Leserbriefe Chirurg 2014 · 85:345–346 DOI 10.1007/s00104-014-2735-9 Online publiziert: 30. März 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

Zum Beitrag Kadmon et al (2013) Der kompetente Chirurg – Brückenschlag zwischen der Ausbildung im praktischen Jahr und der chirurgischen Weiterbildung. Chirurg 84:859–868

Leserbrief Y. Holzhausen, A. Maaz, H. Peters Dieter Scheffner Fachzentrum für medizinische Hochschullehre, Charité – Universitätsmedizin Berlin

Kadmon und Kollegen haben in der Oktoberausgabe in Der Chirurg ihr Vorhaben beschrieben, „anvertraubare professionelle Tätigkeiten“ (APT) als Ausbildungskonzept im praktischen Jahr (PJ) anzuwenden. Ziel der Autoren ist es, kurrikulare Kontinuität zwischen dem Medizinstudium und der ärztlichen Weiterbildung herzustellen. Sie legen für die medizinische Ausbildung modellhaft die Entwicklung und Implementierung von APTs für das chirurgische PJ-Tertial dar. Wir haben diesen Artikel mit großem Interesse gelesen. Das Konzept der APTs, im Angloamerikanischen „entrustable professional activities“ (EPAs), wird zunehmend in der medizinischen Weiterbildung eingesetzt [1–2]. Der Artikel von Kadmon und Kollegen ist im deutschen Sprachraum die erste publizierte Arbeit, die sich mit APTs im Medizinstudium beschäftigt. Wir finden den präsentierten Ansatz sehr gelungen und stimmen den Autoren zu, dass mittels der APTs in der PJ-Ausbildung eine sinnvolle Brücke zur ärztlichen Weiterbildung geschlagen werden könnte. Aus dem Text ergeben sich jedoch eine Reihe praxisrelevanter Fragen für die Entwicklung und Implementierung der APTs, die wir an dieser Stelle an die Autoren richten möchten.

Anvertraubare professionelle Tätigkeiten in der PJ-Ausbildung Die Autoren schreiben, dass die APTs in Kooperation deutscher Fakultäten entstanden sind. Es wäre interessant zu erfahren, welche Personen- bzw. Statusgruppen konkret beteiligt waren (z. B. Lehrstuhlinhaber, Stationsärzte oder PJStudenten bzw. neben Chirurgen auch nicht chirurgische Fachvertreter) und wie sich diese auf die genannten 15 APTs einigten. Welche Methode (z. B. DelphiMethode) wurde angewandt? Wie haben sich die Beteiligten zudem auf den Umfang und die Tiefe der APT-Beschreibung geeinigt? Zweitens erwähnen die Autoren sog. „Index-APTs“, die durch Prüfungssituationen überprüft werden sollen. Wie genau sind diese Prüfungssituationen charakterisiert? Welches Bewertungssystem wird eingesetzt? Orientiert sich dieses an den von ten Cate und Scheele [3] beschriebenen 5-stufigen Leistungsniveaus für EPAs? Des Weiteren stellt sich uns die ­Frage, ob die genannten APTs bereits an einer Universität implementiert wurden. ­Sollte dies der Fall sein, welche Erfahrungen wurden dabei in Bezug auf die Implementierung und Akzeptanz von APTs gesammelt? Konnten Rückschlüsse (Stärken und Defizite) auf das ­vorangegangene Medizinstudium gezogen werden? Insgesamt erscheint das Konzept der „anvertraubaren professionelle Tätigkeiten“ einen vielversprechenden kurrikularen Ansatz in der PJ-Ausbildung darzustellen. Antworten auf die hier formulierten Fragen könnten die Basis dafür vergrößern, für alle PJ-Fächer spezifische ATPs zu entwickeln, zu implementieren und die erreichte Kompetenz der Auszubildenden auch zu überprüfen.

