Leitthema Chirurg 2014 DOI 10.1007/s00104-014-2771-5 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

M. Ezechieli · H. Windhagen Orthopädische Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover im Annastift, Hannover

Femoroazetabuläres Impingement bei Sportlern Pathologie, Diagnostik   und operative Therapieoptionen

Durch die Entwicklung in der Behandlung des femoroazetabulären Impingements (FAI) in den letzten Jahren zeigt sich eine zunehmende Wahrnehmung der Problematik dieser präarthrotischen Deformität. Insbesondere der Hüftschmerz beim jungen Erwachsenen sollte ernst genommen werden und nach eingehender Diagnostik und deutlichen Zeichen eines FAI einer operativen Therapie unterzogen werden, um Folgeschäden zu vermeiden. Das FAI ist die Folge einer anatomischen Veränderung an der knöchernen Gelenkpfanne (Pincer [engl.: Zange]) oder dem Kopf-Schenkelhals-Übergang (Cam [engl.: Nockenwelle]) des Femurs. In ca.

75% der Fälle liegen kombinierte Pincerund Cam-Deformitäten vor. Charakteristisch für das FAI ist das dynamische Anschlagen des Kopf-Schenkelhals-Überganges an den Pfannenrand, was Schäden an dem azetabulären Knorpel und dem Labrum acetabulare (chondrolabraler Komplex) verursachen kann [2, 13]. Der Pathomechanismus und die Schäden am Azetabulum unterscheiden sich bei Camund Pincer-Deformitäten [2, 12]. Durch die vermehrte Pfannenrandüberdachung kommt es bei der Pincer-Deformität bei Bewegung zum Anschlagen des Schenkelhalses und dadurch primär zu einer frühen artikularseitigen großflächigen Labrumläsion und zu einer schmalen Knorpelaffektion wie in . Abb. 1 dargestellt. Dorsoinferior gelegen tritt eine „Contre-

coup“-Läsion auf, welche durch das Hebeln des Schenkelhalses über den Pfannenrand zu einer Verschiebung des Kopfes nach hinten führt.

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FAI ist bei Sportlern die häufigste Schmerzursache an der Hüfte Bei der Cam-Deformität hingegen kommt es eher zu einer Knorpelablösung vom Labrum und in der Folge zu einer Knorpeldelamintation (. Abb. 2). Das Cam-Impingement wird eher bei dem jungen athletischen Mann beschrieben und führt zu größeren Schäden als das Pincer-Impingement [12], wobei beide Pathologien unstrittig als präarthrotische Deformität

Abb. 1 9 Pincer-Impingement einer rechten Hüfte: a Anschlagen des Schenkelhalses an die vermehrte Pfannenrandüberdachung (a) und Bewegung des Kopfes nach dorsoinferior (Pfeil). b Breitflächige Knorpelschäden am Azetabulum (b), „Contre-coup“Läsion dorsoinferior (c) Der Chirurg 2014 

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Abb. 2 9 Cam-Impingement einer rechten Hüfte: a „Schenkelhals-Bump“ am Kopf-Schenkelhals-Übergang mit Anschlagen an den Pfannenrand bei Beugung (a). b Knorpelareale, die betroffen sind (b). Es kommt zu einer großflächigen Knorpeldelamination

Abb. 3 9 a Präoperative Planung bei kombiniertem Cam- und Pincer-Impingement einer 33-jährigen professionellen Springreiterin. b Postopertives Korrekturergebnis

bei dem jungen Erwachsenen anzusehen sind [2, 13, 30]. Einige Studien gehen davon aus, dass durch extreme Bewegungen der Hüfte [5, 22, 23] in einigen Sportarten oder eine vermehrte Belastung [15] ein vermehrter Druck auf den chondrolabralen Komplex ausgeübt wird und so Knorpelschäden hervorrufen werden können. Auch eine kürzlich veröffentlichte Studie von Mariconda et al. [20] zeigte die Prävalenz von radiologisch vorliegenden Cam-Impingement bei Capoiera-Sportlern in 90% der untersuchten Hüften, bei 50% zeigte sich sogar ein pathologischer α-Winkel von über 60°. Phillippon et al. [26] beschreibt, dass das FAI die häufigste Ursache für Schmerzen beim Sportler ist.

