102.

Dasdiner: Klinische Symptome rezidivierender Harnweginfektionen bei Kindern

Deutsche Medizinische Wodsenschrift

Dtsch. med. Wschr. loi (1976), 102-105 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart

II. Die klinischen Symptolne* F. Daschner Abteilung für antimikrobielle Therapie (Leiter: Prof. Dr. W. Marget) der Universitäts-Kinderklinik München (Direktor: Prof. Dr. K. Betke)

2490 Kontrolluntersuchungen bei 171 Kindern mit chronisch rezidivierender Harnweginfektion imRahmen einer Spezialsprechstunde (durchschnittliche Beobachtungsdauer 23 Monate) haben gezeigt, daß klinische Symptome nicht als Hinweiszeichen auf eine Pyelitis oder Zystitis gewertet werden können. 43°/o aller Rezidive (n = 471) verliefen völlig asymptomatisch. Außerdem ist die klinische Symptomatik vom Lebensalter und von der Dauer der Erkrankung abhängig, wobei Rezidive im späteren Verlauf der Erkrankung häufiger asymptomatisch werden. Kinder mit überwiegend asymptomatischer Bakteriurie haben im Vergleich zu Kindern mit vorwiegend symptomatischen Rezidiven ebensohäufig pathologische Röntgenbefunde, die auf eine Beteiligung des Nierenparenchyms hinweisen. Die meisten Lehrbücher beschreiben die Harnweginfek-

tion im Kindesalter als eine Erkrankung, die neben Bakteriurie und Leukozyturie typischerweise mit Dysune, Pollakisurie, Schmerzen in der Nierengegend und Fieber einhergeht, wobei Schmerzen im Nierenlager meist der Pyelonephritis, Brennen beim Wasserlassen und Pollakisurie meist der Zystitis zugeordnet werden. Einer kürzlich veröffentlichten Umfrage zufolge erklärten sich daher etwa zwei Drittel der befragten amerikanischen praktischen Ärzte und Kinderärzte imstande, allein anhand von klinischen Symptomen, Vorgeschichte und mikroskopischen Urinbefunden zwischen Pyelitis und Zystitis bei Kindern unterscheiden zu können (6). Dem gegenüber stehen eigene Beobachtungen, wonach rund 50% der Patienten, die mit der Diagnose chronisch rezidivierende Harnweginfektion in unsere Spezialsprechstunde überwiesen werden, weder bei Erstuntersuchung noch bei weiterer Verlaufsbeobachtung ohne Chemotherapie ein bakteriologisches Rezidiv hatten. Diese Diskrepanz in der Beurteilung des Krankheitsbildes veranlaßte uns, der Frage nachzugehen, welchen

Stellenwert die klinische Symptomatik für die Diagnostik und Verlauf sbeunteilung bei Kindern mit gesicherter chronisch rezidivierender Harnweginfektion hat. Dabei soll speziell auf die Problematik der sogenannten asymptomatischen Bakteriurie eingegangen werden. * Die Arbeit wurde mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt (Da 83/3).

Evaluation of diagnostic factors in chronic recurrent urinarytract infections in children. II. Clinical symptoms 2490 investigations in 171 children with chronic recurrent urinary-tract infections seen in a specialized out-patient unit for an average of 23 months demonstrated that clinical symptoms cannot be used as indicators of pyelitis or cystitis. 43°/o of recurrences (n = 471) were completely asymptomatic. The symptomatology depends on the age of the patient and duration of the disease. Recurrences in the late course of the disease become frequently asymptomatic. Children with predominantly asymptomatic bacteriuria show pathological X-ray findings indicative of renal parenchymatous involvement as frequently as children with predominantly symptomatic recurrences.

Patienten und Methodik Von den Kranken der Spezialsprechstunde für Kinder mit chronisch rezidivierender Harnweginfektion (Definition: 19) der UniversitätsKinderklinik München wurden 171 Kinder (152 Mädchen und 19 Knaben) nach folgenden Kriterien ausgewählt: Beobachtungsdauer von mindestens einem Jahr (durchschnittliche Beobachtungsdauer 23 Monate),

Fehlen jeglicher obstruktiver Veränderungen der ableitenden Harnwege, soweit dies bei wiederholten Röntgenuntersuchungen zur Darstellung kommt,

Kontrolluntersuchungen unabhängig vom Auftreten bakterieller Rezidive durchschnittlich alle 4 bis 6 Wochen, lückenlose Registrierung aller in Abbildung 2 aufgeführten Symptome (Fehlen bzw. Vorhandensein) in einheitlichen Krankenblättern.

