Pro und Kontra Nervenarzt 2015 DOI 10.1007/s00115-015-4290-0 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

K.G. Häusler1, 2 · U. Landmesser3, 4 · M. Endres1, 2, 4, 5 1 Klinik für Neurologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin, Berlin 2 Centrum für Schlaganfallforschung Berlin, Charité – Universitätsmedizin Berlin,

Campus Mitte, Berlin

3 Klinik für Kardiologie und Angiologie, Charité – Universitätsmedizin

Berlin, Campus Benjamin Franklin, Berlin 4 Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), Berlin 5 Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), Berlin

Vorhofohrverschluss   bei Vorhofflimmern? Pro Etwa jeder fünfte ischämische Schlaganfall ist durch Vorhofflimmern bedingt, wobei offenbar ca. 90% aller linksatrialen Thromben im linken Vorhofohr gebildet werden [1]. Zwar ist mittels oraler Antikoagulation eine hocheffektive Schlaganfallprävention möglich, jedoch wird aufgrund einer Vielzahl von Gründen ein relevanter Patientenanteil nicht dauerhaft antikoaguliert [2, 3, 4]. Schlaganfallpatienten mit Vorhofflimmern, die keine orale Antikoagulation einnehmen, erleiden im Verlauf von 5 Jahren mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 50% einen weiteren Schlaganfall, wonach etwa die Hälfte der Betroffenen innerhalb eines Jahres verstirbt. Daher sind die Autoren der Meinung, dass mit dem endovaskulären Verschluss des linken Vorhofohrs für gut ausgewählte Patienten mit Vorhofflimmern, einem relevanten Schlaganfallrisiko, einem hohen Blutungsrisiko und einer absoluten Kontraindikation für eine langfristige Antikoagulation eine wichtige Therapieoption zur Verfügung steht [5]. In diesem Zusammenhang sind unter anderem (junge) Patienten mit lobär gelegener Hirnblutung, Stammganglienblutung bei nicht suffizient einstellbarem arteriellen Hypertonus, zerebraler Amyloidangiopathie, rezidivierenden gastrointestinalen Blutungen sowie Patienten mit Dialysepflichtigkeit oder terminaler Niereninsuffizienz zu nennen. Aus unserer Sicht wäre also in diesen Konstellationen, bei denen eine dauerhafte Antikoagulation schlichtweg nicht möglich ist, der Vorhofohrverschluss

die bessere Alternative als keine Therapie oder eine Behandlung mit Acetylsalicylsäure. Für die künftige klinische Praxis ist jedoch von entscheidender Bedeutung, inwiefern dies tatsächlich durch randomisierte multizentrische Studien belegt werden kann und ob bereits wenige Wochen bis Monate nach einem endovaskulären Vorhofohrverschluss ein Absetzen der konsekutiv zu verordnenden Thrombozytenaggregationshemmung möglich ist, da auch diese ein relevantes Blutungsrisiko aufweist [6].

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Ist eine Antikoagulation nicht möglich, ist der Vorhofohrverschluss eine Alternative Im Gegensatz zu den o. g. Konstellationen sehen wir eine Indikation zum Vorhofohrverschluss allerdings sehr kritisch bei Patienten mit Vorhofflimmern und relativen Kontraindikationen, fehlender Adhärenz oder persönlicher Ablehnung einer oralen Antikoagulation. Aufgrund der Limitationen des Designs der prospektiven, randomisierten und multizentrischen PROTECT-AF- [7] bzw. PREVAIL-Studie [8] kann für Patienten mit Vorhofflimmern und zumindest moderatem Schlaganfallrisiko, die oral antikoaguliert werden können, somit keine Empfehlung zum routineartigen Einsatz eines endovaskulären Vorhofohrverschlusses gegeben werden, auch wenn ein Vorhofohrverschluss in den genannten Studien bei

etwa 95% der Patienten gelang und eine im Verlauf niedrigere periprozedurale Komplikationsrate zu konstatieren war, was am ehesten mit Verbesserungen des Vorhofohr-Verschluss-Devices und offenbar mit der weiteren Erfahrung mit der Methode zu erklären ist. In der PROTECT-AF-Studie fand sich interessanterweise im Langzeit-Follow-up in der Device-Gruppe im Vergleich zu Patienten, die dauerhaft Warfarin einnahmen, eine signifikante Reduktion der kardiovaskulären Mortalität, die jedoch nicht auf eine Reduktion von Schlaganfällen zurückzuführen war [9]. Anhand von Studien ist noch zu klären, ob ein endovaskulärer Vorhofohrverschluss einer Therapie mittels eines direkten oralen Antikoagulans nicht unterlegen ist. Nach Meinung der Autoren sollte die Indikation zum ebenfalls möglichen chirurgischen Verschluss des Vorhofohres allenfalls erwogen werden, wenn sich Patienten mit Vorhofflimmern aus anderen Gründen ohnehin einem geplanten transthorakalen kardialen Eingriff unterziehen müssen und sie ein relevantes Schlaganfallrisiko aufweisen. Die Ergebnisse der laufenden randomisierten multizentrischen Left Atrial Appendage Occlusion Study (LAAOS) III, in die 4700 Patienten mit Vorhofflimmern und geplantem herzchirurgischem Eingriff eingeschlosDieser Beitrag ist Teil einer Pro-und-KontraDebatte. Den zugehörigen Kontra-Standpunkt finden Sie unter http://dx.doi.org/10.1007/ s00115-015-4282-0. Der Nervenarzt 2015 

