Kasuistik

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Familie mit ausgeprägter Hyperferritinämie als Folge einer Hämochromatose Typ 4 (Ferroportin-Krankheit) Family with Marked Hyperferritinemia as a Result of Hemochromatosis Type 4 (Ferroportin Disease) Autoren

K. Muehlenberg1, N. Faltermeier1, P. Lohse2, A. Tannapfel3, O. Pech1

Institute

1

3

Schlüsselwörter

Zusammenfassung

Abstract

"

!

!

Eiseneinlagerungen mit Signalminderung in der T2-Wichtung der Kernspintomografie von Leber, Milz, Nebennieren und Hypophyse führten in Verbindung mit einem extrem hohen Ferritin von 9859 ng/mL und einer positiven Familienanamnese einer Hyperferritinämie zur Diagnose der seltenen Hämochromatose Typ 4 (synonym: Ferroportin-Krankheit) bei einem 62-jährigen Patienten. Die autosomal-dominate Erkrankung ließ sich durch die Untersuchung des SLC40A1-Genes sichern. Histologisch lag bereits eine Leberzirrhose vor. Diese war weder bei zwei etwa gleich alten Cousinen (Ferritin um 4750 ng/mL, Transferrinsättigung normal) noch bei der 82-jährigen Mutter (Ferritin 7860 ng/dL, Transferrinsättigung 58 %) nachweisbar. Der Hämochromatose Typ 4 mit weltweit weniger als 200 beschriebenen Fällen liegt eine Störung im Hepcidin-Ferroportinstoffwechsel zugrunde, das den Eisenexport aus der Zelle reguliert. Ein hepatozelluläres Karzinom kann auch ohne zirrhotischen Umbau vorkommen. Daher ist eine Überwachung dieser Patienten erforderlich. Therapie sind Aderlässe, alternativ Chelatpräparate (Deferoxamin, Deferasirox), falls sich eine Anämie entwickelt.

Iron overload in MR-imaging with decreased signal intensity in T2 weighting of liver, spleen, adrenal gland and pituitary gland in combination with an extremely elevated ferritin level of 9859 ng/mL and a positive family history of hyperferritinaemia led to the diagnosis of the rare hemochromatosis type 4 (synonym: ferroportin disease) in the case of a 62-year-old patient. The autosomal dominant disease was confirmed by analysis of the SLC40A1-gene. Histologically, a liver cirrhosis was detected. This was neither detectable in the case of the two similarly aged cousins (ferritin about 4750 ng/mL, transferrin saturation normal), nor in the case of the 82-year-old mother (ferritin 7860 ng/dL, transferrin saturation 58 %). Hemochromatosis type 4 with worldwide less than 200 described cases is caused by a disorder of the hepcidin ferroportin metabolism, which regulates the iron export from the cells. A hepatocellular carcinoma may occur even without cirrhosis. Therefore, surveillance of these patients is necessary. Treatment options are therapeutic phlebotomies and alternatively iron-chelating drugs (Deferoxamin, Deferasirox) if the patient develops anaemia.

Einleitung

detektieren, die beweisend für eine Hämochromatose Typ 1 ist. Seltener ist eine aus den heterozygoten Mutationen p.C282Y und p.H63 D bestehender, sogenannt zusammengesetzt heterozygoter („compound heterozygous“) Trägerstatus die Ursache der Erkrankung [2]. Die juvenilen Typen 2 und 3 sind dagegen extrem selten und führen bereits im jungen Lebensalter zu Organschäden. Tritt in allen Generationen einer Familie eine Hyperferritinämie ohne schwere Organschäden auf, ist dies verdächtig auf eine Hämochromatose Typ 4 (Ferroportin-Erkrankung) [3].

● Hämochromatose Typ 4 ● Hyperferritinämie ● Kernspintomografie ● SLC40A1-Gen ● Mutation " " " "

Key words

● haemochromatosis type 4 ● hyperferritinaemia ● magnetic resonance imaging ● SLC40A1 gene ● mutation " " " " "

eingereicht 11.3.2014 akzeptiert 24.6.2014 Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0034-1366809 Z Gastroenterol 2014; 52: 1075–1080 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0044-2771 Korrespondenzadresse Dr. Klaus Muehlenberg Klinik für Gastroenterologie und interventionelle Endoskopie, Krankenhaus Barmherzige Brüder Prüfeninger Str 86 93049 Regensburg klaus. [email protected]

