Geschichte der Urologie Urologe 2014 · 53:1209–1214 DOI 10.1007/s00120-014-3523-3 Online publiziert: 17. Juli 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

Redaktion F. Moll, Köln D. Schultheiss, Gießen

D.L. Dräger · C. Protzel · O.W. Hakenberg Klinik und Poliklinik für Urologie, Universitätsmedizin Rostock

Friedrich Berthold Reinke   (1862–1919) Rostocker Anatom und Beschreiber   der Reinke-Kristalle des Hodens   und des Reinke-Raums des Larynx

Einleitung Im Jahre 1895 fand Friedrich Reinke nach zahlreichen Untersuchungen an menschlichen Hoden die nach ihm benannten Reinke-Kristalle in den Leydig-­ Zwischenzellen. Diese von Franz von Leydig­ 1850 erstmals beschriebenen Zellen produzieren Testosteron. Reinke berichtete, dass er die Kristalle in allen Hoden mit intakter Spermatogenese gefunden habe [1]. Er untersuchte zu diesem Zweck noch zehn weitere Hodenpaare von Körperspendern im Alter zwischen 15 und 65 Jahren. Nicht nachweisbar waren in seinen Untersuchungen die Kristalle nur bei einem 15-jährigen Jungen mit Kryptorchismus und bei einem 65-jährigen mit Hodenatrophie. Nach heutiger Kenntnis lassen sich die Reinke-Kristalle häufig in adulten LeydigZellen nachweisen. Es handelt sich um Agglomerate von globulären Proteineinheiten, deren funktionelle Bedeutung allerdings auch heute unklar ist. Mittlerweile wird angenommen, dass ihre altersabhängige Reduktion auf degenerative Vorgänge hindeutet. Zudem gelten die Reinke-Kristalle als pathognomonisch für Leydig-Zelltumoren. Seine zweite bedeutsame Entdeckung publizierte Reinke 1897 in einer Festschrift zum 25-jährigen Professorenjubiläum von Friedrich Merkel („Über die funktionelle Struktur der menschlichen Stimmlip-

pe mit besonderer Berücksichtigung des elastischen Gewebes“ [2]). Der Anstoß zu dieser Untersuchung war für Reinke der anatomische Nachweis eines abgesackten Ödems des Labium vocale gewesen, eines echten Glottisödems, dessen Existenz damals unter Anatomen lebhaft bestritten wurde. In seinen „Untersuchungen über das menschliche Stimmband“ (1895) hatte Reinke bereits gezeigt, dass es möglich war, in der Schleimhautfalte der Stimmlippe, zwischen elastischem Band und Epithel, durch Leim- oder Luftinjektion ein artifizielles Ödem zu erzeugen [3].

nen. Bei Walther Flemming promovierte Friedrich Reinke 1891 („Untersuchungen über das Verhältnis der von Arnold beschriebenen Kernformen zur Mitose und Amitose“). Anschließend ging Reinke als Assistent zu Edwin Klebs nach Zürich, gefolgt von einer Reise als Schiffsarzt nach Brasilien. Diese Reise verband er mit einem Verwandtenbesuch in Porto­ Alegre,­ wo noch heute Nachfahren der

Zur Person von Reinke Friedrich Berthold Reinke (. Abb. 1, 2) wurde am 11. April 1862 im Herzogtum Lauenburg als neuntes Kind des Theologen Theodor Friedrich Julius Reinke (1817–1887) und dessen Ehefrau Henriette­ Gottfriede Caroline Juliane Elisabeth Reinke, geb. Kaempffer (1821–1880), geboren. Er verbrachte seine Kindheit in Ziethen und Alt-Käbelich und besuchte die Gymnasien in Neu-Strelitz und Rostock, wo er 1883 das Abitur bestand. Das Medizinstudium absolvierte Reinke in Göttingen­ und Kiel. Sein älterer Bruder, Johannes Reinke, wurde ein bekannter Botaniker und war eng mit Reinkes Doktorvater, Walther Flemming, befreundet. Beide lernten sich im Präpariersaal des Anatomischen Instituts in Rostock ken-

