Leitthema Orthopäde 2015 · 44:39–44 DOI 10.1007/s00132-014-3055-y Online publiziert: 16. Dezember 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

K. Trieb1 · F. Ramadani2 · S.G. Hofstaetter1 1 Abteilung für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, Klinikum Wels-Grieskirchen, Wels, Österreich 2 Abteilung für Unfallchirurgie, Klinikum Wels-Grieskirchen, Wels, Österreich

Konservative Behandlung des Charcot-Fußes mittels Vollkontaktgips Die Charcot-Neuropathie ist eine chronische Gelenkdestruktion und betrifft den Fuß und das Sprunggelenk. Es gibt viele Ursachen, die zur Ausbildung des Charcot-Fußes führen (hier sei auf die andern Kapitel verwiesen). Ursprünglich wurde diese neuropathische Arthropathie vom französischen Neurologen Jean-Martin Charcot in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts benannt und beschrieben, vorerst bei destruierten Fuß- und Sprunggelenken im Rahmen der Syphilis, aber er beschrieb auch andere Formen der Arthropathie. Derzeit gibt es unterschiedliche Bezeichnungen dieser Entität. Am häufigsten wird der Charcot-Fuß im Rahmen des diabetischen Fußsyndroms als diabetische neurogene Osteopathie bezeichnet oder auch als neuropathische Osteopathie oder diabetischer Fuß oder CharcotFuß. Diese Begriffe werden oft nebeneinander für die gleiche Erkrankung mit Ulzera, peripherer Neuropathie und Destruktion der Weichteile und Knochen verwendet [7, 8, 16].

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Hauptrisikofaktor zur Ausbildung einer schweren Fußschädigung ist das Ulkus Am häufigsten ist der Charcot-Fuß mit dem Diabetes mellitus vergesellschaftet, aber auch andere Faktoren wie Adipositas, Alter, Niereninsuffizienz, Osteoporose und Vergiftungen können zur Neuropathie führen. Hiervon sind ca. 12–25 % der Patienten mit Diabetes mellitus min-

destens einmal im Leben von der Charcot-Neuropathie betroffen. Leider ist die unbehandelte Form mutilierend und kann bis zur Amputation führen. Gerade deshalb ist es notwendig eine rasche Diagnose zu stellen und entsprechend zu reagieren. Es zeigt sich in bis zu 10 % der Fälle ein bilateraler Befall und Hauptrisikofaktor zur Ausbildung einer schweren Fußschädigung bis hin zur Amputation ist als erster Schritt immer das Ulkus [1, 5, 11, 12, 22, 23]. Als Auslöser zur Entwicklung einer neuropathischen Fußerkrankung gibt es unterschiedliche Theorien. Einerseits wird davon ausgegangen, dass aufgrund der Neuropathie vaskuläre Reflexe ausgelöst werden, die in weiterer Folge zu den bekannten Symptomen wie erhöhte Temperatur, Rötung und Schwellung führen. Tab. 1  Klassifikation des Charcot-Fußes

Daneben existiert die neurotraumatische Theorie, wobei aufgrund der fehlenden Sensibilität im Fuß durch repetitive Mikrotraumen und Verletzungen der geschädigte Fuß verletzt wird und über die Ausbildung von Ulzera und Infektionen die Destruktion des Fußes voranschreitet. Im praktischen Alltag dürften beide Theorien in Kombination wirksam sein [7, 16]. Dabei unterscheiden sich chronische diabetische Ulzera im Heilungsverlauf von „normaler Wundheilung“. Es zeigt sich durch den unterschiedlichen Weichteilmantel und unterschiedliche Expression von Enzymen, dass die Heilung gestört ist. Bereits nach einem 4-wöchigen erfolglosen Heilungsversuch ist nach Definition der amerikanischen Gesellschaft für Diabetes der Beginn eines chronischen Fußulkus gegeben. Tab. 2  Klassifikation des Charcot-Fußes

nach Wagner

nach Armstrong

Grad 0 1 2 3 4 5

Grad A B C D

Definition Kein Ulkus Oberflächliches Ulkus Ulkus bis zur Sehne oder Kapsel Ulkus bis zu Knochen oder Gelenk Nekrose von Fußteilen Nekrose des gesamten Fußes

