Originalien Ophthalmologe 2015 DOI 10.1007/s00347-014-3165-2 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

M. Schürer1, 5 · A. Walter2, 5 · H. Brünner3, 5 · A. Langenbucher4, 5 1 OncoRay – Nationales Zentrum für Strahlenforschung in der Onkologie, Technische Universität Dresden 2 Steiner-Optik GmbH, Bayreuth 3 VisioCraft GmbH, Erlangen 4 Experimentelle Ophthalmologie, Universität des Saarlandes, Homburg (Saar) 5 Medizinische Optik, Institut für Medizinische Physik, Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen

Einfluss transparenter gelb- und orangefarbiger Kontaktlinsen auf das Farbunterscheidungsvermögen im gelben Farbbereich

Hintergrund

Methode

Jedes Filtermedium beeinflusst durch sein individuelles optisches Transmissionsfenster die spektrale Zusammensetzung des auf die Retina auftreffenden Lichtes. Wahrnehmungsphysiologisch äußert sich dies in einer Veränderung der empfundenen Farbeindrücke, einer Verringerung des Umfangs der wahrnehmbaren Farben und einem veränderten Farbunterscheidungsvermögen. In der folgenden Studie wurden die Auswirkungen transparentfarbiger, gelber und oranger Kontaktlinsen auf das Farbunterscheidungsvermögen im gelblichen Farbbereich quantitativ durch die Erhebung von Farbunterscheidungsschwellen untersucht. Gelb und orangefarbige Filter blocken und dämpfen ultraviolette Strahlung und Licht im kurzwelligen sichtbaren Spektralbereich [10]. Typische Vertreter dieser Filtergruppe sind Kantenfilter, Blaufilter-IOL und Kontaktlinsen. Die Hintergründe für ihren Einsatz sind vielschichtig und reichen von Sehschärfenverbesserung durch Verminderung der stark streuenden kurzwelligen Strahlung über Blendlichtreduktion bei Netzhautdegenerationen bis hin zum Schutz der Retina vor Blaulicht.

In der vorliegenden Studie wurden als transparentfarbige Filter die gelben und orangen Kontaktlinsen Wöhlk SPORT CONTRAST eingesetzt. Diese weichen 3-Monats-Hydrogellinsen aus dem Material Profilcon A mit einem Wassergehalt von 52% besitzen eine Mitteldicke von 0,09 mm (bei –3,0 dpt) und eine Sauerstofftransmissibilität DK/t von 22*10−9 [31]. Die Linsen haben einen Durchmesser von 14,2 mm, wobei nur die inneren 11 mm transparent eingefärbt sind. Die Basiskurven (BC) aller in der Studie eingesetzten Kontaktlinsen lag bei 8,9. Beide Linsen absorbieren Strahlung λ8%. Im Wellenlängenbereich von λ=500 nm bis 650 nm liegen die spektralen Transmissionsgrade über 0,2 τv, und die visuellen Schwächungskoeffizienten für blaue und grüne Signallichter sind mit Qblau =0,8 und Qgrün =1,0 für die gelbe Kontaktlinse und Qblau =0,6 und Qgrün =0,8 für die orange Kontaktlinse oberhalb der geforderten Mindestwerte. Für die Nachtfahrtauglichkeit wird ein Lichttransmissionsgrad von τv 625 nm sinkt die Emission schnell auf 100 cd/m2; [19]). Die Erhebung der Farbunterscheidungsschwellen mit den orangen Kontaktlinsen erfolgte bei 14 Probanden und mit der gelben Kontaktlinse bei denselben 14 und 2 weiteren Probanden. Die Messung der Farbunterscheidungsschwellen ohne Filter (freier Blick) wurde bei denselben 14 bzw. 16 Probanden durchgeführt. Jeweils 5 Probanden waren weiblichen, die anderen männlichen Geschlechts. Das mittlere Alter der Probandengruppen für die Untersuchung mit gelber als auch mit oranger Kontaktlinse lag bei 27±3 Jahren. Bei allen Probanden wurde durch eine Untersuchung mit dem HCM-Anomaloskop (Oculus, Wetzlar, Germany) eine Farbfehlsichtigkeit ausgeschlossen. Der mittlere Anomaliequotient für Rot-GrünFarbsinnstörungen lag mit AQ =1,15±0,13 im Normalbereich. Die Untersuchung auf Tritanstörungen zeigte ebenfalls keine Auffälligkeiten. Refraktive Fehlsichtigkeiten waren kein Ausschlusskriterium, solange die Fehlsichtigkeit am Okular des Farbmesssystems bzw. durch die probandeneigene Brille ausgeglichen werden konnte. Die probandeneigene Brille musste bei allen Wellenlängen im Bereich von λ=400–720 nm eine spektrale Transmission von τ≥0,95 besitzen. Die jeweiligen transparentfarbigen Linsen wurden den Probanden 1 h vor der Erhebung der Schwellenwerte als Linsenpaar in beide Augen eingesetzt. Somit konnte sich das Auge, während der Proband alltäglichen Tätigkeiten nachging, an die Trageeigenschaften der Kontaktlinsen gewöhnen und das visuelle System an die veränderte Farbempfindung adaptieren. Jeder Schwellenwertbestimmung ging eine 2-minütige chromatische Ad-

