric biopsy under direct vision by fibergastroscope. First Congress of the International Society of Endoscopy, Tokyo )1966), 248. (12) Kawai, K., Y. Akasaka, F. Misaki, K. Jurakami, M. Masuda: Castro-fiber. scopie biopsy on early gastric cancer. Endoscopy 2 (1970), 82. (13) Kawai, K.: Doubtful cases and precancerous lesions. In: Grundmann, E., H. Grunze, S. Witte (cd.): Early Gastric Cancer (Springer: BerlinHeidelbergNew York 1974), 177. (14) Klein, H. J., K. L. Lennartz: Neue Aspekte bei der morphologischen Magendiagnostik. Methodik und Ergeb-

Deutsche Medizinische Wochenschrift

nisse autoradiographischer Untersuchungen am Biopsiematerial der Magenschleimhaut cies Menschen, Z. Gastroent. 10 )1972), 455. (15) Klein, H. J., K. L. Lennartz: Invitro-Verfahren zur autoradiographischcn

Untersuchung der Zellerneuerung der menschlichen Magenschleimhaut am Biopsiematerial. Kim. 'Wschr. SO (1972), 56.

C.: Der oberflächliche Schleimhautkrebs des Magens. Chirurg -12 (1940), 192. (17) Kuhlencordr, F.: Das Carcinoma in situ des Magens und der kleine Magenkrebs. Dtsch. med. Wschr. 84 (16) Kon)etzny,

(1959), 2111.

M.: Atlas of Early Carcinoma of the Stomach (Nakayama.Shoten: Tokyo 1967). (19) Larsen, J. K., O. Hart Hansen, T. Pedersen: The correlation between cell prolifcration kinetics and histopathology in human gastric mucosa. 7th Meeting E. S. G. C. P., Abstracts (18) Kuru,

(1975), 61. (20) Lipkin, M. Cell replication in the gastrointestinal tract of man. Gastroenterology 48 (1965), 616, (21) Mason, M. K. Surface carcinoma of the stomach. Gut 6 (1965), 185. (22) Mason, M:K.: Surface carcinoma of the stomach. In: Grundmann, E., H. Grunze, S. Witte (cd.): Early Gastric Cancer (Springer: Berlin-HeidelbergNew York 1974), 39. (23) Mochizuki, R.: Method of histopathological examination on early gastric cancer. Gann Monograph of Cancer Res. 11)1972), 57. (24) Murakami, T., A. Yasu), H. Takekawa er al.: Non-cancerous regenerated area at the center of ulcer-cancer. Trans. Soc. Path. (ap. 55 (1966), 229. (25) Nagayo, T.: Histological diagnosis of hiopsied gastric mucosae with special reference to that of borderline lesions.

Gann Monograph on Cancer Res. Ii (1972), 245.

Nakamura, K., H. Sugano, K. Tagaki, A. Fushigasni: Histopathological studies on early carcinoma of the stomach. Some considerations on the ulcer-cancer by analysts of 144 foci of the superficial spreading carcinomas. Gann 58 (1967), 377. Oehlert, W.: Das Friihcarcinom (Early Cancer) des Magens. 2. Teil: Pathologie. Z. Allgemeintned. 50 (1974), 907. Sakita, T., Y. Oguro, S. Takasu, H. Fukutomi, T. Miwa, M. Yoshimori: Observations on the healing of ulcerations tu early gastric cancer. (The life cycle of the malignant ulcer.) Gastroenterology 60 )1971), 835. Schade, R. O. K.: The borderline between benign and malignant lesions in the stomach. In: Grundmann, E., H. Grunze, S. Witte (cd.): Early Gastric Cancer (Springer: Berlin-Heidelberg. New York 1974), 45. Sion, A., M. T. Friedell: Cellular immunity: polyps and carcinoma of the colon. Int. Surg. 57 (1972), 384. Siurala, M., K. Vans, M. Wil)asalo: Studies of patients with atrophic gastritis. A 10 to 15 years follow-up. Scand. J. Gastroent. 1 (1966), 40. Tanaka, J.: Autoradiographic studies on the cell proliferation of the human gastric mucosa in supravital condition. Acta path. (ap. 18 (1968), 307. Walker, I. R., R. G. Strickland, B. Uogar, I. R. Mackay: Simple atrophic gastritis and gastric carcinoma. Gut 12 (1971), 906.

Wancke, M.: Magen. In: Doerr, W., G. Seifert, E. Uehlinger (Hrsg.): Spezielle pathologische Anatomie, Bd. lI/I (SpringerHeidelbergNew York 1971).

