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S 111

Epigenetik und Genetik der pulmonal arteriellen Hypertonie – neue Erkenntnisse der letzten Jahre Epigenetics and genetics of pulmonary arterial hypertension – new insights from the last years

G. Kwapiszewska1,2 R. Rodríguez Viales3,4 N. Ehlken4 C.A. Eichstaedt4 G. Riemekasten5 G. Grünig6 I. Mäder7 T. Schröder8 H. Klose9 K. Hinderhofer3 C. Fischer3 S. Ulrich10 E. Grünig4 A. Olschewski1,2

Autoren

Institutsangaben am Ende der Arbeit

Epigenetik und microRNAs ▼ Die Entschlüsselung des menschlichen Genoms durch die Teams von Craig Venter und Francis Collins 2001 hatten viele mit der Erwartung verbunden, jetzt könnten alle Erkrankungen besser verstanden und am Ende geheilt werden. Inzwischen ist klar geworden, dass neben genetischen Veränderungen auch Mechanismen der Genregulation die Manifestation, Ausprägung und den Verlauf einer Erkrankung beeinflussen können [1, 2]. Die Epigenetik untersucht vererbbare Änderungen in der Expression von Genen und ihrem zellulärem Phänotyp, die nicht durch Änderungen der DNA-Sequenz selbst verursacht werden. Epigenetische Prozesse strukturieren die Chromosomen und steuern die

Genaktivität. So können z. B. durch eine Methylierung der DNA ganze Genomabschnitte inaktiv geschaltet werden. Epigenetische Veränderungen können spontan auftreten oder durch Umweltfaktoren wie Entzündung, Ernährung, Gifte oder Tumoren beeinflusst werden. Sie sind potentiell reversibel, können aber auch weitervererbt werden. Bisher wurden 3 epigenetische Mechanismen identifiziert: die Methylierung der DNA, Modifikation von Histonen sowie die Genregulation über Mikroribonukleinsäuren (miRNAs). Diese Mechanismen q Abb. 1 dargestellt.

microRNAs

sind

schematisch

in

Ac

mRNA

ATG

Protein

Transkription & Prozessierung miRNA

a. Inhibierung der Translation b. Abbau der mRNA

PO4

Sumo

Me

PI

Del Ub

ADPR

DNA-Methylierung NH2 N

Chromosom O

N H

Me

NH2 CH3

N

N

O

G

G

A

C

C

C

T

G

T A

Nucleosom

H

Abb. 1 Übersicht epigenetischer Mechanismen. Bisher wurden 3 epigenetische Mechanismen identifiziert: die Methylierung der DNA, Modifikation von Histonen sowie die Genregulation über Mikroribonukleinsäuren (miRNAs).



Schlüsselwörter Epigenetik Histon miRNA Methylierung KCNK3 BMPR2

q q q q q q

Keywords epigenetics histone miRNA methylation KCNK3 BMPR2

q q q q q q

eingereicht 29.10.2014 akzeptiert 06.11.2014

Histonmodifikation

Transkription & Prozessierung

Pneumologie Übersicht | Review article

Bibliografie DOI 10.1055/s-0034-1387454 Dtsch Med Wochenschr 0 2014; 139: S111–S115 · © Georg Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz Prof. Dr. med. Andrea Olschewski Universitätsprofessorin/Direktorin des Ludwig Boltzmann Instituts für Lungengefäßforschung Medizinische Universität Graz Stiftingtalstr. 24 8010 Graz Tel. + 43 316 385 72057 Fax + 43 316 385 72058 eMail andrea.olschewski@ medunigraz.at Prof. Dr. med. Ekkehard Grünig Zentrum für pulmonale Hypertonie Thoraxklinik am Universitätsklinikum Heidelberg Amalienstr. 5 69126 Heidelberg Tel. 06221 396 8053 Fax 06221 396 1209 eMail ekkehard.gruenig@ med.uni-heidelberg.de

