Übersichten Med Klin Intensivmed Notfmed DOI 10.1007/s00063-015-0027-x Eingegangen: 14. Mai 2014 Überarbeitet: 19. Januar 2015 Angenommen: 18. Februar 2015 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 Redaktion

M. Buerke, Siegen

Die Lebertransplantation bedeutet für viele Patienten mit akutem und chronischem Leberversagen eine alternativlose lebensrettende Therapie. In den frühen Jahren nach Einführung der Lebertransplantation durch Thomas Starzl im Jahr 1963 waren neben akuten Abstoßungen und postoperativer Sepsis zunächst v. a. unkontrollierbare Blutungen für eine hohe Mortalität ursächlich [1]. Mangels anderer therapeutischer Optionen wurde unter der Vorstellung, mögliche Blutungskomplikationen dadurch vermeiden zu können, versucht, die oftmals derangierten Parameter der konventionellen laborchemischen Gerinnungsdiagnostik, wie Quick-Wert, aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) und Thrombozytenzahl, in den Normbereich anzuheben. Im Gegensatz dazu wird in der jüngeren Literatur vermehrt eine Assoziation zwischen der Gabe von Blutprodukten, wie Erythrozytenkonzentrate, gefrorenes Frischplasma (FFP), Thrombozytenkonzentrate, und einer erhöhten Morbidität und Mortalität beschrieben [2−5], die maßgeblich durch immunologisch und hypervolämisch bedingte kardiopulmonale Nebenwirkungen sowie bakterielle Infektionen bestimmt wird.

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Es wird eine Assoziation zwischen Blutproduktgabe und Mortalität beschrieben Hauptauslöser für Blutungskomplika­ tionen insbesondere im Rahmen der intraoperativen Transplantatreperfusion stellen Gerinnungsstörungen auf dem

A. Bienholz1,2 · A. Canbay3 · F.H. Saner1 1 Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, Universitätsklinikum Essen,

Universität Duisburg-Essen, Essen, Deutschland 2 Klinik für Nephrologie, Universitätsklinikum Essen, Universität Duisburg-Essen, Essen, Deutschland 3 Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie, Universitätsklinikum Essen, Universität Duisburg-Essen,

Essen, Deutschland

Gerinnungsdiagnostik und -therapie bei Leberinsuffizienz Boden der zugrunde liegenden Lebererkrankung sowie die Hyperfibrinolyse dar [6, 7]. Durch ein tieferes pathophysiologisches Verständnis der hepatisch bedingten Gerinnung(sstörungen), eine Verbesserung der chirurgischen Expertise, die Einführung spezieller Operationstechniken sowie eine patientennahe Gerinnungsdiagnostik und kausale Behandlungsansätze konnte eine signifikante Reduktion des Blutverlusts erzielt werden [8, 9]. Während in der einen Patientengruppe lebensbedrohliche Blutungskomplikationen die Prognose maßgeblich mitbestimmen, stehen insbesondere bei Patienten mit cholestatisch bedingter Lebererkrankung (primär sklerosierende Cholangitis und primär biliäre Zirrhose) häufig thrombembolische Komplikationen im Vordergrund [10].

ten mit uneingeschränkter Leberfunktion um mehr als 100 % erhöht. Zudem korreliert das Auftreten einer Pfortaderthrombose mit dem Schweregrad einer Leberzirrhose [12], obwohl das konventionelle Gerinnungslabor zunehmend pathologisch in Erscheinung tritt. Neben einer herabgesetzten Perfusion der Pfortader [13] scheint hier auch eine Prothrombingenmutation eine Rolle zu spielen [14]. Pathophysiologisches Verständnis und eine patientennahe Gerinnungsdiagnostik ermöglichen eine an die hepatische Gerinnungsstörung angepasste Antikoagulation.

