Leitthema Hautarzt DOI 10.1007/s00105-015-3617-x © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

Der Großteil der Patienten einer proktologischen Praxis kommt verunsichert aufgrund von Blutspuren am Papier oder auch in der Toilette. Sehr oft geben die Patienten auch ein spürbares Brennen oder Stechen während der Stuhlentleerung, ggf. auch tastbare Veränderungen an. Schmerzen während der Stuhlentleerung sind nahezu immer ein Hinweis auf eine Wundsituation im Bereich des hochsensiblen Analkanals. Die Analfissur steht bei schmerzhaften Blutungen und auch im proktologischen Alltag zahlenmäßig bei Weitem an erster Stelle. Die Diagnose Hämorrhoiden ist in der breiten Bevölkerung mit einem höchst unerwünschten Krankheitsbild verknüpft, woraus nahezu immer ein Behandlungs­ wunsch entsteht. Es wird dabei weitge­ hend außer Acht gelassen, dass Hämor­ rhoiden ein essenzieller Bestandteil des Abdichteapparats sind. Nur bei Beschwer­ den, die auf morphologische Veränderun­ gen zurückzuführen sind, ist eine Behand­ lung ggf. erforderlich. Da Hämorrhoidal­ polster einer erheblichen Dynamik des Stuhlgangverhaltens unterworfen sind, kann man immer zumindest erstgradige Hämorrhoiden feststellen. Ob dies auch ursächlich für die individuellen Beschwerden ist, bleibt meist offen. Häufig wird die­ ser Befund zum Anlass genommen, eine Behandlung der Hämorrhoiden einzuleiten. Damit wird der Erwartungshaltung von Patient und Behandler Genüge ge­ tan. So erklärt sich die große Zahl an Hä­ morrhoidalbehandlungen, die alleine in Deutschland jährlich durchgeführt wer­ den (ca. 1,4 Mio.; . Tab. 1). Das Problem der verschiedenen Anal­ erkrankungen ist, dass ein großes Spek­ trum an Erkrankungen mit teilweise er­

T. Grundei Enddarmzentrum München-Bavaria, München, Deutschland

Proktologischer Alltag aus der Sicht eines Chirurgen heblich differierenden therapeutischen Ansätzen zu einem relativ gleichförmi­ gen Beschwerdenkomplex aus Blutung, Juckreiz, Brennen, Nässen, Schmerzen und tastbaren Veränderungen führt, den man auch als „hämorrhoidalen Sympto­ menkomplex“ [24] bezeichnet (. Tab. 2). Schmerzen sind zumeist ein sicheres anamnestisches Indiz, dass die Beschwer­ den eine andere Ursache als veränderte „Hämorrhoiden“ haben. Man sollte des­ wegen zunächst nur von „Hämorrhoidal­ beschwerden“ sprechen und nach einer differenzierten proktologischen Unter­ suchung die endgültige Diagnose stellen.

Analfissur Die Ursachen, die zur Entstehung einer Analfissur führen, sind letztlich nicht ge­ klärt. Diskutiert werden Einrisse durch Überdehnung im Rahmen übermäßi­ gen Pressens oder bei verhärtetem Stuhl­ gang. Ob ein erhöhter Tonus des Sphink­ terapparates primär oder sekundär ent­ steht, wird ebenfalls kontrovers disku­ tiert. Auch ekzematöse Veränderungen können ursächlich, aber auch als Folge einer Analfissur gefunden werden. Etwa 80 % der Analfissuren entstehen in der hinteren Kommissur bei 6 Uhr in Steinschnittlage, ca. 15 % bei 12  Uhr in Steinschnittlage. Richtungsweisend auf das Vorliegen einer Analfissur sind immer Schmerzen, die bei der Entleerung und somit der Deh­ nung des Analkanals ausgelöst werden. Akute Analfissuren (.  Abb. 1a) können dabei meist auf ein direktes Dehnungs­ ereignis bei Obstipation, selten auch auf einen analen Reizzustand bei Diarrhö zu­ rückgeführt werden und führen meist zu einem massiven Schmerzereignis. Die durch Fissuren ausgelösten Blu­ tungen werden als frisch und meist nur

