Laryngo-Rhino-Otologie 2014 639

Operative Techniken

Die endoskopische Untersuchung, anatomische Varianten und besondere Umstände

D. Simmen N. Jones

Priv.-Doz. Dr. Daniel Simmen Zentrum für HNO- und plastische Gesichtschirurgie ORL-Zentrum Witellikerstraße 40 8032 Zürich Schweiz Nick Jones MD; BDS; FRCS; FRCS (ORL), Professor Department of Otorhinolaryngology Head and Neck Surgery University Hospital Queens Medical Centre Nottingham NG7 2UH Großbritannien Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14 D-70469 Stuttgart, Germany

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Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht, Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt Laryngo-Rhino-Otol 2014; 93: 639 – 643 · © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0935-8943

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Aus: D. Simmen, N. Jones: Chirurgie der Nasennebenhöhlen und der vorderen Schädelbasis 1. Englische Auflage 2005, Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart, New York, 2005; Seiten 113–121

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Anatomische Varianten



Das Vorkommen anatomischer Varianten ist gut dokumentiert und es scheint nicht so, dass sie bei Patienten mit nachgewiesener Rhinosinusitis häufiger zu beobachten sind als bei Gesunden. Im Gegensatz zu früher, als sie als anatomische „Abnormitäten“ bezeichnet wurden, werden sie heute eher als normale Varianten angesehen. Sie spielen – wenn überhaupt – beim Auslösen einer Rhinosinusitis oder für deren Aufrechterhaltung nur eine untergeordnete Rolle. Ihre Bedeutung liegt in erster Linie darin, dass sie den Chirurgen während der Operation irreführen können. Eine Septumdeviation wird häufig zusammen mit einer Concha bullosa auf der kontralateralen Seite beobachtet. Diese Befunde treten in der symptomfreien Bevölkerung genauso häufig auf wie bei Patienten mit einer Rhinosinusitis (Havas 1988, Lloyd 1990, 1991, Bolger 1991, Jones 1997c).

mit einem Freer sanft nach medial mobilisiert werden, um den Zugang zum mittleren Nasengang zu erleichtern.

Gefurchte mittlere Muschel Der Grad der Spaltung der mittleren Muschel variiert: von einer flachen Einkerbung auf der medialen Seite bis zu einer tiefen ▶ Abb. 4). Die Furche, welche die Muschel fast vollständig teilt (● Furche wird häufig erst bei der Untersuchung der medialen Mu▶ Abb. 5). scheloberfläche gesehen und im CT bestätigt (● Ist die Muschel annähernd zweigeteilt, kann die Orientierung erschwert sein. Es ist wichtig, sie von einem paradox gebogenen, antevertierten Processus uncinatus zu unterscheiden. Dies gelingt, wenn man ihrer medialen Oberfläche folgt und feststellt, ob die Furche ein blindes Ende besitzt oder sich nach oben außer Reichweite weiter fortsetzt.

Polypöses vorderes Ende der mittleren Muschel Die Unterscheidung zwischen Polypen des mittleren Nasengangs und einer auf der mittleren Muschel breitbasig fußenden polypö▶ Abb. 6). sen Schleimhaut kann manchmal schwierig sein (● Die mittlere Muschel ist nicht nur eine nützliche Landmarke. Sie darf auch auf keinen Fall abgerissen werden, da sie an der Schäa

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Agger-nasi-Zellen Das Vorliegen einer großen, gut pneumatisierten Agger-nasiZelle kann endoskopisch vermutet werden, wenn sich die laterale Nasenwand direkt vor dem Ansatz der mittleren Nasenmu▶ Abb. 1). schel deutlich vorbuckelt (●

Concha bullosa Eine Concha bullosa imponiert endoskopisch als aufgeblasenes, deutlich verbreitertes vorderes Ende der mittleren Muschel. Man findet sie bei etwa einem Drittel der Normalbevölkerung. Sie verhindert häufig den Zugang zum mittleren Nasengang und ▶ Abb. 2). Im CT imin die hinteren Abschnitte der Nasenhöhle (● poniert sie als eine große Luftblase innerhalb des Muschelkopfes, gelegentlich auch mit einem breiten Abfluss zum mittleren Nasengang hin – einem Muschelsinus entsprechend.

Abb. 2 a, b Ansicht einer Concha bullosa mit zugehörigem CT. b

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Paradox gebogene mittlere Muschel So wird eine mittlere Muschel bezeichnet mit einer auffallend konkaven medialen Oberfläche, die dem Septum zugewandt ist. Sie tritt bei ca. 11 % der Normalbevölkerung auf und ist eine ▶ Abb. 3). Sie ist häufig dünn und zart und sollte Normvariante (● Abb. 3 a, b Die rechte mittlere Muschel ist paradox nach medial gebogen. a

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Abb. 1 a, b Endoskopisches Bild und zugehöriges CT einer stark pneumatisierten Agger-nasi-Zelle, die eine Vorwölbung der lateralen Nasenwand vor und am Ansatz der mittleren Muschel bildet.

 Die endoskopische Untersuchung,. Laryngo-Rhino-Otol 2014; 93: 639–643

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Abb. 4 a, b Rechte, vorn gespaltene, gefurchte mittlere Muschel im endoskopischen Bild und im CT.

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Die endoskopische Untersuchung, anatomische Varianten und besondere Umstände

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c d Abb. 5 a, b Hintere Spaltenbildung der mittleren Muschel.

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Abb. 9 a, b Durch rezidivierende Entzündungen der Kieferhöhle entstandenes Ostium im Processus uncinatus, zugehöriges CT. a

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Abb. 6 a Polyp im mittleren Nasengang rechts. b Sicht aus nächster Nähe mit dem nun sichtbaren Ansatz am Processus uncinatus.

