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Fortschr. Röntgenstr. 128,5 (1978) 521-524

Von M. Schmidt, H. J. Thiel und J. Spitz 6 Abbildungen Radiologisches Institut des Allgemeinen Krankenhauses Bamberg (Chefarzt: Dr. M. Schmidt)

Über einen Zeitraum von 2'/ Jahren wurden 12 fibröse Kortikalisdefekte (FKD) im eigenen Krankengut als Zufalisbefund gefunden. Mit Ausnahme von 2 Fällen blieb der Röntgenbef und bei regelmäßigen Kontrollen stationär. Ein großer, weit in die Diaphyse reichender FKD wurde operativ revidiert und histologisch gesichert. Im Vergleich zum Krankengut anderer Autoren wurden die Häufigkeit, das charakteristische Röntgenbild und die Differentialdiagnose gegenüber anderen auf Röntgenübersichtsaufnahmen ähhlich imponierenden gutartigen und bösartigen Knochenprozessen diskutiert. Der fibröse Kortikalisdefekt (FKD) ist eine gutartige, in die

metaphysäre Kortikalis der langen Röhrenknochen, fast

During a period of two and a half years, twelve fibrous cortical defects were discovered as incidental findings. With the exception of two cases, the radiological findings remained unchanged during the period of observation. One large defect extending into the diaphysis was submitted to surgery and verified histologically. The characteristic radiological appearances and the differential diagnosis from similar looking benign and malignant bone abnormalities are discussed and compared with the findings of (F. St.) other authors.

teren Extremität war nicht festzustellen. Fünf der sechs FKD der distalen Femurmetaphyse lagen im Bereich der

ausschließlich der unteren Extremitäten sich manifestierende fibröse Knochenläsion. Diese ist überwiegend am wachsenden Skelett zu beobachten. Wie aus dem eigenen Krankengut und demjenigen anderer Autoren zu entnehmen ist, begegnet

dorsal-medialen Zirkumferenz. Doppelseitigkeit konnte in keinem Fall beobachtet werden. Der FKD erwies sich immer als Zufallsbefund. Sämtliche Patienten waren wegen eines

man dieser Knochenveränderung als Zufallsbefund relativ häufig. Das Röntgenbild ist so typisch, daß selbst die pathologisch-histologische Diagnose nur in Verbindung mit dem Röntgenbild definitiv gestellt werden kann. Da diese Knochenveränderung absolut gutartig ist und sich, wenn auch oft über Jahre, langsam spontan zurückbildet, bedarf sie keiner, insbesondere keiner operativen Therapie. Trotz des spontanen Heilungsverlauf s wird der ,,FKD" noch viel zu

Aufnahme gelangt. In einem Falle war es durch ein lokales

häufig operativ angegangen. 1929 beschrieb Phemister (10) als erster die Histologie unter

der Bezeichnung ,,fibröse Osteomyelitis". In der Folgezeit wurde diese Knochenveränderung unter den verschiedensten Namen beschrieben: Solitäres Xanthom (2, 9), Variante der solitären Knochenzyste und des gutartigen Riesenzelltumors (4, 12), Desmoid (7), periostales Desmoid (8), von Jaffé und Lichtenstein als ,,nonosteogenic fibroma" (6) ins Deutsche mit nichtossifizierendem Knochenfibrom" übersetzt. Und schließlich hat sich der von Caffey 1955 geprägte Name ,,fibrous cortical defect" durchgesetzt.