am Papier, gelegentlich auch aus dem Analkanal tropfend beschrieben. Da das Beschwerdebild den Hämor­ rhoiden zugeschrieben wird, kommen in der Regel zunächst Hämorrhoidalsalben und Therapeutika aus der Apotheke zur Anwendung. Wie hoch die Rate an spon­ tanen Heilungen akuter Analfissuren ist, ist unbekannt. Mit Dauer der Fissur treten auch zu­ nehmend tastbare Veränderungen auf. Klinisch kommt es zu anhaltenden Schmerzen während des Entleerens. Die Patienten entwickeln oft ein Gefühl der analen Enge. Oft wird auch ein sehr unan­ genehmes Brennen nach der Entleerung beschrieben, das über Stunden anhalten kann. Die Betroffenen entwickeln zuneh­ mend Angst vor der Stuhlentleerung und verstärken dadurch eine bestehende Obs­ tipation. Bei der proktologischen Untersuchung werden Analfissuren häufig übersehen. Dies ist zum einen der Spastik im Anal­ kanal zuzuschreiben, zum anderen der Tatsache, dass beim Einführen des Prok­ toskops die Fissur „übergangen“ wird. Dann treten häufig vergrößerte Hämor­ rhoidalpolster zutage, die durch den er­ höhten Muskeldruck des Analkanals be­ dingt sind. Spätestens wenn sich an den Fissurrändern narbige Veränderungen ausbilden, sind diese häufig eher tastbar als proktoskopisch zu erkennen. Meist reicht nur ein Aufspreizen des Anoderms. Typische Chronizitätszeichen sind die Ausprägung von derben Wundrändern, narbig indurierten Marisken, sog. Vor­ postenfalten am distalen Rand der Fissur, wie auch hypertrophe, teils aus dem Af­ ter spontan prolabierende Analfibrome am Fissuroberrand auf Höhe der Linea dentata (.  Abb. 1b). Diese Veränderun­ gen entstehen durch eine fortschreitende Fibrosierung aufgrund der persistieren­ Der Hautarzt

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Leitthema Tab. 1  Abrechnungsstatistik Hämorrhoi-

Tab. 2  Symptomorientierte Differenzialdiagnostik

dalleiden 2010

Symptom Blutung schmerzfrei Blutung mit Schmerzen

Art der Behandlungen Sklerosierungen Gummibandligaturen

Zahl der Behandlungen 827.140 371.831

ZI-KBV 2014.

den Wundreaktion in der Fissur. Kommt es auf dem Fissurgrund zu einem Fort­ schreiten der entzündlichen Gewebedes­ truktion, entstehen Wundtaschen (Sinus) und Fistelgänge, die sich letztlich zu dem Vollbild eines inter- oder transsphinktä­ ren Fistelleidens entwickeln können. Inso­ fern stellen chronische Analfissuren eine Risikosituation für die Entwicklung von Perianalabszessen und Analfisteln dar. DDDie Behandlung der akuten Analfissur bedarf einer effektiven Schmerztherapie. Der Einsatz von dehnenden Verfahren im Zusammenhang mit muskelentspan­ nenden Substanzen wie Nitraten, Diltita­ zem oder Nifedipin hat sich bewährt. Lo­ kal anästhesierende Salben können die Schmerztherapie ergänzen. Es ist wichtig, ein weiteres Überdehnen des Analkanals zu verhindern. Dazu bedarf es einer kon­ sequenten Stuhlregulation. Chronische Analfissuren werden kon­ servativ entsprechend behandelt. Chro­ nische Narbenveränderungen, die zu re­ zidivierenden Einrissen führen, können lokal mit Silbernitrat verätzt werden. Die chronische Fissur führt oft zu einem an­ dauernden Sphinkterspasmus mit einer erheblichen Schmerzproblematik. Hier hat sich die Anwendung von Botulinum­ toxin-Injektionen intramuskulär in den Sphincter ani bewährt. [8, 16]. Eine zum Teil praktizierte Sklerosierungstherapie bei Analfissuren entbehrt jeder wissen­ schaftlichen Grundlage und sollte nicht durchgeführt werden. Die operative Therapie der Analfis­ sur hat zum Ziel, die narbigen Verände­ rungen allesamt zu beseitigen und eine frische, glatt nach perianal auslaufende Wundfläche zu schaffen (direkte Fissu­ rektomie). Bei der Inspektion der Wundfläche ist auf eventuelle Fistelbildungen in den

