Heinrich Koch

A rzneimitt elwirkun gen und Alkohol

Abb. 1. Metabolisierung des Xthylalkohols. Hauptmetabolit ist Acetaldehyd, Endprodukt CO,.

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Der Alkoholgenufl zahlt zweifelsohne zu den am weitesten verbreiteten und bestandigsten Lebensgewohnheiten des Menschen. Alkoholhaltige Garungsprodukte und Destillate werden seit altersher zu rituellen und kultischen Zwecken benutzt oder einfach - je nach Laune - als stimmungsveranderndes Genuflmittel getrunken und geschatzt. In den Trinkgewohnheiten unterscheiden sich

die auf der hochsten Zivilisationsstufe stehenden Volker von den auf der untersten Kulturstufe stehengebliebenen im Grunde genommen kaum. Die Mehrheit der erwachsenen Bevolkerung der modernen Industrienationen konsumiert heute mehr oder minder regelmagig wechselnde Mengen alkoholischer Getranke: Man

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trinkt vom ,,kleinen Bier" bis zu den ,,harten Sachen" aus Griinden eines vorgegebenen Sozialverhaltens, aus purer Gewohnheit und schliefllich aus psychophysischer Abhangigkeit, das heiflt aus einem unwiderstehlichen Verlangen nach dem Genuflmittel Alkohol. Wir wollen hier jedoch nicht die sozialen und medizinischen Gesichtspunkte des Alkoholmiflbrauchs diskutieren, sondern uns mit einem ganz speziellen Problem des Alkoholkonsums befassen: mit dem Einflui3 einer gleichzeitigen Einnahme von Alkohol auf die Wirkungen bestimmter Arzneistoffe und umgekehrt. Arzneimittel werden oftmals bedenkenlos verschrieben und eingenommen; eine Wechselwirkung mit gleichzeitig getrunkenem Alkohol wird eher selten ernsthaft in Betracht gezogen. Arzt und Patient sind dann von den unter Umstanden hochst unerfreulichen Folgen gleichermaflen peinlich iiberrascht. Angesichts der Haufung fataler Therapiezwischenfalle gewinnt dieser Aspekt der therapeutischen Inkompatibilitaten, der dem noch grofleren und iibergeordneten Problemkreis der Arzneimittelsicherheit zuzuordnen ist, eine besondere Aktualitat. Pharmakologie des Xthylalkohols Obwohl Alkohol fast ausschliefllich aus sozialen Motiven konsumiert wird und nicht aus therapeutischen Grunden, so hat er doch mit den Arzneistoffen eine charakteristische Eigenschaft gemein: die pharmakologische Wirkung. Der am starksten hervorstechende Effekt des Athylalkohols ist sein Einflufl auf das Zentralnervensystem; ahnlich den Anasthetica wirkt er - und zwar ausschliefllich - dampfend auf dessen Funktionen ein. Die irrtiimliche Annahme, dafl dem Alkohol ein stimulierender Effekt (im pharmakologischen Sinne) zukommt, beruht auf einem Miflverstandnis. Die jedermann gelaufige Beobachtung, dai3 alkoholisierte Personen ein ,,angeregtes" und vom Normalen abweichendes Verhalten an den Tag legen, ist auf eine Enthemmung normalerweise unterdruckter Verhaltensweisen, also auf eine ,,Dampfung" inhibitorischer Funktionen des ZNS durch den Alkohol zuriickzufiihren. Der weitere Verlauf der Alkoholisierung rnit der fortschreitenden Abnahme der gedanklichen Konzentrationsfahigkeit und der Ko-

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ordination der Bewegungsfunktionen des Betrunkenen lassen daran keinen Zweifel. Die akute Alkoholintoxikation endet im Extremfall mit dem Tod durch Depression des Atemzentrums. Anhand von simulierten Fahrtuchtigkeitstests hat man zeigen konnen, dafl ein Blutalkoholgehalt von 0,5 Promille und darunter bereits eine merkliche Beeintrachtigung des audiovisuellen Aufnahmevermogens und der motorischen Reaktionsfahigkeit der Probanden zur Folge haben kann. Wahrend man jedoch die nach mafligem Alkoholgenufl auftretende Euphorie, etwa im Zusammenhang mit einer trefflichen Mahlzeit oder im Rahmen ansprechender Geselligkeit, durchaus positiv beurteilen wird, mufl man die durch eben diese Euphorie verursachte Verminderung der kritischen Entscheidungsfahigkeit und die damit verbundene erhohte Anfalligkeit fur Unfalle zu den negativen Wirkungen des Alkohols rechnen. Athylalkohol wirkt nur im Anfangsstadium stimmungsauflockernd und ,,anregend". Schon nach etwas Iangerer Einwirkungsdauer macht sich eine gewisse Miidigkeit, schliefllich ein echter schlafanstoflender Effekt bemerkbar. Der nach dem Genufl groflerer Alkoholmengen Eingeschlafene befindet sich in einem narkoseahnlichen Zustand, er ist kaum weckbar und wie man so zu sagen pflegt ,,stockbesoffen". Die biochemische Basis dieses Phanomens liegt wahrscheinlich in einer durch den Hauptmetaboliten des Athylalkohols, den Acetaldehyd, bedingten Verianderung im Metabolismus des biogenen Amins 5-Hydroxytryptamin (Serotonin), das eine bedeutende Rolle bei der Regulation der Funktionen des ZNS spielt. Schon seit langerer Zeit weiR man, dai3 chronische Alkoholiker geringere Mengen an 5-Hydroxyindolessigsaure, dem Hauptmetaboliten des 5-Hydroxytryptamins, rnit dem Harn ausscheiden als gesunde Personen. Normalerweise wird der intermediar durch Desaminierung aus dem Serotonin entstehende 5-Hydroxyindolacetaldehyd durch das Enzym Aldehyd-dehydrogenase zu besagter 5-Hydroxyindolessigsaure weiteroxydiert. Durch den aus dem Athylalkohol beim enzymatischen Abbau in ahnlicher Weise gebildeten Acetaldehyd wird dieses wichtige Enzym jedoch kompetitiv gehemmt und der intermediare Indolaldehyd auf einen reduk-

tiven Abbauweg abgedrangt: Aus ihm entsteht der Alkohol5-Hydroxytryptophol. Dieses 5-Hydroxytryptophol ruft, wie man an Versuchstieren zeigen konnte, eindeutig Schlaf hervor, ein Effekt, der durch zusatzliche Alkoholgaben noch verstarkt wird. In dieser biochemischen Sequenz haben wir somit eine plausible Erklarung fur den pharmakodynamischen Wirkungsmechanismus des Athylalkohols zur Hand. Metabolismus und Pharmakokinetik von

