Leitthema Orthopäde 2014 · [jvn]:[afp]–[alp] DOI 10.1007/s00132-013-2228-4 Online publiziert: 31. Juli 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

C.M. Behnisch-Gärtner · N. Berger Kinderorthopädie TUM Rechts der Isar, Klinikum Schwabing, München

Chronische Knieschmerzen bei Kindern und Jugendlichen Eine Übersicht über anlage- und überlastungsbedingte Knieschmerzen

Bei chronischem Knieschmerz müssen Traumafolgen, akute Infektionen und Malignome rasch diagnostiziert und einer Behandlung zugeführt bzw. ausgeschlossen werden. Beim kindlichen Knieschmerz ist auch immer an fortgeleitete ­Beschwerden insbesondere vom Hüftgelenk zu denken und durch eine eingehende Mituntersuchung auszuschließen. Bei chronischen Beschwerden sind Überlastungssyndrome, ­anlagebedingte oder entzündlich-rheumatische Erkrankungen zu differenzieren. Dieser Artikel soll einen Überblick über die Diagnostik und Therapie der nicht ­immer einfach abgrenzbaren Überlastungssyndrome und anlagebedingten Knieschmerzen bei Kindern und Jugendlichen vermitteln.

Chronische Knieschmerzen durch Überlastung oder muskuläre Dysbalancen Femoropatellares Schmerzsyndrom Das femoropatellare Schmerzsyndrom (FPS), Synonym Chondropathia patellae, ist eine der häufigsten Ursachen für Knieschmerzen bei Jugendlichen. Es beschreibt einen Symptomenkomplex mit anteriorem Knieschmerz, ausgehend von der Patella und den Retinakula ohne intraartikuläre Pathologien. Mädchen sind ungefähr doppelt so häufig betroffen wie

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Jungen [23]. Die Ätiologie ist multifaktoriell und resultiert aus dem komplexen Zusammenspiel anatomisch prädisponierender sowie trainingsbedingter Faktoren. Eine Überlastung des Kniestreckapparats, ein Malalignment der Patella oder ein direktes oder indirektes Trauma werden als Auslöser diskutiert. Viele Patienten berichten, dass die Beschwerden nach einer Phase der erhöhten sportlichen Aktivität begonnen haben. Leistungssportler sind häufiger betroffen, und das Auftreten eines FPS korreliert nachweislich mit steigendem Trainingspensum [24].

Funktion

Für die regelrechte Funktion des Patellofemoralgelenks ist das Zusammenspiel zahlreicher statischer und dynamischer Strukturen im Bereich der gesamten unteren Extremität erforderlich. Störungen führen zum Malalignment der Patella. Bei den statischen Komponenten können sich Beinlängendifferenzen von ≥1,0 cm [27], Achs- und Rotationsfehler der unteren Extremität [6], Patellainstabilität [22], Trochleaveränderungen [1] und Fußfehlstellungen [29] negativ auf die Patellaführung auswirken. Auch den dynamischen Kräften wird eine wesentliche Rolle zugeschrieben. Schwächen und Imbalancen im Bereich des Vastus medialis und der Hüftabduktoren sowie eine verstärkte Hüftadduktion sind mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines FPS verbunden [19]. Obwohl

bei betroffenen Patienten häufig ein erhöhter Q-Winkel als Zeichen eines verstärkten lateralisierenden Kraftvektors am Femoropatellargelenk gemessen wurde, ist die Studienlage nicht eindeutig, ob dies tatsächlich die Ausbildung eines FPS beeinflusst [12]. Fußfehlstellungen mit übermäßiger oder nicht ausreichender Pronation des Fußes beeinflussen wiederum das Knieabduktionsmoment in der Frontalebene sowie die Bodenreaktionskräfte [21].