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Die Hämochromatose ist eine der häufigsten genetisch bedingten Stoffwechselerkrankungen [1]. Meist wird die Diagnose durch das Zusammentreffen von Lebererkrankung, Diabetes mellitus, Gelenkbeschwerden, Kardiomyopathie und Hypogonadismus sowie erhöhten Werten des Serumferritins und der Transferrinsättigung gestellt. In der Familienanamnese kann man bisweilen weitere Betroffene finden. Molekulargenetisch lässt sich in etwa 90 % der Fälle eine Homozygotie für die von Exon 4 des HFE-Gens kodierte p.C282Y-Mutation

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Klinik für Gastroenterologie und interventionelle Endoskopie, Akademisches Lehrkrankenhaus Universität Regensburg, Krankenhaus Barmherzige Brüder, Regensburg Institut für Laboratoriumsmedizin und Molekulargenetik, Singen Ruhr-Universität Bochum, Institut für Pathologie, Bochum

Kasuistik

Eisenparameter erhöht

Diabetes

57 Jahre Ferritin 4732 Transferrinsättigung 31% H63D heterozygot kein Gentest auf SCL40A1

Apoplex

Ferritin 5000 Transferrinsättigung 58% SCL40A1 heterozygot

62 Jahre Ferritin 9859 Transferrinsättigung 51% Leberzirrhose Diabetes mellitus SCL40A1 heterozygot H63D heterozygot

62 Jahre Ferritin 4822 Transferrinsättigung? kein Gentest

20 Jahre Ferritin grenzwertig erhöht Abb. 1 kannt.

gesund

13 Jahre gesund

Stammbaum des Patienten. ↗ = Indexpatient. Bei fünf Verwandten in 3 Generationen sind erhöhte Eisenparameter oder sehr hohe Ferritinwerte be-

Fallbericht !

Der 62-jährige Patient erhielt wegen Lumbago eine Kernspintomografie. Diese wies degenerative Wirbelsäulenveränderungen " Abb. 2) eine ausgeprägte Hypoinsowie in der T2-Wichtung (● tensität des Knochenmarks auf. Die Vorstellung bei einem Hämatoonkologen unter dem Verdacht einer Infiltration des Knochenmarks durch ein Plasmozytom, einer Leukämie oder eines Prostatakarzinoms ergab diesbezüglich Normalbefunde. Der ansonsten beschwerdefreie Patient hatte als auffällige Laborwerte eine Gamma-Glutamyl-Transferase von 69 U/l, eine diskrete Thrombopenie von 149/nl sowie ein Ferritin von 9859 ng/ml bei einer Transferrinsättigung von 51 % (normal < 49 %). Mit diesen Befunden erschien der Patient in unserer Lebersprechstunde. Anamnestisch bestanden seit 15 Jahren eine arterielle Hypertonie und ein Diabetes mellitus, der seit 12 Monaten insulinabhängig und mit einem HbA1c von 6,1 % optimal behandelt ist. In der leiblichen Familie sei eine Vielzahl der Angehörigen, die von den Hugenotten abstammen, an einer „Eisenstoffwechselstörung“ erkrankt. Bei der körperlichen Untersuchung unseres normgewichtigen Patienten fielen ein derber linker Leberlappen und eine gelbbräunlich imponierende Haut bei normalem Ernährungszustand auf. Sonografie und Duplexsonografie ergaben die Befunde einer Leber mit feinhöckeriger Oberfläche und eines großen linken Leberlappens, die zu dem Tastbefund einer Zirrhose passten. Erhöhter Alkoholkonsum lag nicht vor. Blutbild, Transaminasen, Autoimmunparameter (ANA, AMA, SMA, LKM, SLA, IgA, IgG, IgM), Gliadin- und Transglutaminaseantikörper, Hepatitisserologie (HBsAG, AntiHBc, HCV-Antikörper), Elektrophorese, Coeruloplasmin im Serum, Kupfer im 24 h-Urin waren normwertig. Eindrucksvolle Veränderungen wiesen die kernspintomografischen Bilder auf. Hypointens („schwarz“) in der T2-Wichtung als Ausdruck einer Eiseneinlagerung waren nicht nur das Knochenmark

Abb. 2 Kernspintomografie Wirbelsäule. In der koronaren fettgesättigten T2-gewichteten IR-Sequenz (TR 3900 ms, TE 32 ms, IR 160 ms) zeigt sich das Knochenmark infolge von Eiseneinlagerungen signalgemindert.