Xth ylalkohol Athanol wird vornehmlich in der Leber metabolisiert. Rund 80% des resorbierten Alkohols werden in diesem Organ uber die Stufen Acetaldehyd, Essigsaure und die Glieder des Citratcyclus zu C 0 2 verbrannt. Etwa 20% der zugefuhrten Alkoholmenge werden beim Menschen auflerhalb der Leber abgebaut resp. ausgeschieden. Am extrahepatischen Metabolismus sind die Nieren mit 5% und das Muskelgewebe mit 10- 15% beteiligt. Die enzymatische Oxydation von Athanol im Saugerorganismus wird durch verschiedene Enzyme katalysiert (siehe Abbildung 1). Der wichtigste und geschwindigkeitsbestimmende Schritt beim Alkoholabbau ist die Oberfiihrung in Acetaldehyd durch die Alkoholdehydrogenase. Neben dieser (reversiblen) Reaktion gibt es noch einen zweiten (irreversiblen) Weg zum Acetaldehyd, an dem die H202-abhangige Peroxidase (Katalase) beteiligt ist. Die weitere Oxydation zur Essigsaure kann unter Mitwirkung entweder der Aldehyddehydrogenase oder einer Aldehyd-oxidase (mikrosomale Oxygenase) erfolgen. Erstere benotigt so wie die Alkohol-dehydrogenase NAD' als Cofaktor, letztere iibertragt direkt Sauerstoff auf das Substrat. Die entstandene Essigsaure schliefllich wird in den Citratcyclus eingeschleust und dort zu C 0 2 und H 2 0 verbrannt. Unter Einbeziehung der in der angeschlossenen Atmungskette ablaufenden Reaktionsfolge werden pro Mol Essigsaure insgesamt 216 kcal oder pro 100 g Xthylalkohol 700 kcal chemische Energie freigesetzt. Man sieht also, dafl Athylalkohol tatsachlich ein hochwertiger Energiespender ist. Der zeitliche Verlauf der Elimination des Athylalkohols aus dem Blut unterscheidet

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sich von jenem anderer Pharmaka grundlegend. Es wurde einmal sogar behauptet, dai3 Athylalkohol hinsichtlich seiner Pharmakokinetik eine einzigartige Ausnahme sei, da bisher kein anderer Stoff gefunden worden ist, bei dem die gleiche Gesetzmasigkeit der Elimination zutreffen wurde. Bei der uberwiegenden Mehrzahl der Arzneistoffe folgt die Elimination aus dem Blut einem einfachen Exponentialgesetz erster Ordnung. Das heist, dai3 der zeitliche Konzentrationsverlauf des Arzneistoffs im Blut nach intravasaler Applikation sich durch eine hyperbolisch abfallende Blutspiegelkurve darstellen last. Nach extravasaler, zum Beispiel peroraler Gabe, wird die Elimination noch von dem zeitabhangigen Prozei3 der Invasion uberlagert; durch Summation beider Teil-

prozesse resultiert eine sog. Bateman-Kurve fur die Gesamtelimination des Arzneistoffs.

Schwankungen abgesehen, ziemlich konstant. So betragt die miniitliche Senkung des Blutspiegels im Mittel bei Mannern 0,0025 k 0,00056 Promille, bei Frauen 0,0026 k 0,00037 Promille.

Beim Xthylalkohol ist dies anders. Hier folgt die Elimination aus dem Blut einem Gesetz nullter Ordnung. Die zugehorige Alkoholblutspiegelkurve stellt auf jeden Fall eine Gerade dar, wenn man von dem aufsteigenden Ast, der auf den Resorptionsvorgang nach peroraler Einnahme zuruckzufuhren ist, absieht. Die Ordinaten- und Abszissenteilung ist dabei linear.

Diese Tatsache ist fur die forensische Medizin von unschatzbarem Wert, bietet sie doch die Moglichkeit, bei Alkoholdelikten aus dem analytisch ermittelten AlkoholgehaIt einer Blutprobe auf die urspriinglich konsumierte Alkoholmenge riickzuschlieflen.

Die Steilheit des absteigenden Kurventeiles der Alkoholblutspiegelkurve wird seit Widmark (1932) durch die Konstante 0 ausgedriickt. Diese Konstante zeigt die Geschwindigkeit an, mit der der Alkoholblutspiegel absinkt. Sie ist, von geringen individuellen

Welchen Einflui3 verschiedene Alkoholkonzentrationen auf den Blutspiegelverlauf von anderen Pharmaka auszuiiben vermogen, ist in den meisten Fallen schwer abzuschatzen, obwohl bereits eine Fiille von Arbeiten hieruber vorliegt. Allgemein Iaflt sich sagen, dai3

Abb.2. Bildung u n d Abbau biogener Amine (Serotonin) u n d der Einflufl von Acetaldehyd.

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geringe Alkoholkonzentrationen im Magen deutlich beschleunigend auf die Resorption der Arzneistoffe wirken. Man fuhrt dies auf eine erhohte Durchblutung der Mucosa infolge der leichten Irritation durch den Alkohol zuruck. Bei hoheren Alkoholkonzentrationen (uber 10%) schlagt dieser Effekt ins Gegenteil um und die Resorptionsraten sinken rasch ab.

wie in ihrem zeitlichen Verlauf, betrachtlich verandert werden. Welche Mechanismen dabei ins Spiel kommen konnen, zeigt die folgende Tabelle im einzelnen.

verzichtet, da zu den angegebenen Freinamen und Gruppenbezeichnungen leicht die entsprechenden Handelspraparate aus den bekannten Arzneimittelverzeichnissen festgestellt werden konnen.

Wechselwirkungen zwischen Alkohol und Arzneirnitteln.