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Institut

Übersicht | Review article Methylierung von DNA Die Regulation von DNA-Transkription erfolgt u. a. durch Methylierung bzw. Demethylierung von Genregionen. Eine Methylierung führt zu einer Inaktivierung des Gens, da die für das Ablesen der DNA benötigten Enzyme nicht mehr binden können. Die Entstehung von Lungenhochdruck durch Hypermethylierung wurde bislang im Tierversuch sowie in vitro bei glatten Muskelzellen von Pulmonalarterien aus Lungengewebe bei dem Gen „Superoxid Dismutase 2“ (SOD2) beobachtet [3]. SOD-2 ist ein Tumorsupressor-Gen, das im Tiermodell („beigemaskierte“ Ratten) durch DNA-Hypermethylierung in den glatten Muskelzellen der Pulmonalarterien herunterreguliert wurde. Dadurch entwickelten die Ratten spontan eine PH, die dem Phänotyp der PAH ähnelt. Durch Aufhebung der Hypermethylierung normalisierte sich die SOD-2-Expression und die Veränderungen der Pulmonalarterien bildeten sich zurück [3].

Veränderung von Histonen Histone sind Proteine, um die sich die DNA im Zellkern wie um Spulen auf- oder abwickelt (q Abb. 1). Lange Zeit waren die Histone als reine „Verpackungsproteine“ der DNA verkannt. Erst in den letzten 2 Jahrzehnten hat man die große epigenetische Bedeutung der Histone erkannt. Aufgewickelte DNA ist sozusagen stummgeschaltet. In den letzten beiden Jahren sind mehrere wissenschaftliche Arbeiten über die Rolle der Modifikation von Histonen sowie der Genregulation mittels Mikroribonukleinsäuren (miRNAs) bei der Entstehung von pulmonaler Hypertonie (PH) bzw. pulmonalarterieller Hypertonie (PAH) erschienen. So konnte im Tierversuch gezeigt werden, dass Inhibitoren von Histon-Deacetylasen (kurz HDACs) die rechtventrikuläre Funktion in Tiermodellen der PH verbessern und das pulmonal arterielle Remodeling reduzieren [4, 5]. In-vitro-Studien zeigten, dass insbesondere selektive HDACInhibitoren der Klasse I die Platelet Derived Growth Factor (PDGF)induzierte Proliferation von pulmonal arteriellen glatten Muskelzellen reduzieren [6, 7]. Diese Beobachtungen könnten die Entwicklung von spezifischen pharmakologischen Inhibitoren für die klinische Anwendung anregen.

Genregulation durch Mikroribonukleinsäuren – die Rolle von miRNA bei PAH/PH Ein dritter epigenetischer Mechanismus ist die Hemmung des Ablesens von Genen auf RNA-Ebene (q Abb. 1). miRNAs sind kleine RNA-Moleküle von 21–23 Nukleotiden Länge, die auf der Ebene der Proteinkodierung Gene durch Hemmung der messenger-RNA (mRNA) inaktivieren können. Dieser Mechanismus wird durch Bindung der miRNA an komplementäre Sequenzabschnitte der Ziel-mRNA vermittelt. Diese Bindung kann entweder zum beschleunigten Abbau der mRNA führen oder kann die Initiation der Translation, und somit die Proteinbiosynthese, verhindern. Dieser epigenetische Mechanismus wurde erstmals 1993 beschrieben [8]. Bei Krebs- sowie Herzerkrankungen wurde ihr therapeutisches Potential bereits ausführlich diskutiert [9, 10]. Inzwischen wurden mehr als 1800 miRNAs im humanen Genom beschrieben (http://www.mirbase.org/), welche geschätzt 30 % der globalen Genexpression regulieren [11]. Wichtige Arbeiten über miRNAs in der Entstehung der PH/PAH sind in der q Tab. 1 zusammengefasst. Eine der ersten Arbeiten hierzu konnte bei PAH im Tiermodell zeigen, dass Interleukine über eine Steigerung der Expression der miRNA miR-17/92–5 p die BMPR2-Expression hemmen und damit die Entwicklung zur PAH in Gang setzen bzw. beschleunigen [22]. In der

Tab. 1

Veränderungen von miRNAs bei PAH.

miRNA

Zusammenhang mit PH

Publikation

miR-

Im Mausmodell (Monocrotalin und Hypoxie)

[3]

17/92–5 p

hochreguliert, dadurch BMPR2 Expression gehemmt; beschleunigt Entwicklung der PAH

miR-17

bei PAH und im Mausmodell hochreguliert;