" Abb. 2), sondern auch Leber, Milz (nicht typisch für eine Hä(● " Abb. 3), Nebennieren und Hypophyse mochromatose Typ 1, ● " Abb. 4). Unauffällig präsentierten sich Pankreas, Nieren und (● Hoden. In molekulargenetischen Untersuchungen des HFE-Gens konnten die p.C282Y-Substitution nicht und der p.H63D-Austausch nur in heterozygoter Form nachgewiesen werden.

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Abb. 3 Kernspintomografie Abdomen. In der transversalen T2-gewichteten Turbospinechosequenz (TR 1800 ms, TE 106 ms) weisen Leber, Milz und Nebennieren als Ausdruck der Eiseneinlagerungen eine eindrucksvolle Signalabsenkung („schwarz“) auf. Pankreas, Nieren und Hoden zeigen keine Signalabsenkung.

Abb. 5 Leberhistologie. Hämatoxylin-Eosin (HE), Maßstab im Bild: vollständiger zirrhotischer Umbau der Leber mit Regeneratknoten und Leberzellverfettung. Innerhalb der Fibrosesepten finden sich Gallengangsproliferate und ektatische Gefäße.

Abb. 6 Relativ inhomogen verteilte gemischttropfige Leberzellverfettung in 2 Regeneratknoten (HE Färbung, höhere Auslösung).

Abb. 4 Kernspintomografie Kopf. In der sagittalen T2-gewichteten Turbospinechosequenz (TR 4130 ms, TE 108 ms) des Schädels zeigt sich eine deutliche Signalminderung der Hypophyse (vermehrte Eisenablagerung).

Aufgrund des sehr hohen Ferritinwertes und der fast normalen " Abb. 1) erTransferrinsättigung sowie der Familienanamnese (● folgte zunächst die genetische Untersuchung auf eine autosomal dominant vererbte Hyperferritinämie. Eine Mutation war in der kodierenden Region des Ferritin-Leichte-Kette (FTL)-Gens jedoch nicht nachweisbar. Im nächsten Schritt wurde das für das Protein Ferroportin kodierende SLC40A1-Gen unter dem Verdacht einer ebenfalls autosomal dominant vererbten Hämochromatose Typ 4 untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass der Patient heterozygoter Träger einer Asparaginsäure 157 (GAT). Alanin (GCT)-/p.Asp157Ala-/D157A-Substitution ist, die von Exon 5 des SLCA40A1-Gens kodiert wird. Die Leberbiopsie erbrachte eine deutliche Siderose mit Eisen in den Kupffer‘schen

Sternzellen, in den Gallengängen und auch in den Hepatozyten. Der bei der körperlichen Untersuchung am deutlichsten fassbare Befund der Leberzirrhose (Fibrose F4, Skala 0 – 4) wurde bestä" Abb. 5 – 8). Zudem bestand eine leichte Leberzellverfettigt (● tung von 15 % der Hepatozyten bei laborchemisch normalen Serum-Cholesterin- und -Triglyzeridwerten. Echokardiografisch war eine Linksherzhypertrophie infolge einer arteriellen Hypertonie darstellbar. Die hypophysären, gonadotropen und Nebennierenhormone waren normwertig. Eine Aderlasstherapie (alle 2 Wochen 500 ml) wurde initiiert. Eine Überwachung zur frühzeitigen Detektion von Komplikationen, insbesondere der Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms, ist vorgesehen. Die Mutter des Patienten hatte keine Beschwerden, keinen Diabetes mellitus, jedoch ebenfalls ein hohes Ferritin von 7860 ng/ml. Kernspintomografisch waren wie bei ihrem Sohn markante Eiseneinlagerungen (T2-Wichtung „schwarze Intenisitäten“) in Knochenmark, Leber, Milz und Nebennieren nachweisbar. Transaminasen, Gamma-GlutamylTransferase, Blutbild und Elektrophorese waren normal. Die

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Diskussion !

Abb. 7 Berliner-Blau-Färbung zur Darstellung des Eisen innerhalb der Hepatozyten und Gallengangsepithelien sowie der Kupferzellen (blaue Ablagerungen).

Abb. 8 Berliner-Blau-Färbung. Hier wird die Leberzellverfettung (weiße „Tropfen“) deutlich. Eisen im Lebergewebe: 13 277 (normal 530 – 900) µg/g.

