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Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) aus ophthalmologischer Sicht H. Huismans Nordenham

Die familiäre adenomatOse Polyposis (FAP) ist eine autosomal dominant vererbbare Prgkanzerose. Charakteristische Augenhintergrundsveranderungen enlauben die Diagnosestellung bereits im prasymptomatischen Krankheitsstadium. Von vitaler Bedeutung ist die fruhzeitige Erkennung sporadischer Polyposis recti et coli-Falle, die an der Gesamtzahl allen Polyposispatienten etwa 40% ausmachen: im Gegen-

satz zu den meist bekannten Risikofamilien kOnnen letztere epidemiologisch nicht erfallt werden. Ihnen und ihren Nachfolgegenerationen drohen die gleichen Komplikationen. Am Augenhintergrund lassen sich Unterschiede in der Morphologic der bilateral und multipel auftretenden retinalen Dysplasien gegenuber ,,echten" FAP-Patienten nicht erkennen.

Familial Adenomatous Polyposis (FAP) from Ophthalmological View of Point Familial adenomatous polyposis is domi-

nant autosomal heritable and pre-cancerous. Characteristic changes of ocular fundus, multiple and bilateral retinal dysplasias, permit diagnosis in presymptomatic stage, significant especially not at least for sporadic cases of polyposis recti and coli, which are 40 per-cent of all. Contrary to often wellknown risk-families this group can't be realized epidemiologically, but complications are the same.

bei der FAP und dem Gardner-Syndrom I (Trias: Polyposis coli, multiple Osteome und Epidermoidzysten) um verschiedene Mutationen des gleichen Gens (Friedel u. Mitarb. 1991). Etwa 40¾ der Falle treten sporadisch auf; es handelt sich in erster Linie um Neumutationen. — Epide-

miologischen Daten aus Danemark zufolge ist bei der

FAP mit einer mittleren jahrlichen Inzidenz von 1,3 auf I Million, einer Pravalenz von 1 pro 10000 Einwohner (BOlow 1989) zu rechnen. Bereits im prasymptomatischen Stadium der FAP sind am Augenhintergrund charakteristische retinale Dysplasien, bei etwa 85¾ der an Polyposiscoli-Erkrankten, festzustellen. Aus diesem Grunde kommt der ophthalmologischen Untersuchung eine ganz besondere Bedeutung zu (Tabelle 2). Eigene Beobachtungen

Fall 1: IL, L. 38 Jahre Familienanamnese: Grollvater mutterlicherseits, sowie em Bruder des Grollvaters, fruhzeitig an Darmkrebs, bei Polyposis coli et recti, verstorben. Desgleichen die Mutter im Alter von 49 Jahren (vergl. Stammbaum, Abb. 1). Todesursache des Vaters (70 J.): Leberzirrhose. Von den 6 Geschwistern sind 2 Bruder (F. L. und E. L.) an FAP erkrankt.

Eigenanamnese: auller einer Appendektomie (1960) und einer linksseitigen Meniskusoperation zunOchst unauffallig. Tm Alter von 26 Jahren zunttchst gelegentliche mehrtägige Diarrhoen (tgl. bis zu etwa lOmal Stuhlgang; walIng schleimig mit fadigen Blutbeimengungen; im beschwerdefreien Intervall normaler, geformter Stuhi). Befund: Im Rahmen einer stationären internistischen Untersuchung wurden derzeit folgende Befunde erhoben:

Einleitung

Klinisches Leitsymptom der FAP sind multiple kolorektale adenomatOse Polypen, die em hohes Risiko zur malignen Entartung in sich tragen. Auch im Magen und Duodenum werden sie nicht selten zusätzlich beobachtet. Mittlerweile wurde eine Vielzahl extrakolonischer Begleitsymptome gefunden, zu deren bedeutendsten endokrine Karzinome (SchilddrUse, Nebennieren, Ovarien) zahlen (Tabelle 1). — Die Präkanzerose wird autosomal dominant, Penetranz 9507, vererbt. Das FAP-Gen