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Der Hautarzt

Schwellung Prolaps Nässen Juckreiz Brennen Tastbare Veränderung Schmerzen

Mögliche Differenzialdiagnose Hämorrhoiden, Tumor, Proktitis Analfissur, Hautrhagaden, Analvenenthrombose perforiert, Analabszess perforiert, Tumoren, Hämorrhoiden Analvenenthrombose, Analabszess, thrombosierter Analprolaps Analprolaps, Hämorrhoiden, Analfibrome, Rektumprolaps, Tumoren Analekzem, Hämorrhoiden, Analfissur, Analfistel, Anal-/Rektumprolaps, Tumoren, „sexually transmitted diseases” (STD) Analekzem, Hämorrhoiden, Analfissur, Condylomata Analfissur, Hämorrhoiden, Sphinkterspasmen, Ekzeme Marisken, Analprolaps, Analfissur, chronischer Abszess, Condylomata, Komedone, Analfibrome, Tumoren Analfissur, Analabszess, Analvenenthrombosen, Hämorrhoidalthrombosen, Sphinkterspasmen, Tumoren

muskulären Analkanal und intersphink­ täre Abszesse zu achten. Diese müssen mit entfernt werden. Die früher weitver­ breitete laterale Sphinkterotomie zeigt im Langzeitverlauf eine hohe Inkontinenz­ rate und sollte nicht mehr durchgeführt werden [27]. Postoperativ ist auf eine anhaltende Entspannung des muskulären Analka­ nals und Fortführung der Stuhlregulation zu achten, damit die frische Wunde nicht wiederholt einreißt. Je länger die Wund­ heilung andauert, desto höher ist das Risi­ ko, erneut an dieser Stelle eine chronische Analfissur zu entwickeln.

Analfibrome Analfibrome (früher Analpolypen, .   Abb. 2) entstehen durch eine Hyper­ trophie der anorektalen Analpapillen am Oberrand des Analkanals auf Höhe der Linea dentata. Ursächlich sind loka­ le Entzündungsvorgänge, wie sie im Zu­ sammenhang mit chronischen Analfis­ suren oder chronischen Kryptitiden vor­ kommen. Hypertrophe Analpapillen stel­ len per se keine Behandlungsindikation dar. Durch fortschreitendes Wachstum kann es zu einem Prolabieren oder sogar Impaktieren der Fibrome im Analkanal kommen, was zu Blutungen, Schmerzen, Nässen und einem Fremdkörpergefühl führen kann. In der Folge können Haut­ irritationen auftreten. Eine konservative Therapie ist bei Analfibromen langfristig nicht erfolg­ reich.

DDDie operative Therapie besteht in der basisnahen Abtragung der Fibrome. Diese ist meist mit einer Koagulations­ schlinge in Lokalanästhesie (LA) mög­ lich. Gelegentlich ist zudem eine Um­ stechungsligatur aufgrund der starken Durchblutung der Fibrombasis erforder­ lich. Bei der Resektion von Analfibromen ist darauf zu achten, dass eine zugrunde liegende Analfissur operativ mit versorgt wird, da es ansonsten mit hoher Wahr­ scheinlichkeit zu einem Rezidiv des Fib­ roms und einer Zunahme der Fissurbe­ schwerden kommt. Das resezierte Gewebe sollte in jedem Fall pathologisch untersucht werden, um eventuelle Dysplasien oder In-situ-Karzi­ nome nicht zu übersehen.

