PRAXIS

Mini-Review

Praxis 2014; 103 (5): 265-269

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Medizinische Klinik, Spital Männedorf Felix Mahler

Das Raynaud-Phänomen und andere Durchblutungsstörungen der Finger Raynaud's Phenomenon and Other Circulatory Disorders of the Fingers

Zusammenfassung Das Raynaud-Phänomen (RP) manifestiert sich als attackenartige Weissverfärbung der Finger aufgrund von überschiessender Vasokonstriktion bei Kälte oder emotionalem Stress. Beim primären Raynaud-Phänomen ist keine zugrundliegende Krankheit bekannt. Es tritt vor aUem bei jungen Frauen auf und verursacht keine trophische Störungen. Dem sekundären Raynaud-Phänomen liegen Bindegewebskrankheiten wie z.B. Sklerodermie, physikalische oder chemische Schädigung oder auch Fingerarterienverschlüsse zugrunde. Akrale trophische Störungen sind möglich. Die Abklärung eines unklaren RP und Akrozyanose umfasst Serologie, nicht-invasive Durchblutungsdiagnostik und KapiUarmikroskopie. Therapeutisch steht beim RP der Kälteschutz im Vordergrund, da Nebenwirkungen der gängigen Medikamente deren Wirkung oft übersteigen. Das sekundäre RP mit trophischen Störungen wird wie die chronisch-kritische Ischämie ohne Möglichkeit direkter Revaskularisation behandelt. Das spontane Fingerhämatom bei Frauen mittleren Alters ist oft erschreckend aber harmlos. Schlüsselwörter: Raynaud Phänomen - Akrozyanose - Fingerarterienverschlüsse — Kapillarmikroskopie

Durchblutungsstörungen der Finger lassen sich in funktioneUe und organisch (arteriosklero tisch oder traumatisch. ©2014 Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern

seltener entzündlich) bedingte einteilen. Erstere präsentieren sich mit dem klassischen Raynaud-Phänomen, Letztere können auch eine funktioneUe Komponente aufweisen, fuhren aber meist zu einer Dauerischämie.

Definition des Raynaud Phänomens (RP) Unter dem RP versteht man eine überschiessende Vasokonstriktion der akralen Arterien bei kalten Temperaturen oder emotionalem Stress. Es manifestiert sich als attackenartige, abgegrenzte Weissverfärbung der Finger («doigts morts»; Abb. 1), seltener auch der Zehen. Nach längerer Abblassung tritt oft Zyanose auf und bei Erholung eine Rötung («réaction tricolore»). Die Begriffe Morbus Raynaud resp. Raynaud-Syndrom sind missverständlich, weshalb sie heute nicht mehr gebraucht werden. Das RP wird in eine primäre und eine sekun-

däre Form eingeteilt. Die im Folgenden zusammengefassten Angaben finden sich in der angegebenen Literatur [1-3].

Klinik Zur Unterscheidung zwischen dem primären und sekundären RP helfen die in Tabelle 1 angegebenen klinischen Merkmale und Abklärungen. Das RP ohne (bekannte) zugrundeliegende Krankheit wird als primäres RP bezeichnet. Es kommt am häufigsten bei jungen Frauen vor, bei Männern ist es fünf- bis zehnmal seltener. Je nach untersuchter Bevölkerung werden Prävalenzen von 3 bis zu 20% angegeben, wobei das RP öfter in Ländern mit kühlem Klima anzutreffen ist. In der Schweiz dürfte das RP etwa bei 5% der Patienten, die einen Arzt aufsuchen, vorkommen. Meist liegt eine familiäre Häufung vor, oft kombiniert mit Migräne. Für das Vorliegen eines primären RP spricht das weibliche Geschlecht, asthenischer Körperbau, Auftreten im Alter unter 30 Jahren, mehr oder weniger symmetrisch, unter Aussparung des Daumens. Trophische Störungen in Sinne von akralen Hautläsionen treten beim primären RP nicht auf. Die Ursache und der Pathomechanismus des RP sind im Einzelnen nicht bekannt. Das sekundäre RP ist Folge oder Begleiterscheinung einer Grunderkrankung,

Abb. 1: Aufnahme einer Raynaud-Attacke mit weissen Fingerspitzen, Daumen ausgespart.

Im Artikel verwendete Abkürzungen: MCTD Mixed connective tissue disease RP Raynaud-Phänomen DOI 10.1024/1661-8157/a001571

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Tab. 1: Abklärungsgang beim Raynaud-Phänomen Primäres Raynaud-Phänomen Klinik

Abl

[Raynaud's phenomenon and other circulatory disorders of the fingers].

Le phénomène de Raynaud(PR) est défini comme des attaques de blancheur suivie d'une cyanose et d'une rougeur des doigts dues à un vasospasme en répons...
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