Zentraldampfende Pharmaka

I. Pharmakodynamis Wechselwirkungen zwischen Xthylalkohol und Arzneimitteln Die Beeinflussung einer Arzneimittelwirkung durch (ungefahr) gleichzeitig eingenommenen Alkohol kann auf recht vielfaltige Weise zustandekommen. Grundsatzlich kann man zwei groRe Gruppen von Wechselwirkungen unterscheiden: jene, bei denen Pharmakon und Alkohol am spezifischen Rezeptor in Aktion treten (pharmakodynamische Interaktion) und jene, wo sich Arzneistoff und Alkohol in ihrem Verteilungsverhalten innerhalb des Organismus gegenseitig beeinflussen (pharmakokinetische Interaktion). In beiden Fallen kann sowohl die Aktivitat des Pharmakons als auch jene des Alkohols, und zwar hinsichtlich ihrer Intensitat ebenso

a) Synergismus (addit b) Antagonismus c) Rezeptorwechsel

11. Pharmakokinetisc a) Resorption (Forderung, b) Distribution c) Metabolisierung (En induktion etc.) d) Elimination (Diures

Im folgenden werden die wichtigsten Indikationsgruppen der Arzneimittel, bei denen Wechselwirkungen mit Alkohol beobachtet worden sind, besprochen. Auf die Nennung von Praparatenamen wurde grundsatzlich

Abb. 3. a) Elimination der Pharmaka nach intravenoser Applikation; cg = Anfangsblutspiegel. b) Blutspiegelkurve nach extravasaler, z.B. peroraler Applikation der Pharmaka (Bateman-Kurve); c,,,,, = Blutspiegelma x imum. c) AIkoholblut spiegelkurvc. ErklErung siehe Text.

Die Kombination von Sedativa, Hypnotica oder Tranquillizern mit Alkohol ruft additive und manchmal sogar uberadditive Effekte hervor, denn alle diese Stoffe besitzen einen gemeinsamen Angriffspunkt im ZNS (pharmakodynamische Interaktion). Eine gegenseitige Verstarkung in ihrer Wirkung ist aber auch dadurch moglich, daR die Stoffe ihre Resorption und Penetration gegenseitig im Sinne einer Forderung oder Verstarkung beeinflussen (pharmakokinetische Interaktion). Letztere Moglichkeit wird beispielsweise bei den Barbituraten diskutiert. Schon geringfugige Dosen solcher Praparate, wie sie etwa als Tagessedativa gegeben werden, zusammen mit mai3igen Alkoholmengen genommen, konnen ubermai3ig starke Sedation, die bis zu volliger Amnesie gehen kann, auslosen. Blutspiegel von nur 0,5 mg% des Barbiturates zusammen mit 100 mg% Alkohol (= 1YW) fuhrten zu letalen Vergiftungen. Das sind Mengen, die fur sich allein hochstens harmlose Effekte gezeigt hatten. Der Tod tritt durch massive Depression der respiratorischen und cardiovascularen Regulation im ZNS ein.

Als Ursache fur diese abnorme Giftwirkung nimmt man, wie gesagt, an, daR der Alkohol die Permeabilitat der Hirnzellen fur das Barbiturat enorm erhoht, etwa indem er die Lipoid- und Proteinschichten der Membranen fur dieses besser durchdringbar macht oder auch indem er die Bindung des Barbiturates an bestimmte Zellkomponenten verandert. Langer dauernde Alkoholingestion kann aber auch zu einer Herabsetzung der Empfindlichkeit gegenuber Barbituraten und anderen Hypno-sedativa fuhren. Notorische Alkoholiker zeigen mitunter, wenn sie nuchtern sind, eine erstaunliche Resistenz gegen die Wirkung mancher Schlafmittel, wahrend sie im trunkenen Zustand die ubliche Potenzierung der Barbituratwirkung erkennen lassen. Die Erklarung fur dieses Phanomen liegt darin, daR Athanol (wie auch umgekehrt die Arzneistoffe!) die Aktivitat des fremdstoff-

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metabolisierenden Enzymsystems in der Leber verstarkt. Der Alkohol beschleunigt den Abbau und die Entgiftung der Pharmaka durch Enzyminduktion'F. Dieser Effekt konnte an verschiedenen Tierarten und an freiwilligen Versuchspersonen experimentell nachgewiesen werden. Neben einer Induktion der mikrosomalen Leberenzyme wird aber auch eine Hemmung derselben durch Xthylalkohol diskutiert. Die beschriebenen Effekte sind jedoch nicht auf Barbiturate beschrankt. Auch sogenannte barbituratfreie Schlafmittel wie Chloralhydrat, Paraldehyd, Glutethimid, Bromisoval, Carbromal und andere zeigen eine additive bis iiberadditive Wirkungsverstarkung, wenn sie zusammen mit Alkohol eingenommen werden. Die sedativen Wirkstoffe des Baldrians, darunter die Valepotriate, hingegen scheinen keine signifikante Wechselwirkung mit Alkohol aufzuweisen. Das Kurznarcoticum Propanidid zeigt ebenfalls keinen Synergismus rnit Alkohol. Bei der Gruppe der Tranquillizer sind Wechselwirkungen mit Alkohol an Versuchstieren und beim Menschen nachgewiesen worden. Auch hier wird die Dampfung des ZNS regelmaflig durch Alkoholgenufl verstarkt. Derartige Effekte sind beobachtet worden bei Chlorpromazin, Fluphenazin, Hydroxyzin, Chlorprothixen, Prothipendyl, Meprobamat und Reserpin.

mindest so lange, bis die Ungefahrlichkeit einer solchen Kombination fur den konkreten Fall exakt nachgewiesen worden ist. Antihistaminica Von vielen Wirkstoffen mit antihistaminischer Aktivitat werden Nebenwirkungen wie Miidigkeit, Schlafrigkeit, Sedation u. dgl. mehr beschrieben. Sie enthalten also eine deutliche zentraldampfende Komponente, und diese Wirkung wird in der Regel durch Alkohol synergistisch verstarkt. Die iibliche Warnung auf Arzneimittelpackungen und Beipackzetteln vor einer moglichen Beeintrachtigung der Fahrtiichtigkeit ist daher bei den Antihistaminica durchaus am Platz. Selbst wenn derartige Pharmaka, fur sich allein gegeben, keine Storung der Koordinationsfahigkeit zur Folge haben, so ist bei ihrer Anwendung unter gleichzeitiger Alkoholzufuhr mit betrachtlichen Nebenwirkungen zu rechnen, wie dies beispielsweise gezielte Versuche mit Clemizol, Diphenhydramin und Tripelennamin deutlich gemacht haben. Antidepressiva Die sogenannten tricyclischen Antidepressiva konnen die Wirkung des Alkohols auf das ZNS erheblich verstarken.

