Neurochirurgia 20 (1977), 48-55 © Georg Thieme Verlag Stuttgart

Externe Ventrikeldrainage — ein neuer Aspekt zur operativen Behandlung des Schädeihirntraumas L. Auer, R. Oberbauer, H. Tritthart

Zusammenfassung Die externe Liquordrainage beim schweren Schädelhirntrauma bewährt sich nicht nur zur konservativen Ödemtherapie für Liquorentnahme und Wirkungskontrolle von Osmo-Onko-Therapie, Corticosteroiden und Aldosteron-Antagonisten. Sie ermöglicht auch, bei erhöhtem intrakraniellem Druck mit akutem, durch Uncusherniation verursachtem Mittelhirnsyndrom, die Indikation zur bitemporalen Entlastungstrepanation zu stellen. Durch kontinuierliche Überwachung des intrakraniellen Drucks erreicht man rechtzeitiges Eingreifen und es wird verhindert, daß man zu spät operiert, nämlich erst zu einem Zeitpunkt, da manifeste neurologische Zeichen bereits Ausdruck der zerebralen Dekompensation sind. Deuten bereits Plateauwellen über 50 mm Hg dieses herannahende Ereignis an und versagen konservative Maßnahmen, ist die bitemporale Entlastungstrepanation durchzuführen: Dadurch wird der intrakranielle Druck gesenkt und der rostrale Hirnstamm aus der Einklemmung befreit; auch werden zerebrale Durchblutung und Metabolismus verbessert.

Summary External Ventricular Drainage — A new Aspect in the Operative Treatment of Head Injury It is not only for CSF-removal in conservative treatment of oedema and control of the effectiveness of osmo-onco-therapy, contricosteroids, anticholinergics and aldosterone-antagonists, that external CSF drainage in severe cerebral trauma has proved of value. It has also made it possible to assess objectively the indications for bitemporal craniotomy in raised intracranial pressure with an acute midbrain syndrome caused by tentorial herniation. Continuous monitoring of ICP permits an intervention at the right time and prevents one from

operating too late, namely at a moment, when manifest neurological signs already indicate cerebral decompensation. With plateau waves over 50 mm Hg announcing this imminent event and conservative steps failing, a bitemporal craniectomy is indicated: in this way we lower intracranial pressure, liberate the rostral brain stem out of its strangulation and improve cerebral perfusion and metabolism. Key-words: External CSF-drainage - Bitemporal craniectomy - Craniocerebral trauma.

Einleitung Der umstrittenste Bereich der N e u r o t r a u matologie v o m S t a n d p u n k t der operativen B e h a n d l u n g ist zweifelsohne das s c h w e r e gedeckte S c h ä d e l h i r n t r a u m a (7, 9, 21). Aus verschiedenen Methoden dekomprimierender O p e r a t i o n e n h a t sich die b i t e m p o r a l e Entlastungstrepanation als effektivste u n d rationellste M e t h o d e herauskristallisiert: W i e bek a n n t , sollen d u r c h beiderseits t e m p o r a l angelegte K n o c h e n l ü c k e n v o n mindestens T a s c h e n u h r g r ö ß e angeschwollene T e m p o r a l p o l e über den n o r m a l e r w e i s e b e s t e h e n d e n R a u m hin ausladen k ö n n e n u n d somit das M i t t e l hirn aus der Z a n g e befreien (9, 10, 1 1 , 12, 13, 19). Einen strittigen P u n k t an diesem Eingriff stellte sicher die T a t s a c h e dar, d a ß zur Anzeigestellung nicht d e r a r t eindeutige S y m p t o me zur Verfügung stehen, wie sie für den überwiegenden Teil aller chirurgischen M a ß n a h m e n gefordert sind (10). Die neurologischen Zeichen lassen keine Differntialdiagnose zwischen ö d e m b e d i n g t e m a k u t e m Mittel-

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Universitätklinik für Neurochirurgie Graz (Vorstand: Univ.-Prof. Dr. F. Heppner)

hirnsyndrom einerseits und primärer Stammhirnläsion andererseits zu.