Abb. 1 8 Die Knaben Bernhard und Friedrich Reinke, sitzend. (Privatbesitz, mit freundl. Genehmigung) Der Urologe 8 · 2014 

| 1209

Geschichte der Urologie

Abb. 2 9 Prof. Barfurth mit seinen Studenten und Mitarbeitern um die Jahrhundertwende (links neben Prof. Barfurth Prosektor Reinke, Pfeil Schumacher und Wischhusen [28]). (Mit freundl. Genehmigung)

Familie eines anderen Bruders, Bernhard Reinke, leben. 1883 trat Reinke die Stelle des „Ersten Prosektors“ am Anatomischen Institut in Rostock bei Albert von Brunn an. Im gleichen Jahr verfasste er eine Habilitationsschrift („Zellstudien“) und wurde 1 Jahr später zum Privatdozenten ernannt. Nachdem 1895 von Brunn unerwartet verstarb, wurde Reinke kommissarischer Leiter des Rostocker Anatomischen Instituts. Im regulären Berufungsverfahren wurde die Professur 1896 dann aber mit Dietrich Barfurth besetzt und das Verhältnis beider Männer war von Anfang an schwierig. Reinke wurde zwar 1900 zum außerordentlichen Professor ernannt, aber der Streit mit seinem Chef führte zu schließlich anscheinend unüberbrückbaren Differenzen, die 1904 zur Entlassung Reinkes führten. Formal erfolgte eine Beurlaubung Friedrich Reinkes, die jährlich bis 1913 verlängert wurde. 1902 hatte Reinke zwar eine vermögende Frau geheiratet, Julie Caroline ­Friederike Auguste von Zülow (1869– 1942), die er aus Kieler Studientagen kannte,­ so dass eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit bestand. Nach der offiziellen Entlassung durch die Rostocker Universität stellte man ihm zwar noch einen Raum und gewisse Arbeitsmaterialien im Institut für Physiologie zur Verfügung, ein Einkommen bezog er aber nicht mehr, so dass er schließlich zum Unterhalt für seine Familie sich eine neue Arbeitsstelle suchen musste. Diese fand er als Assistent bei Gotthold Herxheimer am Pathologischen Institut des Städtischen Krankenhauses Wiesbaden

1210 | 

Der Urologe 8 · 2014

(heute: Dr.-Horst-Schmitt-Klink). Auch dem neuen Betätigungsfeld der pathologischen Anatomie widmete er sich mit dem ihm eigenen Wissensdurst, insbesondere den malignen Tumoren [4]. Publikationen zusammen mit Herxheimer in den „Lubarsch-Ostertag’schen Ergebnissen“ (1913 [5]) und der „Zeitschrift für Krebsforschung“ (1913 [6]) sowie zahlreiche Vorträge im Verein der „Aerzte Wiesbadens“ belegen dies. Während des Ersten Weltkrieges arbeitete Reinke, mittlerweile selbst an Magenkrebs leidend, ohne­ Unterbrechung und alleine am Pathologischen Institut. Am 12. Mai 1919 starb Friedrich Berthold Reinke im Alter von 57 Jahren [4]. Die wesentlichen wissenschaftlichen Arbeiten von Friedrich Reinke stammen aus seiner Zeit am Anatomischen Institut der Universität Rostock, von denen die zu den Kristallen sowie die zum ReinkeRaum von Bedeutung bleiben.

