Endokrine Dysfunktion bei kritisch kranken Patienten Th. Briissel

Viele der homöostatischen Antworten des Organismus auf Verletzung und schwere kritische Erkrankungen werden durch das Endokrinium vermittelt. Die zelluläre metabolische Aktivität wird dabei im wesentlichen durch die Schilddrüsenhormone Thyroxin (T4) und Triiodothyronin (T3) reguliert. T4 und T3sind essentiell für eine normale kardiale, pulmonale und neurologische Funktion des Organismus. Der im Rahmen schwerer, kritischer Erkrankungen auftretende gesteigerte Energiebedarf wird durch Zunahme der Cortisolsekretion über eine Stimulierung der Hypothalamus-Hypophyse-NebennierenrindenAchse (HHNA) gedeckt. Ein adäquates intravaskuläres Volumen wird über Aldosteron und Vasopressin (ADH) aufrecht erhalten. Neben diesen durch schwere Verletzung oder kritische Erkrankung hervorgerufenen Veränderungen der endoknnen Balance beeinflussen viele in der Intensivrnedizin gebräuchliche Medikamente endoknne Regulationsmechanismen.

Schilddrüsenhormone fuhren zur Zunahme metabolischer Prozesse mit daraus folgendem gesteigerten Sauerstoffverbrauch. Sie steigern den Proteinumsatz mit resultierendem Katabolismus, negativer Stickstoffbilanz und Verlust an Muskelmasse. T4 und T3 induzieren eine Steigerung des Fettstoffwechsels mit Lipolyse und Anstieg der zirkulierenden freien Fettsäuren. Tagiich werden 80 100 pg T4und etwa 30 pg T3sezerniert. Im Serum sind T4 und T j an drei Proteine gebunden: Thyroxin-bindendes Globulin, Thyroxin-bindendes Prealbumin und Albumin. Nur ein winziger Teil, 0,03 O/o des T4und 0,3 O/o des T3, liegen in freier Form vor. Dieser Teil wird jedoch als die physiologische aktive Fraktion angesehen, da nur die ungebundenen Schilddrüsenhormone zelluläre Membranen durchdringen können. Die Serumhalbwertszeit beträgt für T4 6 - 7 Tage und für T312 - 24 Stunden. 75 - 80 O/o des zirkulierenden T3 entstehen aus der peripheren Umwandlung von T4nach T3, die im wesentlichen in Leber und Niere erfolgt. Hypothyreose Die Hypothyreose ist ein klinisches Syndrom, das eine Unterproduktion von Triiodothyroninen reflektiert. Es manifestiert sich mit Lethargie, uberempfindlichkeit gegenüber Kalte, Gewichtszunahme und Obstipation. Für den Intensivmediziner sind jedoch die kardiovaskuAnästhesiol. Intensivmed. Notfailmed. Schmenther. 26 (1991) 333 - 337 O Georg Thieme Verlag Stuttgart . New York