Schmerzbeschreibung

Der Schmerz kann schleichend oder akut aufgetreten sein, es können sowohl ein als auch beide Kniegelenke betroffen sein. Er kann nur schlecht lokalisiert werden und wird unter oder um die Patella herum angegeben und tritt typischerweise beim Laufen oder nach längerem Sitzen auf und wird durch Kniebeugen oder Treppensteigen verstärkt. Bei einigen Patienten kann eine Givingway-Symptomatik durch die schmerzbedingte Hemmung der Quadrizepsmuskelkontraktion auftreten, die differenzialdiagnostisch von einer Instabilität durch eine Patellasubluxation oder Dislokation abgegrenzt werden muss. Blockierungen oder Ergussbildung kommen beim FPS nicht vor und sprechen für das Vorliegen intraartikulärer Pathologien, die mittels MRT-Diagnostik weiter differenziert werden können. Wichtig ist eine genaue Anamneseerhebung über

Zusammenfassung · Abstract die Änderungen von Trainingsgewohnheiten oder vorangegangenen übermäßigen Belastungen.

Diagnostik

Bei der Untersuchung der unteren Extremität müssen auch dynamische Komponenten wie eine verstärkte Valgusbewegung des Kniegelenks beim Gehen oder eine übermäßige Pronation oder Supination des Fußes beim Aufsetzen beachtet werden. Die im Folgenden aufgeführten Tests werden in der Praxis häufig angewendet, führen letztlich jedoch nur zusammen mit der Anamnese und der allgemeinen Untersuchung zu der Diagnose FPS. Einseitige Kniebeuge: Dieser Test ist ein guter Funktionstest, um eine Schwäche der Hüftabduktoren, verstärkte Hüftadduktion und Innenrotation des Oberschenkels sowie eine verstärkte Valgusbewegung des Kniegelenks zu diagnostizieren. Facettenschmerz der Patella: Palpation der lateralen oder medialen Patellaunterseite durch die Retinakula und Synovia hindurch in Kniestreckung und bei entspannter Quadrizepsmuskulatur. Eine Schmerzprovokation ist ein positives Zeichen. Poplitealwinkel: In Rückenlage werden Hüfte und Knie 90° gebeugt. Dann wird der Unterschenkel langsam im Knie gestreckt, bis ein Widerstand auftritt. Der Winkel des Kniegelenks an diesem Punkt ist der Poplitealwinkel, der ein objektiver Messwert für die Dehnbarkeit der dorsalen Oberschenkelmuskulatur ist. Bei Winkeln über 20° besteht eine Verkürzung der ischiokruralen Muskulatur, was zu kompressiv wirkenden Kräften am Femoropatellargelenk führt und nachweislich mit dem FPS in Verbindung steht [28]. Zohlen-Zeichen: Beim Zohlen-Zeichen wird die Patella von proximal nach distal in die Trochlearegion in Kniestreckung gedrückt und dann die Quadrizepsmuskulatur bei fixierter Patella angespannt. Aufgrund der Schmerzhaftigkeit verbunden mit einer geringen Spezifität und Sensitivität sollte auf diesen Test verzichtet werden [15]. Eine Röntgendiagnostik kann zum Ausschluss anderer Ursachen für ante-

Orthopäde 2014 · [jvn]:[afp]–[alp]  DOI 10.1007/s00132-013-2228-4 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 C.M. Behnisch-Gärtner · N. Berger

Chronische Knieschmerzen bei Kindern und Jugendlichen. Eine Übersicht über anlage- und überlastungsbedingte Knieschmerzen Zusammenfassung Hintergrund.  Knieschmerzen bei Kindern und Jugendlichen sind ein häufiger Vorstellungsgrund in der kinderorthopädischen Sprechstunde. Die Ursachen sind vielfältig und bedürfen einer gründlichen Anamneseerhebung, eingehenden körperlichen Untersuchung und weiterführenden Diagnostik. Diagnostik.  Der chronische Knieschmerz bei Kindern und Jugendlichen ist eine Ausschlussdiagnose. Ausführliche Anamneseerhebung inklusive Trainingsgewohnheiten, Schmerzlokalisation sowie klinische Untersuchung geben zielführende Hinweise zur Diagnose. Häufig ist eine Überlastung der Auslöser. Auf Muskelimbalancen sollte bei der dynamischen Untersuchung geachtet werden. Die Bildgebung hat nur zusammen mit Anamnese und klinischem Befund eine hohe Sensitivität und Spezifität.

