Bild und Fall HNO 2015 · 63:447–449 DOI 10.1007/s00106-015-0014-9 Online publiziert: 10. Juni 2015 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

K. Subbalekha1 · I.-S. Horn2 · N. C. Pausch3 1

Klinik und Poliklinik für Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie, Chulalongkorn Universität Bangkok, Bangkok, Thailand 2 Klinik und Poliklinik für HNO-Heilkunde, Universitätsklinikum Leipzig, Leipzig, Deutschland 3 Universitätsklinikum Leipzig, Leipzig, Deutschland

Redaktion F. Bootz, Bonn

Unilaterale Sinusitis maxillaris Anamnese Eine 26-jährige Frau stellte sich mit einer über mehrere Monate rezidivierenden, unilateralen Sinusitis maxillaris rechts in einer kieferchirurgischen Klinik vor. Die Beschwerden traten intermittierend auf und äußerten sich in unilateralen infraorbitalen Schmerzen und zeitweiliger Absonderung von trübem Nasensekret. Konservative Behandlungen einschließlich einer Antibiotikatherapie erbrachten keine Besserung. Anamnestisch war die operative Entfernung eines retinierten und impaktierten Weisheitszahnes im Bereich des

Oberkiefers rechts (18) in einer oralchirurgischen Praxis vor sechs Monaten durchgeführt worden. Dieser Eingriff erfolgte nach Angaben der Patientin ohne Komplikationen. Nebenerkrankungen waren nicht bekannt.

Diagnostik Die klinische Untersuchung ergab beidseits enge Nasenhaupthöhlen mit unauffälliger Schleimhaut bei leichter Septumdeviation mit Spornbildung links. Zu diesem Zeitpunkt fand sich intranasal endoskopisch kein pathologisches Sekret. Das Gebiss war intakt. Es zeigte sich ein

reizloser Zustand nach operativer Entfernung des verlagerten Zahnes 18; die Zähne 14 und 16 waren nach konservierender Therapie mit Füllungen vital und beschwerdefrei. Aufgrund der langanhaltenden Beschwerden erfolgte eine CT der Nasennebenhöhlen (NNH). Diese ergab laut Ausschreibung im rechten Recessus alveolaris eine wandständige Verschattung. In beiden Kieferhöhlen imponierten weit in den Sinus ragende Molarenwurzeln, rechts mit Unterbrechung der Dentinkontinuität (. Abb. 1).

Abb. 1 9 Koronares CT der Nasennebenhöhlen mit wandständiger Verschattung der Kieferhöhle rechts und beidseits weit in den Sinus ragenden Molarenwurzeln. Gelber Pfeil: Zahnwurzel mit Unterbrechung der Dentinkontinuität HNO 6 · 2015

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Bild und Fall D Wie lautet Ihre Diagnose?

Im Gegensatz zu der kontinuierlichen Dentinstruktur in der Wurzel des Molaren 26 links zeigt sich in . Abb. 1 auf der rechten Seite eine Konturunterbrechung, die ein Hinweis auf eine abgebrochene, mobile Zahnwurzel ist. Ergänzend wurde ein Zahnfilm des rechten Oberkiefers veranlasst. Hierbei wurde in Zusammenschau mit der CT-Untersuchung noch eine zweite verlagerte Zahnwurzel gefunden (. Abb. 2). Nach zurückliegender Zahnextraktion war daher zu vermuten, dass bei der Zahnentfernung zwei Wurzeln abbrachen und in das Antrum luxiert wurden.

war, wurde eine transantrale Fensterung der fazialen Kieferhöhlenwand vorgenommen (. Abb. 3). Über diesen Zugang konnten die beiden Molarenwurzeln problemlos entfernt werden (. Abb. 4). Nach Reposition des Knochendeckels wurde dieser mittels Mikroosteosyntheseplatte fixiert (. Abb. 5). Bei einer abschließenden Kontrolluntersuchung sechs Monate postoperativ war die Patientin völlig beschwerdefrei.

