438 K/in. Mb!. Augenheilk. 198 (1991)

Vitrektomie bei Sekundärkomplikationen durch intraokulare Fremdkörper F. Koerner

Zusammenfassung

Vitrectomy in Late Complications of Intraocular Foreign Bodies

Endophthalmitis und Funktionsminderung als Spatkomplikation einer perforierenden BulbusverletEndophthalmitis and reduced vision as zung haben eine spezielle diagnostische Bedeutung. Eine late complictions of penetrating ocular injuries cause protrahierte therapieresistente Endophthalmitis kann specific diagnostic problems. A persisting endophthalmiHinweis für einen organischen intra-okularen FremdkOr- tis may be caused by unnoticed organic foreign bodies per (z. B. Zilien) sein. Tritt die Endophthalmitis nach ei- (f.b.) like lashes or a splinter of glas. Endophthalmitis nem groBeren symptomfreien Intervall auf, so kann die recurring months or years after a perforating injury indiUrsache eine spontane Dislokation eines bis dahin pro- cates the possibility of a spontaneous mobilization of a blemlos tolerierten i. o. Fremdkorpers sein. Therapie der f.b. Vitrectomy and removal of the f.b. is the therapy Wahi ist eine Vitrektomie mit Entfernen des Fremdkor- of choice in either situation. Five typical cases are prepers. 5 FaIle von perforierender Verletzung mit protra- sented: lashes encapsulated in the ciliary body following

hierter oder sekundärer Endophthalmitis werden be- a limbal perforation; an intraretinal incarceration of a schrieben: im Ziliarkorper eingeheilte Zilien; eine intra- lash of unknown history; spontaneous dislocation of a retinal fixierte Zilie; Spontanmobilisation eines retrozili- glas splinter from the ciliary body into the anterior

ar eingeheilten Glassplitters; transsklerale Spontanverla- chamber; delayed spontaneous translocation of a 10 x 11 gerung eines grol3en Metallfremdkorpers in den Subreti- mm metallic f.b. from tenon's space transsclerally into nairaum; Mobilisation eines intraretinalen Steinsplitters the subretinal space leading to endophthalmitis one year 11 Jahre nach initialem Trauma. Nach vitreoretinaler after a severe perforating injury; secondary mobilization Chirurgie wurde em Visus von 1,0 in 3 Fallen bzw. 0,5— of an intraretinal piece of stone during a posterior hya0,6 in 2 Fallen erreicht. bid detachment. In each case, vitrectomy was performed and the f.b. removed via pars plana. Secondary surge-

ry for retinal detachment or PVR was necessary in 2 cases. The final visual acuity was 20/20 in 3 cases and 10/20 or better in 2 cases.

Einleitung

Die Behandlung von Augen mit i.o. Fremdkorpern hat durch die Vitrektomie (YE) in den vergangenen 10 Jahren eine neue Dimension erhalten. Die Prognose von Fremdkorper-Verletzungen ist wesentlich gUnstiger geworden. Sekundarkomplikationen kommen jedoch vor und kOnnen in selektiven Fallen diagnostische Probleme bieten.

Es werden funf exemplarische Fälle beschrieben, bei denen Spatkomplikationen organischer wie anorganischer Fremdkorper durch vitreo-retinale Eingriffe erfoigreich behandelt wurden.

Kasuistik 1. Protrahierte Endopht ha/mit is

Leitsymptome verschiedener posttraumatiAls Ursache einer therapieresistenten postscher Spatkomplikationen sind intraokularer Reizzustand traumatischen Endophthalmitis kommen bei negativem und Funktionsminderung, entweder protrahiert oder reziROntgenbefund organische Fremdkorper in Betracht. Ihr divierend. Bei einer sekundären Endophthalmitis nach symptomfreiem Intervall besteht die Moglichkeit einer diagnostischer Nachweis kann schwierig sein, vor allem wenn in der Anamnese Hinweise auf em Trauma fehien. spontanen Dislokation ,inerter' Fremdkorper.