[12]

bei Inhibierung Korrektur der BMPR2 Expression und Verbesserung der rechtsventrikulären Hämodynamik miR-20

bei PAH und im Mausmodell hochreguliert;

[13]

bei Inhibierung vermindertes Gefäßremodelling der pulmonalen Arteriolen und geringere rechtsventrikuläre Hypertrophie miR-26a

bei PAH und im Mausmodell herunterreguliert;

[14]

Pathomechanismus noch nicht geklärt miR-124

Bei PAH und im Tiermodell (Kälber) herunter-

[15–17]

reguliert; bei Herunterregulierung Proliferation, Migration und Inflammation der adventitialen Fibroblasten; bei Überexpression Inhibierung der Proliferation glatter pulmonal arterieller Muskelzellen miR-130

bei PAH und im Mausmodell hochreguliert;

[18]

bei Inhibition protektiv miR-145

bei PH hochreguliert;

[19]

bei Inhibition protektiv miR-150

bei Herunterregulierung mit schlechterer

[20]

Prognose assoziiert miR-204

bei PAH und im Mausmodell herunterreguliert;

[21]

Agonist verbessert die Hämodynamik

Studie wurde eine hochkonservierte STAT3-Bindestelle in der Promoterregion von miR-17/92 gefunden. Die Aktivierung von STAT3 führte zur Inhibierung der Translation von BMPR2 [22]. Diese Landmark-Studie wurde durch die Ergebnisse weiterer Arbeitsgruppen bestätigt, die in humanem Gewebe und PH Tiermodellen zeigten, dass die Überexpression von miR-17/92 die Entwicklung einer PAH in Gang setzt [12, 19]. Im Mausmodell wurde die Expression von miR-17/92 durch Hypoxie oder Monocrotalin hochreguliert. Die Gabe eines miR-17- oder miR-20-Inhibitors (Antagomir) normalisierte die BMPR2-Expression und verbesserte Lungenfunktion und rechtsventrikuläre Hämodynamik [12]. Auch die Proliferation der glatten Muskelzellen wurde gehemmt [13]. Inzwischen wurden Veränderungen weiterer miRNAs beschrieben, die in der Pathogenese der PAH eine Rolle spielen könnten (q Tab. 1). Auch indirekt können miRNAs die Entwicklung einer PAH begünstigen. So können Mutationen zu Veränderungen in der miRNA Prozessierung führen. Drake et al. zeigten, dass Mutationen im SMAD9-Gen zu einer Herunterregulierung der miR-21 führen, wodurch die Proliferation der pulmonalen Endothelund glatten Muskelzellen gesteigert wird [23]. Außerdem eignen sich miRNAs möglicherweise auch als prognostische Marker. Verminderte Plasmaspiegel von miR-150 waren bei PAH-Patienten mit einer signifikanten Verminderung der 2-Jahres-Überlebensrate assoziiert [20].

miRNA – therapeutische Ansätze bei PAH Eine Veränderungen der miRNA-Expression konnte vereinzelt auch durch Substanzen erreicht und im Tiermodell zur Verbes-

Dtsch Med Wochenschr 2014; 139: S111–S115 · G. Kwapiszewska et al., Epigenetik und Genetik …

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S 112

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BMPs

TGFβ ALK5

BMPRII ENG

ENG ALK1,2,3,6

TGFβRII

CAV1

KCNK3 SMAD4

SMAD4

Viele miRNAs bewirken eine Proliferation der pulmonalen Gefäße durch Herunterregulation der BMPR2-Expression. Eine weitere Möglichkeit der therapeutischen Einflussnahme auf die Zellregulation ist daher die Erhöhung des BMPR2-Proteinlevels [23, 25]. Dieser Ansatz hat den Vorteil, dass mehrere verschiedene miRNAs sowie auch andere Aspekte des BMP-Signalweges gleichzeitig beeinflusst werden können. MiRNAs scheinen an vielen Vorgängen gleichzeitig beteiligt zu sein, ohne spezifisch auf einen Zelltyp zu wirken. Ob sie ein Ziel für die Entwicklung neuer Therapien bei PAH darstellen können, werden weitere Untersuchungen in den nächsten Jahren zeigen.