Therapie.  Bei den Überlastungssyndromen ist durch Schmerztherapie, gezielte Physiotherapie, Sportpause oder Trainingsmodifikation die Prognose gut. Nur in wenigen Fällen ist eine operative Therapie, nach erfolgloser konservativer Therapie erforderlich. Unter den anlagebedingten Knieschmerzen ist bei primären Poplitealzysten meist keine Therapie notwendig, beim Plicasyndrom sollte nur nach erfolgloser konservativer Therapie die arthroskopische Resektion erfolgen. Beim symptomatischen Scheibenmeniskus ist eine operative Therapie erforderlich. Schlüsselwörter Bildgebung · Kind · Jugendlicher · Anlagebedingt · Überlastungsbedingt

Chronic knee pain in children and adolescents. Review of anatomical and overload-related knee pain Abstract Background.  Knee pain in children and adolescents is a common reason for presentation in pediatric orthopedic consultation. The causes are manifold and require a thorough patient history, detailed physical examination and extensive diagnostics. Diagnostics.  Chronic knee pain in children and adolescents is a diagnosis by exclusion. An extensive patient history including training habits, pain localization and clinical examination provide indications vital for the diagnosis. Overuse is often the trigger. In dynamic investigations consideration should be given to muscle imbalance. Imaging techniques have a high sensitivity and specificity only in combination with the anamnesis and clinical findings.

rioren Knieschmerz wie z. B. eine Patella bipartitae durchgeführt werden.

Therapie

Das Therapieziel innerhalb der ersten Wochen ist die Schmerzreduktion. Hierfür ist abhängig von der Schmerzintensität eine Sportpause oder bei geringeren Beschwerden auch nur eine Reduzierung des Trainingspensums auf ein schmerzfreies Niveau notwendig. Lokale Eisan-

Therapy.  With pain therapy, targeted physiotherapy, a break in active sport or training modifications, the prognosis is good for overload syndromes. An operative therapy after unsuccessful conservative therapy is necessary in only a few cases. Among the anatomyrelated types of knee pain primary popliteal cysts mostly require no therapy and for plica syndrome arthroscopic resection should only be necessary if conservative treatment is unsuccessful. Operative therapy is necessary for symptomatic discoid meniscus. Keywords Imaging · Child · Adolescent · Anatomical conditions · Overuse conditions

wendungen sowie eine kurzfristige medikamentöse Therapie von 2 bis 3 Wochen mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) können unterstützend eingesetzt werden. In der Regenerationsphase sollten physiotherapeutisch speziell die Verkürzungen in Quadrizepsmuskulatur, ischiokruraler Muskulatur und Tractus iliotibialis sowie Schwächen der Hüftabduktoren sowie der Quadrizepsmuskulatur behandelt werden. Kniebandagen Der Orthopäde 8 · 2014 

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Leitthema und das Tapen der Patella können unterstützend eingesetzt werden, falls Patienten die physiotherapeutischen Übungen schmerzbedingt nicht durchführen können.

Operative Maßnahmen bei Jugendlichen sollten sehr zurückhaltend und frühestens nach einer konservativen Therapiedauer von 6 bis 12 Monaten indiziert werden. Die operative Therapie zielt auf die Verbesserung der Patellaführung [7]. Da die bisher veröffentlichen Studien meist unkontrollierte Fallstudien sind, bleibt die Erfolgsrate operativer Eingriffe unklar.

tem Kniegelenk wird von lateral Druck auf die Ansatzstelle des Tractus iliotibialis ausgeübt und dabei das Knie schrittweise gestreckt. Bei 30° Flexion tritt ein starker Schmerz über dem lateralen Epikondylus auf, der dem geklagten Schmerz beim Laufen entspricht. Der Obers-Test gilt als Maß für die Dehnbarkeit des Traktus und wird in Seitenlage auf der nicht betroffenen Seite durchgeführt. Das betroffene Knie wird 90° gebeugt und die Hüfte soweit abduziert und gestreckt, dass sie mit dem Rumpf auf einer Linie ist. Die Hüftadduktion durch die einwirkende Schwerkraft entspricht dem Ausmaß der Dehnbarkeit des Traktus. Der Renne-Test ist ein Provokationstest, der im Einbeinstand auf der betroffenen Seite in 30–40° Kniebeugung durchgeführt wird.

