Hautarzt 2014 ∙ 65:1011–1013 DOI 10.1007/s00105-014-3539-z Online publiziert: 30. Oktober 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

J. Baratli · G. Balakirski · M. Megahed

Anamnese

Histopathologischer Befund einer Läsion vom Hals

einer malignen hämatologischen Systemerkrankung.

Lamelläre Hornschicht, etwas verbreitertes Epithel. Atypische Lymphozyten entlang der Basalmembranzone. Exozytose von atypischen Lymphozyten in der Epidermis und im Haarfollikelepithel. Kolloidale Eisen-Färbung: Hier finden sich Muzinablagerungen im Haarfollikelbereich. Beurteilung: Mucinosis follicularis bei Mycosis fungoides (. Abb. 2).

Diagnose

In unserer Poliklinik stellte sich ein 54-jähriger Patient vor, der seit ca. 20 Jahren unter juckenden therapieresistenten Hautveränderungen leiden würde, die bisher unter der Diagnose atopische Dermatitis eingeordnet wurden. Bis auf eine saisonale Pollinosis und ein Asthma bronchiale war die Eigenanamnese unauffällig. Eine auswärts erfolgte Vorbehandlung mit oralen Antihistaminika und steroidhaltigen Externa habe keine Befundbesserung erbracht.

Diagnostik Hautbefund Am gesamten Integument zeigten sich einzelne rotbraune Makulae mit teils feinlammelärer Schuppung sowie einzelne rotbraune Plaques (. Abb. 1).

Klinik für Dermatologie und Allergologie, Universitätsklinikum der RWTH Aachen, Aachen, Deutschland

Follikulotrope Mycosis fungoides

Peripherer Blutausstrich Neutrophilie und milde Monozytose. Ganz vereinzelt lassen sich atypische Lymphozyten nachweisen. Immunphänotypisch finden sich keine T-Zellen mit auffälliger Oberflächenmarkerkonstellation, keine monoklonale B-Zell-Population sowie keine CD34positive hämatopoetische Vorläuferzellen. Damit immunphänotypisch – soweit beurteilbar – kein Hinweis auf Vorliegen

Abb. 1 8 Klinisches Bild vor Therapie: Einzelne rotbraune Makulae mit teils feinlammelärer Schuppung sowie einzelne rotbraune Plaques am gesamten Integument

Mycosis fungoides im Plaquestadium mit Mucinosis follicularis

Therapie und Verlauf Initial erfolgte eine Lokaltherapie mit einem topischen Steroid der Klasse 3 (Betamethasonvalerat) sowie mit einer Bade-PUVA-Therapie. Hierunter zeigte sich keine Befundbesserung. Im Weiteren erfolgte über ca. 9 Monate eine systemische Therapie mit Bexaroten 300–375 mg/Tag. Lokal behandelten wir mit Imiquimod 5 %-Creme. Da es unter der BexarotenTherapie zu einer progredienten Hyperlipidämie kam und sich der Hautbefund nicht zufriedenstellend verbesserte, leiteten wir eine systemische Therapie mit Peginterferon-α-2b 25 µg/Woche ein. Hierunter konnte eine Besserung des Hautbefundes erreicht werden.