Bei jeder Kontrolluntersuchung, die stets nach mindestens dreitägigem Absetzen einer Chemotherapie durchgeführt wurde, wurden neben den klinischen Symptomen Zwischenanamnese, mikroskopi-

sche und bakteriologische Urinbefunde, eventuelle Röntgen- und blutchemische Befunde sowie Therapiemaßnahmen (4, 16) registriert.

Klinische Symptome wurden nur dann als Hinweiszeichen eines bakteriellen Rezidivs gewertet, wenn sie unmittelbar im Zusammenhang mit einer signifikanten Bakteriurie auftraten. (So wurde zum Beispiel Enuresis nocturna dann nicht als klinisches Symptom gewertet, wenn das Kind auch im rezidivfreien Intervall Enuretiker war.) Bei jedem Kind wurden durchschnittlich je zweimal ein Isotopennephrogramm, ein intravenöses Pyelogramm und ein Miktionszystourethrogramm durchgeführt. Angaben über die Wertung der Befunde als pathologisch finden sich in einer früheren Arbeit (5). Etwa 40°/o der Patienten hatten als Zeichen der Mitbeteiligung der Niere während des Rezidivs ein eingeschränktes Konzentrationsvermögen und (oder) pathologisches Isotapennephrogramm.

Die Zählung der Leukozyten und Erythrozyten erfolgte mit der von Olbing (18) angegebenen Methode in der Fuchs-Rosenthal-

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Bewertung von diagnostischen Parametern chronisch rezidivierender Harnweginfektionen bei Kindern

Kammer. Homologe Antikörpertiter wurden mit der indirekten Hämagglutination bestimmt (17). Die Keimzahlbestimmung erfolgte in Oberflächenkultur aus Mitteistrahiurin, der nach sorgfältiger Rei-

nigung des Genitale mit Leitungswasser gewonnen und auf 4 oc gekühlt innerhalb von 30 min verarbeitet wurde. Bei insgesamt 200 Kindern wurde die Methode der Keimzahlbestimmung aus dem Mitteistrahlurin durch die suprapubische Blasenpunktion überprüft, wobei sich bei Patienten mit einer signifikanten Bakteriurie in Monokultur (mehr als 10 Keime!ml Mittelstrahiurin) eine Übereinstimmung von 950/o zur Blasenpunktion ergab. Bei der Blasenpunktion galt dabei jede Keimzahl als pathologisch. Für diese Studie lagen Daten von insgesamt 2490 vollständigen Kontrolluntersuchungen vor. '1.60

dung 2). Symptome einer Harnweginfektion sind zwar häufiger, wenn gleichzeitig Bakterien im Urin gefunden werden, Enuresis diurna, Dysurie, Harndrang usw. treten aber auch im rezidivfreien Intervall auf. Tab. 1. Prozentuale Häufigkeit einzelner Symptome bei Rezidiven einer Harnweginfektion Prozent

Klinische Symptome

fl=285

Enuresis nocturna

34

Enuresis diurna

30

Dysurie

30

Fieber

27

Pollakisurie

25

ERREGERVERTEILUNG C'1.)BEI 471 REZIDIVEN

Appetitlosigkeit

20

REZIOIV (.,O'MEIME p. ...I URIS)

Wundsein

20

Bauchschmerzen

17

Schmerzen im Nierenlager

15

50

40

103

Daschner: Klinische Symptome rezidivierender Harnweginfektionen bei Kindern

1976, 101. Jg.

ASTMPTOMATISCH SYMPTOMATISCH

30

Müdigkeit

5

Blässe

5

2

Der Wert der klinischen Symptomatik für die Ver-

n57

laufsbeurteilung und als Unterscheidungsmerkmal einer

fl41

10

n 31

E.coti

P,o

P....,.

fl21

n20

RI.b.i.I

S.aph

Abb. 1. Häufigkeit von klinischen Symptomen einer Harnweginfektion bei Rezidiven mit verschiedenen Erregerspezies. Ergebnisse

Klinische Symptome, wie Dysurie oder Pollakisurie, lenken am häufigsten den Verdacht auf eine bakterielle Erkrankung der Harnwege. Unterteilt man allerdings bei Kindern mit gesicherter chronisch rezidivierender Harnweginfektion die durch die verschiedenen Erregerspezies hervorgerufenen Rezidive in solche, die mit und ohne jegliche klinische Syptome einhergehen, so erkennt man (Abbildung 1), daß durchschnittlich nur 43% aller Rezidive zu klinischen Symptomen führen, die auf eine

