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Diabetische Kardiomyopathie/Herzinsuffizienz – Neues zu Ursachen, Diagnostik, Therapie Diabetic cardiomyopathy/heart failure: news regarding etiology, diagnosis, therapy B. Stratmann1 J. Worms1 D. Tschoepe1 Kardiologie, Diabetologie Kardiologie | Commentary

Schlüsselwörter Kardiomyopathie Insulinresistenz Gluko-/Lipotoxizität Gewebe-Doppler kardiorenales Syndrom

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Keywords cardiomyopathy insulin resistance gluco-/lipotoxocity tissue Doppler cardio-renal syndrome

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Institut Herz und Diabeteszentrum Nord-Rhein-Westfalen, Ruhr-Universität Bochum, Bad Oeynhausen Bibliografie DOI 10.1055/s-0034-1387225 Dtsch Med Wochenschr 0 2014; 1390 : 2006–2009 · © Georg 0 Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz Prof Dr. Dr. Diethelm Tschoepe Herz und Diabeteszentrum NRW Ruhr Universität Bochum Diabeteszentrum Georgstr. 11 32545 Bad Oeynhausen Tel. 05731/972292 Fax 05731/971967 eMail diethelm.tschoepe@ ruhr-uni-bochum.de

Was ist neu? 3Diabetes als Risikofaktor für Herzinsuffizienz: Diabetes und seine Vorstufen gelten als Treiber der Herzinsuffizienz, ebenso fördern Stoffwechselmechanismen der Herzinsuffizienz Diabetes mellitus. Das klinische Bild kann anfänglich durch kompensatorische Mechanismen überlagert sein, so dass eine umfassende Diagnostik schon bei Risikopatienten angezeigt ist. 3Pathophysiologische Zusammenhänge und klinisches Erscheinungsbild: Stoffwechselgetriebene Mechanismen verstärken das Bild der klinisch bekannten Herzinsuffizienz. Trotz energetischem Überangebot erlebt der Herzmuskel eine Energiemangelsituation; Stoffwechselprodukte akkumulieren und verursachen Gluko- bzw. Lipotoxizität, die auch strukturelle Konsequenzen haben. 3Diagnostik und Therapie: Das Screening klinisch asymptomatischer Patienten hat angesichts der kardialen autonomen Neuropathie an Stellenwert gewonnen. Besonders der Gewebe-Doppler hat sich gerade zur Diagnostik einer frühen Herzinsuffizienz bewährt. Auch der rechte Ventrikel ist im Rahmen der Diagnostik zu berücksichtigen. Nach wie vor ist besonders die Optimierung der Hämodynamik mit normotensiven Blutdruckwerten unter Bevorzugung der RAAS-Blokade zur Behandlung der Herzinsuffizienz von zentraler Bedeutung. Normnahe Stoffwechselkontrolle ist aus biochemischen Gründen wünschenswert, wobei die Wahl der Therapie mangels Studienergebnissen zwischen den Komponenten einzelfallbezogen und individuell zu gestalten ist.

Diabetes als Risikofaktor für Herzinsuffizienz ▼ Bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 wird bis zu 4-mal häufiger die Diagnose Herzinsuffizienz gestellt. Umgekehrt weisen etwa 24 % der Patienten mit Herzinsuffizienz und etwa 40 % der Patienten, die aufgrund von Herzinsuffizienz-Symptomen hospitalisiert werden, eine diabetische Stoffwechsellage auf. Die Prognose für kardiovaskuläre Mortalität (30 % innerhalb eines Jahres) bzw. Rehospitalisierung (25 % innerhalb von 6 Monaten) ist für diese Patienten deutlich schlechter als für Nicht-Diabetiker [2].

Epidemiologische Studien zeigten, dass die Prävalenz der Herzinsuffizienz bei Diabetikern hoch ist, mit dem Alter weiter zunimmt und zudem häufig mit KHK assoziiert ist [14]. Betroffene haben mit einer verkürzten durchschnittlichen Überlebenszeit eine deutlich ungünstigere Prognose. Nicht nur Diabetes mellitus, sondern auch die Vorstufen Metabolisches Syndrom und Insulin-Resistenz sind mit erhöhtem Risiko für Herzinsuffizienz assoziiert. Umgekehrt sind Patienten mit nichtischämischer Kardiomyopathie signifikant häufiger insulinresistent und der weitere Krankheitsverlauf ist assoziiert mit der Entstehung einer Insulin-Resistenz bzw. Diabetes mellitus.

