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I

Kasuistik: Aneurysmatische Subarachnoidalblutung

Komplizierter Verlauf mit inverser  Tako-Tsubo-Kardiomyopathie

Wenn nach aneurysmatischen Subarachnoidalblutungen zerebrale Vasospasmen auftreten, besteht die Gefahr, dass klinisch manifeste Ischämien entstehen. Für das neurologische Outcome ist deren Ausprägung die entscheidende Determinante. Dieser Fallbericht schildert wie eine gleichzeitig auftretende inverse Tako-Tsubo-Kardiomyopathie es erschwerte, zerebrale Ischämien zu vermeiden.

Der Fall Diagnose und Therapie Während des Sports klagt eine 53-jährige, nicht wesentlich vorerkrankte Frau über plötzlich einschießende, stärkste Kopfschmerzen und Übelkeit. Anschließend synkopiert die Patientin und ist anhaltend bewusstlos. Bei einem GCS-Wert (GlasgowComa-Scale) von 3 wird sie präklinisch intubiert. Eine zerebrale CT (cCT) zeigt eine ausgedehnte linkshemisphärisch betonte Subarachnoidalblutung (SAB) (q Abb. 1). Bei radiologischen Zeichen für einen beginnenden Liquoraufstau wird eine externe Ventrikeldrainage (EVD) angelegt. Als Blutungsquelle erweist sich in der anschließenden zerebralen Panangiografie ein Aneurysma der linken A. communicans anterior. Dieses kann mit stentgestütztem endovaskulärem Coiling verschlossen werden. Aufgrund der großen Gefahr eines Stentverschlusses werden eine duale Antiplättchentherapie mit Azetylsalizylsäure (ASS) und Clopidogrel sowie eine therapeutische Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin begonnen. Problematischer Liquorabfluss Am 1. Tag nach Aufnahme sistiert der Liquorabfluss rezidivierend über die EVD. Konsekutiv steigt der intrakranielle Druck (ICP). Ein cCT zeigt als bildmorphologisches Korrelat, dass die EVD-Spitze innerhalb eines intraventrikulären Blutclots liegt. Das Blutungsrisiko ist bei Neuanlage der EVD unter dualer Antiplättchentherapie und therapeutischer Antikoagulation hoch. Deshalb wird versucht, den Blutclot aufzulösen, um den Liquorabfluss wiederherzustellen. Dazu wird Alteplase

(rt-PA) in niedriger Dosierung (2 mg) über die EVD appliziert. Dies führt passager zu einer suffizienten Liquordrainage über die EVD.

Operation Bei erneutem Sistieren des Liquorabflusses zeigt sich im cCT dann allerdings eine Einblutung im Stichkanal der EVD. Es wird die Indikation gestellt, diese Blutung operativ auszuräumen und die EVD neu anzulegen. Die therapeutische Antikoagluation wird dazu ca. 3 h vor der OP pausiert. Zudem erhält die Patientin 2 Thrombozytenkonzentrate, 28 μg Desmopressin und 500 mg Tranexamsäure, um den Effekt der dualen Antiplättchentherapie aufzuheben. In der Folge wird als Kompromiss zur Thrombozytenfunktionshemmung lediglich ASS weitergegeben. Darüber hinaus wird eine moderate therapeutische Antikoagulation mit unfraktioniertem Heparin durchgeführt – bei einer partiellen Thromboplastinzeit (PTT) von 50 s als Ziel. Verdachtsdiagnose Bereits früh sind hohe Dosen an Vasopressoren nötig, um die Kreislaufverhältnisse zu stabilisieren (q Abb. 2). Die laborchemischen myokardialen Ischämiemarker sind schon am 1. Tag nach Aufnahme deutlich erhöht (Troponin I 1,65 ng/ml). In der transthorakalen Echokardiografie (TTE) zeigt sich bei mittelgradig eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion eine Hypo- bis Akinesie aller basalen Wandabschnitte (q Film 1, online: Videosequenz Längsachse; q Film 2, online: Videosequenz Vierkammerblick), sodass die Verdachtsdiagnose einer inversen Tako-Tsubo-Kardiomyopathie gestellt wird. Eine invasive kardiologische Diagnostik wird nicht durchgeführt, da eine Koronarintervention mit Implantation eines Koronarstents eine erneute duale Plättchentherapie bedeutet hätte. Dieses wird als zu riskant eingestuft. Ein erweitertes hämodynamisches Monitoring mittels PiCCO® (Pulsion Medical Systems) wird etabliert.