konnte auf dem langen Arm des Chromosoms Nr. 5

Chromosomenabschnitt q2 I -q22' kartiert werden. Nach

jungsten humangenetischen Forschungen handelt es sich

Guter AZ und EZ, KG 68 kg; Korpergrolle 170 cm. RR rechts 170/105, links 165/100 mmHg. — Gering vergrOl3erte Kieferwinkellymphknoten. Herz und Lunge perkutonisch und auskultatorisch unauffallig. EKG regelrecht. Mittlere BWS klopfschmerzhaft bei leichter rechtskonvexer Skoliose. BKS 3/8

mm (n. W.); Hb 15,1 g%; Ery. 5,17 Mio.; HK 43,6%; HbE 29,4; Leuko 6500; 1 Stabk.; 56 Segmentk.; 39 Lympho.; 3 Eos.; I Baso. Amylase im Serum 20 E/1, im Ham 159,8 E/1. SGOT 9,5 mU; SGPT 9,8 mU; alkalische Phosphatase 186 mU; Bilirubin

0,54 mg%; Kreatinin 1,03 mg; Quick 65%, PTT 29,8 Sek.; Thrombozyten 247000; Urin: Eiweill und Zucker negativ; Sedimentbefund unauffallig. Rektoskopie: rasenartige Polyposis recti et coli.

Probeexzision und histologische Untersuchung eines Polypen: kein Anhalt fur Malignitat. Tubulares Adenom der Rektumschleimhaut mit malIig stark ausgepragter Epitheldysplasie.

Kiln. Mbl. Augenheilk. 200 (1992) 213—218

1992 F. Enke Verlag Stuttgart

Gastroskopie: unauffallig.

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Zusammenfassung

214 KIln. MbI. Augenheilk. 200 (1992) Tab. 1

H. Huismans

Zusammenstellung diagnosttscher und therapeutischer Malnahmen be FAR macb Literatur)

Anarnnese

Genetische FAP-Belastung?

Molekulargenetische Untersuchung

Deletion des Chromosoms 5 (Abschnitt q21—q22)? 40% der FäIIe sporadisch (uberwiegend Neumutationen) Erforderlich: Einmalige Einsendung von 20 ml EDTA-antikoagulierten Voilbiutes zur Erkennung der Merkma(sträger und Abschätzen des Erkrankungsrisikos (Humangenetisches Institut der Univ. Bonn; W-5300 Bonn, Wilhelmstral?,e 31)

Klinisch

(unbestimmte) Abdominalsymptome? Rektale Blutungen; Diarrhoe?

Ophthalmologische Untersuchung

Befunde: siehe Tabelle 2

Dermatologische Untersuchung

Nachweis mu)tipler Atherome, Dermoidzysten, kutaner Fibrome, Leiomyome; verkalkte Pigmentnävi?

Radiologische Untersuchung

Nachweis multipler Osteome, Osteofibrome? Schädel lder Häufigkeit nach): Ober- und Unterkiefer; Siebbein; Keilbein; Stirn-, Scheitel, Jochbein (Facies leontina) Lange Röhrenknochen Rippen

Biopsie und histologische Untersuchung

auch: Geschwister u. Kinder eines sporadischen Falles!)

Rektoskopie (10—40. Lebensjahr): aIle 2 Jahre (41—60. Lebensjahr): aIle 3—5 Jahre Koloskopie )bei rektoskopischer Diagnose) Gastroduodenoskopie: ab 20 Lebensjahr (AusschluR extrakolonischer Manifestationen (Adenome im Magen, Duodenum?) AusschluR endokriner Karzinome (Schilddruse; Nebennieren; Ovarien)

AdenomgroRe

Zwischen 0,3 bis 3 cm (je gröIer, desto hdher das Entartungsrisiko)

Risikopersonen: (Verwandte I. Grades;

Therapie

a) chirurgisch

Prophylaktische Intervention bei Risikopatienten: 16.—i 8. Lebensjahr sowie bei gesicherter Diagnose: 1. Sphincter-ani-erhaltende Methode (= Verfahren der Wahi): Totale Kolektomie mit Proktomukosektomie u. ileo-analer Pouchbildung (lAP) 2. Subtotale Kolektomie mit ileo-rektaler Anastomose (IRA) Nachteil: Erhaltenbleiben befallener Rektumschleimhaut 3. Totale Proktokolektomie mit terminalem Ileostoma Nachteil: lebenslanges Ileostoma Nachsorge: Endoskopie des Neorektums

b) Antiöstrogene

Desmoide rn Mesenterium und/oder in der Mesenterialwurze( sind radikaler chirurgischer oder radiologischer (Gefbhrdung des Dünndarms) Therapie nicht zugänglich Therapieversuch mit Tamoxifen indi2iert Desmoide können zur Dünndarmkompression mit nachfolgendem Ileus führen

c) Extra-kolonische und diverse Manifestation

Falls therapeutisch zugänglich: nach den Grundsbtzen des Faches

MDP: Polyposis coli; besonders starke Auspragung im Rektum, Sigma und unterem Colon descendens.