Bei cholestatisch bedingter Lebererkrankung stehen Thrombembolien im Vordergrund

Die im Rahmen eines akuten Leberversagens oder einer dekompensierten Leberzirrhose auftretenden Veränderungen der Gerinnung können nicht allein auf ein erhöhtes Blutungsrisiko reduziert werden [15, 16]. Durch die Lebererkrankung hervorgerufene Veränderungen der Endothelfunktion, der Thrombozytenzahl und der Konzentrationen von gerinnungsfördernden und -hemmenden Faktoren führen zu einem vom Gesunden abweichenden hämostatischen Gleichgewicht, das durch seine Instabilität gekennzeichnet ist. Schon minimale Veränderungen können zur Störung des Gleichgewichts und damit sowohl zum Auftreten von Blutungen als auch zu thrombembolischen Ereignissen führen [17].

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Unterstützende Daten hierzu finden sich auch im dänischen Register für Thrombosen und Thrombembolien [11]. Über einen Zeitraum von 25 Jahren (1980– 2005) konnten die Daten von 496.872 Patienten mit einer tiefen Venenthrombose erfasst werden, von denen 99.444 Patienten eine Lungenembolie entwickelten. Die Odds Ratio (OR) für die Entwicklung einer Lungenembolie lag bei Patienten, die eine Leberinsuffizienz aufwiesen, bei 2,06; das heißt, das Risiko für die Entwicklung einer Lungenembolie war bei diesen Patienten im Vergleich zu Patien-

Gerinnungsstörungen bei fortgeschrittener Leberinsuffizienz Pathophysiologie

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Übersichten

Thrombozytopenie, VitaminK-abhängige Gerinnungsfaktoren (II, VII, IX und X), Faktor V, Protein C und S, Antithrombin III, Faktor XI, Faktor XIII Antiplasmin, TAFI Plasminogen, α2Antithrombin, ADAMTS13

Dysfibrinogenämie, Thrombozytendysfunktion, retikuloendotheliale Dysfunktion

Lipopolysaccharide, vWF, „tissue factor“, Faktor VIII, tPA, „plasminogen activator inhibitor-1“

25–70% erniedrigt

Bis zu 200% erhöht

Blutungsneigung

Thromboseneigung Störungsanfälliges Gleichgewicht !

Der gestörten Produktion von Gerinnungsfaktoren sowie der regelmäßig nachweisbaren Thrombozytopenie steht ein erhöhter Serumspiegel des Von-Willebrand-Faktors (vWF) gegenüber [18], der hauptsächlich aus dem Endothel stammt und die Adhäsion zwischen Thrombozyten und Gefäßwand vermittelt. Im Rahmen der Leberinsuffizienz kommt es zu einer verminderten Produktion des vWFabbauenden Enzyms ADAMTS13 [19], wodurch die Auswirkungen der Thrombozytopenie auf die primäre Hämostase weitgehend kompensiert werden können. Bei fortgeschrittener Leberinsuffizienz ist die Konzentration der Gerinnungsfaktoren – insbesondere die der Vitamin-Kabhängigen Faktoren II, VII, IX und X sowie Faktor V – deutlich erniedrigt, während es gewöhnlich zu einem Anstieg des im Endothel produzierten und sezernierten Faktor VIII kommt [20]. Bei Patienten mit stabiler Leberzirrhose finden sich in der Regel Fibrinogenkonzentrationen im Normbereich.

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Aufgrund einer Dysfibrinogenämie kann eine verminderte Clotbildung vorliegen Trotzdem kann aufgrund einer Dysfibrinogenämie, bedingt durch ein Missverhältnis von Fibrinogen und Sialinsäure, eine verminderte Clotbildung vorliegen [21].