Abb. 2 8 Histologischer Befund

Der Hautarzt 12 · 2014 

| 1011

Zusammenfassung · Abstract

Diskussion Mit dem Begriff follikulotrope Mycosis fungoides (FMF) wird eine seltene Variante des CD4-positiven kutanen T-ZellLymphoms Mycosis fungoides (MF) beschrieben, die durch eine besondere Epi­ theliotropie (Adnexotropie) gekennzeichnet ist. Das bedeutet, dass die Hautadnexe, vor allem die Haarfollikel, durch das Einwandern von Infiltratzellen besonders betroffen sind. Bis jetzt sind nur vereinzelte Fallserien publiziert worden, die klinische, pathologische, prognostische sowie epidemiologische Aspekte dieser Erkrankung darstellen. Insgesamt handelt es sich bei weniger als 10 % aller MF-Erkrankungen um eine FMF [1–3]. Die FMF kommt häufiger in der zweiten Lebenshälfte vor, wobei aber auch jüngere Menschen daran erkranken können [4]. Das männliche Geschlecht ist häufiger betroffen [2, 5, 6]. Klinisch manifestiert sich die Erkrankung sehr vielfältig: Außer den für die klassische MF typischen erythematösen Plaques prägen akneiforme Läsionen, Komedonen, Zysten, follikelgebundene Papeln und Alopezie das Krankheitsbild. Die Patienten berichten oft über einen Pruritus [1, 2, 4–9]. Die Läsionen sind am häufigsten im Kopf- und Halsbereich, gelegentlich am Körperstamm und seltener an den Extremitäten zu finden [2, 4–9]. Histologisch zeichnet sich die FMF durch ein follikelbetontes lymphozytäres Infiltrat aus klein- bis mittelgroßen Lymphozyten aus. Eine Epidermotropie (Einwandern von Infiltratzellen in die Epidermis) ist in bis zur Hälfte aller FMF-Fälle nachweisbar. Einige Fälle kennzeichnen sich durch eine Syringotropie (Befall der ekkrinen Drüsen; [2, 4, 6, 8, 9]). Immunhistologisch sind die Tumorzellen wie bei der klassischen MF CD3-positiv, CD4-positiv und CD8-negativ. Es existiert eine Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft sowie der Arbeits­ gemeinschaft Dermatologische Onko­ logie zur Stadieneinteilung und Therapie der kutanen Lymphome. Für die Stadieneinteilung der FMF gilt das gleiche Prinzip wie für die klassische MF, diese erfolgt ebenfalls nach TNM-Krite­ rien. Entsprechend dem Stadium wird in der oben genannten Leitlinie eine gleiche

1012 |  Der Hautarzt 12 · 2014

Hautarzt 2014 ∙ 65:1011–1013  DOI 10.1007/s00105-014-3539-z © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 J. Baratli · G. Balakirski · M. Megahed

Follikulotrope Mycosis fungoides Zusammenfassung Hintergrund.  Mit dem Begriff follikulotrope Mycosis fungoides wird eine seltene Variante des CD4-positiven, kutanen T-Zell-Lymphoms Mycosis fungoides beschrieben, die durch eine besondere Epitheliotropie (Adnexotropie) gekennzeichnet ist. Das bedeutet, dass die Hautadnexe, vor allem die Haarfollikel, durch das Einwandern von Infiltratzellen besonders betroffen sind. Fallpräsentation.  Unser Patient litt seit 20 Jahren an juckenden Hautveränderungen, die unter der Diagnose atopische Dermatitis eingeordnet wurden. Die Diagnose konnte durch die Entnahme einer Probebiopsie gesichert werden. Im vorliegenden Fall konnten wir mit alleinigen topischen Maßnahmen keine Beschwerdebesserung erreichen, sodass eine Systemtherapie zügig eingeleitet

worden ist. Unter der systemischen Therapie mit Peginterferon-α-2b 25 µg/Woche konnte eine deutliche Besserung des Hautbefundes erreicht werden. Schlussfolgerung.  Aufgrund der polymorphen klinischen Präsentation wird die follikulotrope Mycosis fungoides erst mit Verzögerung und daher oft in einem späteren Stadium als die klassische Mycosis fungoides erkannt. Wir empfehlen daher eine frühzeitige Biopsieentnahme bei Auftreten von hier beschriebenen therapieresistenten Hautläsionen. Schlüsselwörter Kutanes T-Zell-Lymphom · PUVA-Therapie · Bexaroten · Biopsie · Therapieresistenz

Folliculotropic mycosis fungoides Abstract Background.  Folliculotropic mycosis fungoides represents a rare variant of the CD4-positive cutaneous T-cell lymphoma mycosis fungoides. It is characterized by tropism of the lymphocytic infiltrate for hair follicle and other adnexal structures. Case presentation.  Our patient presented with a 20-year history of pruritic skin lesions, which had been diagnosed as atopic dermatitis. The diagnosis of folliculotropic mycosis fungoides was confirmed by skin biopsy. Since topical therapy was ineffective, systemic therapy was initiated promptly. Treatment with pegylated interferon alpha-2b 25 µg/