Weitere Befunde der letzten Jahre: Auftreten ei-

ncr ,,symptomatischen Epilepsie". Normales CT. EEG: keine Herdpotentiale. 1991: Feststellung dries Leberschadens. GOT 19

Im Alter von 27 Jahren totale Kolektomie U/I; GPT 44 U/l; Gamma-GT 108 U/I; LDH 539 U/I; BKS 68/ mit Ileoanastomosie und Ileum-Pouch; protektive Ileostomie 76 mm (n. W.). Kalium 3,31, Kalzium 1,96 mval/l. Hb 17 g/dl; (Prof. Reifferscheid, Aachen). Ileostomieverschlul3 4 Monate HK 53¾; RR 160/105 mmHg: Sigmoidoskopie: kranial des Afspbter. Im Intervall Abszef3bildung im rechten Leistenbereich. Enterokutane Fistelbildung.

ters, uber eine Strecke von etwa 10 cm stbrkere entzUndliche Veranderungen der Schleimhaut: Biopsie: schwere chronische EntzUndung mit weitgehender Zottenatrophie. Gastroenteroskopie:

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Diagnostik (präsymptomatisch/symptomatisch) Krankheitserscheinungen nicht vor dem 10. Lebensjahr manifest U) In der 3. Lebensdekade bereits bei 1A der Patienten em Karzinom (!)

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Familiare adenomcitose Polyposis (FAP) Tab. 2 Augenbefunde bei FAP Inach Literatur und eigenen Beobachtungen) Ophthalmoskopische Befunde (Netzhautbeteiligung in etwa 85% der FAP-Fdlle)

Retinale Dysplasien IHyper- und Hypopigmentation); CHRPE ICongenital Hypertrophy of the Retinal Pigment Epithelium) Charakterist:sch: 1 . Multiple Ldsionen, keine Grupprerung 2. Bilaterales Vorkommen

Weitere Augenbefunde: Sebschdrfe: makulare Lokalisation unbekannt; abhdngig von amer etwaigen Refraktionsanomalie; in der Regal nicht eingeschränkt. Gesichtsfelder: absolute Skotome in Abhangigkeit von der Lokalisation der Läsionen Fluoreszenzangiographie: Maskierung der chorioidalen Fluoreszenz rn Ldsionsbereich. EOG; ERG: unverändert VEP: unveràndert Nicht-entzundlicher Exophtha)mus: unmittelbare (Orbital oder indirekte (über die Nasennebenhdhlen) Beteiligung der den Schddelknochen bevorzugenden multiplen Osteome oder Osteofibrome) Histopatbologische Befunde: Erhebliche Verdickung der Basalmembran; einzellige, mit groSen runden Pigmentkornern gefUllte Pigmentepithelschicht; abrupt im Gesunden lokalisiert. Weitgebende Degeneration darUberliegender Photorezeptoren. Lakunen; Pigmentepitbel und Photorezeptorenschicbt vdllig verschwunden, durch gewucherte Gliazellen ersetzt.

Gesichtsfelder: jeweils den retinalen Dysplasien entsprechende absolute Skotome. Es besteht Farbttichtigkeit. 1905

1975

Fall 2: Frank L. 26 Jahre 19€5

Eigenanamnese: Masern; im Alter von 3 Jahren

(Fall 2)

Entfernung von Nasen- und Rachenpolypen. Im Alter von 15

Abb. 1 Starnrnbaum der Familie L mit farnilidrer adenomatoser Polyposis •• = erkrankt

Jahren wurde er im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung bei familiarer Polyposis recti et coli internistisch untersucht. Der Befund war positiv. Bis auf gelegentliche Phasen 3 Tage anhaltender, nicht-blutiger, Diarrhoen, subjektiv voJlig bescherdefrei; die

(Fall 1)

Durchfalle treten seiner Meinung nach beim Durchgang von Wetterfronten vermehrt auf.