Pathophysiologische Zusammenhänge und klinisches Erscheinungsbild ▼ Diabetes mellitus und Herzinsuffizienz stehen in einem bidirektionalen Zusammenhang; Diabetes ist Risikofaktor für die weiteren Herzerkrankungen wie Vorhofflimmern und KHK, die ihrerseits wieder Herzinsuffizienz fördern, so dass die Übergänge verwischen. Die Symptomatik einer Herzinsuffizienz kann durch eine weitgehend normale oder reduzierte linksventrikuläre Ejektionsfraktion klinisch beschrieben werden: Unterschieden werden die diastolische Herzinsuffizienz („heart failure with preserved ejection fraction“ [HFPEF]) und die systolische Herzinsuffizienz bzw. („heart failure with reduced ejection fraction“; [HFREF]). Die HFREF ist durch eine reduzierte kontraktile Funktion des linken Ventrikels bei gleichzeitig herabgesetztem Schlagvolumen (EF  50 %, „diastolische Dysfunktion“). Hypertrophie der Myozyten und interstitielle Fibrosierung gehen einher mit reduzierter Mikrozirkulation und über Stoffwechseleinschränkungen an Myozyten zum Compliance-Verlust und Einbußen in der systolischen Funktion.

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2006

Kardiologie | Commentary

Funktionelle Mechanismen Endotheliale Dysfunktion, Mikro- und Makroangiopathie, Insulinresistenz, linksventrikuläre Hypertrophie, myokardiale Fibrose, beschleunigte Koronarsklerose, elektrophysiologische Defekte, Kalziumüberladung, Aktivierung des Renin-Angiotensin-Systems und Sympathikus-Aktivierung. Arteriosklerose, subklinische Mikroinfarkte, mitochondriale Dysfunktion und Lipotoxizität tragen zur Entwicklung der diabetischen Kardiomyopathie bei. Die Bildung von AGEs erhöht zusätzlich die ventrikuläre Steifigkeit und führt zur Fibrosierung durch überschießende Kollagenbildung und – quervernetzung [4]. Die damit einhergehende hämodynamische Leistungseinbuße sowie die Funktionsminderung äußern sich in einem verringerten linksventrikulären enddiastolischen Durchmesser und einer verminderten linksventrikulären Ejektionsfraktion. Viele der Herzinsuffizienz-treibenden Erstereignisse, die für den Patienten aufgrund der kardialen autonomen Neuropathie Symptom-frei erscheinen, tragen entscheidend dazu bei, dass viele bemerkte Ereignisse als tatsächliche Folgeereignisse ausgeprägter ablaufen. Die nicht-invasive kardiologische Diagnostik ist daher nicht nur für den symptomatischen Diabetiker angezeigt, sondern hat ihre Berechtigung auch in der Untersuchung des kardial asymptomatischen Patienten, dessen kardiovaskuläres Risiko anhand von Risikorechnern abgeschätzt werden kann.

Die diabetische Kardiomyopathie betrifft aber nicht nur den linken Ventrikel, auch der rechte Ventrikel ist bei der Bildung einer Kardiomyopathie beteiligt. Insbesondere in der Entstehung einer Herzinsuffizienz und bei der Entwicklung des Vorhofflimmerns (VHF) ist der rechte Ventrikel beteiligt. Ventrikuläre Rhythmusstörungen, eine gestörte rechtsventrikuläre Compliance und der plötzliche Herztod sind die potenziellen Folgen. Remodeling des rechten Ventrikels und gestörte diastolische und systolische Funktion betreffen also nicht nur den linken, sondern auch den rechten Ventrikel [12].

