Infektiologie | Commentary

Ebolavirus-Krankheit Ebola virus disease Th. Grünewald1

Was ist neu?

Infektiologie

Der aktuelle Ebola-Ausbruch unterscheidet sich aufgrund seiner Dimensionen von allen zuvor registrierten Ausbrüchen. Er ist ohne Zweifel der internationale Gesundheitsnotfall, zu dem ihn die WHO deklariert hat. Das Vor-Ort-Management des Ebola-Ausbruchs muss mit den Kenntnissen zur Ausbruchsdynamik und zu den klinischen Verläufen stetig optimiert werden. Neben der Situation in den betroffenen Ländern richten sich mediales und medizinisches Interesse auch darauf, nach Deutschland importierte Krankheitsfälle zu erkennen und damit umzugehen. Schon bestehende Versorgungskonzepte wurden angesichts der Erfahrungen mit in Deutschland behandelten Patienten aktualisiert und erweitert.

Infektiologie

Schlüsselwörter Ebolavirus persönliche Schutzausrüstung (PSA) Ausbruch Fallmanagement

q q q q

Keywords Ebola virus Personal Protective Equipment (PPE) outbreak case management

q q q q

Ebola-Ausbruch in Westafrika ▼ Institut Behandlungszentrum Leipzig des Ständigen Arbeitskreises der Kompetenz- und Behandlungszentren für hochkontagiöse und lebensbedrohliche Erkrankungen (STAKOB), Klinik für Infektiologie/Tropenmedizin und Nephrologie, Zentrum für Innere Medizin, Klinikum St. Georg Leipzig Bibliografie DOI 10.1055/s-0034-1387472 Dtsch Med Wochenschr 0 2014; 1390 : 2510–2512 · © Georg 0 Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz Dr. Thomas Grünewald Behandlungszentrum Leipzig des Ständigen Arbeitskreises der Kompetenz- und Behandlungszentren für hochkontagiöse und lebensbedrohliche Erkrankungen (STAKOB) Klinik für Infektiologie/Tropenmedizin und Nephrologie Zentrum für Innere Medizin, Klinikum St. Georg Leipzig Delitzscher Str. 141 04129 Leipzig Tel. 0341/909-4005 Fax 0341/909-2630 eMail [email protected]

Filoviren wie Ebola- und Marburgvirus wurden 1967 zum ersten Mal beschrieben (Marburg/Frankfurt am Main/Belgrad) [8]. Ausbrüche viral hämorrhagischer Fieber durch Filoviren sind seitdem räumlich und zeitlich begrenzt geblieben. Der aktuelle Ausbruch in Westafrika ist jedoch in Verlauf und Dimension einzigartig. Hier ist es von einem einzigen Eintrag in die humane Population (Guinea, Dezember 2013) – wahrscheinlich durch die Zubereitung von „bushmeat“, Wildfleisch, das u.a. von infiziertem nicht-humanen Primaten oder Flughunden stammen kann – zu einem bislang immer noch unkontrollierten Ausbruch gekommen. Dieser hat sich nicht nur in den primär betroffenen Staaten (Guinea, Sierra Leone, Liberia), sondern Tab. 1

mittlerweile auch Kontinent-übergreifend zum größten jemals dokumentierten Ausbruch entwickelt. Neben den drei am stärksten betroffenen Ländern sind Krankheitsfälle in Nigeria, Senegal, Mali, Spanien und den USA sowohl autochthon, importiert oder als nosokomiale Infektionen aufgetreten. Re-Patriierungen einzelner Erkrankter erfolgten zudem nach Spanien, Großbritannien, Frankreich, Norwegen sowie in die USA und Erkrankte wurden aus Drittländern nach Deutschland überführt (Ex-Patriierungen). Eine detaillierte Darstellung der betroffenen Länder siehe q Tab. 1 [16]. Die Bedrohung durch das Ebolavirus ist damit ein höchst reelles Problem, auf das die klinische Medizin hierzulande vorbereitet sein muss. Die Situation im Ausbruchsgebiet zeigt, dass vor Ort agierende Helfer ein hohes Risiko einer nosokomialen Ebolavirus-Infektion haben (q Tab. 1), wobei zwischen verschiedene Versorgungseinrichtungen unterschieden werden muss. Die vor allem von Ärzte ohne Grenzen (MSF), aber auch anderen Institutionen eingerichteten „Ebola Treatment Centers“ haben hinsichtlich persönlicher Schutzausrichtung, Personaltraining und Management einen deutlich höheren Standard als noch vorhandene lokale Gesundheitseinrichtungen [9].

Klinische Symptomatik ▼ Das nunmehr gut beschriebene klinische Bild [1, 6, 7, 14, 15, 17] der aktuellen Fälle mit Ebolavirus-Erkrankung unterscheidet sich von den klassischen Verläufen des hämorrhagischen Fiebers durch Ebolaviren: Blutungskomplikationen treten

Aktuelle epidemiologische Situation (Stand: 14. November 2014, modifiziert und erweitert nach [16]).

