Onkologie 2 : 96-101 (1979)

Beitrag zur Epidemiologie des Ovarialkarzinoms L. Wolnik und H. Bauer

Zusammenfassung und Schlüsselwörter

Summary and Key Words

190 Ovarialkarzinome der Universitäts-Frauenklinik Marburg/Lahn, stationär behandelt im Zeitraum 1962 bis Juli 1976, wurden epide­ miologisch analysiert. Dabei konnten bestimmte Risikofaktoren, die die Entstehung eines Ovarialkarzinoms zu begünstigen scheinen, er­ mittelt werden. Frauen aus sozial bessergestellten Schichten, ohne oder aber mit mehr als 4 Kindern, mit einem kurzen Menarche-Menopause-Abstand, einer vorausgegangenen Beckenbestrahlung sowie nach erfolgter Appendektomie scheinen in dem Ovarialkarzinompatientinnengut Marburgs gehäuft vorzukommen. Patientinnen mit der Blutgruppe A waren häufiger, mit der Blutgruppe 0 seltener vertreten, als es der Normalverteilung entsprechen würde. Polypen des Corpus Uteri waren oft dem Ovarialkarzinom vorausgegangen. Häufige Be­ gleiterkrankungen waren Diabetes mellitus, Adipositas, Hypertonie und Varikosis. Viele Patientinnen hatten eine familiäre Krebsbela­ stung.

At the Gynecological University Hospital in Marburg/Lahn, 190 women with cancer of the ovary who had been under clinical treat­ ment from 1962 - July 1976 were studied epidemiologically. Special risk factors which seem to predispose to the development of cancer of the ovary were determined. Higher social standing, having no children or having born more than four children, a shortened menarche-menopause interval, having had radiation of the pelvis, as well as having had an appendectomy seem to be factors overre­ presented among cancer patients in Marburg. More patients had blood group A and fewer had blood group 0 than would be expected from the distribution in the population as a whole. Polyps of the corpus uteri were often seen to precede cancer of the ovary. Diabetes mellitus, adiposity, hypertension and varicosis were frequent accom­ panying diseases. Many patients had a family history of cancer.

Ovarialkarzinom - Epidemiologie — Voroperationen - Blutgruppen­ verteilung - Korpuspolypen - Altersverteilung - Menarche-Menopause - Begleiterkrankungen - Familiäre Belastung

Cancer o f the ovary - Epidemiology - Previous operations - Distri­ bution of blood groups - Polyps o f the corpus uteri - Age structure Menarche-menopause - Accompanying illness - Familial disposition

Einleitung

ren Karzinome (karzinomatöse Entartungen ehemals benig­ ner Ovarialkystome) zeigt die Tabelle I. Im Vergleich zu den 60iger Jahren wurde ein Anstieg der Häufigkeit des Ovarialkarzinoms in den 70iger Jahren um durchschnittlich 30% beobachtet. Gleiche Tendenzen wur­ den von E ngeler (1970), Pfleiderer und Kiyan (1967) so­ wie Sachs und Hasche (1974) für andere UniversitätsFrauenkliniken berichtet. Die Verteilung der einzelnen Stadien nach der TNM- und F.I.G.O.-Klassifikation wird aus der Tabelle II ersichtlich. Die fortgeschrittenen Stadien (III und IV) machten dabei rund 59 % aller Ovarialkarzinome aus, während die Stadien I und II nur zu rund 35 % von uns beobachtet wurden. Der Rest der Tumoren war unklassifiziert. Ähnliche negative Ver­ teilungen wurden in anderen Studien berichtet. So hatten Nobel und E llringmann (1972) in dem Krankengut der Freiburger Frauenklinik 67%, Maus (1967) im New Mount Sinai Hospital Ontario 68 % ungünstige Stadien der Ovarial­ karzinome zu verzeichnen. In der Universitäts-Frauenklinik Bonn machte der Anteil der Stadien III und IV bei einer Ge­ samtzahl von 180 Karzinomen 80% aus [H enning et al. 1971]. Die Züricher Frauenklinik war mit 58,3 % ungünstiger Stadien belastet [Engeler 1974], Dvorak et al. (1972) und Pfleiderer (1971) nannten Zahlen von 63,1% bzw. 66% den Stadien III oder IV zugehöriger Ovarialkarzinomfälle im Krankengut ihrer Kliniken. Bei der Analyse unserer Krankenblätter fiel auf, daß die Sta­ dien I und II in den 70iger Jahren im Vergleich zu den 60iger

