Kasuistiken M. Dreher1 · A. Grawe1 · D. Albert2 · G. Beck2 · M. Ferrari1

Med Klin Intensivmed Notfmed DOI 10.1007/s00063-015-0049-4 Eingegangen: 17. Februar 2015 Überarbeitet: 20. April 2015 Angenommen: 28. April 2015

1 Klinik für Innere Medizin I, Kardiologie, konservative Intensivmedizin, Angiologie,

HSK, Dr. Horst Schmidt Kliniken GmbH – Städtisches Klinikum der Landeshauptstadt Wiesbaden und der Helios-Kliniken GmbH, Wiesbaden, Deutschland 2 Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, HSK, Dr. Horst Schmidt Kliniken GmbH – Städtisches Klinikum der Landeshauptstadt Wiesbaden und der Helios-Kliniken GmbH, Wiesbaden, Deutschland

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 Redaktion

R. Riessen, Tübingen

Komplexe Koronardissektion bei Contusio cordis nach Polytrauma Venoarterielle ECMO-unterstützte interventionelle Versorgung

Falldarstellung

bilem Zustand sowie mit einem Glasgow Coma Scale von 15. Anhand der durchgeführten Computertomographie wurde der Nachweis einer beiderseitigen Rippenserienfraktur, einer Fraktur des Manubrium sterni, einer rechtsseitigen Klavikulafraktur, einer rechtsseitigen vorderen und hinteren Beckenringfraktur, teilweise mit ausgesprengten Fragmenten sowie einer Fraktur-

Ein 54-jähriger Patient wurde über den Schockraum nach Motorradunfall mit schwerem Polytrauma aufgenommen. Nach stumpfem Anpralltrauma bei einer Geschwindigkeit von etwa 70 km/h erfolgte initial die notärztliche Versorgung des Patienten in hämodynamisch und respiratorisch sta-

einstrahlung in das Iliosakralgelenk, einer rechtsseitigen Os-sacrum-Fraktur, eines begleitenden Hämatoms im kleinen Becken rechts, einer beidseitig ausgedehnten Lungenkontusion, insbesondere in rechtem Ober- und Unterlappen, und einiger Pneumatozelen, insbesondere in rechtem Unterlappen geführt (.  Abb. 1). Es fanden sich keine Hinweise auf einen Hämatothorax,

Tab. 1  Verlauf der Labor- und Beatmungsparameter sowie der Parameter der extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) in den ersten 5

Behandlungstagen mit Bestätigung einer hämodynamischen Stabilisierung unter venoarterieller ECMO Tag Labordiagnostik Kreatinin; µmol/l Laktatdehydrogenase; LDH, µmol/(s l) Glutamat-Oxalacetat-Transaminase; GOT, nmol/(s l) Kreatinkinase; CK, nmol/(s l) C-reaktives Protein (CRP, mg/l) Prokalzitonin (PCT, ng/ml) Hämoglobin; Hb, mmol/l Beatmung (SIMV) Positiver endexspiratorischer Druck (PEEP, mbar) „Peak pressure“ (Ppeak, mbar) Inspiratorischern Sauerstoffanteil (FIO2, %) Medikation Noradrenalin (ml/h; 5 mg/50 ml) Venoarterielle ECMO Drehzahl (Umdrehungen/min) Fluss (l/min)

1

2

3

4

5

97 9 1433

159

. 230

5983

4600

256 12 5233

301 69 33200

9

44 11,68 4

98 90,34 5

126 80,1 5

248 88 46,92 6

10–12

10–20

18–20

15–20

17–20

22–40 0,5–1,0

23–37 0,6–1,0

25–33 0,8–1,0

20–29 0,75–0,8

22–29 0,6–0,75

10–200

20–140

4,5–12,5

4,5–6

4,4–5,5

3,8

3450–3745 4,0–4,5

3395 5,0–5,4

3395 5,3–5,5

3395 5,1–5,4

5

SIMV „synchronized intermittend mandatory ventilation“. Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin

1

Kasuistiken

Abb. 1 9 Ausgedehnte Lungenkontusion und Beckenringfraktur in der Trauma-Spiralcomputertomographie

Abb. 2 8 Funktioneller Verschluss des Ramus interventricularis anterior (RIVA) durch eine ausgedehnte proximale Dissektion. Nach komplexer Intervention zeigt sich eine regelrechte Reperfusion (TIMI III)

freie intraabdominelle Luft oder eine bedeutsame Verletzung der parenchymatösen Oberbauchorgane.

