Übersichten Differentialdiagnose der Alzheimer-Demenz aus neurologischer Sicht P. Berlit, M. Hennerici undP.

Vetter

Neurologische Klinik am Klinikum Mannheim der Universität Heidelberg und Abteilung Psychiatrie im Zentrum Nervenheilkunde der Universität Kiel

Die Demenz ist durch eine Verringerung der intellektuellen Fähigkeiten gekennzeichnet, die das Alltagsleben beeinträchtigt; das Bewußtsein ist dabei nicht gestört. Zu den globalen kognitiven Einbußen zählen Störungen von Gedächtnis, Kritikfähigkeit, Auffassungsgabe, logischem Denken und Schwierigkeiten bei Problemlösungen. Im Gegensatz zur ursprünglichen Nomenklatur wird heute unter dem Begriff der Demenz nicht grundsätzlich ein irreversibles Defizit verstanden. Frühzeitig ist die Fähigkeit, neue Informationen zu speichern, herabgesetzt; häufig treten bei dem vielschichtigen Krankheitsbild im Verlauf einerseits neuropsychologische Störungen wie Aphasie, Agnosie und Apraxie, anderereits emotionale Auffälligkeiten und Veränderungen der Persönlichkeit hinzu. Ein Fortschreiten der Symptomatik ohne sonstige neurologische Begleitsymptome über mindestens 6 Monate wird als Kriterium für die Diagnose der Demenz vom Alzheimer-Typ angenommen; eine präsenile Form mit raschem Beginn vor dem 65. Lebensjahr und neuropsychologischen Ausfällen wird von der langsamer verlaufenden senilen Form jenseits des 65. Lebensjahres abgegrenzt, bei der Gedächtnisstörungen vorherrschen (13, 14). Die Alzheimer-Demenz liegt mindestens 50% aller dementieilen Erkrankungen zugrunde; 5% aller über 65jährigen und 20% aller über 80jährigen weisen einen dementiven Abbau auf. Zu den weiteren primär-degenerativen Demenzen zählen die seltene Picksche Erkrankung und die Chorea Huntington, die beide zum Zeitpunkt des Auftretens der dementiellen Symptome aufgrund der neurologischen Begleitsymptomatik kaum differentialdiagnostische Probleme bereiten. Mit zerebrovaskulären Krankheiten assoziierte Demenzen sind für etwa 30% aller dementiellen Syndrome ausschlaggebend; eine Überlagerung mit der Alzheimer-Demenz dürfte häufiger sein, als bislang angenommen wurde.

Dtsch. med. Wschr. 115 (1990), 1 7 2 4 - 1 7 2 8 © Georg Thieme Verlag Stuttgart New York

Nach Mitteilungen verschiedener Autorengruppen (1, 2, 4, 18, 19) können in bis zu 20% aber auch behandelbare Grundkrankheiten die Ursache einer Demenz sein (zum Beispiel NormaldruckHydrocephalus, M. Wilson, Hyperparathyreoidismus). Diese Mitteilungen und die Beobachtung, daß die klinische Diagnose einer Alzheimer-Demenz nur in etwa 80% zuverlässig möglich ist, hat dazu geführt, daß bei einem dementiellen Syndrom eine große Zahl von Screening-Untersuchungen empfohlen wird. Diese sowohl von angloamerikanischen (1, 4, 18) als auch von europäischen Autoren (2, 13, 14, 19) vorgeschlagenen Untersuchungen umfassen klinisch-chemische und neurophysiologische Tests ebenso wie die bildgebenden Verfahren der Neuroradiologie, vor allem Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT). Hinzu kommen Verfahren wie Hirnblutflußmessungen mit der Xenon-Methode (9), die Single-Photon-EmissionsComputertomographie (SPECT) (6) und die Untersuchung des Glucosestoffwechsels mit der PositronenEmissions-Tomographie (PET) (11). Die Ergebnisse bei der Klärung dementieller Syndrome wurden in einer Übersicht von Barry und Moskowitz (1) zusammengestellt. Sie beurteilten zehn Studien, in denen insgesamt 1175 Patienten mit einer Demenz erfaßt worden waren. Bei zum Teil unterschiedlichen Auswahlkriterien und nicht einheitlichem diagnostischem Vorgehen zeigten sich bei 191 Kranken (16,3%) möglicherweise behandelbare Ursachen. Mumenthaler (19) fand bei der Analyse von 516 Fällen der Literatur in 14,3% behandelbare Demenzursachen; allerdings wurden keine Angaben über die Art der zugrundeliegenden Originalliteratur gemacht. In beiden Übersichten (1, 19) sind die zahlenmäßig wichtigsten Krankheitsbilder der aresorptive bzw. NormaldruckHydrocephalus, die Alkoholdemenz, die Medikamententoxizität, gutartige Tumoren und das chronische subdurale Hämatom. Wir sahen in der neurologischen Klinik Mannheim im Verlauf von 2 Jahren die Demenz vom Alzheimer-Typ gleichhäufig wie die vaskulär bedingten Formen. Neben dem Normal-