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Nina Zech • Martin Kieninger • Milena Seemann • Holger Künzig • Sylvia Bele • Alexander Dietl

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I Abb. 1

Ausgedehnte linkshemisphärisch betonte aneurysmatische Subarachnoidalblutung (SAB)

Panangiografie An Tag 12 wird die Indikation zur erneuten zerebralen Panangiografie gestellt: ▶ Der PbtO2 fällt anhaltend von zunächst Werten im Bereich von 30–40 mmHg (inspiratorische Sauerstofffraktion [FiO2] 0,35) auf Werte um 25 mmHg (FiO2 0,35). ▶ Die Fluss in der TCD der A. cerebri media rechts beschleunigt sich signifikant im Vergleich zum Vortag (175 cm/s an Tag 11; 235 cm/s an Tag 12). Hier zeigt sich ein ausgeprägter Vasospasmus im vertebrobasilären Stromgebiet und ein mäßiger bis hochgradiger Vasospasmus im Karotisstromgebiet beidseits (q Abb. 3). Als Konsequenz werden Mikrokatheter in die A. carotis interna rechts sowie in die A. vertebralis links eingebracht – zur spasmolytischen Therapie über eine kontinuierliche Zufuhr von Nimodipin. Bis zum 23. Behandlungstag bekommt die Patientin über beide Katheter zusammen durchschnittlich 0,5–1,0 mg/h Nimodipin verabreicht. Das führt zu signifikant rückläufigen Flussgeschwindigkeiten in der TCD und dauerhaften PbtO2-Werten im nicht pathologischen Bereich.

Tiefe Analgosedierung Um Patientenbewegungen und die damit verbundene Gefahr der Katheterdislokation bzw. Gefäßperforation zu vermeiden, muss während dieser Zeit die tiefe Analgosedierung mit Midazolam (bis 30 mg/h), Ketamin (300 mg/h) und Sufentanil (60 μg/h) aufrechterhalten werden – unter Monitoring mittels BIS (BIS® Brain Function Monitoring System, Covidien). Nimodipin wird bei tiefer Analgosedierung und fortbestehend eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion kontinuierlich intraarteriell verabreicht. Es sind nun wieder deutlich höhere Katecholamindosierungen nötig, um normotensive Kreislaufverhältnisse zu erzielen (q Abb. 2). Stabilisierung Am 10. Tag nachdem die zerebralen Mikrokatheter eingebracht wurden, kann die Zufuhr von Nimodipin ausgeschlichen werden – ohne greifbare negative Effekte auf die zerebrale Oxygenierung und die in der TCD gemessenen Flussgeschwindigkeiten. Die Kathe-

Abb. 2

Zeitlicher Verlauf der Dosierung von Noradrenalin und Adrenalin Noradrenalin

Adrenalin

6 Dosierung [mg/h]

Verlauf Innerhalb der nächsten Woche werden die hohen Katecholamindosen beibehalten. Echokardiografisch zeigt sich, dass sich die linksventrikuläre Funktion zwar leicht bessert, die basalen Wandbewegungsstörungen jedoch zunächst bestehen bleiben. Aufgrund der wiederholten ICPAnstiege und des nötigen EVD-Wechsels in den ersten Tagen ist es zunächst nicht möglich, die Analgosedierung zu reduzieren, um die Patientin klinisch neurologisch zu beurteilen. Daher wird bei progredienten Flussbeschleunigungen in der transkraniellen Dopplersonografie (TCD) am 8. Tag ein erweitertes Neuromonitoring mittels polarografischer Sonde etabliert, um den Partialdruck des Hirngewebssauerstoffs (PbtO2, LICOX®, Integra) zu messen.