Die Reinke-Kristalle 1895 beschrieb Friedrich Reinke erstmals die nach ihm benannten Kristalle („Beiträge zur Histologie des Menschen. Über Kristalloidbildungen in den interstitiellen Zellen des menschlichen Hodens“ [7]). Obwohl die interstitiellen Leydig-Zellen bereits von einigen bedeutenden Anatomen [Albert v. Kölliker (1807–1905 [8]), Franz v. Leydig (1821–1908 [9]), ­Victor Ebner (1842–1925 [10]), Heinrich Wilhelm Waldeyer (1836–1921 [11]), Friedrich Gustav Jacob Henle (1809–1885 [12])] untersucht worden waren, war Reinke überzeugt, dass erneute histologische

Aufarbeitung neue Erkenntnisse bringen könnten. „Ich bin weit entfernt von dem Glauben, im Folgenden das Räthsel dieser Zellen aufklären zu können, aber ich möchte annehmen, dass der Befund, den ich an ihnen machte, vielleicht in Zukunft im Stande sein wird, auf die richtige Spur zu führen“ [7]. Reinkes Untersuchungen der Kristalle hatten zunächst den Nachteil, dass sie nur an gehärteten Schnitten durchgeführt wurden, ohne dass klar war, inwieweit dies die Ergebnisse beeinflusste (. Abb. 2). Um dies zu klären, untersuchte er die frisch entnommenen Hoden eines hingerichteten 25-Jährigen. Reinke­ präparierte das Hodengewebe mit verschiedenen Lösungsmitteln und fertigte anschließend sog. Zupfpräparate, aus denen Paraffinschnitte mit zahlreichen verschiedenen Färbungen angefertigt wurden. Er beobachtete, dass die interstitiellen Zellen so waren, wie von Henle (1876) beschrieben: sie fanden sich in großer Anzahl, die Anfärbbarkeit variierte, manche Zwischenzellen zeigten Zerfallserscheinungen, aber alle waren reichlich von Lymphe umspült. Reinke stimmte mit Henle [12] darin überein, „dass die zeitlichen Schwankungen des Volumens der Hoden bei einem Individuum in der wechselnden Füllung des interstitiellen Gewebes liegt, das, wie auch die entzündlichen Anschwellungen der Drüsen lehren, durch seine Lockerheit sehr geeignet ist, anschauliche Unterschiede der Infiltration zu zeigen“ und „dass es nur auf einem Vorurteil beruht, dass, wie eine sehr verbreitete und scheinbar plausible Ansicht meint, diese Schwankungen von wechselnder Füllung der Drüsenkanälchen herrühren und das Volumen des Testikels sich in Folge eines Samenergusses vermindere“ [7]. Schließlich fand er in und auch außerhalb der interstitiellen Zellen die Kristalle. Er hielt sie für eiweißartige Kristalle und beschrieb vier verschiedene Arten der Kristallisation in den Hoden: CharcotLeydig-Kristalle, Böttcher-Kristalle, die Reinke-Kristalle und Lubarsch-Kristalle. Charcot-Leydig-Kristalle kommen auch in anderen Organen (Schilddrüse, Lunge, Thymus, Milz) vor und haben eine andere Morphologie. Die BöttcherKristalle haben ebenfalls keine Ähnlichkeit mit Reinke-Kristallen und treten nach