Kasuistik Unter 4800 Patienten aller Altersgruppen mit Röntgenuntersuchungen der unteren Extremitäten wurden 12 FKD gefunden. Das entspricht einer Häufigkeit von 0,24%. Der jüngste Patient war 10 Jahre alt, der älteste 36 Jahre alt. Die übrigen verteilten sich

auf die Altersgruppen zwischen 13 und

22 Jahren. Bezieht man die Häufigkeit nicht auf alle Alters-

gruppen, sondern auf die Altersgruppen von 2-22 Jahre, in denen der FKD fast ausschließlich zu erwarten ist, so fanden sich unter 1300 Patienten 11 FKD, was dann einer Häufigkeit von 0,84% entspricht. Acht Patienten waren männlich, vier Patienten waren weiblich. Sechs der zwölf FKD lokalisierten sich in die distale Femurmetaphyse, drei in die proximale Tibiametaphyse, drei in die distale Tibiametaphyse. Eine Bevorzugung der rechten oder linken un0340-1618/78

Traumas an der betreffenden Extremität zur stationären adäquates Trauma bei einem sehr großen FKD zu einer Infraktion in dessen Bereich gekommen. Dieser Patient wurde operiert, die Diagnose histologisch gesichert. Die Anamnese aller Patienten hinsichtlich einer lokalen Symptomatik war leer. Verlaufsbeobachtungen liegen über Zeiträume von maximal 2 Jahre vor. In allen bis auf zwei Fällen blieb der Röntgenbefund stationär. Keine der FKD zeigte eine vermehrte Aktivitätsanreicherung im Knochenszintigramm mit Tc-Diphosphonat.

Diskussion Die Häufigkeit des FKD wird im Schrifttum unterschiedlich angegeben. Auffallend ist die Diskrepanz zwischen der großen Häufigkeit im amerikanischen Schrifttum und der viel geringeren im eigenen Krankengut. So geben Sontag und Pyle (12) unter 200 gesunden Kindern eine Häufigkeit

von 53% bei Knaben und 22% bei Mädchen, Cafley (1) unter 154 gesunden Kindern eine Häufigkeit von 41,8% bei Knaben und 31% bei Mädchen und Selby (11) unter 66 gesunden Kindern eine Häufigkeit von 77% bei Knaben und 29% bei Mädchen an. Demgegenüber steht im eigenen Krankengut eine weit geringere Häufigkeit von nur 0,84% in den vergleichbaren Altersgruppen, männliche und weibliche Patienten zusammengefaßt. Das männliche Geschlecht ist bevorzugt. Eine familiäre Häufung wird von Selby (11) berichtet. Die Lokalisationen sind übereinstimmend mit abnehmender Häufigkeit die distale Femurmetaphyse, die proximale Tibiametaphyse, die distale Tibiametaphyse und distale Fibulametaphyse. Bevorzugte Lokalisation ist die dorsomediale Zirkumferenz der distalen Femurmetaphyse, wo sich fünf der eigenen zwölf FKD fanden (1). Sehr selten wird ein FKD auch in der Metaphyse von langen Röhrenknochen der oberen Extremität gefunden (1, 3). Gelegentlich können zwei Metaphysen und mehr gleichzeitig betrof-

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Fibrous cortical defects

Der fibröse Kortikalisdefekt

Fortschr. Röntgensrr. 128, 5

Abb. 1. In der distalen medialen Metaphyse gelegene rundliche 1 > 1 cm messende kortikale Aufhellung, dic gcgcnüher dem umgebenden Knochengewebe scharf demarkicrt ist. Die geringe Größe in Verbindung mit einer nur angedeuteten Skierosierung des Randes sind Zeichen eines frisch aufgerrerenen fihrösen Kortikalisdefekres.

M. Schmidt u. Mitarb.

Abb. 2. Kontrollaufnahme des in Abb. 1 gezeigten FKD nach 1112 Jahren. Der FKD hat eine längsovale Form angenommen, ist

deutlich größer geworden und zur Diaphyse hin gewandert. Der Rand ist jetzt deutlich sklerosiert.

feo sein (1, 5, 11). Diese Knochenveränderung wird nicht vor dem zweiten Lebensjahr und selten nach dem zwanzigsten Lebensjahr beobachtet (3, 5, 11). Sie stellt regelmäßig wie auch im eigenen Krankengut einen Zufallsbefund dar (3, 5). Selten werden von den T;ägern geringfügige Schmerzen im Bereich einer solchen Knochenveränderung angegeben (1, 3, 5, 11). Das Röntgenbild zeigt bei frisch aufgetretenen kortikalen Defekten (Abb. 1) eine rundliche in Nachbarschaft zur Epiphysenplatte exzentrisch in der Metaphyse gelegene Aufhellung, die gegenüber dem umgebenden Knochcngewebe scharf dernarkiert ist. Der Rand ist teilweise oder ganz skierosiert. Mit zunehmendem Längcnwachstum wandert