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Einige der beschriebenen Effekte werden durch verschiedene ebenfalls im Rahmen der Leberfunktionseinschränkung auftretende Mechanismen auf Seiten der Gerinnungsinhibitoren kompensiert. So werden auch die beiden wichtigsten Inhibitoren der plasmatischen Gerinnung, die ebenfalls Vitamin-K-abhängigen Proteine C und S, bei fortgeschrittener Leberfunktionseinschränkung nur eingeschränkt synthetisiert. Auch der vornehmlich aus dem Endothel stammende „tissue factor pathway inhibitor“ scheint bei Leberinsuffizienz ebenso wie Antithrombin III reduziert [13, 22, 23]. Sowohl bei dekompensierter Leberzirrhose als auch bei akutem Leberversagen können erniedrigte Spiegel von Plasminogen, α2-Antiplasmin, thrombinaktivierbarem Fibrinolyseinhibitor und Faktor XIII nachgewiesen werden. Dem entgegen steht eine gesteigerte Freisetzung und ein verminderter hepatischer Abbau von „tissue plasminogen activator“ (tPA) und eine, wenn auch nicht im selben Ausmaß, Erhöhung des „plasminogen activator inhibitor-1“ [24]. Im Endeffekt erscheint die Gerinnung im Rahmen der fortgeschrittenen Leberfunktionseinschränkung, bei fehlendem Einfluss äußerer Faktoren, zunächst in sich balanciert und kompensiert, auch wenn das resultierende Gleichgewicht nicht dem eines Gesunden entspricht (. Abb. 1).

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Abb. 1 9 Störungsanfälliges Gleichgewicht der Hämostase bei fortgeschrittener Leberfunktionseinschränkung. (Mit freundl. Genehmigung mod. nach [17]

Konventionelle Gerinnungsdiagnostik und Blutungsrisiko Vor invasiven Eingriffen sollte bei Patienten mit fortgeschrittener Leberfunktionseinschränkung eine Abschätzung des Blutungsrisikos vorgenommen werden. Allerdings können die vielschichtigen Veränderungen im Rahmen der Leberinsuffizienz durch die konventionellen laborchemischen Gerinnungsparameter, wie Quick-Wert und aPTT, nur eingeschränkt abgebildet werden [25, 26].

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Bei Leberinsuffizienz bilden konventionelle Laborparameter die Gerinnungsveränderung nur eingeschränkt ab Nach Abzentrifugieren des Plasmas erfolgt nur eine Beurteilung der prokoagulatorischen Faktoren, während Interaktionen zwischen Gerinnungsfaktoren und Inhibitoren sowie Thrombozyten und Endothel keine Berücksichtigung finden. Bereits im Jahr 1981 wurde gezeigt, dass Blutungskomplikationen nach Leberbiopsie keine Korrelation mit dem Quick-Wert aufweisen [27]. Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose können auch ohne prokoagulatorisches Gerinnungsprofil Thrombosen entwickeln. So erfassen Quick-Wert und aPTT einen Mangel an gerinnungsfördernden Faktoren, ohne jedoch eine Abschätzung der antikoagulatorischen

Zusammenfassung · Abstract Faktoren Protein C und Protein S zu ermöglichen. Durch Zugabe von Thrombomodulin, einem am Endothel lokalisierten Thrombinrezeptor, werden Protein C und Protein S aktiviert, die wiederum die aktivierten Faktoren Va und VIIIa inhibieren können. DDSo kann durch Thrombomodulinzugabe eine Annäherung an In-vivo-Verhältnisse erzielt werden. Durch die Bestimmung des maximalen Thrombingenerierungspotenzials mittels Zugabe von Thrombomodulin gelingt eine bessere Abschätzung der in vivo vorliegenden Gerinnungsverhältnisse, als bei der alleinigen Erfassung der statischen Größen Quick-Wert und aPTT. Das Thrombingenerierungspotenzial nach Zugabe von Thrombomodulin scheint in der Einschätzung des Blutungsrisikos der konventionellen Gerinnungsdiagnostik überlegen [25, 26]. Auch das Vorliegen eines Faktor-XIIMangels führt zu einer aPTT-Verlängerung und suggeriert somit eine Blutungsneigung. In einer tierexperimentellen Studie wurde anhand von Faktor-XII-defizienten Knock-out-Mäusen gezeigt, dass gegenüber Wildtypmäusen keine erhöhte Blutungsneigung besteht [28]. In einer klinischen Studie wurde trotz einer verlängerten aPTT bei vorbestehendem FaktorXII-Mangel keine verstärkte Blutungsneigung nach einer Verletzung erkannt [29]. Faktor XII fördert vielmehr über eine Aktivierung von Plasminogen zu Plasmin die Fibrinolyse. Mangelzustände gehen daher eher mit einer Thromboseneigung einher. Eine aPTT-Verlängerung bei gleichzeitiger Quick-Wert-Erniedrigung darf daher nicht als „Autoantikoagulation“ betrachtet werden [30]. Interessanterweise neigen insbesondere Patienten mit cholestatischer Lebererkrankung zu thrombembolischen Gerinnungskomplikationen [10]. Trotz einer Syntheseabnahme der Vitamin-Kabhängigen Faktoren sowie von Faktor I, V und XIII kann bei gleichzeitig gesteigerter Freisetzung von vWF und Faktor VIII vorwiegend aus dem Endothel sogar bei Vorliegen einer Thrombozytopenie eine verstärkte Gerinnungsneigung resultieren [18, 31]. In Abhängigkeit von den äu-