Behandlung aller MF-Varianten inklusive der FMF empfohlen [10]. Dabei werden unterschiedliche Behandlungsoptionen wie PUVA-Therapie, lokale Steroide der Klasse III und IV, Radiotherapie bei uniläsionären MF-Manifestationen, Systemtherapie mit Interferon-α in Kombination mit PUVA-Therapie sowie System­ therapie mit Bexaroten in den Frühstadien (IA–IIA) der Erkrankung erwähnt. In den fortgeschrittenen Erkrankungsstadien werden Systemtherapie mit Interferon-α in Kombination mit PUVA-Thera­ pie, Systemtherapie mit Low-dose-Metho­ trexat, Systemtherapie mit Bexaroten, ex-

week led to significant improvement of the skin condition. Conclusion.  Due to its polymorphic clinical presentation, folliculotropic mycosis fungoides is diagnosed with delay and in a later stage than classical mycosis fungoides. Thus we recommend an early skin biopsy in patients with therapy-resistant pruritic skin lesions. Keywords Cutaneous T-cell lymphoma · PUVA-Therapy · Bexaroten · Biopsy · Therapyresistant

trakorporale Photopherese sowie Chemotherapie empfohlen [10]. Aus den aktuell zur Verfügung stehenden Fallberichten geht hervor, dass die FMF gegenüber topischen Maßnahmen therapieresistenter ist als die klassische MF. Daher wird in vielen Fällen eine zügige Einleitung einer Systemtherapie z. B. mit Bexaroten angeraten [4, 11, 12]. Da die FMF aggressiver zu verlaufen scheint, ist die Prognose bzw. 5-Jahres-Überlebensrate schlechter als bei der klassischen MF [4, 8, 11]. Aufgrund der polymorphen klinischen Präsentation wird die FMF erst mit Verzögerung und daher oft in einem späte-

ren Stadium als die klassische MF erkannt [8]. Wir empfehlen daher eine frühzeitige Biopsieentnahme bei Auftreten der hier beschriebenen therapieresistenten Hautläsionen.

Korrespondenzadresse Dr. J. Baratli Klinik für Dermatologie und Allergologie Universitätsklinikum der RWTH Aachen Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  J. Baratli, G. Balakirski und M. Megahed geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Hautarzt 2014 ∙ 65:1013–1016 DOI 10.1007/s00105-014-3538-0 Online publiziert: 7. November 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

Literatur   1. Hodak E, Feinmesser M, Segal T, Yosipovitch G, Lapidoth M, Maron L et al (1999) Follicular cutaneous T-cell lymphoma: a clinicopathological study of nine cases. Br J Dermatol 141:315–322   2. van Doorn R, Scheffer E, Willemze R (2002) Follicular mycosis fungoides, a distinct disease entity with or without associated follicular mucinosis: a clinico-pathologic and follow-up study of 51 patients. Arch Dermatol 138:191–198   3. Kazakov DV, Burg G, Kempf W (2004) Clinicopathological spectrum of mycosis fungoides. J Eur Acad Dermatol Venereol 18:397–415   4. Gerami P, Rosen S, Kuzel T, Boone SL, Guitart J (2008) Folliculotropic mycosis fungoides: an aggresive variant of cutaneous T-cell lymphoma. Arch Dermatol 144:738–746   5. van Doorn R, van Haselen CW, van Voorst Vader PC, Geerts ML, Heule F, de Rie M et al (2000) Mycosis fungoides: disease evolution and prognosis of 309 Dutch patients. Arch Dermatol 136:504–510   6. Gerami P, Guitart J (2007) The spectrum of histopathologic and immunhistochemical findings in folliculotropic mycosis fungoides. Am J Surg Pathol 31:1430–1438