Abb. 3. Die Tangentialaufnahme des FKD lassen diesen in die Kortikalis lokalisieren. Der FKD ist zum Periost hin teilweise noch von einer feinen Korrikalislamelle begrenzt, teilweise ist eine kor-

tikale Grenzlamelle nicht mehr nachzuweisen.

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In die mediale Zirkumferenz der proximalen Tihiametaphyse sich lokalisierender FDK, der als Zeichen seiner Rückbildung bereits von kompaktem Knochengewehe vollständig ausgefüllt ist, so daß et gegenüber der Umgehung dichter imponiert.

Abb. 5. Sehr großer in die distalc Mcta- und Diaphyse sich lokalisierender FKD, bei dem durch mehrfache Frakturierung der Kortikalis der Eindruck unruhiger Knochenstrukturen und osteo-

der FKD in Richtung Diaphyse und nimmt eine längsovale Form an, wie Abb. 2 des gleichen Patienten auf der Kontrollaufnahme nach 11/2 Jahren zeigt. Die wenige mm breite Randzone bildet häufig sklerosierte, in die Aufhellung hineinziehende Ausläufer, so daß eine Septierung vorgetäuscht

f ache Knochenzyste, Chondromyxoidfibrom, Enchondrom, Osteoidosteom und intraossärem Ganglion meist gelingt. Bei all den differentialdiagnostisch in Frage kommenden Knochenläsionen findet man im Gegensatz zum FKD keine Beschränkung auf die Kortikalis, eine großzügige Beteiligung des spongiösen Knochens und des Markraumes, ausgedehnte Vorwölbungen der Kortikalis, unregelmäßige sehr ausgedehnte Sklerosierungen der Kortikalis und Spongiosa

Abb. 4.

wird. Mit Hilfe von Tangentialaufnahmen (Abb. 3) und Schichtaufnahmen läßt sich die Knochenveränderung in die Kortikalis lokalisieren und vor allem von zystischen Knochenprozessen differenzieren. Wie auf Tangentialaufn ahmen zu erkennen ist, kann der FKD zum Periost hin teilweise noch von einer feinen Kortikalislamelle begrenzt sein, die umschrieben auch etwas uhrglasartig vorgewölbt sein kann, teilweise aber auch keine kortikale Begrenzung mehr

zum Periost hin aufweist. Bei länger bestehendem FKD ist dann als Zeichen der Rückbildung die ehemalige fibrös bedingte Aufhellung in der Kortikalis von kompaktem Knochengewebe ausgefüllt (3). Einen solchen schon länger

bestehenden FKD am Ubergang von der Metaphyse zur Diaphyse der proximalen Tibia zeigt Abb. 4. Schließlich verliert das den FKD ausfüllende kompakte Knochengewebe

an Dichte, so daß er vom umgebenden Knochengewebe nicht mehr zu unterscheiden ist. Das Röntgenbild des FKD ist aufgrund seiner Lokalisation,

Makromorphologie und seiner Metamorphose in der Verlaufsbeobachtung so typisch, daß eine differentialdiagnostische Abgrenzung gegenüber röntgenologisch auf Ubersichtsaufnahmen ähnlich imponierenden Knochenläsioncn wie Riesenzelltumor, ancurysmatische Knochenzyste, ein-

lyrischer Knochendefekte entsteht.