Die Frühdiagnostik des Zervixkarzinoms (Zytologie, Kol­ poskopie), des Korpuskarzinoms (Spül- und Bürstenmetho­ den) und des Mammakarzinoms (Mammographie, Thermo­ graphie und Punktionszytologie) hat zu einer bedeutenden Verbesserung der Heilungsergebnisse dieser Karzinome ge­ führt, weil frühere Tumorstadien der Therapie zugeführt wer­ den konnten. Dagegen werden wir beim Ovarialkarzinom nach wie vor mit fortgeschrittenen Stadien in der klinischen Behandlung kon­ frontiert, weil eine echte umfassende Früherkennung des Ovarialkarzinoms bis heute nicht möglich ist. Es sollte des­ halb Aufgabe epidemiologischer Studien sein, Kriterien zu er­ arbeiten, die Risikogruppen eingrenzen.

Krankengut

Wir haben deshalb unser Krankengut analysiert und epide­ miologisch aufgearbeitet, um Aussagen über bestimmte Risi­ kofaktoren machen zu können. Dabei waren vorausgegan­ gene Studien von West (1966), Schenker (1968), Wynder et al. (1969) und E ngeler (1974) Orientierungspunkte für unsere Untersuchungen. Im Zeitraum von 1962 bis Juli 1976 wurden in der Marburger Universitäts-Frauenklinik 190 Ovarialkarzinomträgerinnen stationär behandelt. Den Anteil der primären und sekundä­

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Frauenklinik der Philipps-Universität Marburg/Lahn (Direktor: Prof. Dr. R. Buchholz)

Wolnik, Bauer: Zur Epidemiologie des Ovarialkarzinoms

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Tabelle I. Anteil der primären und sekundären Ovarialkarzinome. Karzinome

Anzahl

%

Primäre Karzinome Sekundäre Karzinome

133 57

70 30

Jahren konstant geblieben waren, während die Ovarialkarzi­ nome im fortgeschrittenen Stadium in den 70iger Jahren um mehr als 50 % erhöht waren. Die histologische Klassifikation, die gerade beim Ovarialkarzinom schwierig ist, deckt sich in unserem Krankengut mit den Häufigkeiten histologischer Typen anderer Kliniken. Sie wird aus A bbildung 1 ersichtlich. Die Altersverteilung zeigt eine besondere Häufung zwischen dem 55. und 65. Le­ bensjahr.

Kausalität des Ovarialkarzinoms

Lebensalter bei Menarche und Menopause W ynder et al. (1969) glaubten festzustellen, daß bei Frauen

mit Ovarialkarzinom die Menarche früher eintritt als bei der Vergleichspopulation, während bei E n geler (1974) gerade Fälle mit später Menarche gehäuft im Krankengut von Ovarialkarzinomträgerinnen auftraten. In unserem Krankengut Tabelle II. Stadieneinteilung nach der TNM- und F.l.G.O.-Klassifika­ tion. Stadium 1 11

III

IV

Zahl

%

F.l.G.O.

%

TP1NXM0 2

26 13

13,7 6,8

39

21,8

3 4 TPlNXMla 2 3 4

8 3 10 4 2 -

4,2 1,6 5,3 2,1 1,1 -

27

15,1

TPlNXMlb 2 3 4

19 26 22 30

10,0 13,7 11,5 15,8

97

54,2

TPlNXMlc 2 3 4

5 2 5 4

2,6 1.1 2,6 2,1

16

8,9

ubk.

ubk.

