Im Fokus HNO 2014 · 62:106–107 DOI 10.1007/s00106-013-2819-8 Online publiziert: 14. Februar 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

Redaktion

M. Bloching, Berlin

Zum Beitrag Schaaf H, Flohr S, Hesse G, Gieler U (2014) Chronischer Stress als Einflussgröße bei   Tinnitus- oder Psoriasispatienten. HNO 62:108–114, DOI s00106-013-2798-9

Der Begriff „Stress“ wurde in der biologischen und medizinischen Terminologie erst 1926 von Walter Cannon eingeführt und als eine anhaltende geistige, seelische oder körperliche Anspannung durch Überbeanspruchung oder durch schädliche Reize und als seelischer Druck definiert [1]. Im 21. Jahrhundert wurde Stress neu als „beschränkte Bedingungen, bei denen die natürliche regulatorische Kapazität eines Organismus überstiegen wird“ von Bruce McEwen beschrieben [2]. Eines der modernsten Forschungsthemen in auditiven Wissenschaften ist der Einfluss des emotionalen und sozialen Stresses beim Hören. D Tierstudien haben unterschiedliche

Veränderungen im auditorischen System nach verschiedenen Arten von Stress gezeigt. Diese Veränderungen reichen von neuronaler Degeneration im Colliculus inferior über Veränderungen in der Gen- und Proteinexpression in der gesamten Hörbahn bis hin zur auditiven Überempfindlichkeit [3, 4]. Aus ethischen Gründen sind ähnliche Studien am Menschen undenkbar. Was bleibt, ist die Beobachtung

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HNO 2 · 2014

A.J. Szczepek1 · B. Mazurek2 1 HNO-Klinik Forschungslabor, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité Mitte, Berlin 2 Tinnituszentrum, CC16, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité Mitte, Berlin

Stress und Begleiterkrankungen bei Tinnituspatienten von Patienten und der translationale Ansatz in der Interpretation der Daten. Im klinischen Alltag hört man oft, dass Patienten ihren Tinnitus mit Stress begründen. Darüber hinaus werden bei Tinnituspatienten häufig zusätzliche Begleiterkrankungen wie Depressionen oder Angst diagnostiziert [5, 6]. Interessanterweise haben mehrere Studien gezeigt, dass Depressionen und Angst durch Stress induziert werden können [7]. Daher stellt sich die Frage, inwiefern Stress Einfluss auf Tinnitus und auf das Auftreten von Tinnitus-Begleiterkrankungen hat. Genau diese Frage haben sich die Autoren von „Chronischer Stress als Einflussgröße bei Tinnituspatienten“ – in dieser Ausgabe der HNO – gestellt. Ziel der Arbeit war es, das Ausmaß von chronischem Stress bei 114 stationären Tinnituspatienten und 103 Psoriasispatienten zu untersuchen und zu vergleichen. Die Autoren fanden heraus, dass, obwohl stationär aufgenommene Tinnitus- und Psoriasispatienten ähnlichen Stress erleben, eine unterschiedliche Häufigkeit von psychischen Begleiterkrankungen auftritt: Tinnituspatienten leiden im Vergleich zu Psoriasispatienten vermehrt an psychischen Problemen. Stress kann in verschiedenen Formen auftreten und unterschiedlich lang anhalten. Die Autoren warnen davor, vom hinlänglich benutzten Stressbegriff auszugehen; vielmehr sollte im Forschungszusammenhang auf eine genaue Klassifizierung des Stresses geachtet werden, also: akut oder chronisch, mit oder ohne Pau-

se, welche Ursache/Stressor. Zusätzlich sollte bedacht werden, dass Messungen des Stressniveaus aufgrund der Persönlichkeitsunterschiede sehr schwierig sind; manche Menschen sind in der Lage, viele Stressoren gleichzeitig zu verarbeiten, während andere kaum mit einem einzelnen Stressfaktor umgehen können. Der Artikel von Schaaf et al. zeigt die Bedeutung der Messung von Stress auf, beantwortet aber nicht deutlich die Frage, ob Stress eine Rolle in der Entstehung von Begleiterkrankungen bei Tinnituspatienten spielt. Dabei sollte bedacht werden, dass von den verschiedenen Methoden zur Stressmessung, einige tinnitusspezifisch und einige stressspezifisch sein können [8]. Demnach ist bei jeglicher Interpretation der Daten zu bedenken, dass die verschiedenen psychometrischen Forschungsinstrumente oft nicht identische Ergebnisse hervorbringen. Die sich daraus ergebene weiterführende Frage ist nun die nach Tinnitus als Prädisposition für psychische Komorbidität. Verhält es sich wirklich so? Oder ist dem Tinnitus eher eine besondere, noch unbekannte Eigenschaft der Induktion der psychischen Komorbiditäten inne? Eine dritte Möglichkeit wäre, dass Tinnitus das Ergebnis von Depression oder Angst ist. Welches Modell kommt der Wahrheit am nächsten? Der Einsatz von psychometrischen Instrumenten in der täglichen klinischen HNO-Praxis und die Entwicklung einer Datenbank sowie weiterführende Forschung kann in Zukunft zu richtigen Antworten führen.