Med Klin Intensivmed Notfmed  DOI 10.1007/s00063-015-0027-x © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 A. Bienholz · A. Canbay · F.H. Saner

Gerinnungsdiagnostik und -therapie bei Leberinsuffizienz Zusammenfassung Hintergrund.  Das Vorliegen einer fortgeschrittenen Leberfunktionseinschränkung geht mit komplexen Veränderungen der Gerinnung einher. Während in der einen Patientengruppe lebensbedrohliche Blutungskomplikationen die Prognose maßgeblich mitbestimmen, stehen insbesondere bei Patienten mit cholestatisch bedingter Lebererkrankung häufig thrombembolische Komplikationen im Vordergrund. Die Parameter der konventionellen laborchemischen Gerinnungsdiagnostik, wie Quick-Wert, aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) und Thrombozytenzahl, können das veränderte Gleichgewicht pro- und antikoagulatorischer Faktoren nicht vollständig erfassen und sind zur Abschätzung des Blutungs- bzw. Thromboserisikos bei Patienten mit akutem Leberversagen oder dekompensierter Leberzirrhose häufig nicht ausreichend. Diagnostik und Therapie.  Durch den Einsatz einer patientennahen Gerinnungsdiagnostik unter Anwendung der Thrombelastometrie/-

graphie, einer Thrombozytenfunktionstestung mittels Impedanzaggregometrie sowie gezielter Einzelfaktorenbestimmungen wird insbesondere bei Blutungskomplikationen oder im Rahmen invasiver Eingriffe eine zielgerichtete kausale Therapie der hepatischen Gerinnungsstörung ermöglicht. Dies konnte in den letzten Jahren insbesondere im Rahmen der Lebertransplantation nicht nur zu einer Reduktion der Blutungskomplikationen, sondern auch zu einer deutlichen Einsparung an nebenwirkungsbehafteten Transfusionen allogener Blutprodukte beitragen. Diskussion.  In der vorliegenden Übersichtsarbeit sollen die vielschichtigen pathophysiologischen Veränderungen der Hämostase bei fortgeschrittener Leberinsuffizienz dargestellt werden sowie Diagnosemöglichkeiten und Therapieansätze diskutiert werden. Schlüsselwörter Blutung · Koagulopathie · Hepatitis C · Lebertransplantation · Thrombose

Coagulation management in patients with liver disease Abstract Background.  End-stage liver disease is associated with complex alterations in hemostasis. Whereas prognosis is essentially affected by life-threatening bleeding complications in some patients, others, especially those with cholestatic liver diseases, suffer from thromboembolic complications. Standard laboratory values (SLVS; prothrombin time, activated partial thrombin time, platelet count) cannot sufficiently reflect the altered balance of proand anticoagulatory factors. Moreover, a couple of studies indicated that SLVS are not able to predict bleeding complications in patients with acute liver failure or decompensated liver cirrhosis. Diagnosis and therapy.  Use of bedside coagulation diagnostics such as thrombelastometry/-graphy, detection of thrombocyte function by multiple electrode aggregometry and selective measurement