Prognose

Therapie

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Therapieziel innerhalb der ersten Wochen ist die Schmerzreduktion

Die allgemeine Prognose für das FPS ist günstig. In Langzeitverlaufsbeobachtungen nach 2 bis 8 Jahren berichten Patienten nur noch über gelegentlich auftretende geringe Beschwerden. In einer randomisierten kontrollierten Follow-up-Studie waren nach 7 Jahren fast 85% der konservativ behandelten Patienten beschwerdefrei [8].

Tractus-iliotibialis-Band-Syndrom Das Tractus-iliotibialis-Band-Syndrom (ITBS) kommt fast ausschließlich bei Läufern vor und wird als stechender oder brennender Schmerz an der Stelle beschrieben, wo der Tractus iliotibialis über den lateralen Femurkondylus zieht. In 30° Kniebeugung kommt es dort bei wiederholter Kniebeugung und Streckung zu einer mechanischen Irritation. Als mögliche Auslöser werden Schwäche der Hüftabduktoren, die Biomechanik und die Wahl des Laufschuhs und des Trainingsuntergrundes genannt [25]. Die Diagnose wird anhand der Anamnese, der typischen Beschwerden und der klinischen Untersuchung gestellt.

Diagnostik

Mit dem Kompressionstest nach Noble kann das Vorliegen eines ITBS bestätigt werden. In Rückenlage und 90° gebeug-

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Die konservative Therapie umfasst die lokale Eisanwendung, kurzfristige Schmerzmedikation mit NSAR, lokale Infiltrationen mit Kortikosteroiden und Physiotherapie mit Stretchingübungen für den Traktus sowie Kräftigung des M. glutaeus medius. Es sollte zudem über die Modifikation der Trainingsgewohnheiten und des Sportschuhs nachgedacht werden [25]. Über operative Therapieergebnisse im Jugendalter liegen bisher keine Studien vor.

Sehnenentzündungen Sehnenentzündungen können am Knie im Bereich der Extensoren auftreten und führen dann zum sogenannten „jumpers knee“ mit anteriorem Knieschmerz und umfasst das Patellaspitzensyndrom, das Sinding-Larsen-Johansson-Syndrom (SLJ) und die Quadrizepstendinitis. Beim Patellaspitzensyndrom ist die Patellasehne, beim SLJ-Syndrom der Ansatzbereich der Sehne am inferioren Patellapol und bei der Quadrizepstendinitis der obere Patellapol betroffen. Die Beschwerden treten typischerweise nach sportlicher Betätigung auf und werden durch Laufen, Springen, Treppensteigen und Knien verstärkt. Beim SLJ-Syndrom liegt der Altersgipfel zwischen 10 und 13 Jahren. Wiederholte Mikrotrau-

men führen beim SLJ-Syndrom zu einer Traktionsapophysitis.

»

Zu den Beschwerden kommt es typischerweise durch sportliche Betätigung Die Diagnose wird anhand der klinischen Befunde und mithilfe der Sonographie oder des Röntgens gestellt. In der Sonographie kann eine typische Knorpelschwellung und Verdickungen der Sehne bereits im Frühstadium, in dem noch keine Kalzifikationen im Bereich des inferioren Patellapols auftreten, erkannt werden [5]. Eine Semimembranosustendinitis am Pes anserinus profundus führt zu posteromedialen Beschwerden am Knie und tritt nach übermäßigem Wandern, Klettern oder Laufen auf. Prädisponierend können eine übermäßige Pronation des Fußes oder eine erhöhte Innenrotation von Hüfte oder Femur sein [20]. Die Therapie umfasst die Sportpause sowie die kurzfristige Therapie mit NSAR. Hierunter werden nahezu alle Patienten beschwerdefrei. In seltenen Fällen ist bei symptomatischen persistierenden Kalzifikationen im Bereich der Patellasehne eine operative Therapie zur Entfernung notwendig [3].