lären Veränderungen Bradykardie, reduziertes Schlagvolumen und reduziertes Herz-Minuten-Volumen sowie eine Depression des Atemzentrums mit reduzierter ventilatorischer Antwort auf Hyperkapnie und Hypoxie (29) von gröi3ter Bedeutung. Die ausgeprägte Hypothyreose, das hypothyreote Koma (Myxödemkoma) mit Hypotension, Bradykardie, Hypothermie, Hypoglykämie, respiratorischer Azidose und möglichen zerebralen Krampfanfällen ist ein akut lebensbedrohliches Krankheitsbild, das mit einer Mortalität von etwa SO O/o einhergeht. Die Notfalltherapie des Myxödemkomas besteht in der intravenösen Bolusgabe von T4 (300500 pg), gefolgt von der kontinuierlichen Infusion von 100 pg T3über 24 h (28). Neben einem schnellen Wirkungseintritt erfolgt die zusätzliche Gabe von T3um die bei diesen Patienten oft bestehende Hemmung der peripheren Umwandlung von T4 nach T3 ZU umgehen (7,28). Diese Soforttherapie sollte von der Gabe von 100 pg T4alle 24 h gefolgt werden. Wegen einer häufig vorhandenen Nebennierenrindeninsuffizienz sollten zusätzlich 100 mg Hydrocortison alle 8 h gegeben werden. Die Gabe von Schilddrüsenhormonen kann den myokardialen Sauerstoffverbrauch stark erhöhen, Dysrhythmien verursachen und eine manifeste Herzinsuffizienz auslösen. Daher sollte der initiale T4-Bolus bei alten Patienten und bei Patienten mit kardialen Vorerkrankungen nur aus SO - 100 pg bestehen, und auf die Gabe des potenteren und schneller wirksamen T3 sollte verzichtet werden (4). Die Diagnose Hypothyreose wird durch erniedrigte Konzentrationen der Schilddrüsenhormone (normal: T4 = 4,O - 12 pg/dl, T3 = 80 - 220 ng/dl), erhöhtes Serum-TSH (TSH > 5 - 10 pU/ml), erhöhte TSH-Sekretion nach TM-Stimulation und erniedrigtes freies T4 und T3 bestätigt. Von der tatsächlichen Hypothyreose muß beim kritisch kranken Patienten ein Zustand abgegrenzt werden, der mit einer Abnahme der Schilddrüsenhormone T3, T.4 und des freien T3 einhergeht. Hierbei bleiben jedoch die freie T,-Serumkonzentration, die TSH-Serumkonzentration und die TSH-Sekretion infolge TRI--Stimulation meist normal (9, 14). Diese Veränderungen scheinen die Abnahme der T,-Bindung an Protein und die reduzierte periphere Umwandlung von T4 nach T3beim kritisch Kranken widerzuspiegeln. Sie entsprechen dem „euthyroid-sick-Syndromu und treten innerhalb weniger Stunden auf (25). Viele Autoren sehen darin einen Adaptationsmechanismus, mit dem der Organismus versucht, den Sauerstoffverbrauch einem eingeschränkten Sauerstoffangebot anzupassen. Die Reduktion der T4-Serumkonzentration beim ,euthyroid sick syndromu korreliert mit der Schwere der es auslösenden Er-

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Kiinik und Poiiiinik'für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Westfälische Wiihelms-UniversitätMünster

334 Anästhesiol. Intensivmed. Notfallmed. Schmerzther.

L-Thyroxin bei Patienten mit T4-Serumkonzentration unter 5 pg/dl zu keiner Verändemng der T3-Serumkonzentration, der Morbidität und der Mortalität führte (3). Die Unterscheidungzwischen Hypothyreose und der im Sinne einer Anpassung zu verstehenden Veränderung der Konzentrationen der Schilddrüsenhormone mit euthyreoter Stoffwechsellage ist oft schwierig. Von den vielen Schilddrüsenfunktionstests scheint die TSH-Serumkonzentration die eindeutigsten Hinweise auf das Vorliegen einer Schilddrüsenunterfunktion zu geben. Patienten mit einer TSH-Serurnkonzentration unter 5 pU/ml können als euthyreot gelten, und solche mit TSH-Spiegeln über 10 pU/ml sollten als hypothyreot eingestuft werden (4). Dabei muß aber der Einflug einiger in der Intensivtherapie üblicher Medikamente auf die TSH-Semmkonzentration berücksichtigt werden. Opioide und Glukokortikoide reduzieren die TSH-Spiegel bei hypothyreoten Patienten. Dopamin (6,s pg kg-' mir-') führt zu einer Abnahme der TSH-Serumkonzentration von 60 O/o (13). Amiodaron und auch die Hypothermie bei kardiochirurgischem Eingriff bewirken hingegen eine Zunahme der TSH-Serumkonzentration. Beim kritisch kranken, fraglich hypothyreoten Patienten sollte daher neben dem TSH-Wert die Anamnese und der körperliche Befund besonders berücksichtigt werden. Beim kritisch kranken Patienten ist eine unbehandelte Hypothyreose mit einer deutlich erhöhten Mortalität verbunden (4,6,7,28). Der Einflug der Schilddrüsenhormone auf das Herz-Kreislauf-System mag hierfür verantwortlich sein. So führen T3 und T4über eine Zunahme der Anzahl der ß-adrenergen Rezeptoren zu einer gesteigerten Antwort auf sympathische Stimulation (27). Die Affinität der ß-adrenergen Rezeptoren bleibt jedoch unverändert. Als Ursache wird eine Umwandlung von a-adrenergen Rezeptoren in ß-adrenerge Rezeptoren angenommen (15). Ein Mangel an Schilddrüsenhormonen kann somit mit reduzierter kardialer Kontraktilität und einem Wirkverlust endogener und exogener Katecholamine verbunden sein. M o b und Mitarb. konnten zeigen, dai3 bei Hypothyreose die hyperdyname Phase des septischen Schocks unterdrückt ist (17). Im septischen Schock führte die Administration von T3 ZU einer deutlichen Zunahme des Blutdmcks bei gleichzeitig reduziertem Bedarf an Katecholarninen (12). Eine hypothyreote Stoffwechsellage bei kritischer Erkrankung, besonders bei septischem Geschehen, rnuß mit Schilddrüsenhormonen substituiert werden (4,7,28). Eine solche Substitutionstherapie beginnt mit der Gabe von 50 - 150 pg TJd (7, 28). Die Dosierung sollte erhöht werden, bis die TSH-Semmkonzentration eine euthyreote Stoffwechsellageanzeigt. Die Substitutionstherapie muR behutsam erfolgen, um eine myokardiale Ischämie zu vermeiden. Insbesondere beim kardial vorgeschädigten Patienten muß die initiale Dosierung den Umständen angepaßt werden und sollte 12,s - 50 pg T4/d betragen (7). Hyperthyreose E i e Hyperthyreose manifestiert sich mit Nervosität, Muskelschwäche, Fieber, Schwitzen, Wärmeintoleranz, Gewichtsverlust, Diarrhoe und Erbrechen, Zittern