Harnweginfektion hindeuten. Die bei Rezidiven auftretenden Symptome sind der Häufigkeit nach in Tabelle 1 zusammengestellt. Es fällt auf, daß Symptome, die spezifisch auf eine Infektion der Harnwege hinzuweisen scheinen, beispielsweise Dysurie, Pollakisurie oder Enuresis diurna, häufiger auftreten als eher unspe-

zifische Symptome, wie Erbrechen, Müdigkeit und Bauchschmerzen. Symptome jedoch, die nicht selten vom

Pyelonephritis von einer Zystitis wird zusätzlich dadurch eingeschränkt, daß die klinische Symptomatik sowohl vom Lebensalter als auch von der Dauer der Erkrankung abhängt. Im ersten und zweiten Lebensjahr überwiegen bei weitem asymptomatische Infektionen (Abbildung 3), im fünften bis achten Lebensjahr ist die Häufigkeit symptomatischer und asymptomatischer Infektionen etwa gleich, im höheren Lebensalter überwiegen wiederum die asymptomatischen Infektionen. Die Zunahme asymptomatischer Infektionen im höheren Lebensalter kann zum Teil dadurch erklärt werden, daß

im Verlauf der Erkrankung des einzelnen Patienten asymptomatische Infektionen häufiger werden. 18

14

lo

62

2

6

10 14

18

Enures is

nocturna Enuresis

diurna

Fieber Dysurie

L

Bauchachm

Wundsein

Appetitlosig-

keit

Pollakisurie

Kliniker zur Unterscheidung einer Zystitis von einer

Harndrang

Pyelonephritis herangezogen werden, wie Schmerzen im Nierenlager oder in der Blasengegend, sind im Kindesalter selten und fast nie als Zeichen einer Bakteriurie zu verwerten. Noch deutlicher wird die geringe Aussagekraft der klinischen Symptomatik aus einer Gegenüberstellung der Häufigkeit von klinischen Symptomen bei signifikanter Bakteriurie und bei sterilem Urin (Abbil-

Schmera im Nierenlager Müdigkeit

L LI LII [II

LII

BIäese

STERIL n'1772

REZIDIV 01471

Abb. 2. Klinische Symptomatik einer Harnweginfektion bei sterilem Urin und bei Auftreten einer signifikanten Bakteriurie (= Rezidiv).

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Nr. 4, 23. Januar

104 a31 loo.

Deutsche Medizinische Wochenschrift

Daschner: Klinische Symptome rezidivierender Harnweginfektionen bei Kindern

n.25

a24 fl24

a18 n46

ß39

a28

a31

n8 3

bU

n166

n127

k

RÖNTGENBEFUND

10

U

PATH.LI NEGAr.

LE U KOZ VT UR lE

50-

90-J

40-

60-

N UJ

o

70-

z

60

5

20

40

30 20

10

il'''' 1-2

3-4

5-6

asymptomatisch symptomatisch

7-8

9-10

11

H PM AT U RIE

10

Jahre

B

n99 n106

asymptomatischer Bakteriurie.

a- Kinderzahl

unterscheiden sich dabei weder in der Häufigkeit pathologischer Urinbefunde noch in der Häufigkeit pathologischer Röntgenbefunde, die auf eine Mitbeteiligung des Nierenparenchyms hinweisen (zum Beispiel intravenöses zystourethrogramm: Reflux; Isotopennephrogramm: »Bogenkurve«), so daß die sogenannte asymptomatische Bakteriurie im Kindesalter, sofern sie im Verlauf einer chronisch rezidivierenden Harnweginfektion auftritt, nicht wie beim Erwachsenen (7) als Zeichen eines gün-

tische Rezidive die körpereigene Abwehr ebenso stimu-

Symptomatisch 40

Pyelogramm Narben, Kelchveränderungen; Miktions-

stigeren Verlaufes gewertet werden sollte. Außerdem konnte von uns gezeigt werden, daß durch asymptoma-

Klinischer Verlauf der Rezidive bei 30 Kindern mit langer Beobachtungszeit

liert wird wie durch Rezidive, die mit Pyurie und schweren

klinischen Symptomen einhergehen. Neun von 30 Rezidiven, bei denen es im Anschluß an die Infektion zu einem Anstieg des homologen Antikörpertiters im Serum gekommen war, verliefen ohne jegliche klinische Symptomatik, etwa ein Drittel ohne Leukozyturie, und nur zwei Drittel der Fälle boten das sogenannte typische Bild der Erkrankung mit Bakteriurie, Leukozyturie und

Asymptomatisch

30

20

t1

A

n- Recidive

der asymptomatischen verschoben (Abbildung 4).