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Abb. 10 a, b Endoskopische und CT-Ansicht eines akzessorischen rechten hinteren Kieferhöhlenostiums.

Paradox gebogener Processus uncinatus Abb. 7 a, b Paradox nach vorn umgebogener Processus uncinatus (Stern) im Endoskop und im CT.

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Ein echter paradoxer Processus uncinatus biegt auf seiner eigenen Oberfläche von hinten nach vorn um und wird deshalb auch antevertierter Processus uncinatus genannt. Er verleiht dem mittleren Nasengang ein merkwürdiges Aussehen und täuscht ▶ Abb. 7). Die Anteversion damit eine zusätzliche Muschel vor (● bedeutet anatomisch, dass die Stirnhöhle direkt in das Infundibulum ethmoidale drainiert. Dies kann auf dem CT entsprechend herausgearbeitet werden.

Pneumatisierter Processus uncinatus

Abb. 8 a, b Paradox gebogener und pneumatisierter Processus uncinatus (Stern) und sein CT-Bild.

delbasis inseriert. Palpieren Sie jeden Polypen ganz vorsichtig, um zu erkennen, ob er an der mittleren Muschel ansetzt oder nicht. Polypen an der medialen Oberfläche der mittleren Muschel, die nicht aus dem oberen Nasengang oder aus dem Sphenoid kommen, sollten nicht entfernt werden, da sie wertvolle sensorische olfaktorische Neuronen enthalten können!

Er kann wie eine zusätzliche Muschel aussehen und den flüchti▶ Abb. 8). Wird ein pneumatisierter gen Chirurgen irreführen (● Processus uncinatus mithilfe eines CT diagnostiziert, sollte er aufgeschnitten und mit einer schneidenden Siebbeinzange oder einer rückwärts schneidenden Zange abgetragen werden.

Akzessorische vordere Kieferhöhlenostien Sie sind leicht zu erkennen mit einer Öffnung im Processus unci▶ Abb. 8). Vermutlich sind sie das Ergebnis rezidivierennatus (● der akuter Kieferhöhleninfektionen.

Akzessorische Ostien in der posterioren Fontanelle Sie finden sich hinter dem Hinterrand des Processus uncinatus ▶ Abb. 9, 10). zwischen unterer und mittlerer Muschel (●

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Abb. 15 Grüner Schleimpfropf im mittleren Nasengang rechts bei Aspergillose.

Abb. 11 Hypertrophierte untere Muschel bei idiopathischer Rhinitis.

Abb. 12 Ödematöse mittlere Muschel bei einem hoch atopischen Patienten. Das Sekret sieht zwar aus wie Eiter, es handelt sich aber um eine gelbliche Verfärbung durch Eosinophile.

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Abb. 17 a, b Wegener-Granulomatose mit hämorrhagisch granulierender und verkrustender Nasenschleimhaut. Abb. 14 Eiter läuft über das Ostium der Eustachi-Röhre.

Besondere Bedingungen



▶ Allergie – allergische Rhinosinusitis: ▶ Abb. 11) – hypertrophierte untere Muschel (● ▶ Abb. 12) – ödematöse mittlere Muschel (● ▶ Infektion – infektiöse Rhinosinusitis: – bakterielle Rhinosinusitis: ▶ Abb. 13) Eiter im mittleren Nasengang (● ▶ Abb. 14) Eiter, der an der hinteren seitlichen Wand herunterläuft ● ▶ Abb. 15) – Aspergillose (● ▶ spezielle „Entzündung“: ▶ Abb. 16) – pyogene Granulome (● ▶ Abb. 17) – Wegener-Granulomatose (● ▶ Abb. 18) – Sarkoidose (●

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Abb. 18 a, b Pflastersteinartig veränderte, granulierende Schleimhaut bei nasaler Sarkoidose. a

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Abb. 19 a, b Rechtsseitiger antrochoanaler Polyp im rechten mittleren Nasengang (a), der von der linken Seite aus auch in der Choane zu sehen ist (b).

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Abb. 13 Eiter im mittleren Nasengang bei akuter Sinusitis maxillaris.

Abb. 16 Spontan blutendes pyogenes Granulom.

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Abb. 20 Invertiertes Papillom im linken Recessus frontalis.

Abb. 25 Amelanotisches Melanom des Nasenbodens.

Abb. 26 Adenokarzinom in der rechten Nasenhöhle, medial der mittleren Nasenmuschel.

Abb. 22 Angiofibrom bei einem Jugendlichen. Der Tumor mit typischer Gefäßzeichnung verschließt die rechte Choane vollständig.

Abb. 27 Teleangiektasien bei hereditärer hämorrhagischer Teleangiektasie (HHT oder Morbus RenduOsler).

Abb. 23 Solitärer hämorrhagischer Polyp (Stern) medial der mittleren Muschel – ein olfaktorisches Neuroblastom.

Abb. 24 Malignes Lymphom im Nasopharynx.

▶ gutartige Tumoren: ▶ Abb. 19) – Choanalpolyp (● ▶ Abb. 20) – invertiertes Papillom (● ▶ Abb. 21) – Chondrom (● ▶ Abb. 22) – Angiofibrom (● ▶ maligne Tumoren: ▶ Abb. 23) – Olfaktoriusneuroblastom (● ▶ Abb. 24) – Tumoren des Nasenrachenraums (● ▶ Abb. 25) – malignes Melanom (● ▶ Abb. 26) – Adenokarzinom (● ▶ Verschiedenes: ▶ Abb. 27) – hereditäre hämorrhagische Teleangiektasien (● – Fremdkörper.

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Abb. 21 Septumchondrom.

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