und Palpitationen. Jedoch stehen Tachykardie, Tachyarrhythmie, Hypotension, eine mögliche kardiale Dekompensation und Bewußtseinsstörungen im Vordergrund. Die Diagnose einer Schiiddrüsenüberfunktion wird durch erhöhte gesamte und freie T4und T3Serumkonzentrationen bei erniedrigtem Serum-TSH und reduzierter TSH-Sekretion nach TRH-Stimulation gestellt. Die Therapie lebensgefährlicher hyperthyreoter Zustände erfolgt durch die Gabe von Thyreostatika (Propylthiouracil 100 300 mg/6 h oral oder Thiamazol5 - 10 mg/6 h oral) oder Natriumiodid 1- 2 g/d zur Suppression der Schilddrüsenaktivität und zur Reduktion der peripheren Umwandlung von T4nach T3(28). Diese Umwandlung kann auch durch Glukokortikoide (Dexarnethason 8 - 12 mg/d) oder Propranolol verringert werden. Zusätzlich lassen sich mit Propranolol(20 - 40 mg/6 h, oder 0,s - 2,O mg i. V. alle 5 min bis 10 mg) die peripheren Kreislaufeffekte der erhöhten T 4 und T3-Konzentrationen therapieren. Ist die Gabe von ßBlockern kontraindiziert, kann Reserpin 1,O - 2,5 mg/d oder Guanethidin 50 - 150 mg/d oral gegeben werden (28).

Nebennierenrindeninsuffizienz Die akute oder chronische Nebennierenrindeninsuffizienzist durch verringerte Mineralokortikoid- und Glukokortikoidproduktion gekennzeichnet. Der Mangel an Aldosteron, dem wichtigsten Mineralokortikoid, führt zu Salz- und Wasserverlusten sowie zu einer Kaliumretention. Kortisolrnangel bedingt Veränderungen des Kohlehydrat-, Protein- und Fettstoffwechsels. Unter anderem stimulieren Glukokortikoide die hepatische Glukoneogenese, reduzieren den peripheren Verbrauch an Glukose und führen so häufig zu Glukoseintoleranz. Die primäre Nebennierenrindeninsuffizienz kann durch Nebennierentumoren, autoimmune Nebennierenatrophie, bakterielle Infektion, AIDS, Infarkt oder Blutung hervorgemfen werden. Zusäalich können Medikamente wie Etomidat, Metyrapon, Aminoglutethimid und Ketoconazol die Kortikoidsynthese hemmen. Auch beim septischen Geschehen wird die Kortikoidausschüttung beeinträchtigt. Endotoxin besitzt antiglukokortikoide Effekte, was Ursache der reduzierten Steroidbildung beim bakteriellen Schock sein kann (2). Eine sekundäre Nebennierenrindeninsuffizienz resultiert aus Störungen der HHNA, insbesondere bei Störungen der Hypophysenfunktion durch Turnore, Infarkt oder nach Resektion. Allen diesen Veränderungen der Nebennierenrindenfunktion ist gemein, daß eine normale Steigerung der hormonellen Sekretionsleistung der Nebennierenrinde, hervorgerufen durch Stress oder Trauma, nicht mehr möglich ist. Am häufigsten wird die HHNA-Insuffizienz jedoch iatrogen als Folge einer Therapie mit Glukokortikoiden verursacht. Patienten, die innerhalb der letzten 12 Monate fur einen Zeitraum von mehr als einer Woche mit Glukokortikoiden behandelt worden sind, können eine Beeinträchtigung der HHNA mit eingeschränkter ACTH- und Cortisolfreisetzung haben (8, 11,23,26). Neben Patienten, bei denen eine Stömng der HHNA bekannt ist. sollte auch bei kritisch Kranken. die nur gering auf Volumensubstitution und vasoaktive bzw. positiv inotrope Substanzen reagieren, an eine Nebennierenrindeninsuffizienz gedacht werden. Eine Unterfunktion der