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Berät u. a. : Differentialdiagnose

115. Jg., Nr. 45

Tab. 1 Differentialdiagnose der Demenz bei neurologischen Patienten (Neurologische Klinik Mannhelm, Universität Heidelberg, 1988 und 1989) Typ

Patienten (n)

vaskuläre Demenz - Blnswanger-Enzephalopathie

10

-

9 1

Thalamusinfarkt

Demenz vom Alzheimer-Typ - senil - präsenil

11

Normaldruck-Hydrocephalus

4

sonstige Ursachen Multlsystemdegeneration Tumoren progressive multifokale Enzephalopathie Alkoholdemenz Jakob-Creutzfeldt-Syndrom

00 2 2 2 1 1

12

Bei praktisch allen anderen im Schrifttum genannten Ursachen handelt es sich um EinzelTab. 2 Differentialdiagnose der Demenz bei psychiatrischen Patienten (Abteilung Psychiatrie der Universität Kiel, 1988 und 1989) Patienten (n)

depressiv-verlangsamt - vaskulär bedingt - Alkoholdemenz - multiple Sklerose - Vitamin-B -Mangel - Epilepsie - posttraumatisch

CNI

agressiv-erregt - vaskulär bedingt - Intoxikation (Lithium, - Meningeom - Hirnmetastasen - Enzephalitis

LO

amnestlsch-konfabulatorisch - Enzephalitis - Glioblastom - Intoxikation - Binswanger-Enzephalopathie

1 1 1 7 2 2 1 1 1

-Dopa)

14 9 1 1 1 1 1

12

Pseudodemenz Depression Rentenbegehren

1725

beobachtungen oder wenige Fälle umfassende Kasuistiken, bei denen die Demenz zumeist Begleitsymptom und nicht Leitsymptom war. Wichtig ist im klinischen Alltag die Abgrenzung der Demenz vom Alzheimer-Typ von der vaskulären Demenz, dem Normaldruck-Hydrocephalus und den dementiellen Syndromen toxischer Genese.

Demenz bei zerebrovaskulären Krankheiten

8 3

druck-Hydrocephalus kamen entzündliche Erkrankungen etwas häufiger vor (Tabelle 1). Die Differentialdiagnosen der Demenz bei psychiatrischen Patienten sind in Tabelle 2 zusammengestellt; diese Patienten waren mit der Verdachtsdiagnose einer Demenz eingewiesen worden. Insbesondere in der psychiatrischen Literatur wird die Pseudodemenz bei Depression öfter genannt, von den Stoffwechselund endokrinen Erkrankungen kommen die Hypothyreose und der Vitamin-B -Mangel etwas häufiger vor.