Metabolische Mechanismen Insulinresistenz und Hyperglykämie sind die wesentlichen Charakteristika der diabetischen Stoffwechselsituation, die sich nicht nur im kardialen Metabolismus, sondern auch in der zellulären Interaktion und Myokardstruktur sowie -funktion abbilden lassen. Die intrakardiale Akkumulation von Triglyzeriden und Glykogenosomen bei herzinsuffizienten Diabetikern belegt die Stoffwechselstörung des Herzens sowohl auf Ebene des Fettstoffwechsels als auch auf Ebene des Glukosestoffwechsels (Lipo- bzw. Glukotoxizität). Durch die zunehmende Insulinresistenz wird die Glukoseaufnahme durch Rückgang der GLUT4-Expression vermindert und die Freisetzung und Metabolisierung freier Fettsäuren gefördert. Diese Präsenz der freien Fettsäuren bremst zugleich die Verstoffwechselung von Glukose durch Hemmung der Insulin-vermittelten Glukoseaufnahme, der Glykolyse und der Pyruvatoxidation. Damit geht die Verfügbarkeit von Energie aus Glukose in Leistungsspitzen und die metabolische Flexibilität mit der Konsequenz eines Energiedefizits verloren. Trotz der besseren Nettoausbeute an ATP ist die mitochondriale β-Oxidation unter Ischämiebedingungen wegen der begrenzten Sauerstoffverfügbarkeit insgesamt als zusätzlich ungünstig zu bewerten und führt zum Rückgang der kardialen Effizienz und mitochondrialer Funktionseinbuße [6]. Diese Situation mündet in vermehrter Triglyzeridsynthese und in der Akkumulation toxischer Fettsäureintermediate wie Ceramid und Diacylglycerin, die myozytäre Apoptose und oxidativen Stress fördern. Sekretion inflammatorischer Zytokine und Makrophageninfiltration beschleunigen myokardialen Struktur- und Funktionsverlust [6].

Apoptose tritt insbesondere bei Endothelzellen, Fibroblasten und Kardiomyozyten auf. Hyperglykämie und reduzierte Aktivität der GAPDH (Glycerin-aldehyd-3phosphatdehydrogenase) infolge der Superoxidexposition können im Wesentlichen als Ursache für die diabetische Spätkomplikationen angesehen werden. Die Bildung von AGEs aus der nicht-enzymatischen Glykierung und der Oxidation von Lipiden bzw. Proteinen, die Aktivierung des Proteinkinase-C-/Diacylglycerin-Stoffwechselweges, erhöhte Spiegel von Poly(ADP-Ribose)-Polymerase Enzymen, die an Zellreparaturmechanismen und Apoptose beteiligt sind, sowie oxidativer Stress aus mitochondrialen und nicht-mitochondrialen Quellen, gelten als wichtigste pathogene Mechanismen. Insbesondere sind die Proteinmodifikationen durch Glykierung von besonderer Relevanz, da sie sowohl strukturelle als auch funktionelle Aspekte betreffen; reaktive Glukosemetabolite wie Methylglyoxal sind maßgeblich beteiligt.

Nicht primär stoffwechselabhängige Mechanismen Jüngste Untersuchungen weisen auf ein verändertes Spektrum der miRNAs hin, die sich mit spezifischen strukturellen Änderungen im Falle der diabetischen Kardiomyopathie verknüpfen lassen. MiRNA steuern die Genregulation auf post-transkriptionaler Ebene sowohl im positiven wie auch negativen Sinne. Die Heraufregulation von miR-1, -133, -141, 206, -223 und die verminderte Menge von miR-133a, -373, und -499 sind wichtige Befunde für zukünftige Untersuchungen [13]. Die Herabregulation von miR133a wird durch oxidativen Stress induziert und hat beispielsweise eine Hypertrophie der Kardiomyozyten zur Folge. Antagomir-Entwicklungen zur spezifischen Regulation der miRNA sind dazu weltweit Gegenstand aktueller Forschungs- und Therapiekonzepte. Bis dato ist aber eine spezifische miRNA für die diabetische Kardiomyopathie noch nicht identifiziert worden. Auch das Konzept der Autophagie bei Kardiomyopathien ist Gegenstand neuerer Untersuchungen. Unter dem Prozess der Autophagie wird die Verkapselung von Proteinen, Lipiden oder anderen Zellbestandteilen mit doppelmembranären Strukturen verstanden, die diese zum Abbau in die Lysosomen dirigiert. Insulin

Dtsch Med Wochenschr 2014; 139: 2006–2009 · B. Stratmann et al., Diabetische Kardiomyopathie/Herzinsuffizienz – …

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Die diabetische Stoffwechselsituation, bei der es aufgrund einer Steigerung der Insulinresistenz zur Akkumulation von Triglyzeriden und freien Fettsäuren kommt, führt nicht nur zur Funktionsbeeinträchtigung, sondern mündet über das Überangebot an Glukose zusätzlich in der Bildung von sog. Advanced Glycation Endproducts (AGEs) und erhöhtem oxidativen Stress. Diabetes mellitus und assoziierte Ko-Faktoren wie Hypertonie und Hyperlipidämie fördern das Auftreten einer linksventrikulären Hypertrophie sowie Veränderungen des Kollagengehaltes des Herzmuskels, wobei vor allem perivaskuläre Fibrosierungsprozesse auftreten. Zusammen mit Veränderungen am kontraktilen Apparat kann dies zur Folge haben, dass die diastolische Funktion bereits gestört ist, während die systolische Funktionsparameter des Herzens noch relativ normal erscheinen.