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Bildnachweis: Christian Stroszczynski

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I Relevanter Vasospasmus im Stromgebiet der A. carotis interna

a

b

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ter werden am Folgetag entfernt. Die Zufuhr der Katecholamine kann rasch deutlich reduziert werden, die hämodynamische Situation stabilisiert sich zunehmend. Auch echokardiografisch zeigt sich nun eine normale linksventrikuläre Funktion, die Myokardkinetik ist annähernd regelgerecht. Die externe Liquorableitung kann am 39. Tag nach Aufnahme entfernt werden. Nach 44 Tagen auf der Intensivstation kommt die Patientin zur Rehabilitationsbehandlung. Zu diesem Zeitpunkt ▶ atmet die Patienten suffizient spontan über eine Trachealkanüle, ▶ zeigt sich bereits zunehmend kontaktfähig und ▶ kann alle Extremitäten seitengleich bewegen. In der kranialen Schnittbildgebung ist bei Verlegung ein bereits demarkierter, kleinerer Anteriorteilinfarkt rechtshemisphärisch sichtbar. Die inneren Liquorräume sind nicht mehr relevant erweitert, die subarachnoidalen Blutanteile bereits weitgehend resorbiert. Der Rehabilitationsverlauf ist erfreulich. Mittlerweile ist die Patientin wieder vollständig orientiert und kann ohne fremde Hilfe gehen.

Diskussion Ätiologie, Inzidenz, Symptome Die atraumatische SAB geht in 85 % der Fälle auf eine Ruptur eines intrakraniellen arteriellen Aneurysmas zurück [1]. Seltener sind Blutungen aufgrund einer arteriovenösen Malformation oder Blutungen ohne Nachweis einer Quelle. Die jährliche Inzidenz in Mitteleuropa liegt bei etwa 6-9/100 000 [1]. Mit einem mittleren Alter von etwa 50 Jahren sind die betroffenen Patienten relativ jung. Frauen sind häufiger betroffen als Männer [2]. Die

30-Tage-Letalität der atraumatischen SAB wird mit 35 % angegeben [1]. Die betroffenen Patienten zeigen neben Symptomen wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen oder Meningismus eine unterschiedlich ausgeprägte veränderte Vigilanz. Die Einstufung des Schweregrads erfolgt üblicherweise gemäß der Klassifikation nach Hunt und Hess bzw. der World Federation of Neurological Surgeons. Die in dieser Kasuistik vorgestellte Patientin war bei tiefem Koma mit einem GCSWert von 3 in beiden Klassifikationen dem Schweregrad V zuzuordnen. Ein Jahr nach einer SAB sind ca. 8–20 % der Patienten in ihrem täglichen Leben deutlich eingeschränkt [2].

Initiales Blutungsereignis und Rezidivblutung



Frühzeitige Versorgung Für 12–15 % der Betroffenen endet bereits das initiale Blutungsereignis tödlich – aufgrund einer akuten intrazerebralen Druckerhöhung mit folgendem zerebralen Perfusionsstillstand [3, 4]. Rezidivblutungen sind mit einer hohen Mortalität assoziiert. Das Risiko einer Nachblutung beträgt innerhalb der ersten 24 h nach dem initialen Ereignis 4–16 %, innerhalb der folgenden 4 Wochen dann ca. 1–2 % pro Tag [5]. Um eine Rezidivblutung zu vermeiden, wird eine frühzeitige definitive Versorgung des Aneurysmas angestrebt, möglichst in den ersten 72 h [2, 5].

Therapiemöglichkeiten Zur Versorgung des Aneurysmas sind prinzipiell eine chirurgische Therapie mittels Kraniotomie und Clipping des Aneurysmas sowie ein endovaskuläres Vorgehen

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Abb. 3 Nachweis eines relevanten Vasospasmus im Stromgebiet der A. carotis interna rechts (a) sowie links (b) mit typischen Kalibersprüngen.