Morbus Osgood-Schlatter Beim Morbus Osgood-Schlatter treten Schmerzen und Schwellungen über der Tuberositas tibiae auf. Jungen sind häufiger betroffen, der Altersgipfel liegt zwischen 11 und 14 Jahren. Ursächlich ist eine Kombination von mechanischer Überlastung im Bereich des proximalen oder distalen Sehnenansatzes der Patellasehne und eines kürzlich durchgemachten Wachstumsschubs bei aktiven Jugendlichen. Diese Faktoren führen zu einer traktionsbedingten Entzündung der Sehne sowie des angrenzenden Knorpels der Tuberositas. Die Schmerzen werden typischerweise durch Laufen, Springen, längeres Sitzen oder Knien verstärkt und persistieren auch in Ruhe. Bei der Untersuchung bestehen ein Druckschmerz über der Tuberositas tibiae sowie eine knöcherne Prominenz. Zusätzlich können die ischiokru-

rale Muskulatur verkürzt und der Quadrizeps angespannt sein. Mit dem Test nach Ely kann in Bauchlage und passiver Flexion des Kniegelenks bis 130° die Dehnbarkeit des Rektus-­femoris-Anteils des M. quadriceps beurteilt werden. Bei einer Verkürzung kommt es zu einer simultanen Hüft­ flexion mit anheben des Gesäßes. Sonographisch können die Veränderungen der Tuberositas und der Weichteile gut und einfach dargestellt werden [5]. Röntgen-, CT- oder MRT-Untersuchungen sind nur bei atypischer Klinik zum Ausschluss anderer Pathologien wie z. B. Tumoren oder einer Osteomyelitis erforderlich. Zur Schmerztherapie kommen lokale Eisanwendung sowie NSAR-Einnahme zum Einsatz. Eine Sportpause ist weder erforderlich noch empfehlenswert, da Inaktivität zu einer weiteren Dekonditionierung führen kann und somit das Risiko eines Rezidivs erhöht [26]. Physiotherapeutisch sollten Übungen zur Dehnung und Kräftigung des Quadrizeps sowie Dehnung der ischiokruralen Muskulatur durchgeführt werden. Das Tragen einer Schutzbandage mit Polsterung über der Tuberositas tibiae kann in speziellen Fällen direkte Traumata an der schmerzhaften Stelle verhindern. Der Verlauf der Erkrankung ist benigne und selbstlimitierend. Die Beschwerdedauer beträgt im Schnitt 6 bis 18 Monate und sistiert mit dem Schluss der Wachstumsfuge. Eine operative Therapie wird bei konservativem Therapieversagern erst nach Schluss der Wachstumsfuge durchgeführt. Verbleibende Ossikel in der Patellasehne treten bei ca. 10% der betroffenen Jugendlichen auf und können zu persistierenden Beschwerden nach Wachstumsfugenverschluss führen. Sowohl durch die Ossikelresektion als auch die Exzision der Tuberositas konnten in Fallstudien gute Ergebnisse erzielt werden [17].

Pes-anserinus-Bursitis oder Tendinitis Der Pes anserinus superficialis ist die Ansatzstelle der Mm. sartorius, gracilis und semitendinosus medial am Tibiakopf. Bei sportlich aktiven Jugendlichen kann in diesem Bereich eine überlas-

tungsbedingte Entzündung des Sehnenansatzes auftreten, die zu einem anteromedialen Druckschmerz ca. 6 cm unterhalb des Gelenkspalts am Tibiakopf führt. Die Beschwerden nehmen bei sportlichen Aktivitäten wie z. B. Bergablaufen zu und können durch Kniebeugung und Innenrotation gegen Widerstand provoziert werden. Eine tastbare Schwellung spricht für das Vorliegen einer Bursitis, die häufig zusätzlich nach längerer Beschwerdedauer auftritt. Sonographisch zeigt sich bei der normalerweise nicht darstellbaren Bursa anserinus eine echoreiche Wandverdickung mit echoarmem Inhalt [5]. Wie bei den anderen Überlastungssyndromen führen Sportpause und Schmerztherapie mit lokaler Eisanwendung sowie kurzfristige NSAR-Gabe zur Beschwerdefreiheit.