FAI-Diagnostik Viele junge Sportler mit FAI geben in der Anamnese Schmerzen in der Leiste insbesondere nach längerer, stärkerer Belastung in Kombination mit Beuge-Rotations-Be-

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wegungen an. Viele Betroffene berichten über Schmerzen oder ein Spannungsgefühl bei Tätigkeiten mit gebeugter Hüfte (z. B. Rennradfahren, Rudern) oder längerem Sitzen. Physiotherapeutische Beübung bringt bei vielen Patienten nur eine vorübergehende Linderung. In der klinischen Untersuchung imponiert ein positiver Impingement-Test, der in Rückenlage durch Hüftflexion-Innenrotation und Adduktion erfolgt. Der Aprehension-Test mit gestrecktem Bein und Rotation ist in sehr ausgeprägten Fällen ebenfalls positiv. Der KompressionsDekompressions-Test nach Ribas [21] ist eine weitere hilfreiche Untersuchung, um die Beschwerden einzugrenzen und die Diagnose zu sichern. Nach dem Impingement-Test folgt der gleiche Bewegungsablauf mit axialer Dekompression, gibt der Patient dann eine Linderung an, ist der Test positiv. Der Standard der Bildgebung ist nach wie vor das konventionelle Röntgen. Da-

zu gehören eine Beckenübersicht und die axiale Übersicht nach Dunn (im Stehen, 45°-Hüftflexion, 20°-Hüftabduktion und 10°-Innenrotation des Fußes). Es konnte gezeigt werden, dass dies die Aufnahme ist, bei der der Schenkelhals-Bump am besten dargestellt werden kann und der α-Winkels nach Nözli gemessen werden kann [24]. Um einen ventral gelegenen Schenkelhals-Bump darzustellen, kann ergänzend eine Aufnahme der Hüfte a.p. in 30°-Außenrotation erfolgen. Zeigt sich in der konventionellen Diagnostik ein Cam- und/oder Pincer-Impingement-Verdacht und wird eine operative Therapie angestrebt, ist nach wie vor die Magnetresonanztomographie (MRT) mit intraartikulärem Kontrastmittel der Goldstandard. Empfohlen werden folgende 4 Schichten: axial, koronar-schräg, sagittal und radial [17]. Hier kann am besten das Ausmaß der Schäden am Gelenk beurteilt werden. Es zeigt beispielsweise bei dem Cam-Impingement typischerweise

Zusammenfassung · Abstract Infobox 1  Präoperative Planung Beispiel (33-jährige Springreiterin) zur Bestimmung der Resektionshöhe beim CamImpingement in der axialen nach Dunn (. Abb. 3): Zunächst wird ein Kreis zur Bestimmung des Kopfmittelpunktes angelegt. Dann wird der Ist-α-Winkel folgendermaßen bestimmt: Ein Schenkel wird entlang der Schenkelhalsachse zum Kopfmittelpunkt gelegt und ein Schenkel zu dem Punkt, wo der Kopf-Schenkelhals den Kreis verlässt. In unserem Beispiel ist der Ist-α-Winkel 89°(rote Linie). Da dieser Wert pathologisch ist, wird nun der Soll-α-Winkel von 44° eingetragen (blaue Linie). Der Bereich, der nun zwischen der roten und blauen Linie außerhalb des Kreises liegt, ist der Teil des Schenkelhals-Bumps, der abgetragen werden muss. Um eine Orientierung für die Operation zu haben, wie viel Millimeter entfernt werden müssen, kann dieser Abstand eingetragen werden. Postoperativ kann in gleicher Weise der Ist-Winkel bestimmt werden und so das operative Ergebnis kontrolliert werden. In unserem Beispiel zeigt sich postoperativ eine Rekonturierung des Kopf-Schenkelhals-Überganges mit einem Winkel von 46°. In dem Beispiel zeigt sich auch die Reduktion des Pfannenrandes bei gleichzeitiger Pincer-Komponente, die durch Pfannenrandtrimmung und anschleißender Labrumrefixation mittels Nahtanker durchgeführt wurde. Durchgeführte Operationstechnik im Beispiel: arthroskopisch assistierte Mini-open-Arthrotomie.

die Triade von pathologischem α-Winkel, anterosuperiorer Labrumläsion und anterosuperior gelegener chondrolabraler Läsion [17]. Das Arthro-MRT dient der präoperativen Planung, der Entscheidungsfindung über die anzuwendende Technik und Einschätzung der Begleitpathologien und deren Therapie (z. B. Auffüllen von anterosuperior gelegenen Pfannendachzysten). Eine computertomographische (CT-)Untersuchung mit 3-D-Rekonstruktion ist in komplexen Fällen mit im konventionellem Röntgen unklarer knöcherner Situation, wie z. B. Zustand nach Beckenumstellungsoperationen oder Trauma, gelegentlich indiziert.