Buchbesprechung Korrespondenzadresse Prof. Dr. B. Mazurek Tinnituszentrum, CC16 Charité – Universitätsmedizin Berlin Campus Charité Mitte Charitéplatz 1, 10117 Berlin [email protected]

Interessenkonflikt.  A.J. Szczepek und B. Mazurek geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur 1. Cannon WB (1926) Physiological regulation of normal states: some tentative postulates concerning biological homeostatics. In: Pettit A (Hrsg) Éditions Médicales, Paris, S 91 2. McEwen BS (2005) Stressed or stressed out: what is the difference? J Psychiatry Neurosci 30:315–318 3. Mazurek B, Haupt H, Joachim R et al (2010) Stress induces transient auditory hypersensitivity in rats. Hear Res 259:55–63 4. Mazurek B, Haupt H, Olze H, Szczepek AJ (2012) Stress and tinnitus-from bedside to bench and back. Front Syst Neurosci 6:47 5. Zirke N, Seydel C, Arsoy D et al (2013) Analysis of mental disorders in tinnitus patients performed with Composite International Diagnostic Interview. Qual Life Res 22:2095–2104 6. Zirke N, Goebel G, Mazurek B (2010) Tinnitus and psychological comorbidities. HNO 58:726–732 7. McEwen BS, Chattarji S (2004) Molecular mechanisms of neuroplasticity and pharmacological implications: the example of tianeptine. Eur Neuropsychopharmacol 14(Suppl 5):S497–S502 8. Seydel C, Zirke N, Haupt H et al (2012) Psychometric instruments for the diagnosis of tinnitus. HNO 60:732–742

L. Klimek, O. Pfaar, E. Rietschel

Allergien bei Kindern und Jugendlichen Grundlagen und klinische Praxis Stuttgart: Schattauer 2013, 480 S.,   (ISBN 978-3794527281), 89.99 EUR Das hochwertig ausgestattete kompakte Buch liegt sehr gut in der Hand und zeigt eine gute Druck- und Papierqualität, was sich zusammen mit den gut gegliederten Textblöcken und grau hinterlegten Tabellen und Textkästen sehr positiv auf die Lesbarkeit auswirkt. Das Buch ist klar gegliedert: Beginnend mit den immunologischen Grundlagen und diagnostischen Verfahren werden Therapieprinzipien und Krankheitsbilder in sinnvoller Reihenfolge abgehandelt. Ebenso logisch ist der Aufbau der einzelnen Kapitel. Die Hervorhebung wichtiger Abschnitte sowie die gelungenen Zusammenfassungen erlauben es bestimmte Themenbereiche auch mal schneller durchzugehen und trotzdem zu überblicken. Ein „Fazit“ ergänzt die didaktisch sehr gelungene Darstellung der einzelnen Kapitel. Für alle, die sich noch tiefgreifender mit einem Thema beschäftigen möchten, finden sich abschließend aktuelle weiterführende Literaturangaben.

wird hier deutlich und die Erwartungen des Lesers an ein Lehrbuch, das auf allergologische Probleme bei Kindern und Jugendlichen abzielt, werden erfüllt. Zusammenfassend handelt es sich um ein sehr gutes Buch, das sich inhaltlich durch Aktualität, Übersichtlichkeit, umfassendem Material und Praxistauglichkeit auszeichnet. Das Buch eignet sich sowohl für den Anfänger, der sich allergologische Grundlagen erarbeiten möchte, als auch für den Spezialisten, der sein allergologisches Wissen bezüglich der Behandlung von Kindern und Jugendlichen komplettieren möchte und kann sehr empfohlen werden. F. Decker, Heidelberg

Wie im Titel nicht zu unrecht behauptet, ist das Buch sehr praxisorientiert, ohne dabei wissenschaftliche Exaktheit und Aktualität zu vernachlässigen. Besonders gut haben mir die praktischen Tipps zur spielerischen Einbindung der diagnostischen Verfahren speziell für Kinder gefallen. Hier wird z. B. die Maske der rhinomanometrischen Einheit beim nasalen Provokationstest zur “Pilotenmaske“. Auch werden immer wieder die Besonderheiten der Diagnostik im Kindesalter herausgearbeitet und alternative Methoden (z. B. akustische Rhinometrie alternativ zur Rhinomanometrie), die eine weniger aktive Mitarbeit der kleinen Patienten erfordern, genannt. Möglichkeiten, die Motivation der Kinder für eine SCIT zu erhöhen sind ebenso aufgeführt wie wichtige Detailinformationen für das Kindes- und Jugendalter. So findet man in diesem Buch auch die altersabhängigen Referenzbereiche für das Gesamt-IgE für Neugeborene und für Kinder in den ersten sechs Lebensjahren. Die große Erfahrung des interdisziplinären Autorenteams mit Kindern

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[Stress and comorbidities in tinnitus patients].

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