Typ

der Alzheimer-Demenz

2 1 1

Bei den vaskulären Demenzen handelt es sich um eine heterogene Gruppe. Der im angloamerikanischen Sprachraum weitverbreitete Begriff der Multiinfarktdemenz sollte verlassen werden, weil zum einen auch einzelne Hirninfarkte ein démentielles Syndrom hervorrufen können, zum anderen bei der Binswanger-Enzephalopathie auch pathologisch-anatomisch Infarzierungen fehlen können. Der von Hachinski und Mitarbeitern (9) vorgeschlagene Ischämie-Score zur Abgrenzung der primär-degenerativen von der sogenannten vaskulären Demenz ist hinsichtlich der Wertung der einzelnen Score-Punkte willkürlich, diagnostisch ungenau und daher heute weitgehend verlassen. Die zahlenmäßig wichtigste Untergruppe dieser Demenzform ist die 1894 von Binswanger beschriebene und nach ihm benannte Enzephalopathie (17). Im Unterschied zur Gesamtheit aller vaskulär bedingten Demenzen ist das Geschlechtsverhältnis bei der Binswanger-Enzephalopathie ausgewogen. Der Erkrankungsbeginn liegt in über 80% der Fälle zwischen dem 45. und 70. Lebensjahr; nahezu die Hälfte aller Patienten erkrankt im 6. Lebensjahrzehnt. Über 90% der Kranken mit Binswanger-Enzephalopathie haben anamnestisch eine arterielle Hypertonie. Klinisch besteht eine langsam progrediente Demenz mit vorwiegender Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses, Antriebsstörung, Stimmungsschwankungen und Verwirrtheitszuständen. Frühzeitig tritt eine Gangstörung im Sinne einer Gangapraxie (50%) hinzu; ein weiteres häufiges Symptom sind Blasenentleerungsstörungen (20-40%). Die Dauer der Erkrankung bis zum Tode beträgt durchschnittlich 5 Jahre; bei schleichendem Krankheitsbeginn sind auch längere Verläufe (bis 15 Jahre) bekannt. In vielen Fällen sind aus der Anamnese zerebrale Ischämien in Form von transitorisch-ischämischen Attacken oder Hirninfarkten bekannt; dabei herrschen rein motorische Paresen, Sprechstörungen im Sinne einer Dysarthrie und Schluckstörungen vor. Die neurologisch-klinische Untersuchung ergibt dementsprechend häufig zumindest diskrete Herdzeichen; charakteristisch ist ein langsam-progredienter Verlauf. Während das EEG bei der Binswanger-Enzephalopathie häufig bilaterale asymmetrische Theta-Delta-Dysrhythmien als unspezifischen Befund zeigt und die angiographische Darstellung der hirnversorgenden Gefäße im allgemeinen einen Normalbefund ergibt, können CT

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a.: Differentialdiagnose

der

Alzheimer-Demenz

und MRT als diagnostische Methoden der Wahl bei diesem Krankheitsbild gelten. Charakteristisch sind die periventrikulären Dichteminderungen in der weißen Substanz im CT; eine Reduktion von mehr als 12 Hounsfield-Einheiten ist mit der Demenz bei Binswanger-Enzephalopathie korreliert (17). Periventrikuläre Hypodensitäten sind häufig im Bereich der Vorderhörner betont (»capping«). Subkortikal gelegene lakunäre Infarkte in der weißen Substanz des Centrum semiovale, den Basalganglien, dem Thalamus, der inneren Kapsel und dem Brückenfuß lassen sich im T -gewichteten Bild der Kernspintomographie besser nachweisen als im Computertomogramm. Dabei ist zu beachten, daß ähnliche Veränderungen auch mit dem physiologischen Alterungsprozeß (»etat crible«) einhergehen. Bis zu 80% aller Patienten mit Binswanger-Enzephalopathie zeigen eine Ventrikelerweiterung. 2

Der typische computer- oder kernspintomographische Befund ist lediglich dann für die Diagnose der Binswanger-Enzephalopathie ausschlaggebend, wenn auch die typischen Symptome vorhanden sind. Fehlen die beschriebenen klinischen Charakteristika, so kann es sich bei dem Nachweis einer periventrikulären Hypodensität auch um eine senile Demenz vom Alzheimer-Typ oder einen Normaldruck-Hydrocephalus handeln. Während die SPECT bei der Alzheimer-Demenz einen parietotemporal gelegenen weitgehend symmetrischen, bilateralen Perfusionsdefekt zeigt (6), werden bei der Binswanger-Enzephalopathie bisweilen fokale Speicherminderungen unterschiedlicher Lokalisation nachgewiesen. Die Verminderung der Glucosestoffwechselrate in der PET (11) betrifft bei der AlzheimerDemenz ebenfalls weitgehend symmetrisch bevorzugt den parietotemporalen und frontalen Kortex; bei der Binswanger-Enzephalopathie treten asymmetrische multilokulare Stoffwechselminderungen auf. Hirnblutflußmessungen ergeben bei den vaskulären Demenzformen eine sehr unterschiedliche, meist globale Reduktion, während die Befunde bei den primär degenerativen Demenzformen unauffällig sind. Die Ätiologie der Binswanger-Enzephalopathie ist unklar; allerdings wird auch eine Mikroangiopathie als Ursache angesehen. Daher werden subakute arteriosklerotische Enzephalopathie und Status lacunaris auch als Synonyma verwandt. Eine Mikroangiopathie liegt etwa 6 5 % aller vaskulär assoziierten Demenzen zugrunde (16). Bei den makroangiopathischen, meist embolisch entstandenen ischämischen Läsionen ist die Lokalisation der Infarkte wichtiger als das zerstörte Volumen an Hirngewebe. Das démentielle Syndrom bei einzelnen Hirninfarkten zeigt im allgemeinen typische klinische Charakteristika, die allerdings einer genauen neuropsychologischen Analyse bedürfen und denen die weitverbreiteten Tests wie Mini-Mental-Scale und Demenz-Score nicht genügend Rechnung tragen