11

5,8

-

-

Ges.

Ges.

190

100,0

-

-

Abbildung 1. Altersverteilung und histologische Klassifikation, (ser. = seröse, muc. = mucinöse, endom. = endometroide, misch. = mischgewebige, undiff. = undifferenzierte, unklass. = unklassifizierte Ovarialkarzinome)

hatten annähernd 60% der Frauen ihre erste Regel nach und 36 % vor dem 14. Lebensjahr. Bei 82,1 % der Frauen lag der Menarchetermin zwischen dem 11. und dem 16. Lebens­ jahr. Das entspricht etwa der Normalverteilung, die von G rimm (1948) zwischen dem 11,8. und 16. Lebensjahr be­ schrieben worden ist, sich aber aufgrund der Akzeleration um 1 bis 2 Jahre nach vorne verschoben haben dürfte. Wir sind mit C astano et al. (1970) der Meinung, daß der Gipfel der größten Häufigkeit des Auftretens des Ovarialkarzinoms um den Zeitpunkt der Menopause liegt. In der Studie von E n g e ­ ler traten 69% der Karzinome nach der Menopause auf. Sta d el (1975) sieht die hormonelle Situation der Menopau­ se, charakterisiert durch das Sinken der Östrogenproduktion und den daraus resultierenden Gonadotropinanstieg, als ent­ scheidenden Faktor bei der Entstehung des Ovarialkarzinoms und zum Erzeugen experimenteller Ovarialtumoren an. W ynDER et al. (1969) fanden in ihrem Krankengut, daß bei Ovarialkarzinompatientinnen die Menopause früher eintritt als normal. Auch in unserem Krankengut waren 21,1 % der Frauen beim Eintritt in die Menopause jünger als 48 Jahre, 40% der Frauen hatten ihre letzte Regel zwischen dem 48. und 52. Le­ bensjahr, und nur 13% waren zum Zeitpunkt der Menopau­ se älter als 52 Jahre. 23,6 % unserer Patientinnen hatten beim Feststellen der Diagnose die Menopause noch nicht erreicht. M enarche-M enopause-Abstand

Angaben aus der Literatur zu diesem Punkt sind uns nicht be­ kannt. Bei 7,3 % der Patientinnen war der Abstand zwischen Menarche und Menopause geringer als 30 Jahre. 41% der Patientinnen wiesen einen Menarche-Menopause-Abstand von unter, rund 30 % von über 36 Jahren auf. Dabei ist der Prozentsatz der Frauen, die die Menopause noch nicht er­ reicht hatten, mit 23,6 % relativ hoch.

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Bei der Untersuchung der Frage der Kausalität des Ovarial­ karzinoms werden in der Literatur der soziale Status, um­ weltbedingte und heriditäre Faktoren, vorausgegangene Strahlentherapie, Störung der Menstruation, Familienstand, Parität und anderes herangezogen. Wir analysierten im Vergleich zu den vorliegenden Daten aus der Literatur auch unser Krankengut nach diesen Ge­ sichtspunkten.