Marisken Die Tatsache, dass nahezu allen tastbaren analen Veränderungen gerne als vergrö­ ßerte Hämorrhoiden bezeichnet werden, gilt insbesondere für Marisken (. Abb. 3). Marisken sind hypertrophierte perianale Hautfalten, die per se keinen Krankheits­ wert haben. Vorpostenmarisken in der Folge chro­ nischer Analfissuren liegen in der Regel in der Mittellinie bei 6 oder 12 Uhr Stein­ schnittlage. Marisken können aber auch als Folge von abgelaufenen Perianalve­ nenthrombosen und Schwangerschaften oder Geburten persistieren. Durch me­ chanische Reizung kann es zu einer Fi­ brosierung und Vergrößerung kommen.

Zusammenfassung · Abstract Das zunehmende ästhetische Kör­ perbewusstsein führt dazu, dass sich im­ mer mehr Menschen mit einem Behand­ lungswunsch an sich reizloser Marisken vorstellen. Marisken sind in der Regel in LA resezierbar. Der primäre Wundver­ schluss wie auch offene Wundflächen sind langfristig gleichwertig. Aufgrund der nicht absehbaren analen Narbenent­ wicklung nach perianal resezierenden Eingriffen sollte die ästhetische Erwar­ tungshaltung bei Mariskenentfernun­ gen nicht zu hoch angesetzt werden. Ins­ besondere wenn Vorpostenmarisken der Mittellinie ohne Mitentfernung der Fis­ sur operiert werden, besteht ein Risiko der anhaltenden Wundheilungsstörung mit Ausbildung einer erneuten chroni­ schen Analfissur.

Perianalvenenthrombosen (Analvenenthrombose) Bei Perianalvenenthrombosen (. Abb. 4) handelt es sich um ein sehr häufiges ana­ les Schmerzbild, das schlagartig auftritt und die Patienten aufgrund der Schwel­ lung, der Schmerzen und auch Blutun­ gen erheblich verunsichert. Zwar sind die Thrombosen der Perianalvenen kein Hä­ morrhoidenproblem, jedoch im Volks­ mund entspricht genau dies der „aku­ ten Hämorrhoide“, was sich nicht zuletzt im angelsächsischen Sprachgebrauch als „outer hemorroids“ niedergeschlagen hat. Ursächlich geht einer Perianalvenen­ thrombose immer eine lokale Irritation voraus, seien es verstärktes Pressen, ver­ stärktes Putzen, erhöhte Stuhlfrequenz oder rheologisch wirksame Faktoren, wie z. B. Schwangerschaft. Insbesondere scheinen aber auch Temperatureinflüs­ se eine Auswirkung auf die Entstehung zu haben, sodass Analvenenthrombosen saisonal gehäuft vorkommen [4]. Unbe­ handelt kommt es bei Analvenenthrom­ bosen meist nach 2 bis 3 schmerzhaften Tagen zu einer schrittweisen spontanen Besserung und Erweichung der initial indurierten Schwellung. Blutungen tre­ ten zumeist als Folge von Arrosionen der Haut auf, können bei großen Thrombo­ sen auch als Druckulzeration mit lokaler Nekrose entstehen. Die konservative Therapie besteht aus einer topischen Therapie mit steroidhalti­