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(20). Das soll am Beispiel der sogenannten thalamischen Demenz näher dargestellt werden: Neuropsychologische Störungen treten bei Infarzierungen des paramedianen Thalamus und des tuberothalamischen Anteiles auf. Eine persistierende Demenz mit Verwirrtheit, globalen Gedächtnisstörungen und Neigung zu Konfabulationen entsteht vor allem bei bilateralen paramedianen Thalamus-Infarkten; in diesen Fällen werden die Arteriae thalamoperforantes posteriores beiderseits aus einer gemeinsamen A. communicans basilaris versorgt. Diese Kranken haben im allgemeinen zunächst eine über Stunden anhaltende Bewußtseinsstörung, meist treten begleitend vertikale Blickparesen und Störungen der Konvergenz auf. Dazu können Sensibilitätsstörungen der oberen Körperhälfte und später Bewegungsstörungen der Extremitäten kommen (3). Allein diese Verlaufsdynamik mit ihren klinischen Charakteristika erlaubt bei genauer neurologischer Befragung und Untersuchung die richtige Diagnose. Bei tuberothalamischen Infarkten steht, wenn die dominante Hemisphäre betroffen ist, ein aphasisches Syndrom, bei Lokalisation in der nicht-dominanten Hemisphäre ein »Hemi-Neglect-Syndrom« mit visueller Orientierungsstörung im Vordergrund. Auch bei unilateralen paramedianen Thalamusinfarkten der dominanten Hemisphäre kann es, wie eigene Untersuchungen ergaben (12), zu affektiven Antriebsstörungen und Gedächtnisstörungen kommen, die vor allem die längerfristigen Speicherleistungen betreffen. PET-Untersuchungen haben gezeigt, daß begleitend eine frontotemporale kortikale Glucosestoffwechselstörung als Korrelat einer sekundären Dysfunktion aufgrund des reduzierten neuronalen »Inputs« besteht. Bei Multiple-Sklerose-Kranken, bei denen sich in rund 10% eine Demenz entwickelt, treten kognitive Einbußen vorwiegend mit Auffassungsstörung, gestörter Merkfähigkeit und Schwierigkeiten bei Problemlösungen auf, die mit dem Ausmaß der periventrikulären Entmarkung korrelieren (7). Eine Entkopplung zwischen Kortex und subkortikalen Strukuren wird als Ursache des dementiellen Syndromes vermutet (8) und könnte auch bei den subkortikalen ischämischen Läsionen eine entscheidende Rolle spielen.

Normaldruck-Hydrocephalus Der Normaldruck-Hydrocephalus (oder auch aresorptiver Hydrocephalus, Hydrocephalus communicans) ist ebenfalls durch die Symptomentrias Demenz, Gangstörung und Blasenstörung gekennzeichnet; bei diesem Krankheitsbild ist oft die Gangstörung das führende Symptom. Apathie, psychomotorische Verlangsamung, Merkfähigkeitsund Konzentrationsstörungen sowie affektive Veränderungen können Initialsymptome sein; rasch tritt jedoch die Gangstörung hinzu, die bei breitbeinigem

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1 7 2 6 Berlitu.

Berät u. a.: Differentialdiagnose

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kleinem Schrittbild durch Unsicherheit und Staksigkeit gekennzeichnet ist. Im CT zeigt sich eine Erweiterung aller Ventrikel: Durch das transependymale Auspressen von Liquor kommt es zu periventrikulären Hypodensitäten. Sowohl Computer- als auch kernspintomographisch sind der NormaldruckHydrocephalus und die Binswanger Enzephalopathie nicht zu unterscheiden (21), wenn lakunäre Infarzierungen fehlen. Entscheidende diagnostische Methode ist neben der Isotopen-Zysternographie, die eine Anreicherung des radioaktiv markierten Tracers in den Ventrikeln anzeigt, ein klinischer Test: Bei Normaldruck-Hydrocephalus läßt sich durch eine Lumbalpunktion mit ausreichender Liquorentnahme (20-30 ml) die Symptomatik verbessern. In bis zu 70% kann den Patienten durch eine Shunt-Operation geholfen werden. Die Prognose ist um so günstiger, je kürzer die Symptomatik besteht und je ausgeprägter die Gangstörung im Verhältnis zur Demenz ist (2).