Kiln. Mbl. Augenheiik. 198 (1991) 438—441

1991 F. Enke Verlag Stuttgart

Fall 1: Der 22jahrige Patient erlitt eine limbale perforierende Verletzung durch einen Stacheldraht. Eine Rontgenaufnahme war negativ. Der Primarversorgung foigte eine 2 Wochen andauernde Hypopyon-Iritis, die wenig auf Antibiotika und Steroide ansprach. Nach weiteren 2 Wochen war der GiaskOrper als Folge einer verstarkten Iridocyclitis stark eingetrubt.

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Universitats-Augenklinik Bern (Direktor: Prof. Dr. F. Koerner)

K/in. Mb!. A ugenheilk. 198 (1991) 439

Abb.1: 22jahriger Pat. (Fat 1),

Abb. 3:

Stichperforation am Lmbus. Emgekapselte Ziien rn RetrozWarge-

im Zi)iarkdrper inkarzerierter Glassplitter, spater Spontanluxation in Vorderkammer mit konsekutiver Iridocyclitis.

biet.

4ljahriger Pat. (Fall 3),

phisch fand sich jedoch eine hochreflektive praretinale Struktur.

Ophthalmoskopisch wurde eine temporal oberhaib des hinteren Pols in der Retina steckende Zilie entdeckt (Abb. 2). Die retinale Adhasionsstelle wurde mit Laserherden umstellt. Angesichts zu-

nehmender Glaskorpertrubungen mit Visusminderung wurde trotz fehlender hinterer Glaskorperabhebung eine VE durchgeftihrt. Die Zilie und em in der Retina verankerter fibroser Schaft wurden extrahiert und eine episklerale Plombe appliziert. Die Indocyclitis heilte rasch aus. Spater wurde eine Plombage erforderlich wegen peripherer Traktionsamotio bei leichter epiretinaler Fibroplasie.

Die Patientin ist seither symptomfrei. Visus seit 3 Jahren bei 1,0.

In diesem Falle war eirie Endophthalmitis mit retinalen Komplikationeri durch eine intraokulare Zilie ausgelOst worden. An em Unfallereignis konnte die Patientin sich nicht erinnern. Dennoch mul3 die Moglichkeit eines evtl. in der Kindheit unbemerkt stattgehabten Trau-

mas in Betracht gezogen werden. Nach vitreoretinaler Chirurgie konnte eine voile Sehschärfe wiederhergestellt werden. Abb. 2:

1 9jdhrige Pat. (FaIl 2), Iridocyclitis, intraretinal stekkende Zilie mit fibrösem Schaft, Laserkoagulation des Retinaeinstichs. Anamnestisch kein Trauma bekannt.

Eine VE schien trotz noch nicht eingetretener hinterer GiaskOr-

perabhebung auch aus diagnostischen und optischen Grunden indiziert. Postoperativer Visus 0,8.

2. Sekundare Endophtha/miiis

Nach i .o. Fremdkorperverletzungen kann es aus verschiedenen Grunden zu einer sekundären Endophthalmitis nach einem symptomfreien Intervall kommen.

Chemisch inerte Fremdkorper wie Glas

In der Folge persistierte die Iritis. Bei einer oder Steinpartikel konnen bei geeigneter Lage im Auge Kontaktglasuntersuchung zeigte sich jetzt eine kapselartige belassen werden. Rezidivierende akute Reizzustande sowie Struktur an der hinteren Grenze des Ziliarkorpers. Bei einer ReVitrektomie wurden bei 6—7 Uhr hinter dem Ziliarkdrper 5 eingekapselte Zilien entdeckt (Abb. 1) und via Pars plana extrahiert. Die Iridocyclitis heihe nach Entfernen der Zilien in wenigen Tagen aus. Endvisus 1,0.

Bei diesem Patienten waren mehrere Zilien durch den die Lidkante perforierenden Draht in die Stichwunde gestol3en worden und hatten im Ziliarkorper eine chronische Fremdkorperreaktion ausgelost. Fat! 2: 19] ahrige Patientin mit akuter einseitiger Iridocyclitis, unter Steroiden und Antibiotika wtthrend 2 Wochen stetig progredient. Rontgenaufnahmen waren negativ. Echogra-

neu auftretende Funktionsstorungen zwingen jedoch zu diagnostischer Abklarung und Entfernung dieser Fremdkorper. In den folgenden drei Fallen kam es zu einer Endophthalmitis respektive zu später Funktionsminderung nach Lageanderung von nicht-metallischen Fremdkorpern aus dem Ziliarkorper bzw. der Retina und nach vermuteter chronischer transs kieraler Spontanperforation eines primar extrabulbären Metall-FremdkOrpers. Die Komplikationen konnten durch vitreoretinale Eingriffe erfoigreich behandelt werden.