ßeren Umständen kann dies eine Antikoagulation zur Thromboseprophylaxe erforderlich machen.

of single factors allows a targeted and causal therapy of hepatic coagulopathies especially in the context of bleeding complications or surgical interventions. In recent years, coagulation management guided by these new devices has contributed to a reduction in transfusion of allogenic blood products, which may be associated with undesirable side effects. Discussion.  The current review summarizes the complex pathophysiological alterations of hemostasis associated with advanced liver insufficiency and discusses recent upcoming diagnostics and coagulation management in this patient cohort. Keywords Bleeding · Blood cagulation disorders · Hepatitis C · Liver transplantation · Thrombosis

Thrombelastometrie/-graphie und Plättchenfunktionstests Zur Beurteilung der Interaktion zwischen plasmatischem und zellulärem Gerinnungssystem erscheint aktuell die viskoelastische Testung von Vollblut, wie

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Übersichten

Abb. 2 9 Thrombelasto­ metrie mit Darstellung der wichtigsten Messparameter. Fibrin und Thrombozyten verhalten sich mehr als additiv, da ein erhöhtes Fibrinogen die Thrombozytenaggregation über den GPIIb/IIIa-Rezeptor vermittelt und zu einer Verbesserung des thrombozytenabhängigen Teils der Clotfestigkeit beiträgt. (Mit freundl. Genehmigung mod. nach [17])

sie im Rahmen der Thrombelastometrie/ -graphie (z. B. ROTEM, Tem International GmbH, München, Deutschland oder TEG, Haemonetics, Niles, USA) durchgeführt wird ([32, 33]; .   Abb. 2), besser geeignet zu sein als statische Labormethoden. Auch eine Hypofibrinämie oder eine Hyperfibrinolyse wird durch die Thrombelastometrie/-graphie zuverlässig und zeitnah erfasst [34, 35]. Eine erhöhte maximale Clotfestigkeit („maximum clot firmness“, MCF), abgebildet in der maximalen Amplitude im ROTEM oder TEG, ist Zeichen für eine Hyperkoagulabilität und besitzt hinsichtlich des postoperativen Auftretens eines thrombembolischen Ereignisses prognostische Aussagekraft [36−38]. DDDie wichtigste Beschränkung dieses Verfahrens liegt in der mangelnden Erfassung medikamentöser Thrombozytenblockaden. Hierfür sind andere Verfahren, wie z. B. die Impedanzaggregometrie, besser geeignet. Auch wenn durch Spiken mit Faktor XIII ein Faktor-XIII-Mangel erfasst werden kann, gehört dies nicht in das Routinerepertoire. Bei einem blutenden Patienten mit normaler Throm­ belastometrie und sicherem Ausschluss einer Plättchenblockade sollte daher un-

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bedingt ein Faktor-XIII-Mangel in Betracht gezogen werden. Eine medikamentöse Plättchenblockade kann zuverlässig und patientennah mithilfe der Impedanzaggregometrie (Multiplate, Roche Diagnostics, Mannheim, Deutschland) erfasst werden [39, 40].

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Die medikamentöse Plättchenblockade wird durch Impedanzaggregometrie erfasst Die Aussagekraft der Impedanzaggregometrie ist jedoch nur bei einer Thrombozytenzahl > 50.000/μl valide [41]. Beim „platelet function analyzer 100“ (PFA-100) handelt es sich um einen weiteres System zur Thrombozytenfunktionsanalyse. Der PFA-100 ist bezüglich eines von Willebrand-Syndroms sowie für durch Azetylsalizylsäure (ASS) induzierte Effekte sehr sensitiv. Für eine valide Messung ist jedoch ein Hämatokrit ≥ 35 % sowie eine Thrombozytenzahl ≥ 100.000/ µl Voraussetzung [42, 43]. In einer kürzlich erschienenen Arbeit wird die Erfassung der medikamentösen Thrombozytenhemmung mit 5 verschiedenen Systemen verglichen [44]. Hier kamen die Aggregometrie nach Born, die Multiplate-Impedanzmessung, die Vollblutaggregometrie VerifyNow, ein flowzytometrisches Verfahren sowie das