und unscharf begrenzte Osteolysen sowie auch Periostreaktionen. Diese Knochenläsionen sind häufig in der Epiphyse lokalisiert und ergreifen die Kortikalis von der spongiösen Seite her. Meist ergeben letztere Knochenläsionen

auch im Gegensatz zum FKD und als Ausdruck eines gesteigerten Knochenumsatzes eine pathologische Aktivitätsanreicherung ins Knochenszintigramm. Differentialdiagnostische Schwierigkeiten gegenüber anderen benignen oder auch malignen Knochenveränderungen

sind selten. Von den eigenen zwölf Fällen bereitete die Diagnose in einem Falle Schwierigkeiten, bei dem es zu einer Frakturierung der Kortikalis im Bereich eines großen in der distalen Tibia gelegenen FKD gekommen war (Abb. S). Infolge Uberlagerung des FKD durch mehrere ausgesprengte Kortikalisstücke entstand der Eindruck unruhiger Knochen-

strukturen und osteolytischer Defekte, so daß auf eine operative Revision und histologische Sicherung nicht verzichtet werden konnte. Operativ fand sich zwischen einem intakten Periost und einer verdünnten Kortikalis, die durch das Trauma mehrfach frakturiert war, ein homogenes

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Der fibrösc Kortikalisdefekr

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M. Schmidt u. Mitarb.: Der fibröse Kortikalisdefekt

Fortschr. Röntgenstr. 128, 5

eindringt. Schlüssige Beweise für diese diskutierten Ursachen fehlen. Die Kenntnis des für einen FKD charakteristischen Röntgenbildes trägt dazu bei, unnötige operative Eingriffe am Knochen des Jugendlichen zu vermeiden. Für die Uberlassung des Dias der Histologie sei Herrn Dr. med P. H. Wünsch, Patholog. Institut der Universität Würzburg, DirekAbb. 6. Histologischer Schnitt des in Abb. 5 gezeigten großen FKD, der operativ entfernt wurde. Dic Histologie zeigt faserreiche Strukturen mit reichlich Fibroblasten und Fibrozyten, eingestreut einige mehrkernige Zellen, die an Osteoblasten erinnern und einige pigmentreiche Makrophagen.

festes braunes Gewebe, das vollständig entfernt werden konnte. Die histologische Untersuchung (Pathologisches Institut der Universität Würzburg, Einlauf-Nr. 41 800/76) (Abb. 6) zeigt faserreiche Strukturen mit reichlich Fibroblasten und Fibrozyten, daneben einige mehrkernige Zellen, die an Osteoblasten erinnern. Eingestreut sind immer wieder pigmentreiche Makrophagen. Diese Gewebsformationen haben nirgends direkt Kontakt mit der Knochensubstanz. Atypische Zellelemente sind nicht nachzuweisen. Der Pathologe stellte die Diagnose: ,,Metaphysärer fibröser Kortikalisdefekt" und machte darauf aufmerksam, daß die end-

tor: Prof. Dr. H. W. Altmann, vielmals gedankt. Literatur (I)

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(1941) 185

gültige Diagnose nur im Zusammenhang mit dem für diese Knochenläsion typischen Röntgenbild gestellt werden kann.

Uber die Ätiologie des FKD werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Sontag und Pyle (12) sehen die Ursache

the distal femoral metaphysis of

children,

Dr. med. M. Schmidt, Radiologisches Institut, Allgemeines Krankenhaus Bamberg, Untere Sandstraße 32, 8600 Bamberg

Amer.

J.

Roentgenol. 46

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in Knorpelresten, die von der Epiphysenplatte in der Kortikalis nach metaphysär wandern. Jaflé und Lichtenstein (6) sehen den Ursprung in einer Wucherung des Markbindegewebes. Caffey (1) diskutiert als Ursache wiederholte exogene Mikrotraumen und eine Traumatisierung des Periostes durch exzessiven Zug der Muskelursprünge und Muskelansätze am Periost, was eine Proliferation von fibrösem Gewebe auslösen soll, das in die darunterliegende Kortikalis

[Fibrous cortical defects (author's transl)].

Fortschr. Rôntgenstr. 128, 5 521 Fortschr. Röntgenstr. 128,5 (1978) 521-524 Von M. Schmidt, H. J. Thiel und J. Spitz 6 Abbildungen Radiologisches...
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