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Akuter posthämorrhagischer Hydrozephalus



Liquorableitung Bei bis zu 87 % der Patienten mit einer SAB kommt es zu einem akuten posthämorrhagischen Hydrozephalus [2, 9], was häufig eine passagere externe Liquorableitung nötig macht – üblicherweise über eine EVD. Im weiteren Verlauf kann eine dauerhafte Liquorableitung mittels ventrikulären Shunts notwendig werden [10]. Zwar sind Blutungen und Fehlplatzierungen selten [11] und eine prophylaktische Antikoagulation zeitnah nach Anlage einer EVD gilt im Hinblick auf ein potenzielles Blutungsrisiko als sicher [12]. Dennoch kann es insbesondere bei einer ausgedehnten SAB zu rezidivierenden Verschlüssen des Drainagekatheters kommen. Konsekutiv muss die EVD möglicherweise wiederholt gewechselt werden. Aufgrund der therapeutischen Antikoagulation und dualen Antiplättchentherapie war im beschriebenen Fall allerdings von einem hohen Blutungsrisiko für die Patientin beim Wechsel der EVD auszugehen. Daher wurde bei der ersten Okklusion des Drainagekatheters zunächst versucht, mittels topischer Applikation von niedrig dosiertem rt-PA die EVD wieder durchgängig zu machen. Risiko-Nutzen-Abwägung Das oben genannte Vorgehen ist ein Off-Label-Use des Medikaments und sollte nur nach gewissenhafter RisikoNutzen-Abwägung erfolgen. Ob die anschließend gesehene Einblutung im Bereich des Stichkanals auf die rt-PA oder die Kombination aus dualer

Antiplättchentherapie und therapeutischer Antikoagulation zurückgeht, lässt sich retrospektiv nicht mehr klären.

Bei einer unkomplizierten endovaskulären Versorgung eines zerebralen Aneurysmas mittels Coiling ist peri- und postinterventionell eine therapeutische Antikoagulation oder Thrombozytenfunktionshemmung in der Regel nicht nötig.

Leitlinien zum Vorgehen bei komplizierten endovaskulären Versorgungen intrazerebraler Aneurysmen existieren bisher nicht. Der Intensivmediziner ist hier bei der Wahl der entsprechenden Medikation auf die Einschätzung des individuellen Thromboserisikos durch den Neuroradiologen angewiesen. Er muss im Hinblick auf eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für intrazerebrale Einblutungen gerade bei eventuell nötigen intrakraniellen Eingriffen abwägen. Um die duale Antiplättchentherapie zu reversieren, wurden vor der operativen Ausräumung der Stichkanalblutung Desmopressin und Tranexamsäure gegeben – in Analogie zum von Jámbor et al. vorgeschlagenen perioperativen Management bei Patienten mit Koronarstents, die ASS und Clopidogrel erhalten [13].

Delayed Ischemic Neurological Deficit



Aufheben der Analgosedierung Vom 3. bis zum 15. Tag nach Blutung sind die betroffenen Patienten typischerweise gefährdet, ein verzögertes neurologisches Defizit (Delayed Ischemic Neurological Deficit, DIND; Delayed Cerebral Ischemia, DCI) zu entwickeln, verbunden mit arteriellen Vasospasmen in den zerebralen Gefäßen. Dabei korreliert die Blutmenge im Subarachnoidalraum offensichtlich mit der Wahrscheinlichkeit für ein DIND [14]. Das Ausmaß der resultierenden zerebralen Ischämien trägt erheblich zur Morbidität und Letalität der aneurysmatischen SAB bei.