Literatur 1. Chang A, Bowen JL, Buranosky RA et al (2013) Transforming primary care training-patient-centered medical home entrustable professional activities for internal medicine residents. J Gen Intern Med 28:801–809 2. Hauer KE, Kohlwes J, Cornett P et al (2013) Identifying entrustable professional activities in internal medicine training. J Grad Med Educ 5:54–59 3. Ten Cate O, Scheele F (2007) ­Competency-based postgraduate training: can we bridge the gap between theory and clinical practice? Acad Med 82:542–547

Korrespondenzadresse Prof. Dr. H. Peters Dieter Scheffner Fachzentrum für medizinische Hochschullehre, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Mitte, Charitéplatz 1, Virchowweg 23, 10117 Berlin [email protected]

Interessenkonflikt.  Y. Holzhausen, A. Maaz und H. Peters geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Erwiderung M. Kadmon1, P. Ganschow1, S. Gillen2, H.S. Hofmann3, N. Braune3, P.O. Berbe­rat4 1 Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplanta-

tionschirurgie, Universität Heidelberg 2 Chirurgische Klinik und Poliklinik, Klinikum rechts

der Isar, TU München 3 Abteilung für Thoraxchirurgie,

Universitätsklinikum Regensburg 4 TUM MeDiCAL, Medizindidaktisches Centrum für

Ausbildungsforschung und Lehre, Fakultät für ­Medizin, TU München

Wir danken den Autoren des Leserbriefes für ihr Interesse an dem Konzept der Der Chirurg 4 · 2014 

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Leserbriefe APTs in der PJ-Ausbildung und nutzen gerne die Gelegenheit, auf die darin aufgeworfenen Fragen einzugehen und in eine Diskussion zu Umsetzungsmöglichkeiten und -hürden zu treten. Die APTs für das chirurgische PJ-Tertial wurden in einer Kooperation der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg, der Chirurgischen Klinik der TU-München sowie der Abteilung für Thoraxchirurgie des Universitätsklinikums Regensburg durch die Autoren erarbeitet. Ausgangspunkt war die Gründung der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft ­Lehre (CAL) der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), die sich in einem ihrer Arbeitskreise der Weiterentwicklung der Ausbildung im praktischen Jahr widmet [1]. Die beteiligten Personen sind besonders qualifiziert in Ausbildungsfragen, z. B. durch die Absolvierung eines Masterstudiengangs Medical Education (MME), und kommen aus allen ärztlichen Statusgruppen vom Assistenzarzt in Weiterbildung bis zum Lehrstuhlinhaber. Der Entwicklungsprozess orientierte sich vorrangig an der Definition konkreter Lernumgebungen im klinischen Alltag einer chirurgischen Ausbildungsklinik, an studentischen Evaluationen der beteiligten Kliniken, an den Erfahrungen der Autoren sowie an rechtlichen Rahmenbedingungen. In einem zweiten Schritt wurden in der Arbeitsgruppe zur Weiterentwicklung eines PJ-Musterlogbuches des Medizinischen Fakultätentages (MFT) ­designierte Fachvertreter der inneren Medizin und Allgemeinmedizin in den Entwicklungsprozess integriert. Weitere APTs für diese beiden Fachbereiche wurden entwickelt und die Empfehlungen der internistischen und allgemeinmedizinischen Kollegen zu den chirurgischen APTs berücksichtigt. Dieser Prozess, der in ein PJ-Musterlogbuch auf der Basis des APT-Konzepts für die Pflichttertiale des PJ sowie für das PJ Allgemeinmedizin münden soll, ist noch nicht abgeschlossen – ein Zwischenstand wird im Rahmen der diesjährigen MFTTagung im Juni in Frankfurt berichtet. Die Evaluation der ärztlichen Handlungskompetenzen stellt ein zentrales Element und gleichzeitig die größte Hürde für die Implementierung des APT-Konzeptes dar. Lediglich eine Subgruppe an APTs, die anhand ihres Wichtigkeitsgra-