Ii

B

Abb. S. Vergleich der Häufigkeit pathologischer Urinbefunde und Röntgenbefunde bei Kindern mit überwiegend symptomatischer und

Im Laufe einer vierjährigen Beobachtung von 30 Patienten (durchschnittliches Lebensalter zu Beginn der Beobachtung 7,3 Jahre) nahm die Anzahl der Rezidive zwar ab, gleichzeitig wurde aber die Relation symptomatischer zu asymptomatischen Infektionen zugunsten

10

A

B

A

A-KINDER MIT SYMPTOMATISCHEN REZIDIVEN B-KINDER MIT ASYMPTOMATISCHEN REZIDIVEN

Abb. 3. Abhängigkeit des Auftretens klinischer Symptome bei Rezidiven einer Harnweginfektion vom Lebensalter.

50

P RO T E INU RIE

klinischen Symptomen (Tabelle 2). 1

1t'

2

2t1

3

3t4

4

Jahre

Abb. 4. Zunahme asymptomatischer Infektionen im Laufe der Hamweginfektion im Kindesalter.

Trotz der Abnahme symptomatischer Infektionen mit steigendem Lebensalter finden sich in allen Altersabschnitten Patienten, die im Verlauf ihrer Erkrankung fast ausschließlich symptomatische oder asymptomatische Infektionen haben, so daß die individuelle Reaktionsbereitschaft auf die Invasion des Harntraktes mit verschiedenen Erregern, die sich in klinisch faßbaren Symptomen äußert, anscheinend nicht vernachlässigt werden darf. In Abbildung S sind 17 Kinder (Gruppe A),

die bei 90% aller Rezidive (insgesamt 99) Symptome einer Harnweginfektion hatten, einer Gruppe (B) von 19 Kindern mit insgesamt 106 überwiegend asymptomatisçhen Rezidiven gegenübergestellt. Beide Gruppen

Tab. 2. Häufigkeit von Leukozyturie (n = Anzahl) und klinischen Symptomen bei 30 Rezidiven, bei denen es im Anschluß an die Infektion zu einem Anstieg des homologen Antikörpertiters gekommen war

Leukozyturie + Leukozyturie Symptome n

+

18

+ = vorhanden

Leukozyturie + Leukozyturie Symptome

Symptome

+ Symptome

n3

n=4

n5

Ø = nicht vorhanden

Diskussion Ein Vergleich dieser Ergebnisse über die Bedeutung der

klinischen Symptomatik für die Diagnostik eines Rezidivs einer chronisch rezidivierenden Harnweginfektion mit den bisherigen Mitteilungen in der Literatur ist aus verschiedenen Gründen schwierig. Frühere Studien wurden fast ausnahmslos entweder bei Kindern durchgeführt, die wegen einer Harnweginfektion hospitali-

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50

Daschner: I'Zlinisdie Symptome rezidivierender Harnweginfekrionen bei Kindern

siert waren (9, 22), wobei immer Patienten mit obstruktiven Veränderungen der Harnwege in die Auswertung eingeschlossen waren, oder es wurden Patienten untersucht, die im Rahmen eines Bakteriurie-Screenings ent-

deckt worden waren (12, 14, 20, 21). Das Untersuchungsintervall betrug selten weniger als 3 Monate und wurde fast immer von der Rezidivhäufigkeit abhängig gemacht. Bei Kindern, die wegen einer Harnweginfektion in die Klinik aufgenommen werden, liegt die Rate symptomatischer Infektionen unverhältnismäßig hoch, da meist nicht die Bakteriurie, sondern die begleitenden, mehr oder weniger starken Beschwerden die Patienten zum Arzt führen. Bei Kindern, die im Rahmen eines Bakteriurie-Screenings erst im Schulalter entdeckt werden, liegt umgekehrt die Rate asymptomatischer Infektionen relativ hoch, da jüngere Kinder mit symptomatischen Infektionen bereits in Behandlung sind und vom Screening nicht mehr erfaßt werden (3). Unsere Ergebnisse unterscheiden sich daher von denen früherer Studien vor allem darin, daß sie von einer

