Editorial

Erysipel ist nicht gleich Erysipel und Leishmaniasis nicht gleich Leishmaniasis Diese Ausgabe des JDDG wartet mit zwei bemerkenswerten Artikeln aus der Dermatoinfektiologie auf: Einem klinisch-wissenschaftlichen Originalartikel über Weichgewebeinfektionen und einem Übersichtsartikel über die hier (noch!) nicht endemische, aber immer wieder eingeführte kutane Leishmaniasis. Wenig bekannt ist, dass eine Diagnose „kutane Leishmaniasis“ für sich genommen ähnlich ungenau oder unvollständig ist wie die Diagnose „Ekzem“ oder „Lymphom“. Eine Leishmanieninfektion, die man sich auf Mallorca zuzieht, kann unter ungünstigen Umständen (Immunsuppression, Kindesalter) zu einer systemischen Infektion führen und wird von einer ganz anderen Leishmanie verursacht (Leishmania infantum) als die bekannte Orientbeule im Nahen Osten (u. a. L. major), eine fast immer lokal begrenzte Infektion, die dort fast jeder Landbewohner einmal durchmacht und die Touristen oder zum Beispiel in Afghanistan eingesetzte Soldaten befallen kann. Diese wichtige Unterscheidung bildet einen Grund, warum ich Ihnen den Übersichtsartikel von Frau Prof. Dr. Ester von Stebut-Borschitz sehr empfehle [1]. Vor allem denjenigen, denen das Thema bislang zu komplex erschien, sei diese Arbeit angeraten. Es ist eine bündige, auf das klinisch Wesentliche beschränkte Darstellung und sie wird Ihnen einen guten Zugang und eine Übersicht im wahren Sinne des Wortes zu dieser Infektion verschaffen. Das soll nicht heißen, dass das Thema einfacher oder die klinische Versorgung weniger vielschichtig ist, als sie zum Beispiel in der ausführlichen Leitlinie [2] beschrieben wird. Aber man muss nicht die komplexen Fakten kennen, um sich anzueignen, was klinisch für die Diagnose und die ersten Schritte nötig ist. Letzteres erfahren Sie aus der hier erschienenen Übersicht. Die Leitlinie ist eher zum Nachschlagen der jeweils gebotenen Handlungsempfehlungen gedacht, nachdem man klinisch Verdacht geschöpft hat. Heutzutage ist es eh mehr denn je erforderlich, einen Überblick mit wichtigen Schlüsselkenntnissen zu haben und dazu das Wissen, wie man von dort schnell Zugriff auf verlässliche und vertiefende Informationen erhält, sei es im Netz oder in gedruckter Form. Der JDDG-Artikel „Leishmaniasis“ bietet neben den Schlüsselkenntnissen gute Verweise auf die weiterführenden, dann komplexer werdenden Quellen. Der klinisch-wissenschaftliche Originalartikel von Frau Dr. Miriam Linke und Frau Priv.-Doz. Dr. Nina Booken aus Mannheim befasst sich mit einer häufigen Aufnahmediagnose an Hautkliniken, dem Erysipel [3]. Die Autorinnen wollten zeigen, welche Faktoren auf ein schlechtes Ansprechen auf

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Antibiotika hinweisen. Dieser Artikel enthält wichtige Ergebnisse, nur-streng genommen-im deutschen Titel nicht den richtigen, übergreifenden Begriff für die Diagnose. Dieser Umstand wird wichtig zum Verständnis der ansonsten guten Daten zu Risikofaktoren für ein schlechtes Ansprechen auf Antibiotika. In den Fällen (38 von 98), in denen die initiale Therapie nicht wirkte, war die Diagnose Erysipel wahrscheinlich nicht immer korrekt, wenn man denn, und das erscheint mir unbedingt sinnvoll, Erysipel als eine Weichgewebeinfektion, hervorgerufen durch hämolysierende Streptokokken, verstehen will. Warum ist diese Defi nition sinnvoll? Weil in den meisten Fällen (außer mitunter im Gesicht oder bei schwerer Stauungsdermatitis) ein solches Erysipel aufgrund klinischer Kriterien diagnostiziert und allein mit Penizillin ausreichend therapiert werden kann. Penizillin ist gegen alle hämolysierenden Streptokokken wirksam. Wann immer es angezeigt ist, sollte es anderen Antibiotika vorgezogen werden, denn es hat nur wenige Nebenwirkungen, begünstigt im Gegensatz zu anderen Antibiotika kaum neue Resistenzen und beeinträchtigt kaum die Bakterienflora auf der Haut und in anderen Organen (Darm, Atemwege). Eine solche Schädigung der wichtigen residenten Besiedlung durch breit wirksame Antibiotika (sogenannter Kollateralschaden) ist im Rahmen des globalen Resistenzproblems zunehmend in den Blick auch der Gesundheitspolitik gerückt. Ihre Folgen, wie zum Beispiel eine Selektierung hochresistenter gramnegativer Bakterien im (hautfernen) Darm, wurden wahrscheinlich lange unterschätzt. Unser Fach mag nicht immer ganz unschuldig am unbedachten Einsatz von Antibiotika sein, aber wir haben in letzter Zeit über Aufklärung, Empfehlungen und Leitlinien daran gearbeitet, ihn zu verbessern und dadurch die Achtung der Mikrobiologen und Infektiologen erworben. Der in Rede stehende Artikel bezieht sich auf die PEG-Empfehlungen zur parenteralen Antibiotikatherapie