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Der Chirurg 4 · 2014

des definiert werden kann (sog. IndexAPTs), sollte in einer strukturierten Prüfungssituation geprüft werden [2]. Die übrigen APTs können durch kontinuierliche Beobachtung durch verschiedene beteiligte Personengruppen (Oberärzte, Assistenzärzte, Pflegende etc.) bewertet, in Teambesprechungen konsentiert und in Form von Feedbackgesprächen an den PJStudierenden rückgemeldet werden. Klinische Prüfungssituationen ebenso wie das Bewertungssystem sind derzeit in Bearbeitung. Das Leistungsniveau wird sich an den von ten Cate und Scheele [3] beschriebenen 5 Stufen orientieren. Um ein konkretes Beispiel auszuführen: An der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg sollen etwa im Lernumfeld einer chirurgischen Normalstation die APTs „stationäre Aufnahme eines Patienten für einen elektiven Eingriff “ und „postoperative Visite“ in Form eines strukturierten MiniCex bewertet werden, während die „Betreuung eines postoperativen Patienten“ oder der „Umgang mit postoperativen Komplikationen“ durch kontinuierliche klinische Beobachtung bewertet und in Feedbackgesprächen rückgemeldet werden soll. Um letztere verantwortungsvoll umzusetzen, ist die Implementierung eines Mentorensystems auf dem Weg. Eine flächendeckende Umsetzung der APTs an den beteiligten Kliniken ist bisher nicht erfolgt. An der Heidelberger Chi­rurgischen Klinik erfolgte 2013 die Umsetzung der APTs auf einer „Pilotstation“ in den Lernumgebungen Normalstation und Operationssaal. Um dies zu ermöglichen, wurden die PJ-Studierenden und die Assistenzärzte eingehend in das Konzept eingewiesen, die verantwortliche Stationsärztin war durch einen MME-Studiengang und die eingehende Beschäftigung mit dem Konzept qualifiziert. Die Erfahrung zeigte, dass die spezielle Betreuungssituation im Operationssaal die Umsetzung von APTs begünstigt, die klinische Beobachtung und das Feedback mit Verantwortungsübergabe stellt eine geringe Hürde dar. Bei flächendeckender Umsetzung ist allerdings eine sorgfältige Schulung der klinischen Ausbilder erforderlich. Dagegen stellt auf der Normalstation die größte Hürde die Präsenz der PJStudierenden auf Station dar. Der zeitaufwendige Einsatz unserer Studierenden im

Operationssaal ermöglicht oft nicht ausreichend die strukturierte Verantwortungsübernahme für die ärztliche Tätigkeit am Patienten. Diese Hürde ­dürfte in konservativen Fächern weniger ausgeprägt sein – in den operativen Fächern sollten Wege gefunden werden, wie PJStudierende ausreichend im Lernumfeld einer Station ausgebildet werden können. Wir glauben, dass gerade die Vorlage eines Musterlogbuches aus der Arbeitsgruppe des MFT (s. oben) eine Diskussionsbasis für alle Fachbereiche bilden wird. Eine ganze Reihe von übergeordneten APTs wird alle Fachbereiche betreffen, sodass interdisziplinär an deren Kompetenzentwicklung gearbeitet werden und am Ende des PJ ein hohes Leistungsniveau mit weitgehender Selbständigkeit erreicht werden kann. Diese stellt dann eine gute Voraussetzung für eine sichere Patientenversorgung beim Berufseinstieg dar.

Korrespondenzadresse M. Kadmon Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie,   Universität Heidelberg,   Im Neuenheimer Feld 110,   69120 Heidelberg [email protected]

Interessenkonflikt.  M. Kadmon, P. Ganschow, S. Gillen, H.S. Hofmann, N. Braune und P.O. Berberat geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur 1. Walcher F, Kadmon M, Albrecht D (2011) Deutsche Gesellschaft für Chirurgie Mitteilungen 1/11:67– 68. http://www.dgch.de/fileadmin/media/texte_ pdf/2011-01_DGCH-Mitteilungen.pdf. Zugegriffen: 10. Jan. 2013 2. Mulder H, Cate O ten, Daalder R, Berkvens J   (2010) Building a ­competency-based ­workplace curriculum around entrustable professional activities: the case of physician assistant training. Med Teach 32(10):e453–e459. doi:10.3109/ 0142159X.2010.513719 3. Cate O ten, Scheele F (2007) ­Competency-based postgraduate training: can we bridge the gap between theory and clinical practice? Acad Med 82:542–547

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