Bei Fahrtiichtigkeitstests mit dem Psychopharmakon Arnitriptylin konnte gezeigt werBei den Benzodiazepinen (Chlordiazepoxid, den, dafl die schwersten Beeintrachtigungen Diazepam, Nitrazepam) sol1 nach einigen am ersten und zweiten Tag der Behandlung Autoren kein Synergismus zum Xthylalkohol auftreten, auch dann, wenn nur minimale bestehen; im Falle des Chlordiazepoxids wird Alkoholmengen konsumiert werden. Spater sogar von einer Aufhebung der sedierenden waren dann keine nennenswerten Storungen Wirkung durch den Alkohol berichtet. Ande- mehr feststeilbar, was fur einen Gewohren Quellen zufolge ist doch mit einer Ver- nungseffekt spricht. Trotzdem wird mit starkung der sedativen Wirkung zu rechnen. Nachdruck gefordert, alle Patienten, die Amitriptylin-Praparate erhalten, vor jegliMan wird deshalb wohl nicht fehlgehen, chem Alkoholgenul? zu warnen, sollten sie wenn man generell bei allen Beruhigungs- die Absicht haben, ein Fahrzeug zu lenken. und Schlafmitteln eine Potenzierung ihrer In einer Studie mit verschiedenen AntideWirkung durch Athylalkohol in Betracht pressiva und Alkohol an Mausen und Ratten zieht und die notwendigen Vorkehrungen konnte ebenfalls eine deutliche Verstarkung trifft: Striktes Alkoholverbot bei Einnahme der ZNS-Depression nachgewiesen werden. von zentraldampfenden Arzneistoffen, zu- Hingegen wurde bei einer Versuchsserie an menschlichen Probanden mit Nortriptylin und Alkohol, bei der Blutspiegel bis zu '+vgl.K.W.Bock, Die Bedeutung des Arznei- 0,s Promille erreicht wurden, keine wechselmittelabbaus in der Leber, diese Zeitschr. 3, seitige Beeinflussung der Wirkungsintensitat 24 (1974). der beiden Stoffe beobachtet.

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Fatale Therapiezwischenfalle und Spatfolgen wurden rnit der Kombination Amitriptylin Alkohol gemeldet. Amitriptylin verstarkt auch, zumindest im Tierversuch, die durch chronische Alkoholzufuhr verursachte Leberschadigung.

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Atropinartige Nebenwirkungen wie Konstipation, Darmtragheit und Sehstorungen sind bei den tricyclischen Antidepressiva nicht selten und konnen auch durch Alkohol verstarkt werden. Bei besonders disponierten Personen kann sogar ein paralytischer Ileus provoziert werden. Obgleich die meisten Berichte uber solche Wechselwirkungen mit Alkohol das Amitriptylin betreffen, sollte die Moglichkeit ahnlicher Zwischenfalle auch bei anderen Antidepressiva s e t s im Auge behalten werden. Ein Neurolepticum aus der ButyrophenonReihe, das Haloperidol, sol1 ubrigens auch eine synergistische Wirkung zum Athylalkohol aufweisen. Monoaminoxidase-Hemmer Eine Besonderheit stellt die Gruppe der MAO-Inhibitoren dar. Die inzwischen wohlbekannte Unvertraglichkeitsreaktion mit Nahrungs- und Genuflmitteln, welche reich an Tyramin sind ("cheese reaction"), verlangt eine absolute Karenz solcher Speisen und Getranke wahrend der Therapie mit diesen Praparaten. Eine analoge Interferenz zwischen Alkohol und MAO-Inhibitoren wurde vermutet, erscheint aber derzeit eher unwahrscheinlich. Zwischenfalle ahnlicher Art wurden bei einer Reihe alkoholischer Getranke beobachtet, doch diirfte die Ursache fur die Inkompatibilitat in deren Gehalt an biogenen Aminen und nicht auf den Alkohol zuriickzufiihren sein. Da die meisten Patienten jedoch von sich aus kaum in der Lage sind zu unterscheiden, welche Getranke Tyramin enthalten bzw. davon frei sind, sollten sie vor den moglicherweise zu erwartenden Unvertraglichkeitserscheinungen gewarnt werden. Das Chemotherapeuticum Furazolidon, das auch als MAO-Hemmstoff wirksam ist, zeigt gewisse Unvertraglichkeitsreaktionen, wenn gleichzeitig Alkohol genossen wird, doch diirfte hier wahrscheinlich eine dem Disulfiram ahnliche Nebenwirkung mit im Spiele sein.

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Euphorica, Rauschgifte Eine Wechselwirkung zwischen Alkohol und den suchterzeugenden Analgetica vom Morphintyp oder den Rauschdrogen, die vom indischen Hanf herstammen (Haschisch, Marihuana), liegt auf der Hand, wenngleich die Auswirkungen solcher Kombinationen erst in jungster Zeit zu einem echten medizinischen Problem herangewachsen sind. Die Wirkungen des Tetrahydrocannabinols und des Athylalkohols auf Motorik und Psyche des Menschen sind ahnlich und verstarken sich gegenseitig. Im Tierexperiment konnte eine Kreuztoleranz zwischen den beiden Stoffen erzeugt werden. Antidia betica Diabetikern wird in der Regel eine weitgehende Enthaltsamkeit von alkoholischen Getranken auferlegt, denn erstens ist - wie gesagt - der Kaloriengehalt von Athylalkohol sehr hoch und die Symptome der akuten Alkoholintoxikation konnen leicht rnit jenen eines unkontrollierten Diabetes verwechselt werden, und zweitens neigen Patienten im Zustand der Trunkenheit dazu, die ihnen auferlegten Diatrestriktionen zu mifiachten und die rechtzeitige und regelmafiige Einnahme des verordneten Antidiabeticums zu verabsaumen. Daruber hinaus konnte gezeigt werden, dafi Alkohol die hypoglykamische Wirkung des Insulins beim Menschen verstarkt, wahrscheinlich durch eine Hemmung der autoregulatorischen Mechanismen, welche normalerweise den Blutzuckergehalt konstant halten. Es wurden sogar Falle bekannt, bei denen irreversible neurologische Veranderungen bei Diabetikern, die auf Insulin eingestellt waren und zu trinken fortfuhren, eingetreten sind. Eine strikte Alkoholabstinenz bei diabetischen Patienten ist deshalb eine wichtige erganzende MaBnahme der Therapie. Der biochemische Mechanismus der blutzuckersenkenden Wirkung des Athylalkohols, durch den der hypoglykamische Effekt des Insulins verstarkt wird, beruht auf einer Hemmung der Gluconeogenese aus Aminosauren oder anderen Prakursoren infolge der Verschiebung des Verhaltnisses von reduzierten zu oxydierten Nicotinamid-AdeninDinucleotiden (NADH/NAD+-Quotient) in den Leberzellen als Folge der Alkoholoxyda-