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Der α-Winkel ist entscheidend für den Erfolg der Korrektur Weitere radiologische Techniken, wie z. B. das dGEMRIC („delayed gadolinium en-

Chirurg 2014 · [jvn]:[afp]–[alp]  DOI 10.1007/s00104-014-2771-5 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 M. Ezechieli · H. Windhagen

Femoroazetabuläres Impingement bei Sportlern. Pathologie, Diagnostik und operative Therapieoptionen Zusammenfassung Das femoroazetabuläre Impingement (FAI) und dessen Therapie haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Es konnte in zahlreichen Studien gezeigt werden, dass es sich um eine präarthrotische Deformität handelt, die unbehandelt zur Koxarthrose führt. Dieser Beitrag soll einen Überblick über die Pathologie, Diagnostik und die operativen Therapien, gerade auch im Hinblick auf den aktiven Sportler, geben. Erste eigene klinische und radiologische Ergebnisse von 91 Patienten, die durch arthroskopisch assistierte Mini-open-Arthrotomie behandelt wurden, werden vorgestellt. Sie zeigen sehr gu-

te Ergebnisse und signifikante postoperative Verbesserungen im Hinblick auf HOOS-, WOMAC- und UCLA-Activity-Score sowie die Korrektur des α-Winkels. Diese in der Literatur vergleichsweise noch wenig beachtete Operationstechnik steht als Therapieoption zur Behandlung des FAI zur Verfügung. Die Nachbehandlung ist mit der der Hüftarthroskopie gleichzusetzen. Schlüsselwörter Arthroskopisch assistierte Mini-openArthrotomie · Hüftarthrotomie · Hüftarthroskopie · Offene Hüftluxation

Femoroacetabular impingement in athletes. Pathology, diagnostics and operative therapy options Abstract Femoroacetabular impingement (FAI) and its therapy has gained importance in the last decade and several studies could show that if untreated it may lead to osteoarthritis of the hip joint. In this article an overview of the pathology of FAI, the diagnosis and treatment options are presented. A closer look is taken at the treatment of elite athletes regarding the different techniques. The first own clinical and radiological results of 91 patients treated by the arthroscopically-assisted anterior mini-open approach are presented with very good results and significant postoperative improvement regarding the hip inju-

haced MR-imaging“), stehen zur Verfügung, um Knorpelschäden besser zu evaluieren. Bei dieser Untersuchung wird die Glykosaminglycan-Bindung am Knorpel visualisiert – je geringer sie ist, desto degenerierter ist der Knorpel [1]. Diese Untersuchung kann in Grenzfällen hilfreich sein und ergänzend durchgeführt werden. Es bleibt abzuwarten, ob sich in Zukunft, durch den Mehrgewinn an Informationen, diese Methode in der FAI-Diagnostik etablieren wird. Die präoperative Planung der Resektion des Pfannenrandes beim Pincer-Impingement und der Resektionstiefe zur Kopf-Schenkelhals-Rekonturierung bei dem Cam-Impingement erfolgt anhand

ry and osteoarthritis outcome score (HOOS), the Western Ontario and McMasters University (WOMAC) osteoarthritis index and the University of California Los Angeles (UCLA) activity score, as well as alpha angle correction. This technique which is poorly represented in the literature can be used as a treatment option for FAI. The rehabilitation program is comparable to hip arthroscopy. Keywords Arthroscopic assisted mini-open approach · Hip arthrotomy · Hip arthroscopy · Surgical hip dislocation

konventioneller Röntgenbilder und sollte immer durchgeführt werden (. Infobox 1).

Operative Therapieoptionen Es gibt verschiedene operative Techniken zur Behandlung einer FAI. Eine Entscheidungshilfe, welche Technik bei welcher Pathologie und Ausprägung angewandt werden kann, wird in . Tab. 1 gezeigt. Das versorgende Zentrum sollte die folgenden drei aufgeführten Techniken beherrschen, um den Patienten die bestmögliche Therapie anzubieten.

