AKTUELLE MEDIZIN _ KRITISCH GELESEN
KRITISCH GELESEN
Prof. Dr. med. H. S. Füeßl
Prof. Dr. med. A. Wirth
Prof. Dr. med. W. Zidek
Prof. Dr. med. M. Storr
Prof. em. Dr. med. Dr. h. c. D. Reinhardt
Privatpraxis für Integrative Innere Medizin, München
Bad Rothenfelde, Beirat der Deutschen Adipositas Gesellschaft
Medizinische Klinik für Nephrologie, Charité Universitätsmedizin, Berlin
Zentrum für Endoskopie, Starnberg
Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital, München
Jeder zweite adipöse Teenager KHK-gefährdet Nicht nur Erwachsene, auch Jugendliche mit Adipositas haben ein hohes Risiko für die Entwicklung einer Koronarsklerose. Eine Studie identifiziert die Fettleibigkeit nun sogar als wichtigsten Risikofaktor.
−
© clearstockconcepts / istockphoto.com
Untersucht wurden 90 Jugendliche im Alter von 15 Jahren mit Typ-2-Diabetes, Prädiabetes (abnorme Nüchternglukose oder Störung der Glukosetoleranz) oder ohne Zuckerstörung. Ihr BodyMass-Index lag im Schnitt bei 34,5 kg/ m2. Die Koronarkalzifizierung wurde
Viele übergewichtige Jugendliche fühlen sich pudelwohl in ihrem Körper – noch.
30
per Elektronenstrahl-Computertomografie (CT), die Intima-Media-Dicke der Karotiden per Ultraschall und die Steifigkeit der peripheren Gefäße anhand der Pulswellengeschwindigkeit bestimmt. Die Körperzusammensetzung wurde mit der Dual-Röntgen-Absorptiometrie (DEXA), das Fett mittels CT und die Insulinsensitivität per Clamptest ermittelt. Zudem wurden kardiovaskuläre Risikofaktoren und inflammatorische Parameter gemessen. In allen drei Gruppen wiesen gleich viele Jugendliche, nämlich jeweils 50%, eine Koronarkalzifizierung auf. Die Häufigkeit hing auch nicht vom HbA1c, dem Nüchternblutzucker, dem Nüchterninsulin, dem Lipidprofi l oder dem systolischen Blutdruck ab. Entscheidend für die Koronarkalzifizierung waren der Body-Mass-Index, der Taillenumfang, das Gesamtkörperfett, das abdominale und subkutane Fett sowie das Leptin. Die Intima-Media-Dicke korrelierte mit dem HbA1c und die Pulswellengeschwindigkeit mit der Insulinresistenz, beide Werte mit dem diastolischen Blutdruck – jedoch keiner mit dem Lipidprofi l.
Die Autoren schlossen, dass für die Entwicklung der Koronarsklerose bei Jugendlichen die Adipositas die wichtigste Determinante ist. Sie war auch der einzige unabhängige Faktor im Score für die Koronarkalzifizierung. ■ Bacha F, Edmundowicz D, Sutton-Tyrell K et al. Coronary artery calcification in obese youth: what are the phenotypic and metabolic determinants? Diabetes Care. 2014;37:2632–39
Kommentar Seit Jahren weiß man, dass die Adipositas bei Erwachsenen die Entwicklung von Myokardinfarkten und Schlaganfällen begünstigt. Das Risiko geht vor allem vom intraabdominalen (viszeralen) und vom hepatischen Fett aus, weniger vom subkutanen. Für Jugendliche ist das Risikomuster offenbar anders: Hier ist die Adipositas der entscheidende Faktor. Wie wichtig diese Erkenntnis ist, geht auch aus dem Ergebnis hervor, dass jeder zweite adipöse Jugendliche bereits eine Koronarkalzifizierung aufweist. Die Elektronenstrahl-CT hat eine nahezu 100%ige Sensitivität für die Koronarsklerose. Jugendliche mit Adipositas und Koronarkalzifizierung haben keine Symptome und Beschwerden; sie fühlen sich gesund. Ihnen und ihren Eltern ist nicht einfach zu vermitteln, dass zur Prävention eines Myokardinfarkts das Körpergewicht reduziert werden sollte. Prof. Dr. med. A. Wirth ■
MMW-Fortschr. Med. 2015; 157 (S1)