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tion. Dadurch wird der Eintritt von Glycerin, Milchsaure und bestimmten Aminosauren in die Stoffwechselfolgen, welche diese Verbindungen in Glucose umwandeln, gebremst. Bei den oralen Antidiabetica kommt noch eine weitere Komplikation hinzu. Die Sulfonylharnstoffe zeigen mit unterschiedlicher Intensitat und Haufigkeit Disulfiram-artige Nebenwirkungen. Diese Reaktion tritt sehr haufig auf beim Chlorpropamid, etwas schwacher auch bei Carbutamid, Tolbutamid und Acetohexamid. Nach Metasulfanilylbutylcarbamid kommt es gelegentlich zu den Erscheinungen einer Alkoholintoleranz. O b es sich bei dem beachteten Effekt um eine echte Enzymhemmung wie beim Disulfiram handelt, ist zur Zeit noch umstritten, denn es liegen widerspruchliche Berichte uber eine Erhohung des Acetaldehyd-Gehaltes im Blut nach solchen Antidiabetica vor. Bei starken Trinkern wurde eine Enzyminduktion bei den mikrosomalen Leberenzymen nachgewiesen. Dadurch erscheint beispielsweise die biologische Halbwertszeit von Tolbutamid gegenuber Nichttrinkern herabgesetzt. Wahrscheinlich tritt diesesphanomen bei den meisten oralen Antidiabetica auf, deren Wirksamkeit dadurch vermindert wird. Dies gilt allerdings nicht fur das Acetohexamid, dessen Metabolit Hydroxyhexamid ebenfalls hypoglykamisch wirksam ist. Bei den oralen Antidiabetica vom Biguanidtyp (Phenformin, Metformin usw.) tritt die Disulfiram-artige Nebenwirkung nicht in Erscheinung, dafur sind diese Praparate mit einem anderen Nachteil belastet. Patienten, die auf solche Mittel eingestellt wurden, entwickelten haufig nach Alkoholgenufi eine Lactatacidose. Auch wurden nicht selten Klagen uber einen unangenehmen, metallischen Nachgeschmack laut, wenn diese Menschen alkoholische Getranke zu sich nahmen. Anticoagulantia Vor einer Therapie mit Gerinnungshemmern bei gleichzeitigem Alkoholkonsum wird seit langem immer wieder gewarnt. In einer klinischen Studie wird zwar uber Patienten berichtet, die neben Anticoagulantia auch mafiige Mengen an Alkohol erhielten, ohne daB ein besonderer Effekt auftrat, dafur weisen zahlreiche Autoren mit Nachdruck auf die Verstarkung der gerinnungshemmenden Wirkung durch gleichzeitige Alkohol-

gaben hin. Aufierdem wurde festgestellt, dai3 die Einnahme von Alkohol Schwierigkeiten bei der exakten Bestimmung der Gerinnungseigenschaften des Blutes verursacht, weil bestimmte Blutfaktoren durch den Alkohol verandert werden. In einer Reihe von Versuchen am Menschen konnte gezeigt werden, dai3 der Konsum grofierer Alkoholmengen (uber 200 g Athano1 pro Tag) die Metabolisierung von Warfarin durch die Leber betrachtlich beschleunigt. Die biologische Halbwertszeit einer Einzeldosis von 40 mg Warfarin betrug 26 Stunden bei den Alkoholikern, wahrend sie bei Nichttrinkern um 40 Stunden lag. Dieser enorme Unterschied wird auf eine Induktion der mikrosomalen Leberenzyme durch denhlkohol zuruckgefuhrt.

Bei einem einzelnen Patienten aus einer Gruppe von 10 Probanden, die Warfarin und 8 Unzen Wodka taglich bekamen, zeigte sich unerwarteterweise ein Anstieg in der Prothrombinzeit. Dieser Patient litt jedoch an einem chronischen Herzfehler und einer Hepatomegalie, so dail dieser Einzelbefund mit Vorsicht beurteilt werden mui3. Herz- und Kreislaufmittel Die Kombination von Alkohol rnit Vasodilatatoren und Ganglienblockern mit blutdrucksenkender Wirkung lafit aus theoretischen Grunden eine Verstarkung des Effektes erwarten, da auch Alkohol leicht gefafierweiternd wirkt. Berichte UberTherapiezwischenfalle rnit ernsten Folgen liegen allerdings nicht vor. In einer Publikation wird vor der Kombination von Nitroglycerin rnit Athylalkohol gewarnt. Wenn Nitroglycerin und Alkohol annahernd gleichzeitig eingenommen werden, kann hierdurch eine Disulfiram-ahnliche Unvertraglichkeitsreaktion mit einem Kreislaufkollap s provoziert werden. Isosorbid-dinitrat und Pentaerythrit-tetranitrat zeigen gelegentlich Unvertraglichkeitserscheinungen wie Ubelkeit, Erbrechen, Schwindelgefiihl, Schweifiausbruche und Kollaps, die durch Alkohol noch verstarkt werden. Die blutdrucksenkende Wirkung des Ganglienblockers Pentoliniumtartrat wird durch Alkohol verstarkt. Umgekehrt sol1 auch die narkotische Wirkung des Alkohols durch den

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Blutdrucksenker Hydralazin potenziert werden. Auch Guanethidin zeigt mit Alkohol Wechselwirkungen, die vor allem in orthostatischen Storungen bestehen. Nicotin bewirkt eine Toleranzsenkung gegen Alkohol, die auf Adrenalinausschuttung zuruckgefuhrt wird. Die synergistische Wirkung von Alkohol und Nicotin wurde auch im Tierversuch bestatigt. Der Betarezeptorenblocker Propanolol, von dem ein Antagonismus gegen die Alkoholwirkung im Tierversuch festgestellt worden war, erweist sich beim Menschen als ungeeignet fur eine Therapie der akuten oder chronischen Alkoholintoxikation.

spiegel nach 24 Stunden auf 32 Prozent des Ausgangswertes, wahrend bei der Kontrollgruppe, die aus gesunden Freiwilligen bestand, noch 59 Prozent der verabreichten Dosis im Blut nachweisbar waren. Die Untersucher betonen, dai3 der vermehrte Abbau des Anticonvulsivums bei Epileptikern einen Anfall zur Folge haben kann. Im Vergleich dazu erscheint die Tatsache, dai3 Phenytoin zur Behandlung der Entzugssymptome von Alkoholikern benutzt wird, beinahe paradox.

Nach Kombination von Pyrazolonderivaten mit Alkohol sind aber auch schwere klinische Unvertraglichkeitssymptome wie Obelkeit, Mattigkeit, Ohrensausen, Sehstorungen, Blutdruckabfall, Tachycardie und Kollaps beobachtet worden, weshalb vor der Anwendung solcher Praparate als ,,Katermittel" nach Alkoholexzessen dringend gewarnt wird.