Osopliagitis; Antrumgastritis; Bulbitis. Gastroskopie: mehrere Dunndarmpolypen.

Befunde im Rahmen der stationären Untersuchung 1980:

Augenanamnese und Befunde

l5jahriger Patient. Outer AZ und EZ. Auskultatorisch leises, uncharakteristisches Systolikum und Spaltung einer internistischen Konsiliaruntersuchung. Fragestellung: Netz- des 2. Herztones. Lungenbefund unauffallig. Abdomen: regelrechte Befunde. Labor: BKS 4/15 mm (n. W.); Hb 15,2 g°7o; hautveranderungen bei FAP. Fry. 5,02 Mio.; HK 43,5%; HbE 30; Leuko. 9000; Segmentk. Orthophorie. SR/SL 0,6 s.c.-Refraktion; RA. 84; Lympho. 15; Mono 1. — RR bds. 145/85 mmHg (im Lie+0,25 sph.; LA +0,25 sph. —0,5 zyl/O°. Brechende Medien gen. kiar. Rektoskopie: Rektumpolyposis; die distalen 6 cm bis zum Anus frei. Histologic: tubulare Adenome mit gering Augenhintergrund: Sehnervenpapille, Netzhautmitte und -Gefal3e regelrecht. In der mittleren Peripherie bds. ausgepragter Epitheldysplasie. Augenarzt1iche Erstuntersuchung im Rahmen

diffuse dysplastische Herde (s. Abb. 2) unterschiedlicher GroBe,

die sich von ihrer Morphologie her wenig voneinander unterscheiden.

Kolonkontrasteinlauf: einzeln stehende, bis gut pfefferkorngroBe Polypen im Sigma und unteren Colon descendens, sowie im Bereich der linken Flexur.

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3. Diffuse )wahllosel Lokalisation 4. Morphologie a) kleine ovale Pigmentflecke lDurchmesser: 50—100 jim); lAbb. 8, 9) b) elliptische odor runde Pigmentflecke lDurchmesser: 2,5 PD und rrehr): flach, scharfe Abgrenzung gegenuber der ,,gesunden Netzhaut"; mit oder ohne hellem Randsaum )Pigmentepitbelatroph:e; Halo"); lAbb. 41 c) elliptisch konfigurierte retino-chorioidale Atrophien mit sichtbarer Sklera lDurchmesser: 1/5 bis zu mehreren PDI; Randzone mehr oder wen:ger intensiv pigmentiert (Bild der uncharakteristischen ,,chorioretinitischen Narbe"; die Hyperpigmentation fir'.det sich uberwiegend am oberen und meist breiterem Pol der oft radidr zur Papille angeordneten dysplastischen Herde Ivergl. Abb. 3: Blair u. Mitarb , 1980); Polkinghome u. Mitarb., 1990; Huismans, 1980 )Abb. 3, 5, 6, 7, 8). Auch völliges Fehlen von Pigment wird beobachtet (,,depigmentierte Lakunen") 5. Pathognomonisch: Kombiniertes Vorkommen von a—c

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H. Huismans

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T4

j

Abb. 2 Dysplastischer Herd, der vom gesuriden Netzhautgewebe durch eine unregeirnalfig breite Zone rarefizierter NetzhautAderhaut abgegrenzt st. Die Pigrnentschicht st teils homogen, teils finden sich eingestreute Pigmentgranula unterschiedlicher GraZe. Die NetzhautgefãRe setsen ihre Verlaufsrichtung unbehelligi fort, sie sind lediglich etwas ahgesenkt" Abb. 3 Vital gefdrbte hochovalare Sehnervenpapille in einem dysplastischen Areal. Die Veranderung kann Ieicht mit einem Conus myopicus verwechselt werden. Bei der Erstuntersuchung war der jetzt narbige Bezirk zwischen 7 und 9 Uhr tiefschwarz und homogen pigmentiert I!) Abb. 4 Etwa 5-PD-groZes, schrag-ovalares dysplastisches Areal in der mittleren Fundusperipherie. Auch dieses Areal war bei der Erstuntersuchung dieses Patienten im Alter von 7 Jahren noch homogen pigmentiert I!) Abb. 5 GefäRparalleler dysplastischer Herd. Nasal-oben: Teilausschnitt eines weiteren Herdes (Abb. 7) Abb. 6 GefdRparalleler dy'spiastischer Herd. In der Tiefe einzelne AderbautgefdZe sichtbar Abb. 7 Etwa 3,5-PD-gro1er, langgestreckter dysplastischer Herd . ,,Abgesenkte' NetzbautgefdZe laufen den atropbischen Grund. CborioidalgefdRdste sind zusdtzlicb abgrenzbar Abb. 8 Relativ kräftig pigmentierte, stabfbrmige Pigmenthyperplasie in pigmentarmer Netzhaut Abb. 9 Isolierte Pigmenthyperplasie in der mittleren Netzhautperiphene