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Vitrektomie bei Sekundãrkomplikationen durch intraokulare FremdkOrper

F. Koerner

440 Kim. Mb!. A ugenheilk. 198 (1991) Fall 3: Der 4ljahrige Patient erlitt nach Abspringen eines Tapeziernagels gegen seine Brille eine Hornhautund Linsenperforation durch em ausgesprengtes Brillenglasstuck von 2 x 3 mm GröBe. Es erfolgte eine primare Wundversorgung mit Linsenabsaugung und vorderer YE. Röntgen: wenig schattendichter Fremdkörper im vorderen Segment.

Knapp 1/2 Jahr nach dem Trauma starke Schmerzen und Visusminderung auf Lichtscheinwahrnehmung. Rezidiv einer heftigen Iridocyclitis mit massivem Hornhautddem infolge Spontanverlagerung des Glaspartikels in die Vorderkammer (Abb. 3).

Abb. 4:

3Ojdhriger Pat (Fall 6), intraretinal eingeheilter Steinsphtter nach Sprengunfall vor 11 Jahren. Spontanmobilisation des Fremdkbrpers während hinterer Glaskorperabhebung

Im Rahmen einer YE wurde der auf die posteriore Retina gesunkene Fremdkörper via Pars plana extrahiert. 3jahrigem Verlauf betragt der korrigierte Visus heute 0,5. Postoperativ kiang die Iridocyclitis rasch ab. Der Visus betrug Weitere Rezidive einer Amotio, PYR oder Uveitis traten nach 2jahriger Beobachtung mit Kontaktlinse 0,6. nicht mehr auf.

Nach zogernd abgeklungener Iridocyclitis heilte bei diesem Patienten em Glaspartikel zunachst problemlos im Ziliarkorperbereich em. Monate spater loste der spontan mobilisierte Fremdkörper eine schwere sekundare Endophthalmitis aus und mul3te Uber eine YE entfernt werden. Fall 4: Der 24jahrige Patient erlitt eine Bulbusperforation durch em 10 x 11 mm grol3es Fragment einer Patronenhulse.

Initialbefund: kollabierter Bulbus mit 15 mm langer Skierawunde, Glaskorperverlust, Iridodialyse, Hamophthalmus. Der Metalisplitter lag röntgenologisch und echogra-

Fall 5: Der heute 3Ojahrige Patient erlitt 1979 beim Tunnelbau durch Sprengunfall eine Hornhaut- und Linsenperforation durch Steinsplitter. Em kleines Steinpartikel heilte oberhalb der Makularegion intraretinal em. Das Netzhautforamen wurde hier durch Laserkoagulation abgeriegelt.

1990 klagte der Patient uber neu aufgetretene Sehstörungen. Tm Rahmen einer spontanen hinteren Glaskdrperabhebung hatte der an der retinalen Narbe adharente Glaskörper den Fremdkörper mitgerissen (Abb. 4). Der vor der Makula pen-

delnde Fremdkörper verursachte Binokularsehstorungen und eine Yisusreduktion auf 0,5.

Der Steinfremdkorper konnte Uber eine Parsplana-VE problemlos extrahiert werden. Der mit Kontaktlinse

phisch eindeutig extrabulbàr zwischen M. rectus superior und korrigierte Visus besserte sich postoperativ auf 1,0. hinterer Bulbuswand und wurde hier belassen. YE 2 Wochen nach Primarversorgung, Aspiration der luxierten Linse, Endodrainage eines subretinalen Hamatoms, Cerciage und Plombage. Diskussion Postoperativer Yisus 0,6 bei grol3er chorioretinaler Narbe mit epiretinaler Membranbildung im temporal oberen Quadranten.