Zusammenfassung · Abstract Koagulation des Ejakulats auf. Die Reinke-Kristalle dagegen finden sich nicht im Ejakulat, sondern ausschließlich in den Zwischenzellen. Die kleinen LubarschKristalle sind nur in frischen Hodenpräparaten zu finden. Nachdem Reinke den fast regelmäßigen Befund kristalliner Gebilde im Hoden nachgewiesen hatte, nahm sich sein Rostocker Freund und Kollege, der Pathologe Otto Lubarsch, dieser Befunde an, um die Reinke’sche Entdeckung zu sichern. Ebenso wie Reinke fand er verschiedene Gruppen von Kristallen, die Charcot-Kristalle in den Hodenepithelien, die BöttcherKristalle, die er in Zusammenhang mit der Prostata brachte und die Reinke-Kristalle der Zwischenzellen. Lubarsch konnte den Verdacht, dass es sich lediglich um Präparationsartefakte handelte, entkräften, indem er die Reinke-Kristalle in eigenen Untersuchungen ebenfalls nachwies; auch bestätigte er, dass diese Kristalle nicht vor der Pubertät und auch nicht im hohen Alter auftreten. Lubarsch konnte auch nachweisen, dass es sich bei den Reinke-Kristallen um labile Gebilde handelt, was die Unregelmäßigkeit ihres Auffindens erklären konnte, und dass sie nur in intakten Zwischenzellen überhaupt gefunden werden können. Lubarsch vermutete eine Ähnlichkeit mit den RusselFuchsinkörperchen. Bei der Frage nach der Funktion der gefundenen Kristalle erwog Reinke zwar Theorien, kam dabei aber nicht weiter. „Bei einiger Naivität könnte man ja auf den Gedanken kommen, dass, bei dem immerhin auffallenden Parallelismus zwischen Krystalloidbildung und Spermatozoenproduktion, diese interstitiellen Zellen mit ihren Krystalloiden etwas mit der Spermabildung und vielleicht mit dem Geschlechtstrieb zu thun hätten. Man könnte um so eher daran denken, da ja bekanntlich beim Tuberkulösen der Geschlechtstrieb lange so gar verstärkt erscheint und wir gerade bei diesen Kranken die Krystalloide so reichlich finden. Allein mir will eine derartige Hypothese doch allzu kühn erscheinen. Ich für meinen Theil muss gestehen, dass mir der vorliegende Befund, so gesichert ich ihn auch halte, für vollkommen räthselhaft und physiologisch unerklärbar vorkommt. Viel-

Urologe 2014 · 53:1209–1214  DOI 10.1007/s00120-014-3523-3 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 D.L. Dräger · C. Protzel · O.W. Hakenberg

Friedrich Berthold Reinke (1862–1919). Rostocker Anatom und Beschreiber der Reinke-Kristalle des Hodens und des Reinke-Raums des Larynx Zusammenfassung Am 19. Mai 2014 jährt sich der 95. Todestag von Friedrich Berthold Reinke. Dies ist ein Anlass, sich seiner anatomischen Forschungen mit Bedeutung für die Urologie zu erinnern. Heute noch bekannt sind zwei Strukturen, die mit Friedrich Reinke assoziiert werden: die Reinke-Kristalle des Hodens und der Reinke-Raum im Larynx. Reinke beschrieb als Erster den „Reinke-Raum“ als subepithelialen Verschiebespalt der schmalen Lamina propria mucosae der Plica vocalis, der die Schiebung des über ihm liegenden Epithel während der Phonation ermöglicht, und er beschrieb

1895 detailliert die feingewebliche Struktur des menschlichen Hodens an frisch entnommenen Präparaten, die er einem 25-jährigen Hingerichteten entnahm. Die von ihm entdeckten „Reinke-Kristalle“ sind intrazelluläre kristalline Aggregate aus Proteinen in den Leydig-Zwischenzellen des humanen Hodens, deren Bedeutung bis heute unklar ist. Schlüsselwörter Reinke-Kristalle · Leydig-Zellen · ReinkeÖdem · Kehlkopf · Hoden

Friedrich Berthold Reinke (1862–1919). Rostock anatomist and describer of Reinke’s crystals in the testis and Reinke’s space in the larynx Abstract The 95th anniversary of the anatomist Friedrich Berthold Reinke’s death is 19 May 2014. This an excellent moment to remember his anatomical research. Two structures which he discovered and first described continue to be associated with his name: Reinke crystals of testicular Leydig cells and Reinke’s space in the larynx. Reinke’s crystals are crystalline

leicht führen weitere Untersuchungen zum Ziel“ [7].