führt und dadurch letztlich eine Knorpelschädigung mit Synovialitis und Schmerzen auslöst. Als weitere Ursachen für die entzündliche Veränderung der Plica mediopatellaris werden neben einer intraartikulären Irritation durch z. B. freie Gelenkkörper, einer Osteochondrosis dissecans, auch prädisponierende Fehlstellungen wie Genua valga oder ein KnickSenk-Fuß diskutiert.

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Die Plica mediopatellaris wird am häufigsten symptomatisch

Anlagebedingte Beschwerden bei Kindern und Jugendlichen

Die betroffenen Patienten berichten über einen meist einseitigen, vorderen bis medialen Knieschmerz, der sich beim Laufen und bei Belastung in Kniebeugung verstärkt und mit einem Schnappphänomen auftreten kann. Manche Patienten schildern Pseudoblockaden oder ein Givingway-Symptom.

Plicasyndrom

Diagnostik

Vorderer Knieschmerz bei sportlich aktiven Jugendlichen, insbesondere bei Läufern, kann durch eine entzündlich veränderte Plica verursacht werden. Plicae sind Residuen mesenchymaler Strukturen der embryonalen Knieentwicklung, die sich ab der 12. Woche zurückbilden; sie konnten bei 50% der Kniegelenke autoptisch nachgewiesen werden. Es gibt 4 Typen mit unterschiedlicher Inzidenz [9]: F Plica suprapatellaris (87–91%), F Plica mediopatellaris (55–92%), F Plica infrapatellaris 86% und F Plica lateralis (extrem selten). Am häufigsten symptomatisch wird die Plica mediopatellaris, auch „medial shelf “ genannt. Durch ein direktes Anpralltrauma oder aber häufiger durch repetitive Kniebewegungen v. a. bei Läufern, Schwimmern, Radfahrern, Ruderern und Basketballspielern kommt es zu einem verstärkten Kontakt zwischen der medialen Plica und der medialen Femurkondyle oder auch der medialen Patellafacette. Eine entzündliche Verdickung und eine Fibrosierung mit Elastizitätsverlust sind die Folge, was zu einem Schnappen der Plica über den medialen Femurkondylus

Bei der klinischen Untersuchung sollte man auf einen eventuell tastbaren fibrotischen Strang über dem medialen Femurkondylus in Kniebeugung oder auf eine Gewebeschwellung am medialen Patellarand achten. Bei längerer Beschwerdedauer kann eine Quadrizepsatrophie bestehen [9]. Eine Ergussbildung findet sich bei Jugendlichen eher selten und erfordert den Ausschluss anderer intraartikulärer Pathologien. Die folgenden Provokationstests sind bei der Diagnosestellung aufgrund ihrer guten Sensitivität und Spezifität hilfreich [10]. Beim Medial Patellar Plica (MPP) Test wird in Rückenlage Druck mit dem Daumen auf den inferioren und medialen Anteil des Patellofemoralgelenks ausgeübt, während man das Knie passiv bis auf 90° beugt. Zwischen 30° und 45° kann ein medialer Schmerz oder auch ein Schnappen provoziert werden, was durch die Einklemmung der Plica zwischen medialer Patellafacette und medialem Femurkondylus hervorgerufen wird. Beim Knee Extension Test wird in Rückenlage das Kniegelenk 90° gebeugt, der Unterschenkel innenrotiert, während man die Patella nach medial drückt und dann langsam das Knie streckt. Bei reproduzierbaren Beschwerden oder einem Der Orthopäde 8 · 2014 