Die Entwicklung eines DIND frühzeitig zu erkennen, ist gerade bei tief analgosedierten Patienten eine Herausforderung. Denn bei ihnen ist eine klinische Untersuchung nicht möglich, um ein neu aufgetretenes fokales neurologisches Defizit zu erkennen. Prinzipiell sollte die Analgosedierung daher wieder frühzeitig nach Versorgung des Aneurysmas beendet werden. Im vorgestellten Fall war das aber aufgrund der zunächst anhaltenden Probleme mit der externen Liquorableitung und den damit verbundenen operativen Revisionen nicht möglich.

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möglich. Welches Verfahren angewendet wird, ist abhängig ▶ sowohl von der Lage, Größe und Zugänglichkeit des Aneurysmas als auch ▶ von den Erfahrungen des behandelnden Zentrums. Falls beide Optionen geeignet erscheinen, wird ausgehend von den Ergebnissen der prospektivrandomisierten multizentrischen ISAT-Studie (International Subarachnoid Aneurysm Trial 6) prinzipiell aufgrund besserer klinischer Langzeitergebnisse das Coiling favorisiert [7, 8]. Im vorliegenden Fall wurde die Entscheidung zugunsten einer endovaskulären Versorgung getroffen. Das Aneurysma konnte dadurch erfolgreich therapiert werden. Allerdings musste ein Stent in das aneurysmatragende Gefäß eingebracht werden. Aufgrund der großen Gefahr eines frühen Stentverschlusses hielt die Neuroradiologie eine duale Antiplättchentherapie sowie eine therapeutische Antikoagulation für nötig. Im hier besprochenen Fall war dies problematisch aufgrund wiederholter Komplikationen mit der EVD und der damit verbundenen Notwendigkeit, operativ zu revidieren.

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Katheterangiografie Eine zerebrale arterielle Katheterangiografie kann Vasospasmen mit hoher Sensitivität und Spezifität detektieren. Dieses Verfahren ist aber aufgrund des hohen logistischen Aufwands und der Strahlen- und Kontrastmittelexposition nur bei besonderer Indikation durchführbar und kein Screening-Verfahren. Neuromonitoring Ein erweitertes Neuromonitoring kann bei Patienten hilfreich sein, die tief analgosediert und klinisch neurologisch nicht zu beurteilen sind, um regionale Defizite der zerebralen Gewebeoxygenierung frühzeitig zu erkennen. Ein Überblick über mögliche Verfahren findet sich beispielswiese bei Springborg et al. [17] oder Kistka et al. [16]. Im vorgestellten Fall wurde eine polarografische Sonde eingebracht um den PbtO2 zu messen. Das erlaubt eine kontinuierliche Beurteilung. Bei der Interpretation der Messwerte gilt es aber stets zu berücksichtigen, dass in erster Linie die Situation um die Sondenspitze abgebildet wird. Ischämien, die in entfernten Regionen des Gehirns auftreten, zeigen sich unter Umständen nicht oder erst mit zeitlicher Latenz.

Neurologisches Outcome verbessern Bei immer noch unklarer Pathogenese und Pathophysiologie sind die Möglichkeiten, DIND vorzubeugen und zu behandeln, limitiert. Einen wichtigen Stellenwert in der Therapie haben ▶ die Erhöhung des arteriellen Mitteldrucks und ▶ die Gewährleistung eines normovolämischen Status [2, 5]. Es konnte gezeigt werden, dass die enterale Verabreichung von Nimodipin das neurologische Outcome verbessert, sodass zu einer prophylaktischen Gabe geraten wird [2, 5]. Es wird nicht empfohlen, vasospasmusbedingte ischämische Defizite generell mit transluminaler Ballondilatation oder durch intraarterielle Gabe vasodilatatorischer Substanzen endovaskulär zu therapieren [5]. Dennoch ist deren Anwendung gerade auch im Hinblick auf fehlende Therapieoptionen im Einzelfall indiziert.