Seltene Ursachen eines dementieilen Syndroms Zu den Tumoren, die auch über einige Monate mit dem Leitsymptom »Demenz« einhergehen können, zählen das frontal gelegene Meningeom (eine Riechstörung wird oft übersehen) und die Kolloidzysten des dritten Ventrikels. Bei genauer Anamneseerhebung lassen sich oftmals doch frühmorgendliche Kopfschmerzen eruieren; bei der klinischTab. 3 Medikamente und toxische Substanzen, die eine Demenz auslösen können Medikamente Analgetika anticholinerge Substanzen Antihypertensiva Antikonvulslva Atropin Barbiturate Clonidin Digoxin Disulflram Fluphenazin Haloperidol Lithium Methotrexat Methyldopa Neuroleptlka orale Antidiabetika Phenothiazlne Phenytoin Propranolol quecksilberhaltige Medikamente Steroide trizyklische Antidepressiva Wismut

Industriegifte und Metalle

Genuß- und Suchtmittel

Acrylamld Aluminium Arsen Ethylenglykol Blei Gold Kohlenmonoxld Lösungsmittel Mangan Methylalkohol OrganophosphatInsektlzide Perchlorethylen Quecksilber Schwefelkohlenstoff Tetrachlorkohlenstoff Thallium Toluen Trichlorethylen Wismut Zinn

Alkohol Cannabis Amphetamin

der Alzheimer-Demenz

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neurologischen Untersuchung sind häufig Primitivreflexe (Palmomentalreflex, Greifreflex, Schnauzphänomen) auslösbar. Auch ausgedehnte chronische subdurale Hämatome können sich ausschließlich unter dem Bild psychoorganischer Veränderungen zeigen; jedoch fehlen auch hierbei selten die genannten Primitivreflexe, und die Anamnese dauert selten länger als 6 - 8 Wochen. Eine Übersicht über Medikamente und toxische Substanzen, die zu einem dementiellen Syndrom führen können, gibt Tabelle 3. Dabei müssen besonders Psychopharmaka und andere zentral wirksame Substanzen berücksichtigt werden. Bei chronischem Alkoholismus ist die Demenz bei Frauen häufiger als bei Männern (5). Wie bei der Alzheimer-Demenz ist die Somatostatinkonzentration im Liquor dieser Patienten reduziert, die Konzentration der Cholinacetyltransferase ist im Gehirn von Alkoholikern mit Demenz herabgesetzt. Eine direkte toxische Wirkung des Alkohols wird für die Genese der Demenz angenommen; eine sichere Korrelation zwischen der Computer- oder kernspintomographisch nachweisbaren Atrophie des Großhirns und dem Ausmaß des dementieilen Abbaues besteht nicht. Von der Alkoholdemenz muß das grundsätzlich reversible Korsakow-Syndrom abgegrenzt werden, bei dem Störungen des Antriebs, der Orientierung und des Kurzzeitgedächtnisses mit Neigung zu Konfabulationen im Vordergrund stehen (15). Bei diesem Krankheitsbild spielt offensichtlich ein Serotoninmangel eine Rolle. Im CT können hypodense Zonen im Bereich des dorsomedialen Thalamus auf die Bedeutung dieser Struktur für das amnestische Syndrom hinweisen (5). Das Korsakow-Syndrom ist oft mit der Wernicke-Enzephalopathie kombiniert, die über einen Vitamin-Bt-Mangel bei möglicherweise genetisch determinierten Veränderungen des thiaminabhängigen Enzyms Transketolase nicht nur bei Alkoholikern, sondern auch bei sonstiger Fehlernährung auftritt. Bei der nach Marchiafava und Bignami benannten Balkendegeneration spielt neben dem chronischen Rotweingenuß ebenfalls die Fehlernährung eine wichtige Rolle. Die Corpus-callosum-Degeneration läßt sich kernspintomographisch nachweisen; es handelt sich auch hierbei um ein Entkopplungssyndrom. Die hepatische Enzephalopathie ist durch ihren flukturierenden Verlauf, die triphasischen langsamen Wellen im Elektroenzephalogramm und begleitende Symptome wie Tremor und Bewußtseinsstörungen gekennzeichnet. Stets treten die klinischen und klinisch-chemischen Befunde der Leberzirrhose auf. Die differentialdiagnostische Abgrenzung bereitet im allgemeinen keine Schwierigkeiten. Wichtig ist der Ausschluß einer Hypothyreose und eines Vitamin-Bi -Mangels. Im Vorder2