Land

Infizierte (gestorben)

Infektionswege

Infektionen bei medizinischem Personal (gestorben)

Guinea

1919 (1166)

Z, H2H, NI

93 (53)

Sierra Leone

5586 (1187)

Import1, H2H, NI

128 (102)

Liberia

6878 (2812)

Import1, H2H, NI

332 (163)

Nigeria

20 (8)

Import1, H2H, NI

11 (5)

Senegal

1 (-)

Import1

0

Mali

4 (3)

Import1, H2H, NI

2 (1)

USA

7 (1)

Import1,2, NI

2 (0)

Spanien

3 (2)

Import2, NI

1 (0)

UK

1 (-)

Import2

0

Deutschland

3 (1)

Import3

0

Frankreich

2 (0)

Import2

0

Norwegen

1 (0)

Import2

0

Gesamt

14413 (5177)

-----

564 (324)

Z=zooanthroponotische Transmission (1 Fall), H2H=Mensch-zu-Mensch-Transmission (human-2-human), NI=nosokomiale Transmission 1unintendierter Import von Erkrankten, 2intendierte Re-Patriierung von Erkrankten, 3intendierte Ex-Patriierung von Erkrankten

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Initial stellt sich die Symptomatik unspezifisch dar: nach einer 2- bis 21-tägigen Inkubationszeit (11–12 Tage im Median) können subfebrile bis febrile Temperaturen auftreten. Daneben bestehen Schwäche sowie Kopf-, Glieder- und Gelenkschmerzen. Weitere Symptome sind Atemnot, trockener Husten und Schluckstörungen bei bis zu einem Drittel der Erkrankten. Unter einer Enzephalopathie leiden mehr als 10 % der Betroffenen. Ein Koma mit deutlich ungünstigerer Prognose entwickelt sich bei nur wenigen Erkrankten. Ein „vascular leakage-syndrome“ ist Ausdruck des Krankheitsgipfels, der sich zwischen dem 9. und 14. Krankheitstag manifestiert. Bei günstigen Verläufen kommt es zu einer zögerlichen Rückbildung der genannten Symptome über Wochen bis Monate. In der Mehrzahl der Patienten kommt es jedoch zum Multiorganversagen und zum Tod. Risikofaktoren für eine schlechte Prognose sind neben den schon erwähnten Blutungen ein hohes Lebensalter, eine hohe Viruslast, ein schon bestehendes Leber- oder Nierenversagen bei Erstuntersuchung und eine zentralnervöse Symptomatik. Eine spezifische Therapie der Ebolavirus-Erkrankung ist derzeit nicht möglich, die wesentliche Maßnahme besteht in einer intensiven supportiven Behandlung, die in industrialisierten Ländern auch eine extrakorporale Organersatztherapie umfassen kann. Spezifische antivirale Prinzipien können zwar bei einzelnen Patienten eingesetzt werden, eine echte Aussage zur Wirksamkeit solcher Therapieansätze ist derzeit aber keinesfalls möglich (verfügbare Substanzen: s. Online-Zusatzmaterial eTab. 1). Komplizierende endemische Krankheiten (cave gleichzeitige Malaria-Erkrankung!), eine vorbestehende HIV-Infektion oder schwere bakterielle Erkrankungen können den Verlauf der Grundkrankheit signifikant beeinflussen [6, 7, 17].

Situation in Deutschland ▼ Für die Versorgung begründeter Verdachtsfälle (Definition siehe [12]) und gesichert an Ebolavirus Erkrankten stehen in Deutschland Behandlungszentren zur Verfügung, die strukturelle, materielle und logistische Ressourcen vorhalten [2, 5]. Sie sind Mitglieder des Ständigen Arbeitskreises der Kompetenz- und Behandlungszentren für hochkontagiöse lebensbedrohliche Erkrankungen in Deutschland (STAKOB) am Robert Koch-Institut. In den Behandlungszentren (Adressen und Erreichbarkeiten siehe Online-Zusatzmaterial und [5]) wird geschultes Personal mit entsprechender Fachkenntnis vorgehalten.

Praktisches Vorgehen bei einem Verdachtsfall ▼ Wichtigste Voraussetzung, um einen am Ebolavirus Erkrankten zu erkennen, ist die klinische Wachsamkeit der erstversorgenden Kollegen. Wegen der oft unspezifischen Symptomatik zu Beginn der Erkrankung ist eine genaue Reiseanamnese mit den wichtigsten geographischen und zeitlichen Eckpunkten unerlässlich. Sie kann als entscheidender Filter für das weiteres Vorgehen dienen und in der überwiegenden Zahl der Fälle einen Verdacht schon vollständig ausschließen. Hilfreich ist das Flussdiagramm des Robert Koch-Instituts, das auf der Website [12] abgerufen werden kann und ständig aktualisiert wird.