Abb. 3 9 CIE-1976USC-Farbtafel [8] mit dem Referenz- (Dreieck) und Adaptationsfarbwert (Viereck) und empfundenen Weißpunkt (Punkt) für die Messung ohne Filter

,55 6

v'

2

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,54 5

Ergebnisse

4 ,53

3

,22

,24

,26 u'

aptationsphase auf den Farbwert des Peripheriefeldes (u’=0,2560/v’=0,5243) voraus. Dabei schaute der Proband auf das Testfeld, in dem der zum Peripheriefeld identische Farbwert dargeboten wurde. Danach begann die Messung nach der oben beschriebenen Prozedur mit der Präsentation der zu vergleichenden Farben (Referenzfarbwert vs. Vergleichsfarbwert). Im ersten dargebotenen Farbwertepaar war der vorhandene Farbunterschied stets so groß, dass er sicher erkannt werden konnte. Die Reihenfolge, in der die Messung der Schwellenwerte in Richtung der einzelnen Achsen erfolgte, bestimmte der Versuchsleiter individuell und zufällig. Die zu vergleichenden Farben wurden den Probanden im Testfeld jeweils für 900 ms dargeboten [5, 24]. Das Einblenden des oben beschriebenen Adaptations-

und orange Kontaktlinse jeweils eine individuelle Farbunterscheidungsellipse gebildet werden [15]. Diese Farbunterscheidungsellipsen kennzeichnen einen Farbraum, innerhalb dessen zum Referenzfarbwert keine Farbunterschiede wahrnehmbar sind. Mathematisch lassen sich die Ellipsen mit einem Polynom 2. Grades beschreiben. Die allgemeine mathematische Gleichung 2. Grades beinhaltet 6 Parameter. Für die Berechnung der mittleren Farbunterscheidungsellipsen über die gesamte Probandengruppe wurden diese 6 Parameter herangezogen und durch Mitteln jedes dieser 6 Parameter über die einzelnen probandenspezifischen Polynome die mittleren Ellipsen der Probandengruppe berechnet. Die statistische Auswertung erfolgte mithilfe des Student-t-Tests über die durch die probandenspezifischen Ellipsen beschriebenen Schwellenwerte in Richtung der 4 Hauptfarben Rot, Grün, Blau und Gelb auf den Achsen des DKLFarbsystems.

,28

Abb. 4 9 Referenzfarbwert gelb mit den einzelnen Vergleichsfarbwerten auf den 6 Achsen

farbwertes für jeweils 2,7 s zwischen den aufeinanderfolgenden Farbwertepaaren gewährleistete ein stabiles chromatisches Adaptationsniveau über die gesamte Messung. Bei allen 14 bzw. 16 Probanden wurden die Farbunterscheidungsschwellen auf jeder Messachse jeweils 2-mal erhoben und daraus auf den einzelnen Achsen die Koordinaten des mittleren Farbwertes, der gerade noch vom Referenzfarbwert unterscheidbar ist, berechnet. Daran anschließend erfolgte für die weitere Auswertung eine Transformation dieser Farbwerte aus der CIE-UCS-1976-Farbtafel in das DKL-Farbsystem. Aus den im DKLFarbsystem dargestellten probandenspezifischen mittleren Schwellenwerten auf den 5 bzw. 6 Achsen konnte mithilfe der Methode der kleinsten Quadrate [6] für die Messungen ohne Filter und mit gelber

Die . Abb. 5 zeigt die Diskriminationsellipsen um den Referenzfarbwert gelb und die Farbwerte des Peripheriefeldes (Adaptationsfarbe) ohne Filter und unter Einfluss der beiden Kontaktlinsen ohne Berücksichtigung der chromatischen Adaptation. Die Berücksichtigung der chromatischen Adaptation auf die jeweilige Adaptationsfarbe führt zu den gekennzeichneten Verschiebungen der Referenz- und Adaptationsfarbwerte, und der Koordinatenursprung entspricht dann dem jeweils als weiß empfundenen Farbwert. Die . Tab. 2 beinhaltet alle die Diskriminationsellipsen beschreibenden Parameter. In . Abb. 6 wurden die Farbunterscheidungsellipsen für eine anschaulichere Gegenüberstellung im Koordinatenursprung des DKL-Farbsystems überlagert. Die jeweiligen Referenzfarbwerte wurden dazu in den Koordinatenursprung verschoben. Alle Ellipsen besitzen mit einer Orientierung der großen Halbachse im Bereich von 77,5–85,6° eine deutliche Tendenz zu einem Verlauf parallel zur vertikal ausgerichteten Blau-Gelb-Achse. Somit zeigt sich, dass das Farbunterscheidungsvermögen in Richtung der horizonDer Ophthalmologe 2014 

| 5

Originalien 1.0

0.9

0.8

S-(L+M)