Methodik Da sich der objektive Hinweis auf erhöhten Hirndruck allein aus der Messung des intrakraniellen Drucks ergibt, implantieren wir in den ersten Stunden nach schwerem Schädelhirntrauma mit Verdacht auf ödembedingte supratentorielle Raumnot ein externes Liquordrainagesystem. Dieses hat sich in den letzten Jahren zur konservativen Behandlung bewährt (13, 14, 18, 21) und leistet auch bei der Indikationsstellung zu operativem Vorgehen gute Dienste. Neben direkter Hirndrucksenkung durch Liquorentnahme bietet es die Möglichkeit, konservative Therapieversuche wie Beatmung, Osmo-Onko-Therapie, Gabe von Corticosteroiden oder Aldosteron-Antagonisten auf ihre Wirkung zu prüfen (7, 16, 17, 21). Besonders beim sehr rasch entstehenden, diffusen, von Kontusionsherden unabhängigen Hirnödem bleiben aber solche Versuche oft erfolglos. Nähert sich dann der intrakranielle Druck dem arteriellen Blutdruck, so setzt nicht selten der Kompensationsmechanismus zur Erhaltung des für die normale Funktion des Zentralnervensystems nötigen Perfusionsdrucks aus. Für derart dekompensierte Erhöhung des intrakraniellen Drucks kommt meist jede Hilfe zu spät (17). Deshalb führen wir die entlastende Operation schon dann durch, wenn sich erste Anzeichen der Dekompensation, nämlich Plateauwellen über 50 mm Hg einstellen. Bei nicht oder gering kontusionierten Temporalpolen wird durch Kontrolle des intrakraniellen Drucks entschieden, ob die Resektion von diffus geschwollenem Hirngewebe nötig ist oder nicht. Das Drainagesystem, durch ein frontales Bohrloch eingesetzt, entspricht im Prinzip dem Vorschlag von Lundberg et al. (16). Es besteht aus einer Kunststoffkanüle und läßt 4 Neurochirurgia 20,2

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sich über geschlossenes Ableitungssystem und Drucktransducer an Druckmeß- und Schreibgerät koppeln. Über den ersten Dreiweghahn, direkt an die Ventrikelkanüle anschließend, steht ein direkter, natürlich nur unter sterilsten Bedingungen zu gebrauchender Weg in das Ventrikelsystem zur Verfügung. Der zweite führt in das mit einer Meßskala versehene Überlaufgefäß zur temporären oder kontinuierlichen Liquorableitung und zum Meß- und Registriergerät (Hellige-Elektromanometer und Cassett-Schreiber). Wir belassen diese externe Ventrikeldrainage maximal 10 Tage. Zweimal wöchentlich werden Liquorantibiogramme erstellt. Während der Drainage erfolgt prophylaktisch antibiotische Behandlung. Von bisher 32 Patienten war der Drainageversuch einmal wegen spaltenförmig verengter Seitenventrikel fehlgeschlagen. Infektionen, durch das Ableitungssystem verursacht, traten nie auf.

Fallbericht 1 Abb. 1 zeigt die Druckverlaufskurve von einem 16jährigen Patienten mit schwerem geschlossenen Schädelhirntrauma durch Mopedunfall. Einige Stunden nach dem Trauma wurde eine externe Liquorableitung in den rechten Seitenventrikel gelegt, der Druck kontinuierlich gemessen: In den ersten beiden Tagen blieb der Ventrikeldruck bei dem komatösen, aber vegetativ stabilen Patienten mäßig erhöht bis 35 mm Hg. Am 3. Tag stieg er trotz üblicher konservativer Behandlung mit Mannit 10 %, Cortison, Spironolacton und Entnahme von 3 ml Liquor bis 55 mm Hg an. Zeichen des akuten Mittelhirnsyndroms wie wälzende Massenbewegungen, beginnende Streckkrämpfe, Pulsund Blutdruckanstieg, Hyperpyrexie und hochrotes Gesicht hatten sich entwickelt. Die zu diesem Zeitpunkt durchgeführte bitemporale Entlastungstrepanation (OP.) vermochte den angeschwollenen Temporallappen genügend Raum zu geben, den Hirndruck auf unter 10 mm Hg zu senken und auf Dauer unter 20 mm Hg zu halten. Der Patient konnte nach zweiwöchiger Intensivpflege im Vollbild des traumatischen apallischen Syndroms (6) in eine Rehabilitationsanstalt weitergegeben werden und war nach weiteren 4 Wochen voll rehabilitiert und arbeitsfähig.

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Externe Ventrikeldrainage - ein neuer Aspekt zur op. Behandlung d. Schädelhirntraumas

L. Auer, R. Oberbauer, H. Trittbart

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[External ventricular drainage--a new aspect in the operative treatment of head injury (author's transl)].

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