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von 2004, die für das Erysipel noch mehrere Alternativen aufführten. In der aktuelleren Version von 2010 [4] wird aber Penizillin als Therapie erster Wahl empfohlen, und in den in Druck befi ndlichen PEG-Empfehlungen zur oralen Therapie wird darauf, sowie auf die Unterschiede zu anderen Weichgewebeinfektionen noch ausdrücklicher eingegangen [5]. Der bessere Begriff für den Artikel wäre wohl „Weichgewebeinfektionen“, so wie es der englische Titel mit dem Begriff „erysipelas“ meint. Für die Weichgewebeinfektionen welche keine Erysipele sind, haben wir zunächst den Begriff „begrenzte Phlegmone“ vorgeschlagen [5]. Ihr häufigster Erreger ist Staphylococcus aureus. Je nach Virulenz und ausgebildeten Resistenzen kann er die Antibiotkatherapie erschweren, Penizillin ist hier nicht angezeigt. Bei komplizierenden Faktoren wie Immunsuppression, schwerem Diabetes mellitus oder relevanten Durchblutungsstörungen wird das Spektrum der Erreger, welches in das Weichgewebe eindringen kann, offenbar vielfältiger. In der vorliegenden retrospektiven Erhebung deutet zum Beispiel die Unwirksamkeit von Clindamycin in einigen Fällen darauf hin, dass gramnegative Bakterien beteiligt waren. Mit solchen Beobachtungen leistet sie einen ebenso wichtigen Beitrag wie mit den Ergebnissen, dass bei den Parametern vorgeschädigtes Gewebe, erhöhtes CRP oder Leukozytose – und ich möchte hinzufügen – bei Vorliegen bestimmter Komorbiditäten ein anderer Bedarf an Antibiotika vorliegen könnte als bei unkomplizierten Infektionen. Wie die Autorinnen richtig bemerken, lässt das Ergebnis aus Abstrichen allein oft nicht die richtigen Rückschlüsse zu. Die Arbeit liefert dadurch Daten zur Untermauerung der bestehenden Empfehlungen [4–6 ]. Es wäre eine lohnende Aufgabe für die Dermatoinfektiologie, die erwähnten und eventuell weitere Risikofaktoren für ein vermindertes Ansprechen bestimmter Antibiotika mittels einer prospektiven Studie zu sichern.

Korrespondenzanschrift Prof. Dr. med. Cord Sunderkötter Klink für Hautkrankheiten, Universitätsklinikum Münster Abteilung für translationale Dermatoinfektiologie Von-Esmarch-Straße 58 48149 Münster E-Mail: [email protected]

Literatur 1 2

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Von Stebut E. Leishmaniasis. J Dtsch Dermatol Ges 2015; 13: 121–201. Boecken G, Sunderkotter C, Bogdan C et al. Germany Society of D, German Society of Tropical M, German Society of C. [Diagnosis and therapy of cutaneous and mucocutaneous Leishmaniasis in Germany]. J Dtsch Dermatol Ges 2011; 9 (Suppl 8): 1 – 51. Linke M, Booken N. Risikofaktoren für ein vermindertes Ansprechen in der Behandlung des Erysipels. J Dtsch Dermatol Ges 2015; 13: 217–226. Kujath P, Eckmann C, Graninger W et al. Haut-und Weichgewebe-, Knochen- und Gelenkinfektionen. In: Bodmann K.F, Grabein B, Expertenkommission der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V. Empfehlungen zur kalkulierten parenteralen Initialtherapie bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen – Update 2010; 58 – 64 . Sunderkötter C, Altiner A , Berner R et al. Haut-und Weichgewebeinfektionen, Mastitis. In: Bodmann K , Grabein B: Expertenkommission der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V. Empfehlungen zur kalkulierten oralen Initialtherapie bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen –Update 2013 GMS- Infectious Diseases. 2014 . [in press]. Schofer H, Bruns R , Effendy I et al. Diagnostik und Therapie Staphylococcus aureus bedingter Infektionen der Haut und Schleimhäute – S2k- und IDA-Leitlinie. J Dtsch Dermatol Ges 2011; 9: 953 – 67.

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[Erysipelas is not the same as erysipelas and leishmaniasis is not the same as Leishmaniasis].

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