Der Reinke-Raum Der Name Reinke hat auch in der HNOHeilkunde aufgrund seiner Entdeckung des Reinke-Raums Bedeutung („Untersuchung über das menschliche Stimmband“ [3], 1895, und „Über die funktionelle Struktur der menschlichen Stimmlippen mit besonderer Berücksichtigung des elastischen Gewebes“ [2], 1897). Reinke wollte die funktionelle Struktur des elastischen Gewebes der menschlichen Stimmlippe nachweisen. Den Anstoß zu diesen Untersuchungen bildete der anatomische Nachweis eines abgesackten Ödems des Labium vocale. Er führte die heute immer noch gültigen anatomischen Studien zum feingeweblichen

protein aggregates within interstitial Leydig cells which are probably associated with testosterone production. They are pathognomonic for Leydig cell tumours. Keywords Reinke crystal  · Reinke edema · Leydig cells · Larynx · Testicles

Aufbau der Stimmlippen durch, indem er mit Injektionsversuchen ein künstliches Stimmbandödem erzeugte und den später nach ihm benannten „Reinke-Raum“ beschrieb (. Abb. 3). Die anatomischen Grenzen des Reinke-Raums enden ventral und dorsal mit ineinander verflochtenem flexiblem und kollagenem Gewebe. Kaudal ist er dicht am freien Rand der Stimmlippe klar abgegrenzt, die laterale und kaudale Grenze ist fließend. Aus diesem Grund kann sich der Reinke-Raum bis zum Boden des Recessus laryngis ausbreiten. Diese besondere Morphologie veranlasste Reinke zur Injektion der Lamina propria. Für die Injektionen benutzte er Leim- oder Luft und erzeugte damit ein künstliches Ödem. Das ReinkeÖdem wurde bereits 1891 von Markus Hajek, Assistent bei Johann Schnitzler in Der Urologe 8 · 2014 

| 1211

Geschichte der Urologie

Abb. 3 8 Originalabbildung der Reinke-Kristalle (1 Übersichtsbild menschlicher Hoden, 2 interstitielle Zellen, 3 Kristalloide, Archiv für Anatomie und Entwicklungsgeschichte, Bd. 47). (Nach [7] mit freundl. Genehmigung)

Wien, erstmals beschrieben. Heute wissen wir, dass das Reinke-Ödem eine Erkrankung des Reinke-Raums, der Lamina propria des Stimmlippenepithels ist. Beim Reinke-Ödem bildet sich subepi­thelial ein Transsudat, das anfänglich serös, später gallertartig ist. Reinke untersuchte ausschließlich menschliche Kehlköpfe [2, 3].

Diskussion Leydig-Zellen differenzieren sich im Hoden nach der Geburt und sind bis zur Pubertät inaktiv. Sie leiten sich von fetalen Leydig-Zellen ab, welche zwischen dem 8. bis 20. Schwangerschaftswoche entstehen und in dieser Phase Testosteron produzieren, das für die Entwicklung des männlichen Geschlechts des Fetus notwendig ist. In den über 100 Jahren seit der Entdeckung der Reinke-Kristalle wurden zahlreiche Untersuchungen zur Natur dieser Kristalle durchgeführt. Seit 1956 waren auch elektronenmikroskopische Untersuchungen möglich (. Abb. 4), wobei die Reinke-Kristalle als runde Makromoleküle beschrieben wurden. Sie erscheinen in polygonaler Form mit scharf gegeneinander abgesetzten Rändern [13, 14]. Yamada [15] beschrieb eine regelmäßige sechseckige Struktur mit Bildung von Tubuli, aber