gen Salben und ggf. der kurzzeitigen Ein­ nahme von nichtsteroidalen Antirheu­ matika (NSAR). Bei gutem spontanem Verlauf sollte die Indikation zur operati­ ven Therapie zurückhaltend gestellt wer­ den. Entscheidet man sich zur Resektion, ist in jedem Fall eine komplette Exzision der thrombosierten Vene über eine spin­ delförmige Inzision einer lokalen Inzision mit Exprimieren des Thrombus vorzuzie­ hen (. Abb. 5). Je weiter die Analvenenthrombose im Analkanal liegt, desto zurückhaltender sollte die Indikation zur Resektion ge­ stellt werden, da es insbesondere bei mit­ telliniennahen Inzisionen zur Ausbildung von chronischen Fissuren kommen kann. Das Risiko von Rezidivthrombosen ist nach fachgerechter Exzision und abge­ schlossener Wundheilung entsprechend der Normalbevölkerung. Das Rezidivrisi­ ko steigt jedoch nach Thrombusinzisio­ nen, aber auch nach mehrfach konserva­ tiven Abheilungen von Thrombosen und verbliebenen Marisken an [6]. Der zirkulär thrombosierte Analpro­ laps ist ein hochakutes Ereignis. Die The­ rapie sollte unter allen Umständen kon­ servativ mit lokal steroidhaltigen Pasten, ggf. steroidhaltigen Suppositorien, einer systemischen antiphlogistischen Therapie und lokal kühlenden Maßnahmen erfol­ gen. Operative Maßnahmen sollten nur bei erheblichen lokalen Nekrosen oder nicht stillbaren Blutungen erfolgen. Ob Perianalvenenthrombosen eine Folge von vergrößerten „inneren“ Hä­ morrhoiden sind, ist umstritten. Eine Be­ hinderung des perianalen venösen Ab­ fluss aufgrund intraanal vergrößerter Ge­ fäßkonvolute ist vorstellbar. Bei häufig rezidivierenden Analvenenthrombosen wird eine Hämorrhoidentherapie emp­ fohlen [17].

Hämorrhoiden Unter Hämorrhoiden versteht man arte­ riovenöse Schwellkörper aus dem Plexus cavernosum recti [18, 25]. Diese Gefäß­ konvolute sind mit ihren dynamischen Füllungszuständen für die Feinkontinenz des analen Kontinenzorgans verantwort­ lich [3].

Hautarzt DOI 10.1007/s00105-015-3617-x © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 T. Grundei

Proktologischer Alltag aus der Sicht eines Chirurgen Zusammenfassung Proktologische Krankheitsbilder und proktologische Patienten erfordern bei den behandelnden Ärzten ein hohes Maß an Sensibilität. Kaum ein anderer Bereich des menschlichen Wohlbefindens ist so tabuisiert wie die Analregion und der tägliche Stuhlgang. Das hat dazu geführt, dass nahezu alle Beschwerden im Analbereich von den Betroffenen auf Hämorrhoiden zurückgeführt werden. Im Folgenden sollen die für den Alltag relevanten proktologischen Differenzialdiagnosen anhand ihrer Beschwerden und die erforderliche Therapie aufgezeigt werden. Schüsselwörter Analfissur · Hämorrhoiden · Analfibrom · Analfistel · Analkarzinom

Frequent proctologic findings from a surgeon's viewpoint Abstract Patients with anal complaints require a high level of sensitivity of the involved healthcare professionals. A large variety of different pathological changes lead to very similar clinical symptoms. A carefully guided history interview is able to target in many cases the underlying condition. Treatment should not be performed before definite exclusion of any malignant disease. However, patients most of all blame hemorrhoids for any anal physical discomfort and visit the physician with high expectations in treatment of their supposed disease. The following summary ranks anal diseases by frequency considering their clinical appearance and delimitation and provides an overview of symptoms associated with hemorrhoids. Keywords Anal fissure · Hemorrhoids · Anal fibroma · Anal fistula · Anal carcinoma

DDTypische Symptome vergrößerter Hämorrhoiden sind schmerzlose helle Blutungen. Mit zunehmender Größe kommt es zu einem Prolabieren der Schleimhautge­ fäßkonvolute. Begleiterscheinungen sind anale Reizzustände mit Juckreiz und Brennen sowie anales Nässen. Mit zu­ Der Hautarzt