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krankung und deren Mortalität (21). Dennoch konnten

Brent und Hershman zeigen, dat3 die Administration von

P. La win

Nebennierenrinde kann rasch und einfach mit Hilfe des ACTH-Stimulationstests diagnostiziert werden. Bei intakter Nebennierennndenfunktion führt die Gabe von 0,25 mg SynacthenB, einem synthetischen ACTH-Präparat, zu einem Anstieg der Plasmakortisolkonzentration um mehr als 7 p g d l (192 nmol/l) mit einem Plasmakortisolspiegel von über 18 g/dl(495 nmol/l) 60 Minuten nach der intravenösen Gabe (8). Plasmakortisoikonzentrationen von unter 20 22 pg/dl(550 - 600 nmol/l) bei einem kntisch kranken Patienten deuten auf eine Störung der HHNA hin (5, 8). Die Menge an Cortisol, die bei latenter Nebennierenrindeninsuffizienz fur eine adäquate Substitution während Stregsituation erforderlich ist, ist bislang nicht eindeutig bekannt. Die Cortisolsekretion eines normalen Patienten ohne Streß beträgt etwa 20 - 30 mg/d (20). Bei Zuständen von Streß, wie sie infolge Operation oder kritischer Erkrankung auftreten, werden von der Nebennierenrinde maximal 200 - 300 mg Cortisol pro Tag sezerniert (30). In dieser Höhe dient die Cortisolsekretion zu allererst einer Aktivierung metabolischer Prozesse, um die Energieansprüche des Körpers unter extremen Bedingungen erfüllen zu können. In einer Studie von Finley undMcKee an 57 kritisch kranken Patienten starben alle 18 Patienten mit Serurnkortisolspiegel unter 11 p g d l (300 nmol/l), wohingegen die Mortalität der Patienten mit höheren Serumkortisolkonzentrationen bei 36 O/o lag (10). In einem vergleichbaren Patientenkollektiv verbesserte eine Glukokortikoidtherapie die Überlebensrate signifikant (16). Die übliche Substitutionstherapie besteht aus der Administration von 200 - 300 mg Hydrocortison täglich. Es können jedoch auch äquivalente Glukokortikoiddosen von Prednisolon, Methylprednisolon oder Dexamethason verabreicht werden. Dabei sollte auf die unterschiedlichen glukokortikoiden und mineralokortikoiden Effekte der verschiedenen Pharmaka geachtet werden (Tab. 1). Die Administration von Glukokortikoiden mit erhöhter Mineralokortikoidwirkungbirgt die Gefahr der Steroid-induzierten metabolischen Alkalose und der Natrium- und Flüssigkeitsretention. Die aus dieser Alkalose resultierende kompensatorische Hypoventilation kann bei kritisch Kranken ein Abtrainieren vom Respirator unmöglich machen (6). Die Natrium- und Flüssigkeitsretention bedeutet bei Patienten mit Volumenüberlastung, Herzinsuffizienz oder Nierenerkrankungen zusätzliche Gefahr. Bei Lebererkrankungen sollte die Dosierung der Glukokortikoide der veränderten hepatischen Metabolisierung angepaßt werden. Auch sollte auf die Gabe von Prednison und Cortison, die in der Leber zu den aktiven Substanzen hydroxyliert werden, verzichtet werden. Sorgen bereiten bei einer solchen Therawie die möglichen ~ebvenwirkun~en der Steroide wie erhökte Infektanfäiiigkeit, Wundheilungsstörungen, katabole Stoffwechsellage mit Hyperglykamie und die metabolische A l b lose. Bei adrenalektomierten Primaten fanden Udelsmann und Mitarb. keine erhöhte Inzidenz von Wundheilunasstörungen oder anderen Nebenwirkungen einer erhöhten Glukokortikoidtherapie bei subnormaler, normaler und supranormaler Cortisolsubstitution in der perioperativen Phase einer Cholezystekomie (24). Diese Autoren beobachteten jedoch eine signifikante Zunahme der perioperativen Kom-