1212 | 

Der Urologe 8 · 2014

Abb. 4 8 Darstellung verschiedener Larynxpräparate: Artifizielles Stimmlippenödem 4 nach Leiminjektion 5 und nach Pneumatisierung 6. Ergänzend: 1 Kehlkopf eines 25-jährigen Hingerichteten, durch Müller-Lösung fixiert und median durchschnitten, 2 Kehlkopf 10-jähriger Knabe (Präparation wie 1), 3 rechte Hälfte eines männlichen Kehlkopfes, 7 Frontalschnitt der mittleren Partie der Stimmlippe eines Kindes, 8 Horizontalschnitt der Stimmlippe eines Säuglings (Anatomische Hefte Bd. 9, 1897). (Nach [2] mit freundl. Genehmigung)

auch filamentäre Strukturen kommen vor (. Abb. 5). Heute ist bekannt, dass sich in bis zu 30% aller Leydig-Zelltumoren des Menschen intrazytoplasmatische und intranukleäre Reinke-Kristalle finden lassen [16–18]. Deutliche Zellgrenzen, kleine Zytoplasmavakuolen und eine dunkle zytoplasmatische Granulation sind Unterscheidungsmerkmale gegenüber anderen Hodentumoren [19, 20]. Reinke-Kristalle treten nach bisheriger Kenntnis nur beim Menschen und bei Primaten auf [19]. Reinke-Kristalle treten Außer in LeydigZelltumoren auch in anderen Androgenproduzierenden Tumoren auf (Nebennie-

renrinde, Theca-Zelltumoren). Für die androgen- und auch Östrogen-produzierenden Leydig-Zelltumore, die etwa 2% aller Hodentumore ausmachen, sind intrazelluläre Lipofuszinablagerungen und eben die Reinke-Kristalle pathognomonisch [21–23]. Die genaue chemische Natur, außer dass es sich um Eiweißkörper handelt, ist aber immer noch nicht geklärt [24]. Jedenfalls scheinen sie das Ergebnis einer spezifischen Funktion der LeydigZellen zu sein und sind vielleicht Ausdruck der eiweißanabolen Wirkung des gebildeten Testosterons [25]. Beim Reinke-Raum, der einen mikroskopischen Befund darstellt, wird bis heu-

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  D.L. Dräger, C. Protzel und O.W. Hakenberg geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur

Abb. 5 9 Elektromikroskopische Darstellung von Leydig-Zellen mit Reinke-Kristallen (TEM Vergr. ca. 1:8000, mit freundl. Genehmigung Prof. A.-F. Holstein, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf). (Nach [29])

te diskutiert, ob es sich wirklich um einen Raum handelt. Die anatomischen Charakteristika des Reinke-Raums werden als wesentlich für die Entstehung einer Gruppe sog. exsudativer benigner Läsionen der Stimmbänder betrachtet, einschließlich des Reinke-Ödems, der Stimmbandpolypen und von Stimmbandknötchen. Jede dieser drei Entitäten besitzt eigene klinische und morphologische Ausprägung, jedoch haben sie als gemeinsamen pathogenetischen Mechanismus die Entstehung von Mikroangiopathien mit einer Flüssigkeitsansammlung im Reinke-Raum [25]. Das Reinke-Ödem ist eine der häufigsten gutartigen Veränderungen des Larynx, die durch Rauchen und Überlastung der Stimme entsteht; die Stimme wird tief und rau, was bei fortgeschrittenem Ödem zu erheblicher stimmlicher Leistungseinschränkung führen und behandlungsbedürftig werden kann [26].

Fazit Somit hat Reinke der Medizin bleibende Entdeckungen hinterlassen. Dass er zu Lebzeiten wenig bekannt wurde, resultiert aus der Tatsache, dass er kein einfacher Mensch war und früh aus dem akademischen Leben ausschied. Seine Arbeiten, v. a. die Beschreibungen des Kehlkopfes, bleiben jedoch noch heute Grundlage des Verständnisses der Anatomie und Pathologie des Larynx. „So werden die ihm nahe standen den Menschen Reinke beklagen, aber auch der Name des Forschers Reinke verdient in Erinnerung zu bleiben“ [27].