Mikrokatheter Im vorgestellten Fall wurde Nimodipin über einen längeren Zeitraum intraarteriell appliziert – mittels Mikrokatheter in der A. carotis interna rechts sowie in der A. vertebralis links. Dadurch ließen sich letztlich schwere persistierende neurologische Defizite bei der Patientin vermeiden. Allerdings ist es ein experimentelles Verfahren, das mit potenziell lebensbedrohlichen Komplikationen assoziiert ist. Deshalb sollte es nur als Option bei Vasospasmen angewendet werden, die durch etablierte Maßnahmen nicht mehr zu beherrschen sind und die mit dem unmittelbaren Risiko von DIND einhergehen.

Beim Einbringen der Katheter besteht die Gefahr iatrogener Gefäßläsionen. Darüber hinaus sind länger liegende Katheter anfällig für die Bildung von Thromben und von damit verbundenen Gefäßverschlüssen.

Systemische Vasodilatation Während der Applikation von Nimodipin kommt es als Nebenwirkung zu einer systemischen Vasodilatation. Dadurch wird häufig Noradrenalin in höherer Dosierung nötig, um einen adäquaten zerebralen Perfusionsdruck zu gewährleisten. Infolge der zerebralen Vasodilatation kann auch der ICP kritisch ansteigen. Beides kann den behandelnden Arzt dazu zwingen, die Dosis an Nimodipin zu reduzieren. Das limitiert die Wirksamkeit. Zudem geht mit diesem Verfahren einher, dass die tiefe Analgosedierung aufrecht erhalten werden muss.

Kardiale Mitbeteiligung



Ausprägungen Nach aneurysmatischer SAB kommt es gehäuft zu einer kardialen Mitbeteiligung. So zeigen sich beispielsweise bei 50–100 % der betroffenen Patienten EKG-Veränderungen [18]. In einer prospektiven Untersuchung waren bei 18 % der Patienten mit SAB regionale Wandbewegungsstörungen im TTE nachweisbar [19]. Diese können ein Verteilungsmuster aufweisen, wie es für eine Tako-Tsubo- bzw. inverse TakoTsubo-Kardiomyopathie typisch ist. Über die zugrundeliegenden pathophysiologischen Vorgänge ist bisher wenig bekannt. Es ist auch unklar, ob es sich dabei tatsächlich um eine Taku-TsuboKardiomyopathie im eigentlichen Sinne handelt. Es könnte auch eine eigene Entität sein, die infolge der zerebralen Schädigung ein myokardiales Stunning induziert [20, 21]. (Inverse) Taku-Tsubo-Kardiomyopathie Pathognomonisch für eine Taku-Tsubo-Kardiomyopathie sind Hypo- bis Akinesien der apikalen Abschnitte des Herzens [22]. Bei der inversen Tako-Tsubo-Kardiomyopathie werden entspre-

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Transkranielle Dopplersonografie Die transkranielle Dopplersonografie ist ein probates Instrument, um zerebrale Vasospasmen zu detektieren. Ihre Aussagekraft ist allerdings limitiert – insbesondere durch eine erhebliche Untersuchervariabilität und Beeinflussung der Messwerte über eine therapeutische arterielle Hypertension. Auch kann damit nicht kontinuierlich untersucht werden. Erschwerend kommt hinzu, dass keine klaren Grenzwerte existieren, deren Überschreitung regelhaft mit der Entwicklung zerebraler Ischämien assoziiert ist [15, 16].

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Katecholamine und Koronarangiografie Unter der Annahme, dass hohe Katecholaminspiegel entscheidend für die Entstehung einer TakoTsubo-Kardiomyopathie sind, wird empfohlen, bei dieser Erkrankung Katecholamine grundsätzlich zurückhaltend einzusetzen [22]. Dennoch war im vorgestellten Fall die Gabe auch in hoher Dosierung unumgänglich, um einen angemessenen zerebralen Perfusionsdruck zu gewährleisten. Grundsätzlich ist eine Koronarangiografie indiziert. In diesem Fall wurde aufgrund der oben geschilderten Problematik darauf verzichtet. Eine Koronarintervention hätte eine duale Antiplättchentherapie nötig gemacht, die aber nicht zu vertreten gewesen wäre. Prinzipiell ist eine (inverse) Tako-Tsubo-Kardiomyopathie reversibel. Das zeigte sich auch bei dieser Patientin dadurch, dass sich die TTE im Verlauf völlig normalisierte.