Prof. Dr. W. Oehiert Abteilung für experimentelle Pathologie und

Hepato-Gastroenterologie Pathologisches Institut der Universität 78 Freiburg, Albertstr. 19 Dr. P. Keller I. Medizinische Klinik der Städtischen Krankenanstalten 75 Karlsruhe, Moltkestr. 14 Dr. M. Henke, Dr. M. Strauch Gastroenterologisches Institut 8 München 2, Karlsplatz 3

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

1956

'957 Zur Arbeit Oehlcrt u. a. (Scite 1950-1956)

Abb. 1. Inkubarionsautoradiogramm des Oberflächenepithels der Magenschleimhaut 30 min nach Inkubation in Ringcr-Lösung mit 0,2 mCi/ml 3H-Thymidin. Dysplasie 1. Zahlreiche markierte Zellkerne liegen im Zellbesatz des Magengriibcbens und reichen bis in das obere Drittel hinein. HE-Färbung, 350 : 1.

Abb. 2. Dysplasie I des Oberflächenepithels der Antrumschleimhaut bei Oberilächengastritis mit foveolärer Hyperplasie.

L

a

s-.

j

-

a) Die unterschiedlich weitgestellten Magengrübchen sind von einem

dunketkernigen Epithel mit verminderter Schleimbildung ausgekleider. Das Epithel ist von gelapptkernigen Leukozyten durchwanderr. Das Stroma ist dicht entzündlich infiltriert. HE-Färbung, 190: L

Stärkere Vergrößerung aus Abb. 2 a. Die quergetroffenen Foveolae sind von einem Epirhel mit vergrößerten Zellkernen und verminderter Schleimsekretion ausgekleidet. An mehreren Stellen finden sich Epitheldefekte mit gelapptkernigen Leukozyten. Einzelne Zellkerne besitzen vergrößerte Nukleolen. HE-Färbung, 480: L b)

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

Dic Dysplasien der Magenschleimhaut

1958 Zur Arbeit Oehiert u. a. (Seite 1950-1956)

Die Dysplasien der Magenschleimh ant 11

des Oberflächenepirhels der Magenschleimhaitt.

'ii. 4il(

$?'

a; .

s.'s. 4... ¿ 1'

( ..,.-

__;

g

i

7

I

a .'.

t3

a) Inkomplette Erosion bei Dysplasie II. Das dunkelkernige Epithel der Magengriibchen zeigt eine erhebliche Verminderung der Schleimproduktion, eine angedeutete Kernpolymorphie und ist stellenweise mehrreihig. HE-Färbung, 190: 1.

e

w

b) Stärkere Vergrößerung aus Abb. 3 a. Auf Querschnitten der

Magengriibchen erkennt man die Kernpolymorphie, das Fehlen der Schleimbildung und die vermehrte mitotische Aktivität des zum Teil nsehrreihigen Epithels. HE-Färbung, 480: 1.

.11

-:

a11.

:! 'a .

*.

.%

&.E

' S

-,

(

-

-

Abb. 4. Inkubarionsauroradiogramm des Oberflächenepithels der Magenschleinihasit bei Dvsplasie II, 30 mm nach Inkubation in Ringer-Lösung mit 0,2 mCi/ml 2H-Thymidin. Die Zahl der markierten Zellkerne hat gegenüber der Dysplasie I weiter zugenommen. Nahezu die gesamte Population des Magengriibchens ist zur DNS-Synthese befähigt und damit proliferativ aktiv. HE-Färbung,

320:1.

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

Abb. 3. Dysplasie

'959 Zur Arbeit Oeblert

u. a. (Seite 1950-1956)

Die Dysplasien der Magensclileimhaut

Oberflächliche Erosion im Bereiche der von atvpischem Epithel ausgekleideten, kryptenartigen Foveolae gastricae. Herdförmige Mehrreihigkeit und Epithel knospen im Zcllbesatz der umgewandeiren Magengrübchcn. HE-Färhung, 220: 1.

,s.

..

.TA'#(J'P1 1

1' Stärkere Vergröferung aus Abb. Sa. Deutliche I)os-a-dos-Ste]lung der von mehrrcihigem Epithel ausgekleideten, drüsenarcigen Formationen der u mgewandelten Magengriihchen. Deutlich vermehrte mitorische Aktivität. Überwiegend plasmazell uläre Entzilndung im Stroma. HE-Färbung, 480: 1.

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

Abb. 5. Dvsplasie III des Oberflächenepithcts der Mageosch lei ni haut.

[Gastric mucosal dysplasias: what is their clinical significance (author's transl)].

Using criteria of proliferation kinetics, karyometry, histology and histochemistry, the attempt at a definition of normal and dysplastic surface epith...
779KB Sizes 0 Downloads 0 Views