Lokalanasthetica

Wurmmittel sind zumeist fur den Wirtsorganismus starke Gifte, sobald sie resorbiert werden. Alle Maanahmen, welche eine Resorption fordern, sind daher wahrend der Wurmkur zu unterlassen. Da Alkohol im allgemeinen die Aufnahme von Arzneistoffen durch den Magen-Darm-Trakt beschleunigt, ist Alkoholgenu13 wahrend der Behandlung mit Anthelminthica strikt untersagt.

In einem Experiment an Meerschweinchen wurde nach mehrwochiger Vorbehandlung der Tiere mit Athanol eine Wirkungsverkiirzung iiblicher Lokalanasthetica festgestellt. Auch hier beeinflufit chronischer Alkoholkonsum die Arzneimittelwirkung negativ.

Diuretica

Anthelminthica

Analgetica, Antipyretica, Antiphlogistica Die harntreibenden und blutdrucksenkenden Wirkungen der Diuretica, besonders jener der Thiazid-Gruppe, konnen durch Alkohol potenziert werden. Orthostatische Storungen und andere unangenehme Nebenerscheinungen sind nach solchen Kombinationen recht haufig. Im einzelnen werden folgende Praparate genannt: Chlorothiazid, Hydrochlorothiazid, Cyclothiazid, Bendroflumethiazid, Quinethazon und Chlorthalidon. Bei der Etacrynsaure haben Versuche an Hunden ergeben, daC die Kombination dieses Mittels mit Alkohol einen vorubergehenden Anstieg des Blutalkoholspiegels zur Folge hat. Die Moglichkeit einer Verstarkung der Alkoholwirkung durch dieses Praparat mu13 daher in Betracht gezogen werden.

Anticonvulsiva Diese Wirkstoffgruppe unterliegt sehr stark dem Abbau durch das arzneistoffmetabolisierende Enzymsystem der Leber, und da chronische Alkoholzufuhr die Aktivitat dieses Systems durch Induktion verstarkt, mu13 bei Gewohnheitstrinkern mit einem vermehrten Abbau der Anticonvulsiva bzw. rnit einer Wirkungsminderung dieser Praparate gerechnet werden. Bei einer an chronischen Alkoholikern durchgefuhrten Studie wurden den Versuchspersonen dreimal taglich 100 mg Phenytoin verabreicht. Bei diesen Personen fie1 der Blut-

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Schon seit langem weii3 man, dai3 hohere Alkoholkonzentrationen (8- 14 %) die Magenschleimhaut schadigen und Gastritis verursachen konnen, und ebenso sind die ulcerogenen Wirkungen von Salicylaten und anderen Antiphlogistica wohlbekannt. Deshalb kommt der kombinierten Verabreichung derartiger Praparate mit Alkohol ein besonderes Interesse zu. Tatsachlich loste Acetylsalicylsaure im Tierversuch in Gegenwart von ca. 10 % Alkohol und in O,1 n Salzsaure schwere Schaden an der Mucosa und heftige Blutungen aus. Auch an menschlichen Patienten fiihrte die gemeinsame Verabreichung von Aspirin und Alkohol zu verstarkten gastrointestinalen Blutungen. Dagegen wurde eine gepufferte Losung von Natrium-acetylsalicylat zusammen rnit Alkohol von 22 freiwilligen mannlichen Versuchspersonen anstandslos vertragen. Auf die Umsatzgeschwindigkeit des Alkohols im Organismus hat ASS keinen Einflui3. Bei den Analgetica vom Typ des Amidopyrins, die im Organismus einer starken Metabolisierung unterliegen, mui3 mit einer Verlangerung ihrer Wirkungsdauer bei gleichzeitiger Alkoholingestion gerechnet werden. Anscheinend wird der Abbau dieserl'raparate solange gehemmt, bis der Alkohol aus dem Organismus eliminiert ist. Die Hemmung der Metabolisierung kann durch eine Inhibition der beteiiigten Enzyme oder durch Verbrauch des Sauerstoffs fur die Alkoholoxydation zustande kommen.

Schon sehr friih hatte man beobachtet, dai3 gleichzeitige Alkoholgabe die Toxizitat von Filixpraparaten und von Ascaridol erhoht, wahrend fette Ole die Resorption und damit die Giftigkeit herabsetzen, aber auch die Wurmwirksamkeit verringern. Tetrachlorathylen, das ebenfalls als Wurmmittel Verwendung findet, kann, wenn es resorbiert wird, schon in kleinen Mengen am ZNS wirksam werden. Daher wird verlangt, da13 die Patienten 24 Stunden vor und nach seiner Verabreichung keine alkoholischen Getranke zu sich nehmen.

Antibiotica Zwischen einzelnen Antibiotica und Athylalkohol wurden hin und wieder Unvertraglichkeitserscheinungen registriert. So verstarkte zum Beispiel Cycloserin, das als Tuberculostaticum eingesetzt wird, bei einigen Patienten die narkotisierende Wirkung des Alkohols betrachtlich, so dai3 es zu abnormen Rauschzustanden kam.

Bei Mausen stieg bei gemeinsamer Verabreichung von Athylalkohol und Cycloserin die Letalitatsquote der entsprechenden Dosen erheblich an. Die Vergiftungserscheinungen werden mit einer Hemmung der Glutaminsaure- und der Dopa-Decarboxylase durch das Antibioticum in Zusammenhang gebracht, woraus eine Storung im Gleichgewicht der biogenen Amine und ihrer Funktion im ZNS resultiert.

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Griseofulvin zeigt gelegentlich eine Potenzierung der Alkoholwirkung. Oberdies fuhrt die Behandlung mit diesem Antibioticum haufig zu einer ahnlichen Alkoholintoleranz, und auch die Neurotoxizitat des Antibioticums wird durch gleichzeitigen AlkoholgenuR noch gesteigert.

auch Androgene eine antinarcotische und antitoxische Wirkung erkennen. Kaninchen und Ratten werden nach Kastration alkoholempfindlicher. Experimentelle Befunde uber die Beeinflussung des Blutalkoholspiegels durch Sexualhormone beim Menschen liegen nicht vor.

Vitamine

Hypophysenhinterlappenhormone haben auf den Alkoholumsatz und damit auf die Alkoholwirkung keinen EinfluR.