Transferrinsättigung betrug 58 %. Genetisch haben wir die gleiche SLCA40A1-Mutation in heterozygoter Form nachweisen können. Die Recherche nach Befunden der weit entfernt lebenden 62-jährigen Cousine ergab die Diagnose einer nicht klassifizierten Hämochromatose mit einem Ferritinwert von 4822 ng/ml und einer histologisch leichtgradigen Leberfibrose. Bei ihr wurde die Transferrinsättigung nicht bestimmt. Eine Aderlassbehandlung führte rasch zu einer symptomatischen Anämie und wurde beendet. Passager wurde eine Chelattherapie mit einer Deferoxamindauerpumpe versucht. Aktuell wird eine orale Behandlung mit Deferasirox (Exjade®) durchgeführt. Folge ist ein Abfall des Ferritinserumspiegels auf 2050 ng/ml in 12 Monaten. Die zweite, 5 Jahre jüngere Cousine wies eine Transferrinsättigung von 31 % und ein Ferritin von 4732 ng/ml auf und wird seit 3 Monaten mit Aderlässen behandelt. Ihre Leberwerte sind normal. Sonografisch ist eine Leberverfettung beschrieben. Eine genetische Untersuchung existiert von den Cousinen nur bei der Jüngeren im HFE-Gen mit einer p.H63D-Mutation in heterozygoter Form, wie beim Indexpatienten.

Wir berichten erstmals über mehrere deutsche Patienten mit einer klinisch, laborchemisch und genetisch nachgewiesenen Hämochromatose Typ 4 [3, 4]. Extrem hohe Ferritinwerte bis fast 10 000 ng/ml, eine minimal erhöhte Transferrinsättigung und die eindrucksvolle Familienanamnese ließen zunächst an die Differenzialdiagnose einer autosomal-dominanten Hyperferritinämie infolge einer FTL-Mutation denken. Die meisten anderen Ursachen für exzessiv erhöhte Serrumferritinspiegel wie die autosomal rezessiv vererbten hämophagozytische Lymphohistiozytosen Typ 2 – 5, ein Morbus Still, eine Tuberkulose, die Acoeruloplasminämie und das Hyperferritin-Katarakt-Syndrom schieden wegen des Erbgangs oder aufgrund fehlender Symptome aus [5, 6]. Diagnostisch richtungsweisend war die kernspintomografisch nachgewiesene Eisenüberladung mehrerer Organsysteme [7, 8]. Bei zwei Cousinen existierten bereits zuvor die Diagnosen einer Hämochromatose. Es überrascht, warum die Erkrankung des vorgestellten Patienten erst jetzt im Rahmen einer Kernspintomografie erkannt wurde und nicht durch die bereits vor fünf Jahren diagnostizierte Erkrankung einer nahen Familienangehörigen. Wir vermuten, dass die Kommunikation innerhalb einer Familie mit mehreren Generationen nicht ausreichte, über erbliche Erkrankungen zu sprechen, die eine frühere Detektion Betroffener und damit eine frühere Behandlung ermöglicht hätte. Die Weitergabe unserer Erkenntnisse an die behandelnden Ärzte der Cousinen ist aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht rechtlich problematisch. Hier sind die Patienten eingehend zu instruieren, ihre Familienangehörige zu einer möglichen vererbten und behandelbaren Erkrankung zu informieren. Eine humangenetische Beratung ist essenziell für eine umfassende Aufklärung. Aufgrund der eindrucksvollen Eiseneinlagerungen in der Kernspintomografie stellt sich die Frage, ob die Erkrankung hierdurch sicher zu diagnostizieren ist [9, 10]. Wenn Multitransfusionen in der Vorgeschichte fehlen, ist die Ursache solcher Hypointensitäten in der T2-Wichtung eine hereditäre Hämochromatose [8, 11]. Das Befallsmuster „Leber, Milz, Knochenmark“ passt aufgrund der Eisenablagerung im retikuloendothelialen System zur Hämochromatose Typ 4 [7]. Hierzu gibt es keine bekannte Differenzialdiagnose. Außerdem zeigte sich die Hypophyse in der Kernspintomografie hypointens, ein Befund, der bei verschiedenen Formen einer Hämochromatose zu finden ist [8]. In dieser Konstellation kann bei negativem HFE-Gentest die molekulargenetische Untersuchung des SLC40A1-Gens [12, 13] den Beweis einer Hämochromatose Typ 4 erbringen, von der bislang weltweit weniger als 200 Fälle [3] publiziert sind. Bei der Hämochromatose Typ 4 (synonym: Ferroportin-Krankheit) handelt es sich um die einzige autosomal-dominant vererbte Eisenspeicherkrankheit [3]. Der genetische Defekt liegt im Transportermolekül SLC40A1 oder Ferroportin. Ferroportin ist ein membranständiges Protein, das Eisen aus der Zelle in das Blut transportiert. Es wird durch das Hormon Hepcidin negativ reguliert. Die klinisch heterogene Erkrankung wird in 2 Subtypen eingeteilt, die Ferroportin-Erkrankung Typ A, die meist ohne Organschäden und ohne Komplikationen verläuft, sowie den selteneren Typ B, der klinisch der klassischen HFE-Hämochromatose nahe kommt. Bei der Form A sind die Ferroportinmutanten nicht in der Lage, Eisen aus der Zelle zu exportieren. Dadurch kommt es zur Anhäufung von Eisen im retikuloendothelialen Systen, v. a. den Makrophagen der Milz, der Leber (Kupfferzellen) und des Knochenmarks mit verringerter Verfüg-