Während Sinusitiden in 68 % der Fälle rhinogenen Ursprungs sind, können in 32 % aller Entzündungen der Kieferhöhle dentogene Ursachen nachgewiesen werden [1]. Meist handelt es sich dabei um ein Übergreifen bakterieller Infektionen marktoter Zähne oder parodontaler Läsionen auf die Sinusschleimhaut. Über den Molarenwurzeln im seitlichen Oberkiefer ist die Knochenbarriere zwischen Wurzelspitze und Kieferhöhle oft sehr dünn. Bei Extraktionen kann diese brechen und den Übertritt von Wurzelfragmenten in den Sinus maxillaris ermöglichen. Epidemiologische Daten zeigen, dass in das Antrum luxierte Zahnwurzeln ein seltenes Ereignis sind.

So konnten Venkateshwar et al. in einer repräsentativen Studie zeigen, dass es im Rahmen von 22.330 Zahnentfernungen bei 14.975 Patienten, davon 6252 Extraktionen (28 %) im seitlichen Oberkiefer, nur bei 9 dieser Patienten (0,14 %) zum Eindringen von abgebrochenen Wurzeln in die Kieferhöhle kam [2]. Dabei ist am häufigsten der erste Molar ursächlich [3]. Die in die Kieferhöhle versprengte Zahnwurzel ist meist bakteriell durch Mundhöhlenkeime kontaminiert. Infolgedessen kann eine Infektion des Sinus mit entsprechenden Beschwerden resultieren. Wurzelreste können aber auch Monate bis Jahre symptomfrei im Sinus maxillaris verbleiben und als Zufallsbefund im Röntgenbild entdeckt werden. Die genaue Lokalisation der in den Sinus eingedrungenen Zahnwurzeln ist mit dreidimensionaler Bildgebung meist problemlos möglich. In der Regel liegen diese im Recessus alveolaris. Bedingt durch Lageänderung im Schlaf und den zilienbedingten Schleimtransport können Zahnwurzeln aber auch an jeder anderen Stelle im Sinus vorkommen und z. B. das Ostium naturale erreichen bzw. verlegen [4]. In den meisten Fällen ist eine operative Entfernung derartiger Wurzelreste angezeigt. Zufällig entdeckte, bereits länger liegende Fragmente mit einer Größe von unter 3 mm können bei fehlenden Symptomen in Absprache mit dem Patienten belassen werden [5].

Abb. 4 8 Geborgene Wurzeln des ursächlichen Zahnes 18

Abb. 5 8 Reposition des Knochendeckels mit Osteosynthese

Diagnose: Radix in antro mit »konsekutiver Sinusitis maxillaris

Therapie Diskussion Da eine endoskopische Entfernung über das Ostium naturale bei sehr engem mittlerem Nasengang nicht zu favorisieren

Abb. 2 8 Zahnfilm rechter Oberkiefer mit Abbildung der Zähne 13–17. Mesial (gelber Pfeil) und distal (roter Pfeil) der Wurzeln von 16 kommt jeweils ein separiertes Wurzelfragment zur Darstellung

Abb. 3 8 Transoral-transantrale Fensterung der fazialen Kieferhöhlenwand rechts

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Fachnachrichten Eine frisch eingedrungene Radix in antro sollte dagegen binnen 24 Stunden aus der Kieferhöhle entfernt werden. Dies kann endoskopisch über den mittleren Nasengang, transapertural über den unteren Nasengang oder über die Mundhöhle mit Hilfe eines Knochenfensters in der fazialen Kieferhöhlenwand erfolgen. Alle Zugänge haben Vor- und Nachteile. Der Zugang über den mittleren Nasengang tangiert das Ostium, welches meist erweitert werden muss. Die Übersicht ist bei den transnasalen Operationen schlechter als bei der Fensterung der fazialen Kieferhöhlenwand; festsitzende Zahnfragmente lassen sich endoskopisch nicht immer bergen. Der Vorteil der transnasalen Zugänge besteht darin, dass weder Zahnwurzeln noch der N. infraorbitalis geschädigt werden können.