Uber die Beziehungen zwischen verschiedenen Vitaminen und dem Alkoholstoffwechsel gibt es vie1 Literatur, die sich aber meist auf die Verhaltnisse bei chronischen Alkoholschaden bezieht. Die Wirkung auf den Alkoholumsatz ist nicht geklart. Chronischer Alkoholabusus ist die Ursache fur verschiedene Vitaminmangelerscheinungen, da die Resorption einiger Vitamine der B-Gruppe, vor allem des Thiamins, durch den Alkohol gestort wird. Die sogenannte Alkoholpolyneuritis oder ,,Alkoholberiberi" beruht auf einer Verarmung des Organismus an Thiamin, welches im Intermediarstoffwechsel im Brenztraubensaurecyclus zur Decarboxylierung gebraucht wird. Eine Resistenzerhohung gegen Alkohol wurde von mehreren Vitaminen (Thiamin, Pyridoxin, Riboflavin, Nicotinamid, Ascorbinsaure) behauptet, ist aber nach wie vor umstritten. Klinisch hat sich eine Kombination von Glucose und verschiedenen Vitaminen bei akuten Alkoholintoxikationen bewahrt. Hormone Viele korpereigene Verbindungen unterliegen wie die Arzneistoffe (oder Fremdstoffe ganz allgemein) dem Abbau durch das mikrosomale (,,fremdstoffmetabolisierende") Enzymsystem der Leber. Die meisten Steroidhormone werden auf ahnlichen oxydativen Wegen inaktiviert wie die korperfremden Verbindungen. Wenn das Enzymsystem durch chronische Alkoholzufuhr ,,induziert" ist, dann mufl man mit einem beschleunigten Abbau der zu therapeutischen Zwecken zugefiihrten Steroide rechnen. Beispielsweise zeigtdas antiandrogene Steroid Cyproteronacetat unter AlkoholeinfluR eine erheblich reduzierte Wirkung. Bei chronischem Alkoholabusus ist diese Therapie daher erfolglos. Im Tierversuch lassen sowohl Oestrogene als

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Die Antabus-Reaktion Zum Abschlui3 soll noch die Unvertraglichkeitsreaktion zwischen Xthylalkohol und Disulfiram (Antabus), die im Normalfall mit Absicht herbeigefuhrt wird, behandelt werden. Die sogenannte ,,Antabus-Reaktion" wurde erstmals 1937von Williams beobachtet, einem Werksarzt in einem Gummiverarbeitungsbetrieb, dessen Arbeiter der Einwirkung von Thiuramderivaten (Vulkanisationsbeschleunigern) ausgesetzt waren, und die daher unter den bekannten Folgeerscheinungen litten. Merkwiirdig erscheint uns heute die Tatsache, daR mehr als ein Jahrzehnt verging, ehe die Eignung des Effektes zur Alkoholentwohnungstherapie erkannt und publiziert wurde. In der Zwischenzeit hatten danische Forscher unabhangig die gleiche Wirkung entdeckt und untersucht. Normalerweise wird Alkohol im Korper zu Kohlendioxid und Wasser verbrannt. In Gegenwart von Disulfiram wird jedoch die Reaktionskette an der Stelle des Enzyms Aldehyd-dehydrogenase unterbrochen, denn dieses Enzym wird durch Disulfiram irreversibel blockiert. Es kommt zu einer Anhaufung von Acetaldehyd im Organismus, und die Symptome der Antabus-Reaktion treten auf. Es handelt sich offenkundig um eine Acetaldehyd-Vergiftung, denn durch Injektion von Acetaldehyd konnen die gleichen Erscheinungen provoziert werden. Die Antabus-Reaktion entwickelt sich innerhalb von 15 Minuten nach der Alkoholaufnahme und ist charakterisiert durch Blutandrang zum Kopf und Nacken, Beschleunigung des Herzschlags, Schweiflausbruch, Atemnot, rasenden Kopfschmerz, Ubelkeit und Erbrechen sowie rapiden Blutdruckabfall. Das Syndrom kann so dramatisch ablaufen, dai3 es in einigen Fallen zu todlichen Schocks gekommen ist.

Der drastische Blutdruckabfall im Verlauf der Antabus-Reaktion weist allerdings darauf hin, dafi die Wirkung des Disulfirams nicht allein auf einer Blockierung der Aldehyd-dehydrogenase beruhen kann; wahrscheinlich ist hier noch eine andere Enzymhemmung mitimspiele. Eswurde interpretiert, dai3 Disulfiram die Dopamin-P-hydroxylase inhibiert, wodurch eine verminderte Synthese von Noradrenalin und Adrenalin in den sympathischen Nerven resultiert, die wiederum fur den Blutdruckeffekt verantwortlich ist. Eine andere Hypothese zum Mechanismus der Antabus-Reaktion, die zwar originell erscheint, aber nur geringen Wahrscheinlichkeitsgrad besitzt, besagt, daR der Xthylalkohol mit dem Disulfiram unter Bildung einer diquaternaren Ammoniumverbindung reagiert und dieser biogene Metabolit die Ursache der Unvertraglichkeitsreaktion darstellt. Obwohl das Disulfiram bis zum heutigen Tage seine Stellung als Mittel der Wahl zur Therapie des chronischen Alkoholismus bewahrt hat, wurden und werden immer wieder Ersatzpraparate propagiert und in Umlauf gebracht. Ein solches Mittel ist beispielsweise das Cyanamid, das als Calciumsalz mit Zusatz von Citronensaure verabreicht wird. Sein Vorteil soll darin bestehen, dafl die Unvertraglichkeitssymptome etwas milder in Erscheinung treten. Die Antabus-Reaktion wird aber auch noch von einer Reihe anderer Arzneistoffe in mehr oder minder stark ausgepragter Form ausgelost. Da diese Arzneistoffe ublicherweise anderen therapeutischen Zwecken dienen, mufl die Reaktion hier als unerwunschte Nebenwirkung registriert werden. Zu diesen Arzneistoffen gehort vor allem das Trichomonadenmittel Metronidazol, bei dem die Nebenwirkung so stark ist, daR es selbst zur Alkoholentwohnungstherapie verwendet wurde. Das zur gleichen Indikationsgruppe gehorende Furazolidon verhalt sich ahnlich. Procarbazin, ein gegen verschiedene Tumoren eingesetztes Cytostaticum, und Nifuratel, ein vorwiegend bei Trichomonadeninfektionen verwendetes Chemotherapeuticum, zeigen ebenfalls starke Disulfiram-artige Nebenwirkungen.