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Pro und Kontra sen werden sollen, werden voraussichtlich in 4 bis 5 Jahren zur Verfügung stehen, wobei das Studiendesign eine Antikoagulation auch in der Vorhofohr-Verschlussgruppe zulässt [10].

Fazit für die klinische Praxis Mit dem endovaskulären Verschluss des linken Vorhofohres steht für ausgewählte Patienten mit Vorhofflimmern, relevantem Schlaganfall- und hohem Blutungsrisiko und einer absoluten Kontraindikation für eine Antikoagulation eine wichtige Therapieoption zur Schlaganfallprävention zur Verfügung, auch wenn die optimale postinterventionelle antithrombotische Strategie noch ungeklärt ist. Anhand der aktuellen Datenlage kann jedoch keine Empfehlung für einen routinemäßigen Einsatz eines Vorhofohrverschlusses gegeben werden.

Korrespondenzadresse PD Dr. K.G. Häusler Klinik für Neurologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin Hindenburgdamm 30, 12200 Berlin [email protected]

Interessenkonflikt.  K.G. Häusler hat Zuwendungen für wissenschaftliche Studien, Beratertätigkeiten bzw. Fachvorträge von folgenden Firmen erhalten: Bayer HealthCare, BMS, Pfizer und Sanofi. U. Landmesser hat Zuwendungen für Vorträge und Beratertätigkeiten von folgenden Firmen erhalten: St. Jude Medical, Orbus & Neich, Pfizer, MSD, Roche, Amgen, Sanofi, Bayer HealthCare. M. Endres hat Zuwendungen für Projekte, Advisory Boards bzw. Vortragshonorare von folgenden Firmen erhalten: Bayer HealthCare, Boston Scientific, BMS, Boehringer-Ingelheim, Pfizer. Die Autoren besitzen keine Aktien von Pharmaunternehmen oder Device-Herstellern.

Literatur   1. Landmesser U, Holmes DR Jr (2012) Left atrial appendage closure: a percutaneous transcatheter approach for stroke prevention in atrial fibrillation. Eur Heart J 33(6):698–704   2. Bergmann MW, Landmesser U (2014) Left atrial appendage closure for stroke prevention in nonvalvular atrial fibrillation: rationale, devices in clinical development and insights into implantation techniques. EuroIntervention 10(4):497–504   3. Nabauer M, Gerth A, Limbourg T et al (2009) The registry of the German competence NETwork on atrial fibrillation: patient characteristics and initial management. Europace 11:423–434

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  4. Häusler KG, Breithardt G, Endres M (2012) Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern – Ein Update. Nervenheilkunde 31:409–418   5. Horstmann S, Zugck C, Krumsdorf U et al (2014) Left atrial appendage occlusion in atrial fibrillation after intracranial hemorrhage. Neurology 82:135– 138   6. Connolly SJ, Eikelboom J, Joyner C et al (2011) Apixaban in patients with atrial fibrillation. N Engl J Med 364(9):806–817   7. Holmes DR, Reddy VY, Turi ZG et al (2009) Percutaneous closure of the left atrial appendage versus warfarin therapy for prevention of stroke in patients with atrial fibrillation: a randomized non-inferiority trial. Lancet 374:534–542   8. Holmes DR Jr, Kar S, Price MJ et al (2014) Prospective randomized evaluation of the watchman left atrial appendage closure device in patients with atrial fibrillation versus long-term warfarin therapy: the PREVAIL trial. J Am Coll Cardiol 64(1):1–12   9. Reddy VY, Sievert H, Halperin J et al (2014) Percutaneous left atrial appendage closure vs warfarin for atrial fibrillation: a randomized clinical trial. JAMA 312(19):1988–1998 10. Whitlock R, Healey J, Vincent J et al (2014) Rationale and design of the Left Atrial Appendage Occlusion Study (LAAOS) III. Ann Cardiothorac Surg 3:45–54

[Atrial appendage occlusion in atrial fibrillation? Pro].

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