Fazit für die Praxis 4 Bei unilateraler, therapieresistenter

Sinusitis nach vorangehender Zahnentfernung sollte an die Möglichkeit eines ursächlichen Wurzelrestes gedacht werden. 4 Eine frisch eingedrungene Radix in antro sollte binnen 24 Stunden aus der Kieferhöhle entfernt werden. 4 Zufällig entdeckte, bereits länger liegende Fragmente mit einer Größe von unter 3 mm können bei fehlenden Symptomen belassen werden. 4 Die Entfernung kann transnasal endoskopisch oder transoral-transantral erfolgen.

Korrespondenzadresse PD Dr.med.Dr. dent. N. C. Pausch Universitätsklinikum Leipzig Liebigstr. 10–14, 04103 Leipzig, Deutschland [email protected]

Literatur 1. Reinert S, Machtens E (2002) Erkrankungen der Nasennebenhöhlen. In: Schwenzer N, Ehrenfeld M (Hrsg) Zahn-Mund-Kieferheilkunde. Bd. II. Thieme, Stuttgart, S 10 2. Venkateshwar G, Padhye M, Khosla A, Kakkar S (2011) Complications of exodontia: a retrospective study. Indian J Dent Res 22(5):633–638 3. Huang IY, Chen CM, Chuang FH (2011) CaldwellLuc procedure for retrieval of displaced root in the maxillary sinus. Oral Surg Oral Med Oral Pathol Oral Radiol Endod 112(6):59–63 4. Sethi A, Cariappa KM, Chitra A (2009) Root fragment in the ostium of the maxillary sinus. Br J Oral Maxillofac Surg 47(7):572–573 5. Fonseca RJ (2000) Oral and Maxillofacial Surgery, 1. Aufl. Saunders, Philadelphia, S 432

Wissenschaftsrat stärkt wissenschaftliche Integrität Wissenschaftliche Integrität ist die Grundlage für eine hohe Qualität und die Leistungsfähigkeit des Standorts Deutschland. Der Wissenschaftsrat hat diesbezüglich in einem Positionspapier Empfehlungen zur wissenschaftlichen Integrität verabschiedet, womit der Fokus zu einer umfassenden Kultur der Redlichkeit und Qualität an wissenschaftlichen Einrichtungen erweitert werden soll. Zu den Rahmenbedingungen der Integrität sollen vor allem die Vermittlung guter wissenschaftlicher Praxis, Beratung und Aufklärungsstrukturen in Konfliktfällen sowie eine stärkere Ausrichtung auf Qualität statt Quantität in der gesamten Forschungs- und Publikationspraxis zählen. Die Empfehlungen des Wissenschaftsrates widmen sich nicht nur gravierenden Fällen des Betrugs, sondern betrachten auch die Grauzone nicht integren Verhaltens. Damit geht derWissenschaftsrat überdenSchwerpunkt von Plagiatsfällen in Doktorarbeiten hinaus.DasPositionspapierbeleuchtetRahmenbedingungen, die wissenschaftliche Integrität erschweren können, wie etwa der Druck für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, möglichst viel und in hochrangigen Fachzeitschriften zu veröffentlichen, gepaart mit schwierigen Arbeitsbedingungen sowie starken Abhängigkeiten. Hierbei entstehe insbesondere für den Nachwuchs eine Situation, die integres Handeln gefährden kann. Laut Wissenschaftsrat sollen Hochschulen und wissenschaftliche Einrichtungen künftig im Umgang mit Verdachtsfällen spezielle Beratung in einer neu zu etablierenden, institutionenübergreifenden Einrichtung erhalten. Quelle: Wissenschaftsrat, www.wissenschaftsrat.de

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt. K. Subbalekha, I.-S. Horn und N. Pausch geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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[Unilateral maxillary sinusitis].

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