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Angeblich sollen auch Tolazolin, Mepacrin, Phenylbutazon und Chloramphenicol die Antabus-Reaktion in milderer Form auslosen konnen. Bei den hypoglykamischen Sulfonamiden und bei den MAO-Hemmern wurde diese Nebenwirkung bereits erwahnt. Stoffe, die fur sich emetisch wirken, ohne jedoch eine Antabus-Reaktion zu verursachen, zum Beispiel Emetin und Apomorphin, werden ebenfalls zur Erzeugung einer Aversion gegen Alkohol auf dem Weg eines gebahnten Reflexes benutzt. Antagonisten der Alkoholwirkungen Wir haben bisher nur Pharmaka und Wirkstoffe besprochen, deren Effekte mit jenen des Xthylalkohols im Sinne einer Addition oder eines Synergismus interferieren. In diesem Zusammenhang interessiert aber gewii3 ebenso die Frage, ob man die Alkoholwirkung durch Arzneistoffe abschwachen oder gar vollig aufheben kann. Beispielsweise hat man wiederholt die Beobachtung gemacht, dai3 Sympathicomimetica und Anticholinergica wie Adrenalin, Amphetamin, Hydroxyamphetamin bzw. Atropin und Opium die Resorption des Alkohols verzogern. Umgekehrt beschleunigen Cholinergica die Aufnahme des Alkohols. Dies sind jedoch keine echten synergistischen oder antagonistischen Wirkungen, da sie lediglich die Auswirkungen auf den Organismus zeitlich verschieben, aber nicht aufheben. Eine echte Beschleunigung der Elimination des Alkohols ware hingegen von grofler praktischer und klinischer Bedeutung. An Versuchen, dies mit Hilfe von Medikamenten zu erreichen, hat es nicht gefehlt, und es existiert hieriiber eine umfangreiche Literatur. Bei einer kritischen Durchsicht derselben stellt es sich allerdings heraus, dai3 die tatsachlichen Moglichkeiten zur gezielten Beeinflussung des Alkoholabbaus im Organismus eher diirftig sind. Verschiedene Stoffe, die in den oxydativen Stoffwechsel eingreifen und damit zusatzliche Energie fiir deq Alkoholabbau liefern sollen, wurden in Vorschlag gebracht: Glucose, Fructose, Saccharose, Brenztraubensaure, Aminosauren, Vitamine etc. allein oder in Kombination mit Insulin. Insulin selbst ruft so unterschiedliche Effekte hervor, daf3 es als ,,Erniichterungsmittel" ausscheidet.

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Mit Ausnahme der Fructose, die eine gewisse Wirkung zeigt, sind alle diese Mittel praktisch nutzlos. Einen giinstigen Einflui3 auf die Spatfolgen des Alkoholabusus, die Bildung einer ,,Fettleber"", besitzt moglicherweise das Silymarin, der Wirkstoff der Mariendistel:>:;.. Die Verabreichung von Cofaktoren des Alkoholmetabolismus, zum Beispiel von Pyridinnucleotiden, bleibt ohne therapeutischen Effekt, die von Nicotinamid oder von Pyridoxin vermag zwar die toxischen Spatfolgen zu mindern, hat aber auf den Alkoholabbau nur geringen Einflui3. Verschiedene andere Stoffe sind vorgeschlagen worden, haben sich aber gleichfalls als wirkungslos erwiesen wie zum Beispiel Thyroxin und Trijodthyronin, die in vivo keinen Einflui3 auf die Alkoholelimination haben. Praparate, welche die Lungenventilation fordern, oder Diuretica bringen nicht viel, da die pulmonale und renale Elimination hochstens Bruchteile eines Prozents der totalen Alkoholelimination betragen. Magenspiilungen und Hamodialyse schliei3lich bleiben nur bei akuten Vergiftungen und in Sonderfallen der letzte Ausweg.

Alkoholgenui? oder Abstinenz sind auf jeden Fall der bessere Weg! Literatur

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L. B a h t und A. Gorgia, Influence de l'alcool sur l'action de certains medicaments, Schweiz. Apoth.-Ztg. 112,506 (1974). E. Widmark, Die theoretischen Grundlagen und die praktische Verwendbarkeit der gericht1.-medizin. Alkoholbestimmung, Heft 11 der Fortschr. naturwiss. Forsch., Berlin 1932.

G. Swidler, Handbook of Drug Interactions, New York 1971.

Bleibt schliefllich noch die Antagonisierung der zentralen Effekte des Athylalkohols durch Stimulantien zu erwahnen. Zentrale Analeptica wie Coffein, Nikethamid, Pentetrazol, Amphetamin und Methamphetamin kehren die Symptome der Alkoholwirkung im Friihstadium bis zu einem gewissen Grad um, vermogen aber die metabolischen Konsequenzen nicht zu neutralisieren. Aus diesem Grunde haben zum Beispiel Coffein oder Amphetamin keine signifikante Wirkung auf das Verhaltensmuster alkoholisierter Versuchspersonen gezeigt. Der Schlui3, der aus allem diesem zu ziehen ist, klingt fast schon wieder banal: Die Aufhebung der Wirkungen des Alkohols durch Verabreichung von Medikamenten - ein Bemuhen, das schon von der Vorgangsweise her sinnwidrig erscheinen mug - bringt keine Losung des Problems. Mai3igkeit im

'"vgl. H. P.T.Ammon, Biochemische Grundlagen der Alkohol-Fettleber, diesezeitschr. 3, 163 (1974). :'%gl. diese Zeitschr. 3, 127 (1974).

Univ.-Doz. Dr. Heinrich P. Koch, geb. 1931 in PreGburg, CSSR; Studium der Pharmazie und Chemie in Wien, 1955 Sponsion zum Mag. pharm., 1960 Promotion zum Dr. Phil.; 1964 Postdoctoral Research Fellow an der Univ. London; 1967 Habilitation fur Pharmazeutische Chemie in Wien; 1971-1973 Leiter der chemischen Abteilungen bei Dr. Madaus & Co. in Koln; 1972 Umhabilitation an die Univ. Bonn; 1973 Riickkehr nach Wien und Abteilungsleiter am Pharmazeutisch-chemischen Institut. Arbeitsgebiete: Synthese von Arzneistoffen, Terpene, Herbicide, Arzneistoffmetabolismus, Pharmakokinetik, Teratologie, Phytobiochemie.

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[Drug effects and alcohol].

Heinrich Koch A rzneimitt elwirkun gen und Alkohol Abb. 1. Metabolisierung des Xthylalkohols. Hauptmetabolit ist Acetaldehyd, Endprodukt CO,. Pharm...
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