Sigmoidoskopie (1982): uberall vereinzelt stehende reiskorngroBe mehr breitbasig aufsitzende Polypen im Sigma urid Rektum; keine Zunahme der PolypengrOlle und -Dichte. Histologie: wie zuvor. Kein Hinweis auf Malignitat.

Koloskopie (1989): irn Coecum kleine reiskorngroIle Polypen; Bauhin'sche Kiappe unverandert. Im Bereich der rechten Flexur und des Colon transversum multiple mehr breitbasige, bis rosinengrolle Polypen; nahezu vollige Aussparung des

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Fcimiliare adenomaiOse Polyposis (FAP) Colon descendens. Im Sigma und Rektum wieder Zunahme der Polypen: hier finden sich auch vereinzelt gestielte Polypen bis zu Erbsengrolle. Histologie: tubuläre Adenome der Colonschleimhaut. Kein Malignitatsverdacht.

Charakteristikum Ophthalmologisches sind vor allem retinale Dysplasien; der eingeburgerte Be-

griff ,,CHRPE" (congenital hypertrophy of the retinal

pigment epithelium) wird dem Nebeneinander von Hyper-, Hypotrophie bzw. Atrophie nicht gerecht. 0 ffensichtlich Augenanamnese und Befunde aber sind retinale Hyperplasien primare Manifestation des Im Alter von 7 Jabren Schieloperation wegen Leidens am Augenhintergrund, während allmahliche Urnalternierendem Strabismus divergens. Refraktion RA, —6,0 gestaltung zur ,,unspezifischen chorioretinitischen Narbe" sph. —2,5 zyl/15° (= 0,3); LA. —5,0 sph. —1,5 zyl/10° (= Endstadium sind. Diese Hypothese ist unter Berucksichtigung des beschriebenen Falles 2 berechtigt. Bei der Erst0,4). Postoperativ Paralleistand. Brechende Medien klar. untersuchung des Patienten im Alter von 7 Jahren hat em Augenhintergrund (1972): am linken Fundus derzeit 2,5-PD-grol3er homogener Pigmentfleck nasal der etwa 1,5 PD-groller, homogen pigmentierter schragovalarer Papille seine Morphologie bis zum 26. Lebensjahr grundNetzhautherd nasal der Sehnervenpapille und gering unterhalb legend verandert; geblieben sind seine GroIle, schragovader gedachten Verbindungslinie: Makula-Papille; desgleichen palare Form und scharfe Begrenzung, während das Pigment rapapillar bei 7 Uhr. Fundus flavus bds.

nur noch seine Randpartie säumt (Abb. 4). Gleiches gilt

Befunde: Refraktion RA. — 15,0 sph. —3,5 zyl/0° (= 0,2); LA. — 16,0 sph. —2,0 zyl/l7O° (= 0,3). Es besteht Farbtuchtigkeit. Das mesopische Sehen ist erheblich eingeschrankt. Gesichtsfelder: bds. mehrere kleine, absolute Skotome parazentral. — Augeninnendruck appi. rechts 14, links 17 mmHg. Brechende Medien klar. Augenhintergrund rechtes Auge/linkes Auge: siehe Abbildungen 3-9. Bulbus-Orbitaechogramm: myopischer Langbau des Bulbus, im Ubrigen unauffallig.

dysplastische Herd in Abbildung 4 unterscheiden sich von den in der Regel mehr irregularen myopischen Dehnungsveranderungen bei exzessiver Myopie. Moglicherweise fin-

det sich die ,,CHRPE" in ihrer klassischen Form beim Gardner-Syndrom, eine ,,CDRPE" (congenital dysplasia of retinal pigment epithelium, Huismcins 1991) hingegen bei der FAP.