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Typ

betroffenes Gen/

den? Alter? Grad der Leber- oder anderer Organschädigung?) der Typ 4 der Eisenspeicherkrankheit behandelt werden muss. Trotz der ebenfalls eindrucksvollen Eisenspeicherungen in Hypophyse und Knochenmark sind deren laborchemisch fassbare Funktionen normal. Unser 62-jähriger Patient hat einen Diabetes melltitus. Dies ist bei der Hämochromatose Typ 4 selten [16].

Schlussfolgerung !

Hohe Ferritinwerte, eine fast normale Transferrinsättigung und ein Stammbaum mit „Eisenerkrankungen“ in jeder Generation führen bei unauffälligem HFE-Gentest zur Differenzialdiagnose einer Ferroportin-Erkrankung (Hämochromatose Typ 4) [17, 18]. Im Gegensatz zu allen anderen hereditären Hämochromatosen (Typ 1, 2A, 2B und 3) wird diese autosomal-dominant vererbt " Tab. 1) [1, 16]. Allerdings kommt es nur bei einem Teil der Pa(● tienten zu einer Eisenakkumulation im Parenchym der Organe. Bei den meisten Betroffenen erfolgt die Eisenspeicherung vornehmlich in den retikuloendothelialen Zellen (Kupfferzellsiderose) [16]. Dies führt in der Regel nicht zu einer Leberzirrhose. Wie bei der Hämochromatose Typ 1 infolge von HFE-Genmutationen sind typische Symptome wie Gelenkbeschwerden, eine Leberfibrose, ein Diabetes mellitus, eine Impotenz und eine Kardiomyopathie meist erst nach dem 30. Lebensjahr apparent [1]. Therapie jeder Form der Hämochromatose ist die Entfernung des überschüssigen Eisens durch eine Aderlasstherapie. Ziel ist es, einen Serum-Ferritinspiegel unter 50 ng/ml zu erreichen. Es bedarf dazu einer Therapiedauer von mehr als einem bis zu 3 Jahren, bis dieser Wert erreicht ist. Die sich anschließende Erhaltungstherapie, etwa ein Aderlass alle 3 Monate, ist lebenslang notwendig, um den Zielwert Ferritin unter 50 ng/ml zu erhalten [1, 2, 6, 17]. Eine Aderlasstherapie wird von manchen Patienten mit dem Typ A der Hämochromatose Typ 4 jedoch nicht toleriert, da sich eine Anämie ausbilden kann, während dieses Problem beim Typ B der Ferroportinkrankheit nicht auftritt. Die Chelattherapie (mit Deferasirox oder Deferoxamin) ist eine Alternative bei Unverträglichkeit der Aderlassbehandlung [6] oder schlechten Venenverhältnissen. Der Langzeitverlauf von 70 publizierten Patienten

Vererbungsmodus

Vorkommen

klinisches Bild

Protein 1

HFE

autosomal-rezessiv

adulte Form, sehr häufig

Leberwerterhöhung, Arthropathie, Diabetes mellitus, Hypogonadismus, Kardiomyopathie, Bronze-Diabetes