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Leitthema

Abb. 2 8 Analfibrom Abb. 1 8 a Akute Analfissur, b chronische Analfissur

Abb. 3 8 Marisken

nehmender Größe kommt es auch zu einem verstärkten analen Druckgefühl, das die Entleerungswahrnehmung ver­ schlechtert, einhergehend mit verstärk­ tem Nachpressen und Verweilen auf der Toilette. Dadurch kommt es zu einer wei­ teren Hypertrophierung des Hämorrhoi­ dalplexus [2, 12]. Eine familiäre Disposition oder ein Zu­ sammenhang mit Bindegewebsschwächen ist umstritten [5, 7, 25]. Allein die Stuhlre­ gulierung mit Quellmitteln wie indischen Flohsamenschalen führt zu einer deut­ lichen Verbesserung der Beschwerden. Deswegen sollte jeder Hämorrhoidenthe­ rapie eine Stuhlregulation und ggf. auch eine topische Optimierung perianaler Hautreizungen vorangestellt werden [1]. Die Hämorrhoidalvergrößerung wird in die in .   Tab. 3 aufgeführten Stadien eingeteilt.

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Der Hautarzt

Abb. 4 8 Perianalvenenthrombose

Abb. 5 8 Resektion der Perianalvenenthrombose

Die Therapie der Hämorrhoiden rich­ tet sich nach dem Grad der Vergrößerung ([23]; . Tab. 4). Erstgradige Hämorrhoidalverände­ rungen stellen an sich keine Therapiein­ dikation dar. Bei Blutungen aus den Hä­ morrhoidalpolstern oder therapierefrak­ tärem Nässen aufgrund lokaler Irritatio­ nen ist eine Sklerosierungstherapie mit Polidocanol indiziert. Bei zweitgradigen Hämorrhoidalver­ änderungen ist eine Therapie in der Re­ gel indiziert. Mit einer Gummibandli­ gaturbehandlung lassen sich die vergrö­ ßerten Schleimhautpolster gut und nach­ haltig verkleinern. Ein Notfallmanage­ ment für Nachblutungen (ca. 1 %) ist an­ zuraten. Insbesondere unter einer Dauer­ therapie mit Antikoagulanzien muss mit einer deutlich erhöhten Blutungsrate ge­ rechnet werden [10]. Hämorrhoidalvergrößerungen, die nicht spontan reponieren (≥ Grad  III), wie auch therapierefraktäre Hämorrhoi­ dalblutungen sind eine Operationsindi­ kation. Hier stehen klassische rekonstru­ ierende (geschlossene) Operationstechni­ ken z. B. nach Parks [14], Ferguson, Fans­ ler-Arnold [28] offenen Verfahren (Milli­

gan Morgan; [15]) und zirkulären intraa­ nalen Verfahren (Stapler-Hämorrhoido­ pexie nach Longo; [13]) gegenüber. Zirkuläre reponible Hämorrhoiden im Sinne eines vollständigen Analmukosa­ prolaps sind die ideale Indikation für das Stapler-Verfahren. Segmentale Befun­ de, insbesondere mit vergrößerten Haut­ anhangsgebilden, Marisken oder kuta­ nen Analprolapsformationen sind besser durch resezierende oder anoplastische Verfahren therapierbar. Minimalinvasive Techniken wie die Doppler-gesteuerte Ligatur der Hämor­ rhoidenarterien (HAL) haben nicht zu anhaltenden Erfolgen geführt, sodass in­ zwischen empfohlen wird, die Dopplergesteuerten Gefäßligaturen durch lokale Resektionsverfahren zu ergänzen („recto anal repair“, RAR; [22]). Ziel aller operativen Therapien soll­ te eine anatomiegerechte Rekonstruktion des Analkanals unter Wiedererlangen der ursprünglichen Funktion sein. Aufgrund der verzögerten analen Wundheilung und teils erheblicher Narbenreaktionen kann die Qualität des Operationsergebnisses bei Hämorrhoidenoperationen durch eine gute Nachbehandlung und langfris­

Tab. 3  Stadieneinteilung der Hämorrhoidalvergrößerung Stadium der Hämorrhoidalvergrößerung Grad 1 Grad 2 Grad 3 Grad 4

Befund Im Proktoskop als Polster sichtbar Prolaps bei der Defäkation, spontane Reposition Prolaps bei der Defäkation, keine spontane Reposition Fixierter Hämorrhoidalprolaps, nicht reponibel

Tab. 4  Behandlungsalgorithmus Hämorrhoiden Grad der Hämorrhoidalveränderung Grad 1 Grad 2 Grad 3 Grad 4

Therapie Topische Therapie (Salben, Zäpfchen) Sklerosierung bei Blutung Segmental Ligaturen Zirkulär Stapler-Operation Operation Stapler-Operation, Parks, Ferguson, Milligan-Morgan Operation Parks, Ferguson, Milligan-Morgan, Fansler-Arnold

tige Stuhlregulation [21] noch deutlich verbessert werden.