Familienstand Uneinigkeit herrscht in der Literatur hinsichtlich des Auftre­ tens von Ovarialkarzinomen bei unverheirateten Frauen. Während W est (1966), W ynder et al. (1969) und Stew a rt et al. (1966) eine erhöhte Inzidenz bei unverheirateten Frauen feststellen konnten, verneint E n g eler (1974) eine Korrela­ tion zwischen Familienstand und Ovarialkarzinom. Der Anteil der ledigen Frauen wird von den verschiedenen Autoren zwi­ schen 6 und 21 % angegeben [G raham 1964, M ontgom ery 1948, W est 1966]. E n g eler fand in der weiblichen Bevölke­ rung Zürichs 26,5 % ledige Frauen und 19,5 % ledige Ovarialkarzinompatientinnen. Bei uns waren 14,2% der Patientin­ nen mit Ovarialkarzinom nicht verheiratet, während der An­ teil der ledigen Frauen der weiblichen Bevölkerung laut sta­ tistischem Jahrbuch am 31. 5. 1968 37,3% betrug. Das ist zwar kein altersspezifischer Vergleich, aber auch wir leiten aus diesen Zahlen keine erhöhte Disposition für ledige Frauen, an einem Ovarialkarzinom zu erkranken, ab. Parität Während W ynder et al. (1969) keinen Einfluß der Parität auf die Entwicklung eines Ovarialkarzinoms fanden, glauben an­ dere Autoren, daß es einen Zusammenhang gibt zwischen Kinderlosigkeit und gehäuftem Auftreten von Ovarialkar­ zinomen bei diesen Frauen [G raham 1964, L inz 1966, L ynch 1967, M ontgom ery 1948, M unnel 1972], E ngeler fand in seinem Patientengut 42% kinderlose Frauen, und F raum eni et al. (1969) eruierten ein gehäuftes Auftreten von Ovarialkarzinomen bei Nonnen. Der Anteil der kinderlosen Frauen in der Normalbevölke­ rungwird mit 13,6 % angegeben [H u b er 1949 und 1951]. In unserem Patientengut hatten 26,8 % der Ovarialkarzinomträgerinnen keine Kinder, 15,8% ein Kind, 46,4% zwei oder drei Kinder und 10,5 % vier und mehr Kinder. Die Häufigkeit der Frauen ohne Kinder ist damit vergleichbar mit den Anga­ ben in der Literatur. Vorausgegangene Strahlentherapie Umstritten ist die Frage einer möglichen Tumorinduktion durch eine vorausgegangene Bestrahlung der Beckenorgane. Tierexperimentelle Untersuchungen von L indop (1969) und M iller (1972) ließen die Vermutung einer Genese des Ovarialkarzinoms durch vorausgegangene Strahlentherapie aufkommen. P a rker et al. (1970) fanden 17 Patientinnen von 262 Ovarialkarzinomträgerinnen, die eine radiothera­ peutische Bestrahlung in der Anamnese angaben. Andere Un­ tersucher dagegen [Speert 1952, St a u d er 1957, W est 1966 und Koch 1969] fanden keinen direkten Zusammenhang zwi­ schen Ovarialkarzinomen und vorausgegangener Strahlen­ therapie. So beobachtete St a u d e r 735 Patientinnen über einen Zeitraum von 10 bis 24 Jahren. Diese Patientinnen hat­ ten teilweise 625 R zur Röntgenmenolyse oder eine geringere Dosis zur Erzeugung einer temporären Amenorrhoe erhalten. Nur vier dieser Frauen entwickelten ein Ovarialkarzinom. Das entspricht aber der Inzidenz der normalen weiblichen Bevöl­ kerung derselben Altersstufe. 9 von 190 Frauen, die wir in dem Zeitraum von 1962 bis 1976 behandelten, waren vorher einer strahlentherapeutischen Be­ handlung ausgesetzt gewesen. Es war 5mal das Becken, 3mal die Mamma und lmal ein Halslymphknoten bestrahlt worden.

Wolnik, Bauer: Zur Epidemiologie des Ovarialkarzinoms

Der Anteil der Frauen mit vorausgegangener Beckenbestrah­ lung beträgt also damit 2,6 %, während die Inzidenzrate des Ovarialkarzinoms mit 0 ,1 -0 ,6 % nichtbestrahlter Frauen an­ gegeben wird [Schm idt I960]. Sozialer Status W est (1966) und W ynder et al. (1969) fanden in den von