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Leitthema vität aufgenommen werden. Eine Metallentfernung kann bei Trochanterreizung notwendig sein. Es zeigen sich gute Ergebnisse in Hinblick auf das klinische Outcome der Patienten [3, 4, 7, 18]. Verglichen mit der Arthroskopie ist auch die Behandlung großer Pathologien, wie z. B. dem GlobalPincer oder Rekonstruktionen des Labrums mittels Traktusstreifen oder Hamstring-Sehnen, durchführbar [6]. In Hinblick auf die Versorgung von Profisportlern ist die längere Nachbehandlung und eine eventuelle Metallentfernung für den Patienten oft abschreckend und alternative, weniger invasive Verfahren werden bevorzugt.

Hüftarthroskopie

Abb. 4 8 a, c Zustand nach auswärtiger Hüftarthroskopie mit Hypokorrektur (α-Winkel 86°), roter Pfeil zeigt die Mulde im Schenkelhals-Bump. b, d Zustand nach Revision mit Rekonturierung des Schenkelhalses nach arthroskopisch assistierter Mini-open-Arthrotomie (α-Winkel 44°). In der gleichen Operation wurde auch der Pfannenrand getrimmt und das Labrum refixiert

Offene Luxation nach Ganz Diese Technik ist als erste in jüngerer Zeit zur Behandlung des FAI durch R. Ganz beschrieben worden [12]. In Seitenlage erfolgt ein ca. 20 cm langer Hautschnitt im Bereich des proximalen Femurs. Nach Längsspaltung des Traktus erfolgt die Darstellung der von proximal in den Trochanter einstrahlenden Glutealsehnen und der von distal einstrahlenden Anteile des M. vastus lateralis. Es wird nun eine triplanare Trochanterosteotomie vorgenommen, wobei der M. piriformis und die kleinen Außenrotatoren geschont werden. Anschließend erfolgt die Darstellung der ventralen Kapsel in Flexion, Außenrotation und Abduktion, um die Z-förmi-

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ge Kapsulotomie durchzuführen. Es kann nun nach Durchtrennen des Ligamentum capitis femoris der Kopf aus der Pfanne luxiert werden. Mit entsprechenden Schablonen kann die Schenkelhalsosteoplastik (SH-O) an dem luxierten Femurkopf erfolgen. Durch die gute Exposition ist eine 360°-Korrektur am Kopf-SchenkelhalsÜbergang möglich. Auch eine gezielte Labrum- und Knorpeltherapie kann in der offenen Einstellung erfolgen. Nach Reposition und Kapselverschluss, erfolgt die Refixation des Trochanterfragmentes mittels zweier Schrauben. Die Patienten müssen in der Regel 6 Wochen mit Entlastung mobilisiert werden und haben eine Beugelimitierung bis 70°. In der Regel kann nach 3 Monaten wieder sportliche Akti-

In den letzten Jahren hat sich die Hüftarthroskopie stetig weiterentwickelt und ist unter anderem durch die Verbesserung des Instrumentariums und die Erfahrung der Operateure zum Standardverfahren der Behandlung des FAI geworden. Es gibt zwei Lagerungsarten, Rückenund Seitenlagerung, wobei bei beiden das zu operierende Bein beweglich sein und Traktion angelegt werden muss. Über Traktion an dem zu operierenden Bein erfolgt die Anlage der Portale, um das zentrale Kompartiment darzustellen. Standardportale für das Arbeiten im zentralen Gelenkkompartiment sind das anterolaterale, das posterolateral und das anteriore Portal. Zur Labrumrekonstruktion kann noch zusätzlich das „tiefe anteriore“ Portal angelegt werden. Das periphere Kompartiment zur Cam-Resektion wird dann mit Flexion des Beines und Nachlassen der Traktion dargestellt. Die benötigten Portale hierfür sind das anterolaterale, das anteriore und das ventrolaterale Portal. Weitere Portale können angelegt werden, um die Erreichbarkeit zu erweitern. Da die Hüftarthroskopie aufgrund der tiefe des Gelenks und der limitierten Bewegung der Instrumente vergleichbar schwierig ist, verglichen mit der Arthroskopie anderer Gelenke wie z. B. Knie oder Schulter, ist die Lernkurve entsprechend flach. Es konnte gezeigt werden, dass das klinische Ergebnis sehr von der Erfahrung des Operateurs abhängt. Die Tendenz zur Hypokorrektur und so-

Tab. 1  Algorithmus zur Entscheidungsfindung bei der FAI-Behandlung nach Ribas und Marin-Peña. (Nach [21]) Behandlung Arthroskopie

α-Winkel

[Femoroacetabular impingement in athletes: pathology, diagnostics and operative therapy options].

Femoroacetabular impingement (FAI) and its therapy has gained importance in the last decade and several studies could show that if untreated it may le...
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