Definition Ohne Infektion und Ischämie Mit Infektion Mit Ischämie Mit Infektion und Ischämie

Tab. 3  Klinische Klassifikation des Charcot-Fußes nach Eichenholtz Stadium 0 (Prodromalstadium) I (Destruktion, Fragmentation) II (Sinterung) III (Konsolidierung)

Klinisches Bild Milde Symptomatologie (pastöse Schwellung, Rötung oder Abblassung, leichte Überwärmung, Schweregefühl, schmerzlos) Entzündung, Schwellung, Rötung und Überwärmung, Subluxation und Deformierung, meist Pes planovalgus und Abduktionsfehlstellung, seltener Ballenhohlfußdeformierung Entzündung, Schwellung, Rötung und Überwärmung Instabilität oder Deformierung Entzündungsreaktion abgeklungen, fixierte Deformität Der Orthopäde 1 · 2015 

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Abb. 2 9 Abkleben von Tibiavorderkante und Knöcheln zum Schutz

Abb. 1 9 Einbringen von Tupfern zwischen den Zehen

Abb. 4 8 Fertigstellen des Unterschenkelgipses Abb. 3 8 Unterschenkelgips mit Beginn am Fußteil

Abb. 6 8 Fertiger Weißgips nach Anmodellierung Abb. 5 8 Einschneiden des Gipses in der Umschlagfalte

Abb. 7 9 Anlage einer Softcast-Bandage über den Fuß zum Schutz

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Eine verminderte Wundheilung von  50 mmHg liegen sollte – dar-

Zusammenfassung · Abstract unter ist eine kritische ischämische Situation gegeben. Des Weiteren ist die Größe des Ulkus ein kritischer Ausgangspunkt, v. a. Ulzera > 5 cm2 bieten eine schlechte Ausgangsposition (ebenso die tiefe und die An- oder Abwesenheit einer Infektion). Weitere wichtige Risikofaktoren sind die nicht beherrschbare Neuroglykämie mit einem erhöhten HbA1c-Wert von > 7 % und der Konsum von Zigaretten [1, 6, 12, 19]. DDDie exakte Definition der Ausgangssituation ist Voraussetzung, um die Läsionen klassifizieren zu können. Dazu stehen unterschiedliche Klassifikationen, wie die nach Wagner, Armstrong und Eichenholtz zur Verfügung (. Tab. 1– 3). In den Eichenholtz-Stadien I und II ist eine konservative Behandlung des Charcot-Fußes mittels Vollkontaktgips angezeigt. Das Eichenholtz-Stadium I zeigt die klinischen Zeichen und Symptome der Entzündung mit Wärme, Erythem und Ödem und beginnende radiologische Veränderungen mit Fragmenten, Subluxation, Dislokation. Im Eichenholtz-Stadium II zeigt sich eine Zunahme der Wärme, des Erythems und der Schwellung und zunehmend sklerotische Knochenfragmente mit An- und Abbauten [4]. Inwieweit Fußulzera einem modernen Wundmanagement zugeführt werden müssen, hängt von der Klinik ab. Auf alle Fälle ist es unbestritten, dass die Frühstadien mittels Ruhigstellung und Entlastung behandelt werden sollen, dabei ist die Zeit der Entlastung, welche bis zu 12 Wochen dauern kann, sowie auch die Art der initialen Ruhigstellung unterschiedlich. So wurde z. B. eine komplette Immobilisation und Gipsbehandlung zur Verhinderung von weiteren Traumen, die zu Ulzerationen führen können, für bis zu 12 Wochen besprochen. Andere Studien entlasten nur kurz oder gar nicht, wobei in allen Fällen eine lange Zeit bis zur Abheilung beschrieben wird (auch bei Anwendung unterschiedlicher Walkerschuhe). Von einer Abheilung mit Abbau der Ruhigstellung kann gesprochen werden, wenn Schmerzen, Überwärmung, Erythem und Schwellung zurückgegangen sind, der Temperaturunterschied zur Gegenseite auf

[Full contact plaster cast for conservative treatment of Charcot foot].

The gold standard for treatment of early stages of Charcot foot are immobilization with a full contact plaster cast, whereby different periods and loa...
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