Korrespondenzadresse Dr. D.L. Dräger Klinik und Poliklinik   für Urologie,   Universitätsmedizin Rostock, Ernst-Heydemann-Straße 6, 18057 Rostock desiree.draeger@ med.uni-rostock.de

  1. Ober WB, Sciagura C (1981) Leydig, Sertoli and Reinke: three anatomists who were on the ball. Pathol Ann 16:1–13   2. Reinke F (1897) Über die funktionelle Struktur der menschlichen Stimmlippen mit besonderer Beruecksichtigung des elastischen Gewebes. Anatomische Hefte 9:103–107   3. Reinke F (1895) Untersuchung über das menschliche Stimmband. Fortschr Med 13:469–478   4. Dräger DL, Branski RC, Wree A, Sulica L (2011) Friedrich Berthold Reinke (1862–1919): anatomist of the vocal fold. J Voice 25(3):301–307   5. Lubarsch O, Ostertag R (1913) Ergebnisse der allgemeinen Pathologie und pathologischen Anatomie. J.F. Bergmann, Wiesbaden, S 120–124   6. Reinke F (1913) Experimentelle Forschung an Säugetieren über die Erzeugung künstlicher Blastome. Z Krebsforschung 13:314–320   7. Reinke F (1896) Beiträge zur Histologie des Menschen I. Üeber die Kristalloidbildung in den interstitiellen Zellen des menschlichen Hodens. Arch Mikrosk Anat 47:34–44   8. Koelliker A (1854) Handbuch der Gewebelehre des Menschen. Engelmann, Leipzig   9. Leydig F (1850) Zur Anatomie der männlichen Geschlechtsorgane und der Analdrüsen der Säugethiere. Z Wiss Zool 2:1–57 10. Ebner V (1871) Untersuchungen über den Bau der Samencanälchen und die Entwicklung der Spermatozoiden. Rolletts Untersuchungen aus dem Institut für Physiologie und Histologie. Engelmann, Leipzig 11. Waldeyer W (1877) Ueber die sogenannte ungestielte Hydatide des Hodens. Arch Mikrosk Anat 13(1):178–280 12. Henle J (1886) Handbuch der systematischen Anatomie des Menschen. Friedrich von Vieweg und Sohn, Braunschweig, S 84–87 13. Fawcett DW, Burgos MH (1956) Observations on the cytomorphosis of the germinal and interstitial cells of the testis. In: Wolstenholme GEW, Millar ECP (Hrsg) Ciba foundation colloquia ageing, 2. Aufl. Little, Brown and Co., Boston, pp 86–99 14. Fawcett DW, Burgos MH (1960) Studies on the fine structure of the mammalian testis. II. The human interstitial tissue. Am J Anat 107:245–269 15. Yamada E (1965) Some observations on the fine structure of interstitial cell in the human testis as revealed by electron microscopy. Gunma Symp Endocrinol 2:1–17 16. Gupta SK, Francis IM, Sheikh ZA et al (1994) Intranuclear Reinke’s crystals in a testicular Leydig cell tumor diagnosed by aspiration cytology. Acta Cytol 38:252–256 17. Crucioli V, Fulciniti F (1987) Fine needle aspiration of interstitial tumor of the testis. Acta Cytol 31:199 18. Assi A, Sironi M, Bacchioni AM et al (1997) Leydig cell tumor of the testis: a cytohistological, immunohistological, and ultrastructural case study. Diagn Cytopathol 16:262–266

