FORTBILDUNG

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NOTFALLCHECKLISTE

Heftiger Flankenschmerz H. S. F Ü E S S L Es ist später Samstagnachmittag. Sie werden als kassenärztlicher Notdienst von einer 35-jährigen Frau angerufen. Sie leidet seit mehreren Stunden unter zunehmenden, heftigen Schmerzen im Bereich der rechten Flanke. Auf dem Weg zur Patientin überlegen Sie, was sie wohl unter dem Begriff „Flanke“ versteht, der zwar in der Medizin und von Laien häufig verwendet wird, für den es jedoch keine exakte Definition gibt.



Im Allgemeinen wird der Bereich zwischen Rippenbogen (nach oben zu), LWS (zur Mitte kaudal), Beckenkamm (untere Begrenzung) und vorderer Axillarlinie als Flankenregion bezeichnet. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten der Schmerzentstehung in diesem Bereich. Dazu gehören Erkrankungen der Haut, der Muskulatur, der Nerven, der Rippen, der Aorta, des Peritoneums und innerer Organe wie Leber, Gallenblase, Milz, Nieren, ableitende Harnwege und Darm. Zusätzlich ist beim Flankenschmerz auch an das Phänomen fortgeleiteter Schmerzen in die sog. Headschen Zonen zu denken. Daher muss man beim Flankenschmerz sogar eine Aortenruptur, ein dissezierendes Aortenaneurysma oder einen Myokardinfarkt ins Kalkül einbeziehen. Der Flankenschmerz stellt aus diesem Grund hohe Anforderungen an das differenzialdiagnostische Denken des behandelnden Arztes (s. Tab. 1). Dauerschmerz und Fieber, keine wesentlichen Vorerkrankungen Die Tatsache, dass es sich bei der Patientin um eine 35-jährige, nicht schwangere Frau ohne wesentliche Vorerkrankungen handelt, engt die Differenzialdiagnosen bedeutend ein. Als Sie erfahren, dass es sich um einen anhaltenden Dauerschmerz handelt und zusätzlich Fieber von 39,2 °C besteht, wird das Bild klarer.

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Die Frau berichtet außerdem, dass sie in der Vergangenheit bereits zweimal Harnwegsinfekte mit Brennen beim Wasserlassen hatte, womit auch diesmal ihre Erkrankung begann. Von früheren Untersuchungen her sind keine Nierensteine bekannt. Bei der Untersuchung fühlt sich die Patientin heiß an, es besteht eine Tachykardie von 116/min, der Blutdruck beträgt 100/60 mmHg, die rechte Flanke ist extrem klopfempfindlich. Im UrinStix finden sich massenhaft Leukozyten und Ery throzyten. Sie asservieren Urin für die mikrobiologische Untersuchung und schallen mit ihrem Ultraschall-Taschengerät beide Nieren. Es besteht kein Anhalt für eine Harnabflussstörung, das Parenchym der rechten Niere erscheint echoärmer und verbreitert. Klinische Diagnose „akute Pyelonephritis“ Die Trias Fieber, Flankenschmerz und Pyurie erlaubt insbesondere im Zusammenhang mit der Anamnese rezidivierender Zystitiden die klinische Diagnose einer akuten Pyelonephritis. Definitionsgemäß liegt eine unkomplizierte Erkrankung vor. Die häufigsten Erreger unkomplizierter Harnwegsinfektionen sind E. coli und Enterokokken, gefolgt von Proteus mirabilis, Staphylokokken und Klebsiella pneumoniae.

Tabelle 1

Wichtige Ursachen von akuten Flankenschmerzen Lokalisation akut einseitig rechts oder links

− − − − − − − − − − −

Nierensteinkolik Ureterstenose Pyelonephritis Nieren-/Nebenniereninfarkt Retroperitoneale Blutung (Antikoagulanzien) Zoster Pleuraerkrankungen (atemabhängig) Ulcus duodeni Inkarzerierte Hernie Adnexitis Extrauteringravidität

Lokalisation rechts (zusätzlich)

− − − −

Cholezystolithiasis, Cholezystitis Pankreatitis Akute Appendizitis Lebererkrankungen

Lokalisation links (zusätzlich)

− − − −

Milzinfarkt Myokardinfarkt

Lokalisation akut beidseitig Vertebragene Schmerzen Aortendissektion

MMW-Fortschr. Med. 2015; 157 (6)

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Tabelle 2

Empfohlene empirische Antibiotikatherapie der unkomplizierten Pyelonephritis bei gesunden Frauen in der Prämenopause Tagesdosis

Dauer

Ciprofloxacin

500–750 mg 2 × tgl.

7–10 Tage

Ciprofloxacin retard

1000 mg 1 × tgl.

7–10 Tage

Levofloxacin

750 mg 1 × tgl.

5 Tage

Cefpodoximproxetil

200 mg 2 × tgl.

10 Tage

Ceftibuten

400 mg 1 × tgl.

10 Tage

Cotrimoxazol

160/800 mg 2 × tgl.

14 Tage

Amoxicillin/Clavulansäure

0,875/0,125 g 2 × tgl.

14 Tage

Amoxicillin/Clavulansäure

0,5/0,125 g 3 × tgl.

14 Tage

Mittel der ersten Wahl

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Mittel der zweiten Wahl

Bei bekannter Erregerempfindlichkeit (nicht zur empirischen Therapie)

− − −

Antibiotikatherapie der akuten Pyelonephritis Nachdem es sich um eine unkomplizierte Pyelonephritis bei einer ansonsten gesunden Frau in der Prämenopause ohne Risikofaktoren handelt, ist eine orale Therapie ausreichend. Bei schweren Infektionen mit Begleiterscheinungen wie Übelkeit, Erbrechen und Kreislaufinstabilität sollte die Therapie initial parenteral begonnen werden. Fluorchinolone sind Mittel der ersten Wahl, falls die lokale Escherichia-coliResistenzrate < 10% liegt. Cefpodoximproxetil sollte in Situationen in Erwägung gezogen werden, wenn z. B. Fluorchinolone nicht zur Anwendung kommen können. Das früher beliebte Cotrimoxazol sollte nicht mehr zur empirischen Therapie der Pyelonephritis eingesetzt werden. Es kann aber als orale Sequenztherapie nach initialer parenteraler Therapie erwogen werden, wenn die Erreger als Cotrimoxazol-empfindlich getestet wurden. Kasuistik: Wie ging es weiter? Bereits am Abend des nächsten Tages war das Fieber deutlich zurückgegangen, und die Schmerzen hatten nachgelassen. Drei Tage nach Beginn der antibioti-

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schen Therapie stellte sich die Patientin in der Praxis vor. Es ging ihr deutlich besser, im Urin fanden sich nur noch wenige Erythro- und Leukozyten. Die mikroskopische Urinuntersuchung zeigte keine Leukozyten-Zylinder. In der mittlerweile eingetroffenen Urinkultur lag eine signifi kante Bakteriurie mit E. coli vor. Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. med. Hermann S. Füeßl Privatpraxis für Integrative Innere Medizin Renatastr. 30, D-80369 München E-Mail: [email protected]

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[Emergency checklist: acute flank pain].

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