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Berät u. a.: Differentialdiagnose

der

Alzheimer-Demenz

grund des dementieilen Syndromes bei Schilddrüsenunterfunktion steht die ausgeprägte Antriebsstörung; beim Vitamin-B -Mangel kommt es häufig begleitend zu einer makrozytären Anämie und einer Tiefensensibilitätsstörung, wenn Hinterstränge des Rückenmarkes betroffen sind. Demenzen bei anderen Stoffwechselerkrankungen sind meist durch Bewußtseinsstörungen charakterisiert; extrapyramidale Symptome sind typisch für die Kupferstoffwechselstörung bei Morbus Wilson und Nebenschilddrüsenerkrankungen . 12

Von den entzündlichen Hirnerkrankungen können lediglich das Jakob-CreutzfeldtSyndrom bei chronischem Verlauf und die meist in Verbindung mit Neoplasien auftretende multifokale Leukenzephalopathie differentialdiagnostische Schwierigkeiten bereiten. Fast nie fehlen jedoch hierbei neurologische Herdzeichen, die zur Liquoranalyse und weiteren neurophysiologischen und neuroradiologischen Diagnostik führen. Der AIDSDemenz-Komplex spielt aufgrund der völlig andersartigen Altersverteilung nahezu keine differentialdiagnostische Rolle. Unter den Vaskulitiden ist die Arteriitis temporalis als Erkrankung des höheren Lebensalters zu erwähnen. In bis zu 10% können die Patienten kognitive Einbußen zeigen. Wegweisend sind Kopfschmerzen, Sehstörungen, Gelenk- und Muskelschmerzen sowie die Allgemeinsymptome einer konsumierenden Erkrankung. Die Bestimmung der Blutsenkungsreaktion klärt die Diagnose, die Demenz ist hier nur ein Begleitsymptom.

Resümee Die Tatsache, daß die klinische Diagnose einer Demenz vom Alzheimer-Typ in rund 20% der Fälle nicht stimmt, ist zum einen auf die zugrundegelegten diagnostischen Kriterien zurückzuführen, zum anderen darauf, daß sich bei der im Alter bestehenden Polymorbidität verschiedene Ursachen nicht selten überschneiden. Für den klinischen Alltag ist es wichtig, die vaskuläre Demenz von der primär degenerativen Demenz abzugrenzen und behandelbare Ursachen wie den Normaldruck-Hydrocephalus, eine toxische Genese und metabolisch oder endokrin bedingte Formen auszuschließen. Bei exakter neurologischer Untersuchung und sorgfältiger Anamnese zeigen alle genannten Krankheitsbilder Merkmale, die Anlaß für eine weiterführende Diagnostik sein sollten. Ein Alter unter 55 Jahren, eine rasche Symptomentwicklung und neurologische Beschwerden oder Untersuchungsbefunde müssen immer zu einer erweiterten, vor allem neuroradiologischen Diagnostik führen. Handelt es sich jedoch um das typische Bild der Demenz vom Alzheimer-Typ mit einer Anamnesedauer über 6 Monate ohne neurologische Zusatzsymptome, ist die Wahrscheinlichkeit, auch ohne erweiterte Diagnostik eine behandelbare Ursache der Demenz zu übersehen, verschwindend gering.

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Prof. Dr. P. Berlit, Prof. Dr. M. Hennerici Neurologische Klinik Klinikum M a n n h e i m der Universität Heidelberg Theodor-Kutzer-Ufer W-6800 Mannheim Dr. P. Vetter Abteilung Psychiatrie Z e n t r u m Nervenheilkunde der Universität N i e m a n n s w e g 147 W - 2 3 0 0 Kiel

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[The differential diagnosis of Alzheimer's dementia from the neurological viewpoint].

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