Fazit Eine Subarachnoidalblutung ist nicht selten mit regionalen Wandbewegungsstörungen des Herzens und einer entsprechend eingeschränkten kardialen Pumpfunktion assoziiert. Dabei kann sich echokardiografisch das Bild einer Tako-Tsubo- bzw. inversen TakoTsubo-Kardiomyopathie zeigen. Im Kontext einer gravierenden kardialen Mitbeteiligung ist es eine besondere Herausforderung für den Intensivmediziner, die mit der SAB einhergehenden Vasospasmen zu therapieren, um zerebrale Infarzierungen zu verhindern. ◀

Nina Zech1, Martin Kieninger1, Milena Seemann1, Holger Künzig1, Sylvia Bele2, Alexander Dietl3 Korrespondierender Autor: Dr. Martin Kieninger, Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Regensburg E-Mail: [email protected] 1

Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Regensburg

2

Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie, Universitätsklinikum Regensburg

3

Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Regensburg

Interessenkonflikt Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte vorliegen. q Beide Filme sind online beim Artikel unter Zusatzmaterial verfügbar. Beitrag online zu finden unter http://dx.doi. org/10.1055/s-0034-1386703

Kernaussagen ▶ Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Meningismus und eine veränderte Vigilanz sind Symptome der atraumatischen Subarachnoidalblutung (SAB). ▶ Überwiegend ist eine Ruptur eines intrakraniellen arteriellen Aneurysmas Ursache der SAB. ▶ Eine frühzeitige definitive Versorgung des Aneurysmas – möglichst in den ersten 72 h – hilft, Rezidivblutungen zu vermeiden. ▶ Ein akuter posthämorrhagischer Hydrozephalus macht häufig eine passagere externe Liquorableitung über eine externe Ventrikeldrainage (EVD) nötig. Besonders bei einer ausgedehnten SAB kann es zu rezidivierenden Verschlüssen des Drainagekatheters kommen. ▶ Bei tief analgosedierten Patienten ist es schwierig zu beurteilen, ob sie ein verzögertes neurologisches Defizit (DIND) entwickeln. Hier kann ein erweitertes Neuromonitoring hilfreich sein. ▶ Nach aneurysmatischen SAB kommt es oft zu kardialen Mitbeteiligungen wie z. B. regionalen Wandbewegungsstörungen. Deren Verteilungsmuster können typisch sein für eine Tako-Tsubobzw. inverse Tako-Tsubo-Kardiomyopathie.

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chend Hypokinesien im basalen Bereich unter Aussparung des Apex gesehen [23]. Diese Kontraktilitätsstörungen lassen sich keinem einzelnen koronaren Versorgungsgebiet zuordnen. Auch in der Koronarangiografie zeigen sich bei betroffenen Patienten keine relevanten Stenosierungen. Allerdings steigen die kardialen Biomarker häufig an, wenngleich üblicherweise niedrigere Werte gemessen werden als bei einem akuten Koronarsyndrom. Zudem sind ischämietypische Veränderungen im EKG möglich. Die Prognose einer Taku-Tsubo-Kardiomyopathie ist prinzipiell günstig. Nach einer SAB bei schweren Formen der Blutung ist aber häufig eine entsprechend schlechte Prognose zu beobachten [21]. Bei dem hier beschriebenen Fall wurde der Verdacht auf eine inverse Tako-Tsubo-Kardiomyopathie gestellt aufgrund der mittelgradig eingeschränkten linksventrikulären Pumpfunktion mit einer Hypo- bis Akinesie aller basalen Wandabschnitte.

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[Case report: Aneurysmatic subarachnoid hemorrhage -- complicated course due to coincidental manifestation of an inverted Tako-Tsubo-cardiomyopathy].

We report the case of a patient who suffered a serious subarachnoid hemorrhage with a cardialaffection and development of an inverted Tako-Tsubo-cardi...
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