Analfisteln und Abszesse Analfisteln und Analabszesse stellen im Gegensatz zu den meisten Analerkran­ kungen eine absolute Behandlungsnot­ wendigkeit dar. Als Analfisteln bezeichnet man ent­ zündliche Gänge, die sich aufgrund einer destruierenden Entzündung ausbilden. Ausgangspunkt dieser Entzündungsvor­ gänge können sein [9, 26]: 55lokale Entzündungen in den Prokto­ dealdrüsen, die zur Ausbildung einer kryptoglandulären Fistel führen, 55chronische Analfissuren mit fort­ schreitender Entzündung in eingezo­ genen Taschen (Sinus), 55Verletzungen des Analkanals oder Rektums, 55Morbus Crohn, 55fistelnde Tumore. Gelegentlich finden sich Analfisteln als Zufallsbefund mit allenfalls geringem Nässen oder Hautirritationen. Symp­ tomatisch werden viele Patienten erst durch das Auftreten eines Analabszes­ ses. Dieser entsteht nach Anschluss der Fistel in den Intersphinktärraum oder ins periproktitische Fettgewebe. Man unterscheidet Analabszesse je nach Lokalisation in subanodermal, inter­ sphinktär, ischiorektal oder supraleva­ torisch.

Analabszesse sind in der Regel hoch akute Krankheitsbilder mit starken, im Verlauf zunehmenden Schmerzen und Anschwellung, häufig auch begleitet von Fieber oder Schüttelfrost. DDAkute Analabszesse müssen umgehend einer chirurgischen Entlastung unterzogen werden. Eine antibiotische Behandlung führt in der Regel zu einer mittelfristigen Kom­ plizierung und sollte unterlassen wer­ den. Bei der chirurgischen Therapie ist auf eine ausreichende Eröffnung des Ab­ szesses nach perianal oder auch nach in­ traanal zu achten. Kleine oberflächliche Abszesse ohne phlegmonöse Infektionen lassen sich dabei oft in LA eröffnen, tie­ fer liegende ausgedehntere Abszesse sind ohne Allgemein- oder Regionalanästhesie nicht ausreichend zu entlasten. Im akuten Fall sollte bei der Eröffnung des Abszesses nicht aktiv nach einer ur­ sächlichen Fistel gesucht werden, um das Risiko einer „via falsa“ zu vermeiden. Er­ fahrene Proktochirurgen werden ins­ besondere im Fall eines Rezidivabszes­ ses den operativen Eingriff dazu nutzen, durch Farbmarkierungen die ursächliche Fistel zu finden. Nicht jeder Analabszess hat eine per­ sistierende Analfistel zur Folge. Rezi­ divfreie Spontanheilungen nach Abs­ zessexzision finden sich immer wieder [19]. Die anatomische Lage der Analfis­ tel bestimmt letztendlich das therapeuti­