ihnen untersuchten Patientenkollektiven das Phänomen, daß sozial besser gestellte Frauen häufiger an einem Ovarialkar­ zinom erkranken als Frauen aus sozial schlechter gestellten Bevölkerungsgruppen. Bei unseren Untersuchungen konnten wir nur auf den Beruf des Ehemanns zurückgreifen, da eine soziale Klassifikation, vor allem bei Hausfrauen, nicht möglich war. Vergleicht man den Anteil der Arbeiter an den männli­ chen Erwerbstätigen in Deutschland (54 %), so gehören nur 37,7 % der Ehemänner unserer Ovarialkarzinompatientinnen dieser Berufsgruppe an. Frauen von Beamten, Angestellten oder Selbständigen (in der Normalbevölkerung 45,9 %) waren mit 62,3 % bei unseren Patientinnen bedeutend häufiger vertreten. Diese Zahlen könnten Beobachtungen der obengenannten Autoren bestätigen. Umweltbedingte Faktoren Umweltbedingte Faktoren, die für die Entstehung eines Ovarialkarzinoms bei unseren Patientinnen von entschei­ dender Bedeutung gewesen sein könnten, fanden wir nicht. Auch eine Asbestexposition, wie sie in einer Arbeit von G raham und G raham (1967) beschrieben worden ist, konn­ ten wir bei unseren Patientinnen nicht eruieren. Karzinomfamilien Über eine familiäre Häufung analoger bösartiger Geschwülste ist in der Literatur wiederholt berichtet worden [K im brough 1929, J ackson 1967, L ewis und D avison 1969, Li und F raum eni 1970, H eld et al. 1973, Li et al. 1973, C rann etal. 1974 und K ubista etal. 1975]. Beim Korpuskarzinom werden im Schrifttum zwischen 5 % [D ellapia ne 1937] und 15 % [W eish a a r und D elling 1962] familiäre Belastung angegeben. L inz (1966) fand bei 10,5 % seiner Korpuskarzinompatientinnen eine familiäre Krebsanamnese. K ubista et al. (1975) berichten über vier von 15 jungen Ovarialkarzinompatientinnen mit familiärer Krebsbelastung. In dem von uns untersuchten Patientenkol­ lektiv gaben 57 (30 %) eine Krebserkrankung in der Familie an (Tabelle III). Begleiterkrankungen E n g eler (1974) gibt in 19% seiner 568 untersuchten Ova­

rialkarzinomträgerinnen eine Hypertonie und in 2,3 % einen Diabetes mellitus an. Von unseren 190 Patientinnen hatten 11% einen manife­ sten Diabetes mellitus (im Vergleich dazu haben 1,4% der Frauen der entsprechenden Altersgruppe in der Bundesrepu­ blik einen Diabetes mellitus, Jahresstatistik 1970) und 34.2% einen fixierten und therapiebedürftigen Hypertonus, wäh­ rend die Jahresstatistik 1970 nur 0,6% der weiblichen Be­ völkerung aller Altersschichten mit einem Hypertonus aus­ weist. Bemerkenswert ist weiterhin der hohe Anteil der Patientin­ nen mit gleichzeitigen Venenerkrankungen. Während 0,8%

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aller Altersgruppen an Venenerkrankungen leiden sollen, fanden wir, daß 54,7 % unserer Ovarialkarzinompatientinnen Varizen und/oder deren Folgeerkrankungen aufwiesen. Weiterhin hatten 16,8 % der Patientinnen Strumen, und 5,3 % waren früher strumektomiert worden. Korpusschleimhautpolypen werden oft als Präkanzerösen des Korpuskarzinoms angesehen. Zumindest ist eine Koexi­ stenz der Korpusschleimhautpolypen und des Korpuskarzi­ noms bekannt. Linz (1966) fand bei 35 von 315 Korpuskar­ zinompatientinnen (= 11%) gleichzeitig endometriale Poly­ pen. Von unseren 190 Ovarialkarzinompatientinnen waren 37 (= 19,5 %) vor Stellung der Diagnose an Korpusschleimhaut­ polypen operiert worden. Kepp (1974) betonte bereits die Tatsache, daß bei einer Frau mit Korpusschleimhautpolypen häufiger mit bösartigen Tu­ moren im Bereich des inneren Genitale gerechnet werden muß.

