Übersichtsarbeiten/Review Articles Onkologie 13: 7-11 (1/1990)

Fotemustin, ein neues Nitroso-Harnstoff-Derivat Aktueller Stand der Entwicklung V. Cour“, H. Langenbahn b

Zusammenfassung und Schlüsselwörter

Summary and Key Words

Fotemustin ist ein von Servier. Frankreich, neu entwickeltes Derivat des Chloro-Nitroso-Harnstoffs. das chemisch durch Verknüpfung mit einem Phosphonsäurerest und damit verbundener hoher Lipophilie gekennzeichnet ist. Präklinische Studien erbrachten im Vergleich mit BCNU eine geringere Mutagenität und Lebertoxizität. In pharmako­ kinetischen Studien wurden eine hohe Gesamt-Körper-Clearance so­ wie eine kurze Halbwertzeit beobachtet. In Untersuchungen der Phase I konnte das endgültige Behandlungs­ schema festgelegt werden: 100 mg/nr/Woche in drei bis vier aufeinan­ derfolgenden Wochen, gefolgt von einer fünfwöchigen Behandlungs­ pause sowie für Patienten mit stabilisiertem oder gebessertem Krank­ heitsbild eine Erhaltungstherapie mit lOOmg/irr alle drei Wochen. Fotemustin sollte in Form einer einstündigen intravenösen Infusion unter Lichtschutz verabreicht werden. Bei den Untersuchungen fand sich, ohne lebensbedrohende Toxizität, eine positive Wirkung bei verschiedenen Tumoren, speziell beim malignen Melanom. Dieser Indikationsbereich wurde daher für eine Phase-II-Studic ausgewählt. Bei 153 auswertbaren Patienten wurde eine Gesamtremissionsrate von 24.2% erreicht. Je nach Lokalisierung der Metastasen ergaben sich folgende Ansprechraten: 25% bei Hirnmetastasen. 19.2% bei viszera­ len Metastasen. 8.8% bei Lebermetastasen und 31.8% bei Hautund Lymphknotenmetastasen. Die mittlere Remissionsdauer betrug 22 Wochen. Die mittlere Überlebensdauer aller Responder lag bei 85 Wochen, fiel hingegen bei geringerer Remission oder stabilem Zustand auf 52 Wochen ab. Bei progredienter Erkrankung sank sie auf 17 Wochen. Die hämatologische Toxizität war mäßig (WHO-Stadium III und IV; 46,3% Leukopenie und 40,3% Thrombozytopenie) und trat wie bei anderen Nitroso-Harnstoffen verspätet auf (Nadir: Leukozyten: 44.Tag und Thrombozyten: 35.Tag). Übelkeit und Erbrechen waren gering, und es wurde keine andere klinisch relevante Toxizität beob­ achtet. In einer Phasc-III-Studie mit der Kombination von Fotemustin und DTIC konnten noch höhere Remissionsraten erreicht werden: 33%, mit besonderer Wirksamkeit bei Haut- und Lymphknotenmetastasen (43,8% Remissionsrate) und einer durchschnittlichen Remissionsdau­ er von 19+ Wochen. Die hämatologische Toxizität war etwas gering­ fügiger ausgeprägt als bei der Phase-II-Studie. wobei keine zusätz­ lichen Nebenwirkungen beobachtet wurden. Bei Anwendung in der intraarteriellen Lebertherapic zeigten sich vielversprechende Ergeb­ nisse, was insbesondere für Lebermetastasen von Melanomen gilt, bei denen die Remissionsrate auf 61.8% stieg. Die Ergebnisse zeigen, daß Fotemustin für die Indikation Malignes Melanom ein gut verträgliches und wirksames Medikament ist. Weite­ re therapeutische Kombinationen werden in diesem Indikationsbe­ reich noch geprüft. Ferner wird Fotemustin für andere Indikationen, wie z. B. primäre Hirntumoren. Nieren- und Kolonkarzinome, unter­ sucht.