Abb. 1 Vergleich der persönlichen Schutzausrüstung für den Umgang mit einem begründeten Verdachtsfall (links) und der Situation in einem STAKOB-Zentrum in der intensivmedizinischen Behandlungssituation (rechts). Einziger Unterschied ist der Umluft-abhängige Respirator mit den entsprechenden Filtersystemen und der dazugehörigen Haube. Für beide Varianten ist unabdingbar, dass die Haut des zu Schützenden vollständig von der jeweiligen Schützausrüstung bedeckt ist.

Patienten – meist in Amtshilfe mit einem Fachexperten (oftmals schon aus dem zuständigen Behandlungszentrum) – den begründeten Verdachtsfall als solchen bestätigt oder diese Diagnose verwirft.

Ein begründeter Verdachtsfall liegt demnach nur vor, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: 3 Fieber oder erhöhte Temperatur mit Ebolafieber-typischen Symptomen (Diarrhoe, Übelkeit, Emesis, Hämorrhagien) und 3 innerhalb der letzten 21 Tage vor Symptombeginn: 3 direkter (< 1 m Abstand) ungeschützter Kontakt mit EVD-Verdachtsfällen, EVD-Fällen oder deren Sekreten/Exkreten oder an EVD Verstorbenen 3 beruflicher Kontakt mit Ebolaviren (auch erregerhaltige Materialien oder infizierte Tiere) 3 Kontakt zu möglicherweise infizierten Tieren (Flughunde, Affen [Primaten]) oder deren Ausscheidungen oder von diesen Tieren stammendes „bushmeat“ in vom Ausbruch betroffenen Gebieten

Große Verunsicherung herrscht bei der Frage des persönlichen Schutzes im Umgang mit begründeten Verdachts- oder gar Erkrankungsfällen. Hierzu gibt es klare Erfordernisse für die sogenannte persönliche Schutzausrüstung, die bei adäquater Anwendung sicheren Schutz vor einer Infektion bietet [4, 5, 11] (q Tab. 2). In q Abb. 1 sind die unterschiedlichen Stufen einer persönlichen Schutzausrüstung dargestellt. Ein wesentlicher Faktor für die Effektivität der persönlichen Schutzausrüstung ist die richtige Auswahl der Materialien und ein trainiertes Prozedere für das Ein- und Ausschleusen, das immer unter Zuhilfenahme Dritter (sog. „buddy“-Technik) erfolgen sollte. Auch empfiehlt sich vor dem Ausschleusen aus der persönlichen Schutzausrüstung eine Dekontamination derselben mit aldehydischen oder Sauerstoff-abspaltenden Desinfektionsmitteln (RKI-Liste – Substanzen für die Flächendesinfektion mit dem Wirkbereich A, B [10]).

Hier ist unverzüglich der zuständige Amtsarzt zu informieren, der nach Sichtung des

Der Patient verbleibt zunächst am Auffindeort und wird dort isoliert, von etwaigen

Dtsch Med Wochenschr 2014; 139: 2510–2512 · Th. Grünewald, Ebolavirus-Krankheit …

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insgesamt bei maximal einem Fünftel der Erkrankten auf; schwere Hämorrhagien, die eine schlechte Prognose anzeigen, bei weniger als 5 %. Gastrointestinale Symptome wie eine eruptiv auftretende wässrige Diarrhoe begleitet von einem geblähten oder gespannten Abdomen sowie Übelkeit und abruptes Erbrechen stehen im Vordergrund. Insbesondere durch Kontakt mit solchen Ausscheidungen kommt es im aktuellen Ausbruch zur Übertragung auf weitere Personen.

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Tab. 2

Exemplarische Zusammensetzung eines Infektionsschutzsets für die Nutzung als PSA bei provisorischen Isoliermaßnahmen [5, 11].

Artikel

Beschreibung

Stückzahl

Schutzanzug

Einmal-Overall mit Kapuze und integrierten Füßlingen, flüssigkeitsabweisend (CE Kategorie III Typ 3B).

1 Stck.

Atemschutz

Partikelfiltrierende Halbmaske Schutzklasse FFP3 (EN 149) mit Ausatemventil

1 Stck.

Einmal-Schutzbrille

beschlagfrei, unbelüftet mit UV-Schutz (CE KAT III, EN 166 inkl. Kennzeichnung N mit mind. 30 Sekunden, EN 170)

1 Stck.

Schutzhandschuhe

Nitril oder Butyl, ein Paar mit kurzer, ein Paar mit langer Stulpe (CE KAT III, EN 374–3, EN 388, EN 420, EN 455 mit AQL

[Ebola virus disease].

The current Ebola outbreak in Western Africa differs from previous ones due to its extent. Serious shortcomings in the on-site management in Africa ar...
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