2007

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Untersuchung auf klinische Anzeichen und gründliche Anamnese

Weiter Verdacht auf Herzinsuffizienz?

nein

ja

12-Kanal-EKG und Labordiagnostik (inkl. BNP)

Weiter Verdacht auf Herzinsuffizienz?

nein

ja

Echokardiographie/Gewebe-Doppler nein

Nachweis kardiale Dysfunktion? ja

HFREF

HFPEF

Herzinsuffizienz-Management Risikofaktoren-Management

Risikofaktoren-Management Herzinsuffizienz-Management

spielt offensichtlich im myokardialen Autophagie-Prozess eine wichtige regulatorische Rolle [11]. Im Mausmodell führt eine Hochfruktose-Diät nicht nur zur Entstehung eines Diabetes mellitus Typ 2 sondern gleichzeitig auch zur persistierenden Bildung von Autophagosomen als Resultat einer vermehrten Apoptose, die sich von der akuten Autophagie als normalem Reaktionsprozess der Zelle unterscheidet [8].

Kardiorenale Kopplung Das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) ist schon in frühen Stadien des Diabetes mellitus einer Dysregulation unterworfen, die in einer Überproduktion des Angiotensin II mündet. Einhergehend damit tritt eine kardiale Fibrose insbesondere durch vermehrte Synthese von Komponenten der extrazellulären Matrix, durch Apoptose bzw. Proliferation sowie vaskuläre Inflammation und oxidativem Stress auf. Die Aktivierung des sympathischen Nervensystems sowie des RAAS nimmt mit Voranschreiten der Herzinsuffizienz zu, mit zunehmendem Krankheitsstadium sind Therapien mit Angiotensin-converting-enzym-Inhibitoren (ACE-I) sowie Angiotensinogen-Rezeptor-Blockern (ARB) und Schleifendiuretika in hohen Dosierungen kontraindiziert. Insbesondere Diuretika beeinflussen die glomeruläre Funktion über Sympathikus- und RAAS-Aktivierung.

Das sog. kardiorenale Syndrom hat hämodynamische Flussänderungen zur Folge, die mit einem Anstieg des venösen Druckes und einer Erhöhung des renalen Venendruckes und/oder reduzierter kardialer Auswurfleistung und damit renaler Perfusion assoziiert sind [9]. Besonders die reduzierte glomeruläre Filtrationsrate als Vorstufe der diabetischen Nephropathie ist mit der Zunahme arteriosklerotischer Ereignisse assoziiert [5].

Klinische Relevanz Der Patient mit Diabetes mellitus ist aufgrund der Stoffwechselsituation auch im frühen Erkrankungsstadium ein Risikopatient für kardiovaskuläre Endpunkte. Auch asymptomatische Patienten können Insuffizienz-relevante Funktions- und Strukturdefizite aufweisen, die durch intensive metabolische Kontrolle, hinreichende Therapie der Risikofaktoren (insbesondere Blutdruck und Nierenparameter) und Verminderung des Insulinresistenzsyndroms auch im Sinne des Autophagiekonzeptes positiv beeinflusst werden können.

Diagnostik und Therapie ▼ Diagnostische Methoden Bei unzureichender Evidenz zur diagnostischen Wertigkeit einzelner Symptome und der klinischen Zeichen wurde im Rahmen der Nationalen Versorgungsleitlinie „Herzinsuffizienz“ als Konsens der verschiedenen Fachgesellschaften ein klinischer Algorithmus zur Diagnostik der chronischen Herzinsuffizienz unter Berücksichtigung der drei häufigsten Symptome der chronischen Herzinsuffizienz vorgestellt: Dyspnoe, Müdigkeit (Erschöpfung/Leistungsminderung) und Flüssigkeitsretention [16]. Die Diagnostik unterscheidet nicht primär zwischen diabetischer und nichtdiabetischer Herzinsuffizienz: Schon über das Elektrokardiogramm (EKG) lässt bei normalem EKG-Befund eine Herzinsuffizienz als unwahrscheinlich (

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