2A

HFE2/Hemojuvelin

autosomal-rezessiv

juvenile Form, extrem selten

Symptome < 30. Lebensjahr. häufig: Kardiomyopathie und Hypogonadismus

2B

HAMP/Hepcidin

autosomal-rezessiv

juvenile Form, extrem selten

wie Typ 2 A

3

TFR2/Transferrinrezeptor 2

autosomal-rezessiv

adulte Form, sehr selten (v. a. Italien, Japan)

ähnliche Symptome wie Typ 1 (HFE)

4A

SLC40A1/Ferroportin 1

autosomal-dominant

adulte Form, sehr selten

häufig milder Verlauf, Leberzirrhose und Diabetes selten, Aderlasstherapie kann zur Anämie führen

4B

SLC40A1/Ferroportin 1

autosomal-dominant

adulte Form, seltener als Typ 4 A

Pänotyp häufiger wie Typ 1 (HFE)

Tab. 1 Übersicht über Heterogenität der genetischen Hämochromatosetypen.

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barkeit von Eisen für das zirkulierende Transferrin. Es resultieren eine niedrige Serum-Transferrinsättigung und ein hohes Serum-Ferritin. Die Ferroportin-Mutationen des Typ B führen zu gesteigerter Funktion des Proteins mit voller Eisenexportkapazität und Unempfindlichkeit gegenüber der herabregulierenden Funktion des Hepcidins (Hepcidinresistenz). Nahrungseisen wird trotz gefüllter Speicher unreguliert aufgenommen. Transferrinsättigung und Serum-Ferritin sind hierbei erhöht. Dadurch entsteht eine Erkrankung ähnlich der Hämochromatose-Formen 1, 2 und 3 mit Hepcidinmangel. Eine Siderose ist auch in den Hepatozyten nachweisbar. Klinisch wurden bei 70 Betroffenen mit Hämochromatose Typ 4 folgende Symptome und Befunde beschrieben [16]: Schwäche 24 %, milde Hyperpigmentierung 10 %, Gelenkschmerzen 16 %, Hepatomegalie ohne weitere Zeichen einer chronischen Lebererkrankung 6 %. Die übrigen 55 % wiesen einen unauffälligen klinischen Untersuchungsbefund auf. Dass der vorgestellte Patient mit 62 Jahren eine Leberzirrhose hat, ist eine für die Hämochromatose Typ 4 ungewöhnliche Komplikation [14, 15]. Ein hepatotoxischer Kofaktor ließ sich jedoch weder anamnestisch, noch laborchemisch eruieren. Zu diskutieren ist aufgrund der Leberhistologie mit Verfettung und aufgrund des Fibrosierungsmusters eine Fettlebererkrankung (NAFLD, NASH), die jetzt nicht mehr sehr ausgedehnt zu sein scheint. Die Ähnlichkeit mit einer HFE-Hämochromatose könnte durch Hepcidin-resistente Ferroportin-Mutationen bei einem Typ B bedingt sein [3], da Eisen auch in den Hepatozyten abgelagert ist. Damit wäre die bereits vorliegende Leberzirrhose erklärt. Zu erwarten wäre beim Indexpatienten eine hohe Transferrinsättigung. Die nur gering erhöhte Transferrinsättigung (52 %) passt jedoch zum Typ A. Eine Anämie infolge der Aderlasstherapie bei der älteren Cousine, von der bislang kein Gentest vorliegt, deutet auf den Typ A der Ferroportinkrankheit hin. Warum die 82-jährige Mutter mit ebenfalls sehr hohem Ferritin und höherer Transferrinsättigung (58 %) keine Zirrhosezeichen aufweist, bleibt offen. Bei fehlenden klinische Symptomen einer Hämochromatose der rüstigen älteren Dame haben wir weder eine Leberbiopsie vorgenommen, noch halten wir eine Therapie für erforderlich. Hier stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen (Beschwer-

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mit einer Ferroportinerkrankung weist für die meisten Patienten eine gute Prognose auf, solange keine hepatotoxischen Kofaktoren vorliegen [16, 19]. Zur Behandlung der HFE-Hämochromatose gibt es klare Empfehlungen [1, 2, 17], nicht jedoch für die weniger als 200 publizierten Fälle des vorgestellten Typ 4. Die Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms ist auch ohne Vorliegen einer Zirrhose beschrieben [14, 15]. Bei Patienten mit Hämochromatose Typ 4 sollte alle 6 Monate eine Sonografie der Leber durchgeführt werden.

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