Durch em Trauma ins Auge gelangte organische Fremdkorper wie Zilien können zunachst ubersehen werden, zumal wenn eine klare Verletzungsanamnese fehlt wie in Fall 2. Zilien sind rontgenologisch allenfalls che Lageanderung des FremdkOrpers. mit einer weichen skelettfreien Aufnahme im vorderen Augenabschnitt darstellbar. Nach vorlaufigen experimenEine chirurgische Intervention bestatigte, daB tellen Untersuchungen entgehen sie dem NMR. In Fall 2 der groBe Metallfremdkörper transskleral in den Subretinairaum wurde die intraretinal fixierte Zilie echographisch im Prdeingedrungen war. Yon hier wurde er Uber eine 10 mm grol3e poretinalraum erfal3t. Anhaltende therapieresistente Endsteriore Sklerotomie entfernt. ophthalmitiden bieten in anamnestisch unklaren SituatioInnerhalb weniger Wochen postoperativ Ent- nen einen wichtigen diagnostischen Hinweis. Nach einem Jahr Beschwerdefreiheit Yisusabfall auf Wahrnehmung von Handbewegungen infolge einer massiven Endophthalmitis. Die Rdntgenkontrolle zeigte eine deutli-

wicklung einer proliferativen Vitreoretinopathie (PYR C3), die eine YE mit Silikonölfullung erforderlich machte. Weitere 3 Monate spater Re-YE wegen Amotio nasal unten bei subretinaler Membranproliferation. Nach Retinotomie und Membranextraktion wurde eine permanente Retinaanlage erreicht. 2 Jahre nach dem Trauma Silikonölentfernung wegen progredienter Keratopathie.

Treten Sekundarkornplikationen wie Endophthalmitis und Funktionsabnahme im Anschlufl an em Trauma erst nach einem langeren symptomfreien Interval! auf, so kann es sich urn eine Dislokation primar problemlos eingeheilter Fremdkörper handein. Bei intra- bzw. praretinalen Fremdkorpern ist eine spatere hintere Glaskörperabhebung mit dern Risiko einer sekundaren FremdkOrEm Jahr nach Bulbusperforation hatte em permobilisation verbunden. Daher können Komplikatioinitial extrabulbar gelegenes scharfkantiges Metallstuck nen wie in Fall 5 selten auch noch nach vielen Jahren emspontan die Skiera durchwandert und eine schwere End- treten.

ophthalmitis ausgelost. Nach Entfernen des grofien Fremdkorpers aus dem Subretinalraum muBte eine rezidi-

vierende PVR-Amotio behandelt werden. Nach knapp

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Während 4 Wochen starke Photophobie, Schmerzen und eine nur zogernd abklingende Iridocyclitis. Kontaktglasuntersuchung: kegelförmiger Glassplitter mit seiner Basis im Ziliarkörper fixiert. Es folgte em symptomfreies Intervall von 4 Monaten bei stabilem Vsus von 0,4.

Vitrektomie bei Sekundarkomplikationen durch inlraokulare FremdkOrper

K/in. Mbl. Augenheilk. 198 (1991) 441

In Fall 3 war eine Einkapselung des im ZiIn alien funf Fallen konnten die Sekundärliarkorper steckenden Glassplitters ausgeblieben. Nach komplikationen durch vitreoretinale Eingriffe mit Extraktion der Fremdkorper via Pars plana erfoigreich behandeit werden. Rezidive einer Endophthaimitis blieben nach diesen Eingriffen aus. Der Endvisus betrug bei drei Patienten 1,0, in den beiden anderen Fallen 0,5 bzw. 0,6. In den bei-

den phaken Augen (Fall 1 und 2) traten post-operative Linsentrubungen bisher nicht auf. Prof. Dr. F. KOrner Univ.-Augenklinik, Inseispital Freiburgstr. 8 CH-3010 Bern

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spontaner Mobilisation verursachte der Fremdkorper eine schwere Iridocyclitis, die erst nach VE und Splitterextraktion ausheilte. In Fall 4 trat eine Endophthalmitis nach einem einjahrigen symptomfreien Interval! auf. Em groller scharfkantiger Metalisplitter hatte spontan die Skiera perforiert. Diese Lageanderung wurde rontgenologisch bestätigt. Im Subretinairaum loste der Fremdkorper die schwere Uveitis aus, die erst nach Extraktion des Splitters ausheilte.

[Vitrectomy in secondary complications caused by intraocular foreign body].

Endophthalmitis and reduced vision as late complications of penetrating ocular injuries cause specific diagnostic problems. A persisting endopthalmiti...
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