0.7

0.6

0.5

0.4

0.0

0.0

0.1 L-M

0.2

Abb. 5 8 Referenzfarbwerte (Punkt) mit Farbdiskriminationsellipsen, Adaptationsfarbwerte (Viereck) und „weiß“ empfundene Farbwerte (Dreieck) ohne Filter (schwarz) und mit gelber bzw. oranger Kontaktlinse im DKL-Farbsystem. Der Koordinatenursprung des Systems entspricht dem Farbwert E (Tageslichtweiß; ≈5500 K). Die Pfeile kennzeichnen die Verschiebung der Ellipsen und Farbwerte unter Berücksichtigung der chromatischen Adaptation (offene Symbole). Unter dieser Bedingung liegen die als „weiß“ empfundenen Farbwerte im Koordinatenursprung

talen Rot-Grün-Achse besser ist als entlang der Blau-Gelb-Achse. Ein Vergleich der Diskriminationsellipsen ohne und mit Filter verdeutlicht, dass die Kontaktlinsen das Farbunterscheidungsvermögen maßgeblich entlang der Blau-GelbAchse beeinflussen. Die große Halbachse der Diskriminationsellipse ist unter Einfluss der gelben Kontaktlinse gegenüber der ohne Filtermedium um nahezu zwei Drittel verkürzt, mit der orangen Kontaktlinse zeigt sich ein um ca. die Hälfte kleinerer Schwellenwert. Für die Farbunterscheidungsellipsen ohne Filter zeigt sich zwischen den Schwellenwerten ent-

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lang der Rot-Grün- und Blau-Gelb-Achse ein Verhältnis von 0,62. Unter Einfluss der Kontaktlinsen kann ein Verhältnis von 0,59 mit der gelben Linse und 0,78 mit der orangen Linse festgestellt werden. Die deutliche Verringerung der Schwellenwerte mit Kontaktlinsen entlang der Blau-Gelb-Achse führt zu einer Vergrößerung des Verhältnisses zwischen kleiner und großer Halbachse der Ellipse (b/a) von 0,34 ohne Filter auf 0,63 bzw. 0,37 mit der gelben und orangen Kontaktlinse. Die Flächen der Diskriminationsellipsen sind mit den beiden Filtern um 61% (gelb) bzw. 60% (orange) kleiner als ohne Filter. Eine genaue Analyse der veränderten Farbempfindung unter Berücksichtigung der chromatischen Adaptation kann anhand von . Abb. 6 erfolgen. Für die Farbunterscheidungsellipsen ohne Filter zeigt sich eine Verschiebung entlang der Blau-Gelb-Achse um 0,12 bzw. 0,17 Einheiten und eine Veränderung von 0,08 bzw. 0,09 Einheiten entlang der RotGrün-Achse. Für die gelbe und orange Kontaktlinse kommt es zu Veränderungen im umgekehrten Verhältnis. Hier verschieben sich die wahrgenommenen Farben stärker in Richtung der Rot-GrünAchse (Kontaktlinse gelb – 0,12 Einheiten/ Kontaktlinse orange – 0,13 Einheiten) als entlang der Blau-Gelb-Achse (0,08 Einheiten/0,06 Einheiten). Die . Abb. 7 zeigt die Farbunterscheidungsschwellenwerte ΔE in den 4 Hauptfarbrichtungen des DKL-Farbsystems. Wie auch in den anderen Abbildungen erkennbar ist, besitzen die Schwellenwerte ohne Filter, bedingt durch die nahezu identische Probandengruppe, keinen signifikanten Unterschied zueinander. Mit beiden Kontaktlinsen zeigen sich gegenüber dem freien Blick (ohne Filter) in Farbrichtung Rot keine signifikant veränderten Farbunterscheidungsschwellen. Auf der gleichen Farbachse kann in die entgegengesetzte Farbrichtung Grün unter Einfluss der orangen Linse gegenüber den Messungen ohne Filter ein höchstsignifikant kleinerer Schwellenwert (p=0,001) festgestellt werden. Die Farbunterscheidungsschwellen auf der Blau-Gelb-Achse zeigen für beide Linsen in beiden Farbrichtungen gegenüber dem freien Blick hoch- bis höchstsignifikant kleinere Schwellenwerte (p=0,002 für

gelb/p

[Effect of transparent yellow and orange colored contact lenses on color discrimination in the yellow color range].

Colored transparent filters cause a change in color perception and have an impact on the perceptible amount of different colors and especially on the ...
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