sche Vorgehen. Entscheidend ist der Be­ zug des Fistelverlaufs zur analen Sphink­ termuskulatur: Man unterteilt die Fistel­ verläufe in subanodermal, intersphink­ tär, tief-, mittelhoch-, hoch-transsphink­ tär, supralevatorisch oder extrasphink­ tär. Alle höheren Fisteln, die im Rahmen einer Abszesseröffnung gefunden werden, sollten mit einer Fadendrainage markiert und erst nach Abheilung des akuten Infekts zweizeitig operiert werden, um das Risiko einer Sphinkter­ schwächung mit Inkontinenzfolge mög­ lichst gering zu halten. Subanoderma­ le Fisteln können ohne Gefährdung der Kontinenz zeitgleich gespalten werden. Im entzündungsfreien Intervall lassen sich viele tief-transsphinktäre Fisteln oh­ ne Gefährdung der Kontinenz spalten. Höhere Fisteln bedürfen eines erfahrenen Proktochirurgen, der in der Lage ist, die notwendigen sphinkterrekonstruieren­ den Operationsverfahren wie Schiebe­ lappenplastiken („advancement flap“) oder komplexe Sphinkterrekonstruktio­ nen durchzuführen. Bei supralevatori­ schen oder extrasphinktären Fisteln oder auch im Mehrfachrezidivfall ist für die­ se Eingriffe ein temporärer Stomaschutz indiziert. Auch sphinkterschonende Ver­ fahren wie der anale Fistelplug oder auch Fistelverschlüsse mit Metallclips bergen ein hohes Rezidivrisiko.

Maligne Tumoren Maligne Tumore der Analregion sind mit einer Inzidenz von 1/100.000 selten. Es sind zumeist Plattenepithelkarzinome. Man unterscheidet bei den Analkarzino­ men zwischen Tumoren des Analrands und des Analkanals. Morphologisch fal­ len diese Tumoren meist nur als Indura­ tion oder Ulzeration auf. Die Beschwer­ den unterscheiden sich nicht von denen anderer Analerkrankungen. Historisch ist das Analkarzinom ein seltener Tumor, der eher Frauen im hö­ heren Alter betrifft. Ein besonderes Risi­ ko für die Entwicklung von Analkarzino­ men stellt die HIV (humanes Immunde­ fizienzvirus)-Infektion dar. Hier ist das Risiko insbesondere auch unter der anti­ retroviralen Therapie erheblich erhöht (144/100.000, [20]), sodass man bei die­ sen Patienten eine regelmäßige proktolo­ Der Hautarzt

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Leitthema gische Vorsorgeuntersuchung bezüglich Analkarzinomen durchführen sollte.

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Unklare Indurationen sollten vor weiteren Therapieent­ scheidungen biopsiert werden Insbesondere Analkanalkarzinome mit Sitz am anorektalen Übergang werden immer wieder als Hämorrhoidalkno­ ten interpretiert und entsprechend the­ rapiert. Deswegen sollten unklare Indu­ rationen vor weiteren Therapieentschei­ dungen zunächst biopsiert werden. Analkarzinome sind nur im Frühsta­ dium (bis ca. 1 cm Durchmesser) durch eine Operation ausreichend therapiert. Insbesondere bei Infiltration des mus­ kulären Analkanals oder hoch sitzen­ den Tumoren am anorektalen Übergang sind onkologisch einwandfreie Resek­ tionen mit einer guten Sphinkterfunk­ tion kaum durchführbar. Die Radioche­ motherapie nach dem Nigro-Schema ist deswegen bei allen lokal fortgeschritte­ nen Analkarzinomen die Therapie der ersten Wahl [11].

Fazit für die Praxis 55Entscheidend für eine diagnosegerechte Therapie ist bei allen Analerkrankungen eine genaue Anamnese. 55Vorschnelle Festlegungen auf ein Hämorrhoidalleiden können im Einzelfall zu einer Verschleppung der Diagnosefindung (Analkarzinom) oder zu kausal nicht hilfreichen Therapiemaßnahmen führen (Sklerosierung bei Analfissur). 55In erster Linie müssen maligne Grunderkrankungen sicher ausgeschlossen sein. Insbesondere bei transanalen Blutungen sollte der koloskopische Ausschluss einer möglichen kolorektalen Neoplasie frühzeitig erfolgen.

Korrespondenzadresse Dr. T. Grundei Enddarmzentrum München-Bavaria Bavariaring 45 80336 München [email protected]

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Der Hautarzt

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  T. Grundei gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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[Frequent proctologic findings from a surgeon's viewpoint].

Patients with anal complaints require a high level of sensitivity of the involved healthcare professionals. A large variety of different pathological ...
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