großen Anzahl von Patienten ohne nachweisbare obstruktive Veränderungen der Harnwege gewonnen wur-

den, die unabhängig vom Auftreten klinischer Symptome längere Zeit kontinuierlich und systematisch im Rahmen einer Spezialsprechstunde nach einheitlichen Kriterien betreut wurden. Wir fanden, daß mehr als die Hälfte aller Rezidive einer chronisch rezidivierenden Harnweginfektion im Kindesalter ohne jegliche klinische Symptome verlaufen, wobei die klinische Symptomatik im wesentlichen vom Lebensalter und der Dauer der Erkrankung abhängt. Der überwiegend asymptomatische Verlauf der Harnweginfektion im Säuglingsalter war bereits bekannt (13, 15) und auch zu erwarten, da in diesem Lebensalter Symptome wie Enuresis und Pollakisurie nicht verwertet werden können, der Säugling bei Infektionen weniger zu Fieber neigt und Beschwerden wie Bauchschmerzen und Dysurie nicht geäußert werden können. Die Zunahme symptomatischer Rezidive im Kleinkindesalter und Schulalter ist sicherlich ein Grund dafür, daß Cohen (3) bei drei- bis vierjährigen Kindern den Häufigkeitsgipfel von Erstinfek-

tionen findet, da erst die mehr oder minder starken Beschwerden Eltern und Kinder zum Arzt führen. Das Uberwiegen asymptomatischer Rezidive im höheren Lebensalter kann nur zum Teil dadurch erklärt werden, daß zu Beginn der Erkrankung Infektionen meist mit Symptomen einhergehen, während im späteren Verlauf asymptomatische Rezidive häufiger werden (1), da es in jeder Altersgruppe Kinder gibt, die im gesamten Verlauf ihrer Erkrankung überwiegend symptomatische oder asymptomatische Rezidive haben. Das Fehlen klinischer Symptome oder das Nachlassen der klinischen Symptomatik mit dem Lebensalter sollte

jedoch keinesfalls als Zeichen eines prognostisch günstigen Verlaufes gewertet werden (10, 11). Wie unsere

Untersuchungen gezeigt haben, findet man bei Kindern mit überwiegend asymptomatischen Rezidiven ebenso häufig wie bei Kindern mit überwiegend symptomatischen Rezidiven Röntgenbefunde, die auf eine Mitbeteiligung des Nierenparenchyms hinweisen. Savage und Mitarbeiter (20) fanden bereits eine Einschränkung

105

des Konzentrationsvermögens der Nieren bei einigen Mädchen mit völlig asymptomatischen Bakteriurien. Die asymptomatische Bakteriurie des Kindes sollte man daher eher als asymptomatisches Rezidiv einer chronischen

Harnweginfektion betrachten und im Gegensatz zum Erwachsenen so lange (10 bis 14 Tage) behandeln, bis durch prospektive Untersuchungen, wie sie bereits vom Erwachsenen vorliegen (7), nachgewiesen ist, daß ihr Krankheitswert gering ist. Dabei muß allerdings berücksichtigt werden, daß die Definitionen der asymptomatischen Bakteriurie bei Kindern und Erwachsenen unterschiedlich sind bzw. eine einheitliche Definition überhaupt fehlt (1, 7). Auf Grund unserer Untersuchungen und denen an-

derer Autoren (2, 6) erscheint es uns unmöglich, bei Kindern irgendwelche Symptome, etwa Schmerzen in der Nieren- oder Blasengegend, als Hinweiszeichen für die Lokalisation von Harnweginfektionen in der Niere oder Blase zu verwenden. Auch bei Erwachsenen, die Schmerzen exakter lokalisieren können, ließ sich keine Ubereinstimmung bestimmter Symptome mit dem Ursprungsort der Bakteriurie erkennen. Fairley und Mitarbeiter (8) registrierten bei 19% der erwachsenen Pa-

tienten mit einer Zystitis Schmerzen in der Lendengegend und bei 68% der Fälle mit einer renalen Bakteriurie Schmerzen in der Blasengegend. Literatur (1> Bergstrom, T., K. Lincoln,

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[Evaluation of diagnostic factors in chronic recurrent urinary-tract infections in children. II. Clinical symptoms (author's transl)].

2490 investigations in 171 children with chronic recurrent urinary-tract infections seen in a specialized out-patient unit for an average of 23 months...
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