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Leitthema Schnappen zwischen 60° und 45° ist der Test positiv. Röntgenaufnahmen des Kniegelenks sind beim alleinigen Plicasyndrom unauffällig. In der Ultraschall- oder der MRT-Untersuchung kann zwar eine Plica dargestellt werden, ob diese jedoch entzündlich verändert ist, kann nicht verlässlich abgeleitet werden. Die definitive Diagnosestellung ist nur arthroskopisch möglich, sollte aber nur unter dem Verdacht auf auslösende intraartikuläre Pathologien oder bei fehlgeschlagener konservativer Therapie erfolgen. Das Plicasyndrom ist eine Ausschlussdiagnose und basiert auf der typischen Anamnese und der klinischen Untersuchung.

Therapie

In der Akutphase müssen insbesondere Läufer ihr Trainingspensum reduzieren und auf Berg- sowie Treppenlauf verzichten, bei starken Beschwerden sogar ganz pausieren. Alternativ kann auf Ergometertraining oder Schwimmen ausgewichen werden. Unterstützend können NSAR zur Schmerzreduktion verordnet werden. Die lokale Eisanwendung zeigt eine sehr gute Wirkung, da die Plica eine sehr oberflächliche Struktur ist. In der Regenerationsphase wird eine Stretchingtherapie von Quadrizeps- und ischiokruraler Muskulatur sowie des Tractus iliotibialis in Kombination mit Kräftigung der Hüftabduktoren und des M. quadriceps empfohlen. Ein Knick-Senk-Fuß sollte durch eine Einlage mit medialer Erhöhung korrigiert werden. Injektionen mit Kortikosteroiden sollten bei Kindern und Jugendlichen eher zurückhaltend eingesetzt werden. Bei einem Großteil der konservativ therapierten Patienten kann innerhalb von 3 bis 6 Monaten Beschwerdefreiheit erreicht werden [2]. Eine operative Therapie ist angezeigt, wenn durch konservative Therapiemaßnahmen innerhalb von 6 bis 12 Monaten keine Besserung erzielt wurde. Bei der Arthroskopie sollte der fibrotische Strang vollständig reseziert werden, da es bei einer einfachen Durchtrennung häufig zu Rezidiven kommt. Nach der Operation sind 75–91% der Patienten beschwerdefrei [2].

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Poplitealzyste (Baker-Zyste) Die Vorstellung erfolgt im Alter zwischen 4 und 7 Jahren aufgrund einer schmerzlosen Schwellung im Bereich der Kniekehle. Die Poplitealzyste beim Kind ist meist ein primärer Prozess und geht direkt von den Bursae der Mm. gastrocnemius und semimembranosus aus. Sie kommuniziert nur sehr selten mit der Gelenkkapsel [14]. Allerdings können bei Kindern auch sekundäre Zysten auftreten, die durch intraartikuläre Pathologien oder entzündlich-rheumatische Erkrankungen hervorgerufen werden. Ein Röntgenbild des Kniegelenks in 2 Ebenen sollte zum Ausschluss knöcherner Veränderungen erfolgen. Sonographisch kann eine Zyste von anderen Raumforderungen wie einem Lipom, einem Aneurysma oder vergrößerten Lymphknoten abgegrenzt werden. Bei atypischer Anamnese oder auffälligem Untersuchungsbefund muss eine MRTDiagnostik durchgeführt werden, um maligne Raumforderungen wie z. B. ein Synovialsarkom auszuschließen. Kinder mit primären Poplitealzysten benötigen keine Therapie, da sich die Zysten meist innerhalb von Monaten bis wenigen Jahren spontan zurückbilden. Bei Beschwerden oder funktioneller Beeinträchtigung durch sehr große Zysten kann diese operativ entfernt werden. Es besteht jedoch eine sehr hohe Rezidivrate. Dinham [4] berichtet von 70% spontanen Remissionen innerhalb von durchschnittlich 20 Monaten, bei den operativ therapierten Patienten kam es bei 42% der Patienten zu Rezidiven.