  7. Flaig MJ, Cerroni L, Schuhmann K, Bertsch HP, Kind P, Kaudewitz P et al (2001) Follicular mycosis fungoides: a histopathologic analysis of nine cases. J Cutan Pathol 28:525–530   8. Lehman JS, Cook-Norris RH, Weed BR, Weening RH, Gibson LE, Weaver AL et al (2010) Folliculotropic mycosis fungoides: single-center study and systemic review. Arch Dermatol 146:607–613   9. Muniesa C, Estrach T, Pujol RM, Gallardo F, GarciaMuret P, Climent J et al (2010) Folliculotropic mycosis fungoides: clinicopathological features and outcome in a series of 20 cases. J Am Acad Dermatol 62:418–426 10. Kurzleitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft sowie der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie – Kutane Lymphome, Version 03/2012 11. Mantaka P, Helsing P, Gjersvik P, Bassarova A, Clausen OP, Delabie J (2013) Clinical and histopathological features of folliculotropic mycosis fungoides: a Norwegian patient series. Acta Derm Venereol 93(3):325–329 12. Drugeon C, Charlat I, Boulinguez S, Viraben R (2007) Bexarotene therapy in folliculotropic cutaneous T-cell lymphoma. Ann Dermatol Venereol 134(8–9):639–643

G. Balakirski · H.F. Merk · M. Megahed Klinik für Dermatologie und Allergologie, Universitätsklinikum der RWTH Aachen, Aachen, Deutschland

Bullöses Pemphigoid Ein neuer Blick auf eine bekannte Krankheit

Anamnese Ein 81-jähriger multimorbider Patient wurde an unsere dermatologische Tagesklinik zur Abklärung und Therapie eines seit ca. 2 Monaten bestehenden, starken, ambulant therapieresistenten Pruritus am gesamten Integument angebunden. Zahleiche internistische Vorerkrankungen wie arterielle Hypertonie, periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK), Zustand nach Apoplex, Karotisstenose beidseits, Aortenklappenstenose, Lungenemphysem, koronare Herzkrankheit und Tachyarrhythmia absoluta waren vorbekannt. Des Weiteren wurde über regelmäßige Einnahme diverser Medikamente wie Bisoprolol, Amlodipin, Irbesartan, Hydrochlorthiazid sowie Acetylsalicylsäure be-

richtet, wobei die oben genannte Medikation nach Angaben des Patienten über mehrere Jahre unverändert geblieben sei. Allergien wurden auf Nachfrage verneint. Eine auswärts erfolgte Vorbehandlung mit oralen Antihistaminika und steroidhaltigen Externa habe anamnestisch keine auseichende Linderung der Beschwerden erbracht.

Diagnostik Hautbefund.  Am Rücken, Bauch sowie an den oberen Extremitäten zeigten sich multiple exkoriierte Papeln, Plaques sowie Noduli (. Abb. 1). Histopathologie.  Die histopathologische Untersuchung von der betroffenen

Haut zeigte eine teils lamelläre, teils korbgeflechtartige Hornschicht und Para­ keratose sowie teils erodiertes, unregelmäßig verbreitertes Epithel. Im Korium fanden sich ein perivaskuläres und interstitielles Infiltrat aus Lymphozyten, erweiterte Blutgefäße sowie Fibrose. Insgesamt war der Befund vereinbar mit dem klinischen Bild einer Prurigo simplex sub­ acuta. Allergologiediagnostik.  Der GesamtIgE-Wert lag bei 1264 kU/l (bei einem Normwert unter 100 kU/l). ELISA-Untersuchung.  Der IgG-Antikörper-Wert im Serum gegenüber BP 180 lag bei 54,4 U/ml (bei einem Normwert unter 20 U/ml). Der Hautarzt 12 · 2014 

| 1013

[Folliculotropic mycosis fungoides].

Folliculotropic mycosis fungoides represents a rare variant of the CD4-positive cutaneous T-cell lymphoma mycosis fungoides. It is characterized by tr...
421KB Sizes 0 Downloads 15 Views