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Nachfolgend entwickelte der Patient eine hämodynamische Instabilität und wurde intubations- und passager reanima-

Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin

tionspflichtig. Bei Verdacht auf einen ursächlichen Spannungspneumothorax erfolgte die Anlage einer rechtsseitigen Thoraxsaugdrainage. Nach kurzzeitiger Rückkehr der spontanen Zirkulation (ROSC) zeigte sich trotz hochdosierter Katecholamingaben echokardiographisch transthorakal eine ausgeprägte Hypokinesie des linken Ventrikels mit anteroseptaler und anteroapikaler Akinesie. Ein bedeutsamer Perikarderguss kam nicht zur Darstellung. Aufgrund des Verdachts auf das Vorliegen einer funktionell bedeutsamen Contusio cordis wurde interdisziplinär die Entscheidung zur Anlage einer venoarteriellen extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) unter kardiopulamonaler Reanimation (CPR) gestellt. Die Kanülierung erfolgte linksseitig über die A. und V. femoralis. Die linksseitige A. femoralis superficialis wurde über einen Bypass auf eine distal der ECMO-Kanüle einliegende Schleuse zusätzlich antegrad perfundiert. Hierunter gelang die rasche hämodynamische Stabilisierung des Patienten. In der anschließend durchgeführten Koronarangiographie zeigte sich ein akuter nahezu vollständiger Verschluss des Ramus interventricularis anterior (RIVA) durch eine langstreckige Dissektion direkt ab Abgang aus dem linkskoronaren Hauptstamm. Die rechte Koronararterie (RCA) erschien unbeeinträchtigt. Die Au-

Zusammenfassung · Abstract toren entschieden sich aufgrund der eindeutigen morphologischen Ursache des kardiogenen Schocks zu einer perkutanen koronaren Intervention (PCI). Primär erfolgte die Gefäßsicherung mittels Führungsdrähten in RIVA und Ramus circumflexus (RCX). Nachfolgend gelang die Revaskularisation des RIVA durch 2-malige proximale Dehnung. Nach Stentimplantation bis an den RIVA-Abgang zeigte sich bereits eine gute Reperfusion bis in die Peripherie, jedoch eine residuelle Dissektion im distalen Hauptstamm der linken Koronararterie (LCA), sodass die Autoren sich zu einer weiteren Stentimplantation in diesem Gefäßabschnitt entschieden. Nach Optimieren des Hauptstamms in Kissing-Ballon-Technik am RIVA/ RCX-Abgang wurde abermals eine perisistierende kleine Dissektionsmembran im distalen Hauptstamm dokumentiert. Aufgrund dessen erfolgte die Entscheidung zu einer weiteren Stentimplantation am Übergang zwischen distalem Hauptstamm und proximalem RIVA. Nach nochmaliger Nachdilatation zeigte sich ein gutes Primärergebnis mit Nachweis eines TIMI-III-Flusses in allen Gefäßabschnitten (. Abb. 2). Unter der laufenden venoarteriellen ECMO entwickelte die arterielle Druckkurve nach koronarer Reperfusion bereits eine zunehmende Pulsatilität. Die postinterventionelle Versorgung erfolgte auf der Intensivstation, wo der Patient antibiotisch mittels Piperacillin/ Tazobactam behandelt wurde. Aufgrund multipler, insbesondere thorakaler Blutungen mussten zahlreiche Blutkonserven transfundiert werden. Wegen eines akuten Nierenversagens wurde eine Hämofiltration (CVVHDF) begonnen. Unter laufender venoarterieller ECMO kam es zu einer hämodynamischen Stabilisierung durch Besserung der linksventrikulären Kontraktilität. Echokardiographisch konnte eine deutliche Erholung der systolischen linksventrikulären Funktion nachgewiesen werden. Der Patient entwickelte jedoch ein schweres Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) mit einem Horowitz-Index

[Extended coronary dissection caused by severe polytrauma with contusio cordis : Venoarterial ECMO-assisted percutaneous coronary intervention].

Treatment of a patient with acute cardiac failure due to a contusio cordis after polytrauma by an interdisciplinary team is reported. Shortly after ad...
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