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„platelet mapping by thromboelastography“ (TEG-PM) zum Einsatz. Die Beschreibung der einzelnen Verfahren würde den Rahmen dieser Arbeit übersteigen. Die Autoren der Untersuchung kamen zu dem Schluss, dass das TEG-PM am wenigsten zur Erfassung einer medikamentösen Plättchenhemmung geeignet ist. In einer weiteren Studie wurde zur Erfassung der medikamentösen Plättchenaggregationshemmung mit ASS und Clopidogrel Multiplate mit der Aggregometrie nach Born verglichen [45]. Hier konnte ebenfalls keine Überlegenheit der Aggregometrie nach Born, die in der Erfassung thrombozytärer Funktionsstörungen als Goldstandard angesehen wird, gegenüber dem patientennah eingesetzten Multiplate gefunden werden. In einem kardiologischen Patientenkollektiv wurde eine sehr gute Korrelation zwischen Multiplate-Ergebnissen sowie Auftreten von Stentthrombosen und Blutungskomplikationen gezeigt [46, 47].

Therapeutisches Management Eingriffe in das Gerinnungssystem sollten ausschließlich der Vermeidung von thrombembolischen Ereignissen oder Blutungskomplikationen dienen und nicht zur „kosmetischen“ Korrektur von Laborwerten durchgeführt werden. Die Hauptindikation zur Transfusion von FFP sind Plasmaaustauschverfahren,

Tab. 1  ROTEM®-gesteuerte Gerinnungssubstitution beim blutenden Patienten Blutprodukt Fibrinogen

Anzeigen der Parameter MCFEXTEM  300 s oder CFTINTEM > 300 s bei ausgeschlossenem Heparineffekt

Dosierung In Abhängigkeit vom MCFFIBTEM – MCFFIBTEM  100 sec → 40 I.E./kgKG PPSB in Erwägung ziehen In der Regel: 1 Thrombozytenkonzentrat

CT „clotting time“, MCF „maximum clot firmness“, PPSB Prothrombinkonzentrat.

wie sie z. B. im Rahmen des hämolytischurämischen Syndroms durchgeführt werden [48].

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kontraindiziert angesehen werden kann und zu einer Erhöhung des thrombembolischen Risikos beiträgt.

Die Hauptindikation zur Transfusion von FFP sind Plasmaaustauschverfahren

DDZusätzlich können in FFP teilweise enthaltene Lösungsmittel sowohl Thrombosen als auch eine Hyperfibrinolyse induzieren.

Die Effektivität von FFP konnte bislang in keiner prospektiven Studie nachgewiesen werden. Seine Verwendung im Rahmen des Gerinnungsmanagements beruht auf der Tatsache, dass FFP sowohl gerinnungsfördernde als auch gerinnungshemmende Faktoren in „ausgewogenem“ Verhältnis enthalten. In Bezug auf hepatische Gerinnungsstörungen stellt dies, wie bereits erläutert, jedoch keinen absoluten Vorteil dar. Zusätzlich zu einem Mangel an den Vitamin-K-abhängigen Faktoren II, VII, IX und X sowie Protein C und S liegen erniedrigte Fibrinogen- und Faktor-V-Spiegel vor, während Faktor VIII und vWF auf bis zu 200 % des Referenzbereichs erhöht sein können [16, 18, 49]. Fibrinogen ist in FFP in einer Konzentration von nur 2–2,5 g/l enthalten. Die suffiziente Deckung des bestehenden Bedarfs an Fibrinogen im Rahmen einer schweren Hypofibrinogenämie (Fibrinogen 

[Coagulation management in patients with liver disease].

End-stage liver disease is associated with complex alterations in hemostasis. Whereas prognosis is essentially affected by life-threatening bleeding c...
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