Anästhesiol. Intensivmed. Notfallmed. Schmerzther.

335

Tab. 1

Dosis mg

Glukokortikoid Effekt

Mineralokortikoid Effekt

Dauer h

Cortison Hydrocortison Cortisol Prednison Prednisolon Methylprednisolon Triamcinolon Dexamethason

plikationen und der Mortalität in-derGruppe mit subphysiologischer Glukokortikoidsubstitution. Eine kurzfristige Cortisolgabe (100 - 200 mg Hydrocortison/d fur wenige Tage bis zu zwei Wochen) scheint wenig Einflug auf die Infektabwehr zu haben (8,19). Hingegen beeinträchtigen pharmakologische Dosierungen (30 mg Methylprednisolon/d) das Immunsystem in vielfältiger Weise (PMN-Funktion, T- und B-Zell-Funktionetc.) (19). Die akute schwere Nebenniereninsuffizienz wird oft durch Trauma, Sepsis oder chirurgischen Stress bei bereits bestehender, chronischer Nebennierenrindeninsuffizienz oder Verändemne der HHNA und unzureichender Substitutionstherapie mit Glukokortikoiden ausgelöst. Sie manifestiert sich mit Fieber, Erbrechen, Diarrhoe, Muskelschwäche, abdominellen Krämpfen, ausgepragter Dehydratation, Hypotension und Schock und stellt einen lebensbedrohlichen Zustand dar. Die Therapie besteht in einem initialen Bolus von 100 mg Hydrocortison i. V. und der nachfolgenden Gabe von 75 - 100 mg Hydrocortison alle 8 h über 2 Tage (7).Zusätzlich müssen Hypovolämie und Hyponatriämie und ggf. Hypoglykämie mit physiologischer Kochsalzlösung und Glukose ausgeglichen werden. Neben Glukokortikoiden müssen auch Mineralokortikoide substituiert werden. Die mineralokortikoide Wirkung " von Hvdrocortison, Cortison und Cortisol ist ausreichend, bei Methylprednisolon, und insbesondere bei Dexamethason, muß jedoch Fludrocortison (0,05 - 0,3 mg/Tag) zugeführt werden (8, 22). Bei noch ausstehender Nebennierenrindendiagnostik sollte initiai Dexamethason der Vorzug " vor Hvdrocortison gegeben werden, da Dexarnethason nicht mit Cortisol im Radioimmunoassay kreuzreagiert (6). Cushing-Syndrom, Hyper- und Hypoaldosteronismus Im Gegensatz zu der NebennierenrindeninSuffizienz, die, durch kritische Erkrankung ausgelöst, zu lebensbedrohlichen Situationen M r e n kann, spielt die übermäßige Produktion von Cortisol, wie sie beim Cushing-Syndrom auftritt, in der Intensivmedizin nur eine untergeordnete Rolle. Das Cushing-Synrom, gekennzeichnet durch gesteigerte Cortisolsekretion, manifestiert sich mit Müdigkeit, Schwäche, Voiimondgesicht, Stammfettsucht, abdominalen Striae, Diabetes mellitus, Osteoporose und Hypertension. Selten fuhrt diese Erkrankung zu Zuständen, die eine akute intensivtherapeutische Intervention notwendig machen. Ge-

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Auch Aldosteronisrnus, gekennzeichnet durch Hypertension, Hypokaliämie mit Alkalose und Hypernatriämie, sowie Hypoaldosteronismus mit der Hyperkaliämie als i-iau~tsvm~torn führen selten zu lebensbedrohlichen zuständen. '~e'le~entlich sind jedoch die Störungen des Kaliurnhaushalts so gravierend, daß sie schwerste Herzrhythmusstörungen hervorrufen können.