Die Appendektomien lagen 4 bis 47 Jahre zurück. Hysterek­ tomien waren 6 (= 3,1%) und einseitig ovarektomiert 4 (= 2,1%) unserer Patientinnen. In der Literatur werden Zahlen zwischen 3,6% und 11,7% Hysterektomierter unter Ovarialkarzinompatientinnen angegeben [Ko fler 1972]. Weitere intraperitoneale Eingriffe waren Cholezystektomien, Magenoperationen, Divertikeloperationen und Herniotomien. Blutgruppen Verteilung

Eine Verschiebung der Blutgruppenfrequenz wurde bei ver­ schiedenen Erkrankungen festgestellt [Hei.mbold und Pro­ kop 1958, Wolnik 1971]. Beim Ovarialkarzinom soll eine Häufung der Blutgruppe A im Krankengut beobachtet werden [Castano et al. 1970, L ingeman 1974]. Wir fanden in unserem Krankengut 53% Blutgruppen A-, 31 % Blutgruppen 0-, 11 % Blutgruppen Bund 5 % Blutgruppen AB-Trägerinnen. Auch in unserem Ovarialkarzinompatientinnengut scheinen damit die Blut­ gruppen A-Patientinnen häufiger vorzukommen, als es der Normalverteilung (42,8 %) entspricht, während die Blutgrup­ pe 0 (Normalvertcilung 40%) seltener an Ovarialkarzinom zu erkranken scheint. Hier könnte der von H elmboi.d und Prokop (1958) diskutierte blutgruppenabhängige Immun­ mechanismus, der das Entstehen von Krankheiten selektiv be­ einflussen soll, eine Rolle spielen.

Einfluß vorausgegangener Laparotomien Der Einfluß der Appendix im Rahmen des Immunsystems [Biermann 1968] und ihre hypothetische Schutzfunktion ge­ genüber Malignomen sind wiederholt diskutiert worden. Die Wahrscheinlichkeit, nach einer Hysterektomie oder einer ein­ seitigen Adnektomie an einem Ovarialkarzinom zu erkran­ ken, soll 1,4% betragen [Wagenbichler et al. 1972], Kiyan (1968) konnte feststellen, daß bei 20,7 % seiner 256 Ovarial­ karzinompatientinnen eine Appendektomie dem Tumorlei­ den vorausgegangen war. Nach Lewis (1965) beträgt die Häufigkeit Appendektomierter in Kansas 23,7 auf 10000 (=

Schlußfolgerungen

0,2 % ) .

Zusammenfassend können wir aufgrund der Analyse unse­ res Krankenguts und der Erkenntnisse aus der Literatur auf folgende Risikofaktoren hinweisen, die die Entstehung eines Ovarialkarzinoms zu begünstigen scheinen.

Von unseren 190 Patientinnen mit Ovarialkarzinomen waren 55 (= 29 %) vor ihrer Erkrankung mindestens einmal laparotomiert worden. Es hatten 31 Patientinnen (= 16,3%) keine Appendix mehr.

Tabelle III. Familiäre Tumoranamnese.