Scheibenmeniskus Der Scheibenmeniskus tritt meist lateral auf. Das erste Symptom ist ein einseitiges Knacken oder Schnappen beim Strecken und Beugen des Kniegelenks, das selten bereits im Säuglings- oder Kleinkindalter von den Eltern registriert wird. Am häufigsten tritt es nach dem 4. Lebensjahr auf. Durch periphere Instabilität oder Rissbildung des Scheibenmeniskus kann es zu einer Blockierung des Kniegelenks mit Streckdefizit ohne eigentliches Trauma kommen.

In der Röntgenaufnahme des Kniegelenks kann auf der betroffenen Seite eventuell eine Verbreiterung des lateralen Gelenkspalts gesehen werden. Desweiteren können eine Abflachung der lateralen Femurkondyle, eine Becherform des lateralen Tibiaplateaus und ein relativer Hochstand des Fibulaköpfchens vorkommen. Bei entsprechender Anamnese und Klinik sollte eine MRT-Untersuchung zur primären Diagnose eines Scheibenmeniskus mit eventueller Rissbildung durchgeführt werden. Bei Kindern unter 12 Jahren kommt es im MRT häufig zu falschpositiven Befunden bzgl. möglicher Rissbildungen aufgrund der noch hohen Vaskularisierung des Meniskus, die zu intrameniskalen Signalveränderungen führen kann [11]. Kinder ohne Beschwerden und funktionelle Einschränkungen sollten beobachtet werden. Eine operative Therapie sollte bei Beschwerden, Blockierungen, Bewegungseinschränkung, Gelenkerguss oder fehlender sportlicher Belastbarkeit erfolgen. Empfohlen wird die partielle arthroskopische Meniskektomie mit Erhalt der peripheren Strukturen. Es wurden diverse Techniken beschrieben, denen die schrittweise zentrale Resektion unter Erhalt von 5–7 mm des peripheren Gewebes und bei Bedarf die Stabilisierung der Randzone des verbleibenden Meniskus zugrunde liegen. Risse im Randbereich sollten genäht werden. Patienten mit partieller oder kompletter Resektion können sofort voll belasten und nach 8 Wochen wieder Sport treiben. Nach einer Stabilisierung der Meniskusbasis durch Naht sollten eine Ruhigstellung und Teilbelastung für 6 Wochen erfolgen. Physiotherapie mit Bewegungsübungen und Muskelkräftigung kann bereits früh erfolgen, eine Sportpause wird für 3 bis 4 Monate empfohlen [11].

Fazit für die Praxis F Beim chronischen Knieschmerz führen Anamnese inklusive Trainingsgewohnheiten, Schmerzlokalisation und klinische Untersuchung per Ausschluss zur Diagnose. F Überlastung und Muskelimbalancen sind häufige Auslöser.

F Die Bildgebung hilft beim Ausschluss anderer Pathologien, hat jedoch bei der Diagnostik des überlastungs- und anlagebedingten chronischen Knieschmerzes nur eine geringe Sensitivität und Spezifität. F Konservativ therapierte Überlastungssyndrome haben eine gute Prognose und bedürfen nur selten einer operativen Intervention. F Bei den anlagebedingten Knieschmerzen ist die primäre asymptomatische Poplitealzyste nicht behandlungsbedürftig. F Bei jungen Patienten mit Plicasyndrom sollte ein 12-monatiger konservativer Therapieversuch vor operativen Maßnahmen erfolgen. F Beim symptomatischen Scheibenmeniskus ist eine operative Therapie erforderlich.

Korrespondenzadresse Dr. C.M. Behnisch-Gärtner Kinderorthopädie TUM Rechts der Isar,   Klinikum Schwabing Kölner Platz 1, 80804 München [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  C.M. Behnisch-Gärtner und N. Berger geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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[Chronic knee pain in children and adolescents: review of anatomical and overload-related knee pain].

Knee pain in children and adolescents is a common reason for presentation in pediatric orthopedic consultation. The causes are manifold and require a ...
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