Der Urologe 8 · 2014 

| 1213

Erratum 19. Kennedy PC, Cullen JM, Edwards JF et al (1998) Tumor of the genital system of domestic animals, Bd 4. Armed Forces Institute of Pathology, Washington DC, pp 15–20 20. Denicola DB, Reber AH, Boon GD (1980) Cytology of canine male urogenital tract. Relston Purina, St. Louis 21. Emerson RE, Ulbright TR (2007) Morphological approach to tumors of the testis and paratestis. J Clin Pathol 60:866–880 22. Cheville JC, Sebo TJ, Lager DJ et al (1998) Leydig cell tumor of the testis: a clinicopathological, DNA content and MIB-1 comparison of nonmetastasizing and metastasizing tumors. Ann J Surg Pathol 22:1361–1367 23. Rübben H (2009) Uroonkologie. Springer, Berlin Heidelberg New York 24. Janko AB, Sandberg EC (1970) Histochemical evidence for the protein nature of the Reinke crystalloid. Obstet Gynecol J 30:493–503 25. Remmele W, Klöppel G, Rudolph P et al (2009) Pathologie, Bd 1. Springer, Berlin Heidelberg New York 26. Behrbohm H, Kaschke O, Nawka T (2009) Kurzlehrbuch Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Thieme, Stuttgart 27. Herxheimer G (1919) Nachruf. Zentralbl Allg Pathol Anat 30:401–403 28. Schumacher GH, Wischhusen H (1970) Anatomia Rostochiensis. Die Geschichte der Anatomie an der 550 Jahre alten Universität Rostock. AkademieVerlag, Berlin 29. Dräger DL, Holstein AF, Wree A (2011) Friedrich Reinke (1862–1919) and his research on human testicles – the Reinke crystals. (28. Arbeitstagung der Anatomischen Gesellschaft 2011). doi:10.3337/anatges.2011.0014

Urologe 2014 · 53:1214  DOI 10.1007/s00120-014-3591-4 Online publiziert: 7. August 2014  © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

A. Roosen1 · R. Ganzer2 · B. Hadaschik3 · J. Köllermann4 · A. Blana5 · T. Henkel6  U.-B. Liehr12 · D. Baumunk12 · S. Machtens7 · G. Salomon8 · L. Sentker9  U. Witsch10 · K.U. Köhrmann11 · M. Schostak9 · Arbeitskreis für Fokale und Mikrotherapie der Akademie der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V. 1 Urologische Klinik und Poliklinik, Ludwig-Maximilians-Universität München,

Klinikum Großhadern, München 2 Urologische Klinik und Poliklinik, Universität Leipzig 3 Urologische Klinik und Poliklinik, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg 4 Abteilung für Allgemeinpathologie/Sektion Uropathologie,

Institut für Hämatopathologie Hamburg 5 Klinik für Urologie und Kinderurologie, Klinikum Fürth 6 Institut für ambulante Prostatatherapien, Berlin 7 Klinik für Urologie, Marienkrankenhaus Bergisch-Gladbach 8 Martini-Klinik am UKE GmbH, Hamburg 9 Urologische Gemeinschaftspraxis, Sinsheim 10 Klinik für Urologie und Kinderurologie, Krankenhaus Nordwest, Frankfurt am Main 11 Klinik für Urologie, Theresienkrankenhaus Mannheim 12 Klinik für Urologie und Kinderurologie, Universitätsklinikum Magdeburg

Erratum zu: Fokale Therapie des Prostatakarzinoms in Deutschland – Status 2014 In der HTML-Version des Beitrags ist der Name des Autors U.-B. Liehr nicht korrekt. Die Institutszugehörigkeit von K.U. Köhrmann ist in diesem Beitrag nicht korrekt angegeben. Die Redaktion bittet, die korrekten Angaben zu beachten und die Fehler zu entschuldigen.

Die Online-Version des Originalartikels können Sie einsehen unter http://dx.doi.org/10.1007/ s00120-014-3532-2.

1214 | 

Der Urologe 8 · 2014

Korrespondenzadresse A. Roosen Urologische Klinik und Poliklinik,   Ludwig-Maximilians-Universität München, Klinikum Großhadern, Marchioninistraße 15, 81377 München [email protected]

[Friedrich Berthold Reinke (1862-1919) : Rostock anatomist and describer of Reinke's crystals in the testis and Reinke's space in the larynx].

The 95th anniversary of the anatomist Friedrich Berthold Reinke's death is 19 May 2014. This an excellent moment to remember his anatomical research. ...
658KB Sizes 0 Downloads 3 Views