Retinale Pigmentverschiebungen, wie sie Diskussion

im Fall 2 unserer Kasuistik beschrieben wurden, sind nicht ungewohnlich und wurden vom Verfasser bei einer tapeto-

retinalen Degeneration gefunden und fotodokumentiert interdiszipli närer Leitartikel im Deutschen Arzteblatt zur FAP (1991), allerdings ohne eine Em

(Huismans 1980, 1986, 1990). Neben ovalren bzw. elliptischen Netzhautherden finden sich, ebenfalls jeweils in Geintegrierte ophthalmologische Beteiligung, und unmittel- faBnahe und uberwiegend radiar gefal3parallel, spindelbare fachliche Konfrontation mit der Präkanzerose im formige. Der obere Pol weist wiederum einen PigmentRahmen einer konsiliarischen Untersuchung, waren Anlall saum auf, wahrend sich kaudalwarts eine chorioretinale zu intensiven wissenschaftlichen Recherchen. Atrophiezone anzuschliellen pflegt, wobei sich letztere mitunter linear papillenwarts fortsetzen kann.

Im Gegensatz zum angloamerikanischen ophthalmologischen Schrifttum, findet das Erbleiden in der deutschsprachigen Fachliteratur kaum Erwahnung. Dieses ist insofern unverstdndlich, als die FAP durch charakteristische Augenhintergrundsveranderungen bereits im prasymptomatischen Stadium eine Diagnose gestattet. Dieses ist besonders fur sporadische Polyposisfalle — sie machen epidemiologischen Untersuchungen zufolge immerhin einen Anteil von etwa 40o an der Gesamtzahl aller Faller dieser Erkrankung aus — von aullerordentlicher,

Ophthalmoskopisch ist es durchaus moglich, einen FAP-Gentrager bei Kombination von Risikopatient und retinalen Dysplasien zu identifizieren. Weisen einzelne Risikopatienten der gleichen Sippe tiberhaupt keine Fundusvernderungen auf, so kann daraus auf em vermindertes Erkrankungsrisiko geschiossen werden.

wenn nicht vitaler Bedeutung: wie erwahnt, findet sich be-

reits in der 3. Lebensdekade bei etwa '/ aller Polyposispatienten em Darmkarzinom. Eine prophylaktische chirurgische Intervention wird daher bei Risikopatienten — hierzu zhlen sowohl Verwandte 1. Grades als auch Geschwister und Kinder eines sporadischen Falles — bei Nachweis einer Polyposis coli et recti, bereits zwischen dem 16. und 18. Lebensjahr empfohlen. Vielfach werden, aufgrund weitgehender klinisch-symptomatischer Ubereinstimmung, FAP und das Gardner-Syndrom als Synonyma betrachtet, wenngleich jungsten erbbiologischen Forschungsergebnissen zufolge beide Krankheitsbilder als unterschiedliche Mutationen des Chromosoms Nr. 5 anzusehen sind.

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In den nachsten Jahren sporadische augenarztli- fur eine Dysplasie parapapillar bei 7 Uhr (Abb. 3). che Untersuchung in Begleitung der Pflegeeltern; von der FAP wurde nichts erwahnt (!). Gezielte Nachuntersuchung nach Sowohl der ,,Conus myopicus", besser Kenntnis der familiaren Polyposis recti et coli 1991: atrophischer Halo, in der Abbildung 3, als auch der groBe

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Manuskript crstmals eingereicht 24. 6. 1991, zur Publikation in der vorliegenden Form angenommen: 22. 7. 1991

Dr. med. Horst Huismans Augenarzt

v.-Helmholtz-Stral3e 4 W-2890 Nordenham

Syndrom. Significance of Ocular Features. Ophthal-

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mology 91(1984) 916—925

[Familial adenomatous polyposis from the ophthalmologic viewpoint].

Familial adenomatous polyposis is dominant autosomal heritable and pre-cancerous. Characteristic changes of ocular fundus, multiple and bilateral reti...
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