Hypophysenfunktionsstörungen Die Hypophyse kann in zwei Teile, einen anterioren (Adenohypophyse) und einen posterioren Teil (Neurohypophyse), unterteilt werden. Im Hypophysenvorderlappen werden neben ACTH und TSH, follikelstimulierendes Hormon (FSH), luteinisierendes Hormon (LH), Wachstumshormon und Prolaktin gebildet. Veränderungen der Konzentrationen der letzten vier Hormone haben keinen Einflui3 auf den Verlauf einer kritischen Erkrankung. Eine Ausnahme davon mag das Hypophysenvorderlappenhormon Prolaktin darstellen. Ergebnisse einer Untersuchung von Bernton und Mitarb. lassen vermuten, daß Prolaktin eine Rolle in der Infektabwehr spielt (1). Dies kann beim kritisch kranken Patienten unter Umständen wichtig sein, da die Sekretion von Prolaktin durch die Administration von Dopamin gehemmt wird. Die Auswirkungen eines Man~elsbzw. Über~roduktionan ACTH oder TSH wurden unter ~ebennierehinden-und Schilddrüsenerkrankungen behandelt.

In der Neurohypophyse werden Vasopressin und Oxytocin gespeichert und sezerniert, die im Hypothalamus synthetisiert wurden. Ein Mangel an Vasopressin (hypophysärer Diabetes mellitus) oder der ausbleibende Effekt von Vasopressin an der renalen Tubuluszelle (nephrogener Diabetes insipidus) kann neben einer deutlichen Hypematriämie und Hypokaliämie zu schwerstem Volumenmangel mit kardiovaskulärem Kollaps führen. Die Therapie der Wahl des entgleisten zentralen Diabetes insipidus mit hypovolämischem Schock und Elektrolytveränderungen besteht zusätzlich zur Flüssigkeitsund Elektrolytgabe in der Administration von Vasopressinanaloga. Gegenwärtig gilt Desmopressin (dDAVP, l-deamino, 8-D-Arginine-Vasopressin = MinirinB) als das Mittel der Wahl (18). Die übliche Substitutionstherapie besteht in der intranasalen Applikation von 10 - 20 pg dDAVP zweimal täglich. Bestehen Gegenanzeigen zu einer intranasalen Anwendung, so liegen auch Präparate zur parenteralen Gabe vor, von denen dann 2,s - 5,O pg intramuskulär oder subkutan injiziert werden können. Diese Applikationsform hat jedoch den Nachteil einer nur kurzen Wukung (Halbwerts-

zeit 1- 2 h) gegenüber der intranasalen Anwendung (Halbwertszeit von 10 - 20 h). Die Therapie des nephrogenen Diabetes insidipus besteht aus der Gabe von Saluretika, da Vasopressin unwirksam ist. Literatur

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sichert wird die Diagnose einer clberproduktion an Glukokortikoiden durch eine erhöhte Serumkortisolkonzentration, eine gesteigerte Ausscheidung von freiem Cortisol und dessen Metaboliten im 24-Stunden-Urin und einem positiven Dexarnethasontest. Dabei führt die Gabe von 1mg Dexamethason abends zum Rückgang der hypophysären ACTH-Sekretion mit resultierender Reduktion der Cortisolsekretion und einer Serumkortisolkonzentration von unter 5 pg/dl am folgenden Morgen. Die Therapie der Wahl des Hypercortisoiismus ist die Resektion des fur die Steroidproduktion verantwortlichen Tumors.

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Anästhesiol. Intensivmed. Notfallrned. Schmerzther.

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Dr. Thornus Briissel Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin Westfälische Wiihelrns-Universität Münster Alben-Schweiaer-Str.33 4400 Münster

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Endokrine Dysfunktion bei kritisch kranken Patienten Th. Briissel Viele der homöostatischen Antworten des Organismus auf Verletzung und schwere kriti...
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