Fotemustine is a new chloronitrosourea recently developed by the French company Servier. It is chemically characterized by the graft of an aminophosphonic acid on the chloronitrosourea radical, which makes it highly lipophil. The prcclinical studies revealed a lower mutagenicity and hepatotoxicity when compared to BCNU. The phar­ macokinetic studies showed a high body clearance and a short halflife. The phase I study enabled us to determine the definitive treatment schedule: 100 mg/nr/week during 3-4 consecutive weeks followed by 5 weeks' rest and a maintenance therapy of 100 mg/m2 every 3 weeks for stabilized or responding patients. Fotemustine should be given as a 1-h intraveinous infusion, protected from daylight. There was no lifethreatening toxicity and positive activity was observed in different tumors and especially melanomas. This indication was thus chosen for the phase II study. Among the 153 evaluable patients, the response rate reached 24.2%. It depended on the location of the metastatic sites, with 25% brain metastases. 19.2% visceral metastascs. 8.8% liver metastases and 31.8% skin and lymph node metastases. The median duration of response was 22 weeks. The median overall survival of responding patients reached 85 weeks, while it dropped to 52 weeks in case of minor response or stabilization and 17 weeks in case of progression. The hematological toxicity was moderate (WHO grade III and IV: 46.3% leukopenia and 40.3% thrombopenia) and delayed as for other nitrosoureas (nadir: white blood cells: day 44 and thromboytes: day 35). Nausea and vomiting were mild, and there was no other clini­ cal toxicity. A phase III study combining fotemustine with DTIC achieved a higher response rate: 33%, with a specific activity on skin and lymph node metastases (43.8% response rate), and a median duration of response of 19 + weeks. Hematologic toxicity was somewhat inferior to that of the phase II study and there were no additional side effects. Hepatic intraarterial therapy was tested and showed encouraging results, espe­ cially in liver metastases from melanoma in which the response rate rose to 61.8%. We conclude that fotemustine is a well tolerated and an active drug for malignant melanomas. Other combination therapies are going to be tested in this indication. Furthermore, fotemustine is undergoing investigations in other tumor types such as cerebral primary tumors, renal and colon cancers.

Fotemustin - Nitroso-Harnstoffe - Malignes Melanom

Fotemustine - Nitrosourea derivative - Malignant melanoma

Downloaded by: Lund University Libraries 130.235.66.10 - 2/17/2019 8:46:53 PM

“Institut de Recherches Internationales Servier. Neuilly s/Seine. France bServier Forschung und Pharma-Entwicklung GmbH. München

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Einleitung Nitroso-Harnstoffe, hauptsächlich Lomustin (CCNU), Car­ mustin (BCNU), Nimustin (ACNU) und Semustin (MeCCNU), sind bekannte, alkylicrcnde Zytostatika, die bei verschiedenen Neoplasien gut wirksam sind [1-5). Nachteilig ist jedoch die Mutagenität dieser Substanzen [6, 7); ferner weisen sie eine relativ hohe Knochenmarktoxizität [3] sowie Lungen- und Lebertoxizität [8, 9, 10] auf. Fotemustin ist ein neuer injizierbarer Chloro-Nitroso-Harnstoff. mit dessen Entwicklung die Firma Servier 1983 in Frank­ reich unter der Kurzbezcichnung S-10036 begann. Zielsetzung war, ein Zytostatikum von möglichst hoher Wirksamkeit mit vergleichsweise geringer Mutagenität und Toxizität zu entwikkeln. Chemische Besonderheit dieses Moleküls ist die Ver­ knüpfung der Nitroso-Harnstoffgruppe mit einem Aminophosphonsäurederivat. wodurch ein verbesserter Transport des Moleküls durch die Blut-Liquor-Schranke sowie in die Gewebe bewirkt werden soll. Fotemustin ist seit März 1989 in Frankreich zur Behandlung des malignen Melanoms zugelas­ sen; für andere Länder - u.a. Deutschland - wird die Zulas­ sung beantragt. Die wichtigsten Ergebnisse der pharmakolo­ gisch-toxikologischen und klinischen Forschung werden im folgenden Beitrag dargelegt.

Pharmakologic/Toxikologic

Bereits in den ersten vorklinischen Studien erwies sich Fote­ mustin als weniger toxisch im Vergleich zu BCNU, dem am häufigsten parenteral eingesetzten Nitroso-Harnstoff. Im Ames-Test mit Salmonella typhimurium zeigte die Substanz eine signifikant geringere Mutagenität (p

[Fotemustine, a new nitrosourea derivative. Current status of development].

Fotemustine is a new chloronitrosourea recently developed by the French company Servier. It is chemically characterized by the graft of an aminophosph...
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