Vater Schilddrüse Lunge Larynx Mamma Magen Leber Pankreas Darm Blut Skelett Drüsen Blase Haut Genitale Ovar Prostata Gehirn Lokalisation unbekannt Anzahl

Anzahl

Verwandtschaft Mutter

Bruder

Schwester

Großmutter

1 1 I 3 3 3 1

3 2 1 1 4

5 1 1

1 1 1 1

1

1 1 1 2 4 1

4 1

1 1 1 13

20

1 5

1 1 16

3

1 1 1 8 7 6 1 9 2 1 1 1 2 8 2 1 2 3 57

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T umoren

100

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1. Die am häufigsten befallene Altersgruppe sind Frauen zwischen dem 55. und 64. Lebensjahr. 2. Es sind Frauen mit kurzem Menarche-Menopause-Abstand, die häufiger am Ovarialkarzinom erkranken. 3. Das Ovarialkarzinom ist bei Nulliparae häufiger. Das Risi­ ko, an einem Ovarialkarzinom zu erkranken, nimmt mit steigender Kinderzahl ab, scheint aber bei Frauen mit 4 und mehr Kindern wieder anzusteigen. Analog verhält es sich mit der Abortrate. 4. Eine Vorbestrahlung des Beckens scheint das Risiko, an einem Ovarialkarzinom zu erkranken, zu vergrößern. 5. Frauen aus sozial besser gestellten Schichten sind häufiger im Krankengut zu finden. 6. Die Blutgruppe A war stärker, die Blutgruppe 0 seltener vertreten, als es der Normalverteilung entsprechen würde. 7. Diabetes mellitus, Adipositas, Hypertonie und Venen­ erkrankungen sind oft feststellbare Bcgleiterkrankungen. 8. Polypen des Corpus Uteri gingen dem Ovarialkarzinom oft voraus. 9. Viele der Patientinnen hatten eine Appendektomie oder eine Laparotomie aus anderen Gründen in der Anamnese. 10. Es wurde eine gehäufte familiäre Krebsbelastung eruiert.

Wolnik, Bauer: Zur Epidemiologie des Ovarialkarzinoms

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cancer of the ovary. Cancer Res. 23:352 (1969). Sonderdruckbestellungen an: Dr. L. Wolnik, Pilgrimstein 3, Uni­ versitäts-Frauenklinik, D-3550 Marburg 1

Carmustin BCNU100 mg

Das Zytostatikum zur Behandlung von primären und m etastatischen Hirntumoren, proliferativen Erkrankungen des Blutes, des lymphatischen Gewebes, insbesondere Morbus Hodgkin Stadium III und IV

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Zusammensetzung: 1 Inj.-Fläschchen enthält 100 mg BCNU lyophilisiert. Anwendungsgebiete: Primäre und metastatischc Hirntumorc, proditerative Erkrankungen des Blutes, des lymphatischen Gewebes, insbesondere Morbus Hodgkin Stadium III und IV. Leukämie, auch mit Lokalisation im Nervensystem; bei Karzinomen des Verdauungstraktes, nach Versagen anderer Therapien; bei Melanomen zusammen mit anderen Zytostatika. Kontraindikationen: Starke Knochen­ marksdepression: Leukozyten weniger als 2500/mm3; Thrombozyten weniger als 100000/mm3. Nebenwirkungen: Knochenmarksdepression bis 4-6 Wochen nach Beendigung eines Behandlungszyklus. Hämorrhagische Ereignisse sehr selten. Es können hervorgerufen werden Erscheinungen wie Übelkeit, Erbrechen, Stomatitis, Alopezie, Anämie, Appetitlosigkeit, Lcbcrschaden und Ikterus, gelegentlich Hypotonie und sehr selten einen vorübergehenden hohen Serumharnstoffspiegel (BUN). Manchmal brennendes Gefühl auf der venösen Seite der Injektion. Gelegentlich thrombophiebitische Reaktion. Vorsichtsmaßregeln und Dosierung: lt. Packungsbeilagc. Handclsform und Preis: 1 Packung mit 1 Inj.-Fläschchen mit 100 mg BCNU + 1 Ampulle mit 3 ml absolutem Äthanol als Lösungsmittel DM 59,86.

[Epidemiology of ovarian cancer].

Onkologie 2 : 96-101 (1979) Beitrag zur Epidemiologie des Ovarialkarzinoms L. Wolnik und H. Bauer Zusammenfassung und Schlüsselwörter Summary and K...
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