Genetik der PAH ▼ Im Jahr 2000 wurden erstmals heterozygote Mutationen des Bone Morphogenetic Protein Rezeptor 2(BMPR2)-Gens bei Familien mit autosomal dominanter Vererbung der PAH beschrieben [26, 27]. BMPR2 ist seitdem in vielen Untersuchungen als das bedeutendste prädisponierende Gen für die idiopathische und hereditäre PAH bestätigt worden [28]. Es ist ein Rezeptor, der zur TGF-β-Superfamilie gehört und an der Zelloberfläche die wachstumshemmenden bone morphogenetic proteins (BMPs) bindet (q Abb. 2). BMPs und BMP-Rezeptoren sind Schlüsselproteine sowohl bei SMAD-abhängigen als auch bei SMAD-unabhängigen Signalwegen. Über die Aktivierung spezifischer SMAD-Proteine hemmt der BMPR2-Signalweg im Zellkern die Zellproliferation bzw. induziert Apoptose. Deletionen oder Mutationen des BMPR2-Gens führen zumindest zur partiellen Inaktivierung des Gens. Wachstumsfördernde Signalwege überwiegen und verursachen so einen Teil des unkontrollierten Zellwachstums, vor allem der kleinen Pulmonalarterien, die plexiforme Läsionen entwickeln können [29]. Da sich die PAH auch innerhalb einer Familie mit einer unterschiedlichen Penetranz manifestiert, kann man davon ausgehen, dass auch weitere bislang nur unzureichend bekannte Faktoren und Gene an der Entstehung der Erkrankung beteiligt sind. Die Korezeptoren receptor type II-like kinase-1(ACVRL1, auch bekannt als ALK1) [30] sowie Endoglin sind weitere wichtige Gene, die für die Entstehung der mit einem Morbus Osler einhergehenden PAH verantwortlich sind [31]. Exonische BMPR2-Mutationen wurden bei > 80 % der Patienten mit hereditärer PAH (HPAH) sowie bei bis zu 25 % der Patienten mit sporadischer Form nachgewiesen [32, 33]. Inzwischen wurden mehr als 300 verschiedene exonische Mutationen beschrieben [28]. In diesem Jahr konnte erstmals gezeigt werden, dass auch intronische Mutationen desBMPR2-Gens eine HPAH verursachen können und diese Mutationen daher möglicherweise sogar noch häufiger sind, als bislang angenommen [34]. Auch bei Kindern mit idiopathischer PAH oder angeborenen Herzfehler assoziierter PAH konnten in bis zu 30 % Mutationen des BMPR2, ALK1 oder Endoglin-Gens nachgewiesen werden [32]. Keine BMPR2-Mutationen wurden bislang bei anderen assoziierten PAH-Formen gefunden.

Zytoplasma

SMAD5

SMAD1

Zellkern

SMAD4 SMAD8

EIF2AK4 Transkription

Abb. 2 Modell des BMPR2-Signalweges in PAH. Die BMP-Rezeptoren und die transformierender Wachstumsfaktor beta (TGF-β) Rezeptoren tragen in ihrem zytoplasmatischen Teil eine Ser/Thr-Kinase. Bei der Bindung der wachstumshemmenden Bone Morphogenetic Proteins (BMPs) wird die intrazelluläre Signalkaskaden u. a. über die Aktivierung der SMAD-Proteine, in Gang gesetzt und im Zellkern das Wachstum der Zelle gehemmt bzw. die Apoptose ausgelöst. Mutationen der Gene dieser Signalkette führen zu einem überschießenden Wachstum der pulmonalen Endothel- und glatten Muskelzellen. Neue Gene bei denen Mutationen bei PAH-Patienten entdeckt wurden, wie Caveolin (CAV1) und der Kaliumkanal Task 1 (KCNK3), interagieren ebenfalls mit der BMPR2-Signalkette. EIF2AK4 ist ein Gen, bei dem autosomal rezessiv vererbte Mutationen bei Patienten mit der veno-okklusiven Erkrankung, einer Unterform der PAH dokumentiert wurden. Es ist ebenfalls Teil der Signalkette.

Sehr viel seltener (

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