Schwerpunkt: Reisemedizin Internist 2014 · 55:268–273 DOI 10.1007/s00108-013-3368-7 Online publiziert: 14. Februar 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

Schwerpunktherausgeber

T. Löscher, München B. Salzberger, Regensburg

Immer mehr Menschen halten sich in Höhen über 2500 m auf, sei es aus beruflichen Gründen, sei es aufgrund von Urlaubsreisen. Trekkingreisen in die südamerikanischen Berge, in den Himalaja, aber auch in die Alpen finden zunehmend Anhänger. Auch das Besteigen von hohen und höchsten Bergen, z. B. den Achttausendern, bleibt weiter in Mode, wobei hier zahlenmäßig die einheimische Bevölkerung nicht vergessen werden sollte. Diese muss in der Regel im Rahmen von Träger- bzw. Bergführertätigkeiten eine im Verhältnis kleinere Zahl von Touristen begleiten. Aufgrund des in zunehmender Höhe verringerten Sauerstoffangebots besteht die Gefahr von Höhenkrankheiten, die sich jedoch durch eine korrekte Vorbereitung und das richtige Verhalten in der Höhe einfach vermeiden lassen.

Physikalische und physiologische Besonderheiten beim Höhenaufenthalt Der Luftdruck entsteht über die Atmos­ phärensäule über der Erdoberfläche. Auf Meereshöhe beträgt er im Mittel etwa 760 mmHg (1013 hPa). Pro 1000 m Hö­ hengewinn verringert sich der Gesamt­ atmosphärendruck um etwa 60 mmHg. Diese Gesetzmäßigkeit führt dazu, dass der Sauerstoffpartialdruck auf Seehöhe etwa 160 mmHg beträgt, auf 5800 m nur noch etwa die Hälfte davon, nämlich et­ wa 80 mmHg [12]. Auf dem Gipfel des Mount Everest beträgt der paO2 nur noch etwa 30 mmHg. Durch die Erdrotation ist der Luftdruck in Polnähe niedriger als am Äquatorialgürtel, dadurch sind Berge

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Höhenkrankheit Wie behandeln, wie vermeiden?

unterhalb des 20. Breitengrads aus physio­ logischer Sicht einfacher zu besteigen. Auf den Sauerstoffmangel reagiert der menschliche Körper mit typischen Reak­ tionen. Diese können in Akutreaktionen und langfristige Akklimatisationsreaktio­ nen unterschieden werden.

Akutreaktionen auf Hypoxie Der am schnellsten messbare Effekt bei zunehmender Hypoxie ist die zunehmen­ de Hyperventilation. Durch Aktivierung zentraler und peripherer Chemorezep­ toren kommt es zu einer Steigerung der Atemfrequenz sowie der Atemtiefe. Die Hyperventilationsantwort auf Hypoxie ist nicht willentlich steigerbar, sondern an­ geboren. Die sog. „hypoxic ventilatory re­ sponse“ ist genetisch fixiert und nur lang­ sam, möglicherweise durch epigeneti­ sche Effekte, veränderbar [6]. Sie führt zu einem Basenverlust, der bei körperlicher Belastung in großen und extremen Höhen zu einer verminderten Pufferkapazität bei anaerober Belastung führen kann.

und damit eine weitere Verbesserung der Sauerstoffkonzentration im Blut zu errei­ chen [7].

Chronische Effekte der Hypoxie Die Verminderung des Sauerstoffange­ bots führt intrazellulär zu einer Stabili­ sierung des Hypoxie-induzierbaren Fak­ tors (HIF) und damit zur Akkumula­ tion der HIF-1α-Untereinheit. HIF-1α ist ein Trans­kriptionsfaktor für eine Viel­ zahl von Proteinen, darunter Erythropo­ etin, „vascular endothelial growth factor“ (VEGF), Glukosetransporter, Laktatde­ hydrogenase, Phosphofruktokinase, NOSynthase und Dopaminsynthase. Durch die Stimulation der Erythropo­ etinspiegel kommt es zu einer Stimulation der Erythroblasten im Knochenmark und konsekutiv zur erwünschten Polyglobulie.

D Durch den sog. Euler-Liljestrand-

Reflex kommt es bei zunehmender Hypoxie zu einer pulmonalarteriellen Drucksteigerung. Mit zunehmender Höhe führt dies phy­ siologisch dazu, dass sich das Messver­ hältnis von Ventilation und Perfusion ver­ bessert. Allerdings kann der physiologi­ sche Pulmonalarteriendruckanstieg über­ steigert sein; dies führt dann zur Entste­ hung des Höhenlungenödems. Unter akuter Hypoxie kommt es typi­ scherweise zur sog. Höhendiurese. Ver­ mutlich dient die Höhendiurese dazu, eine kurzfristige Hämokonzentration

Abb. 1 8 Tragbarer Überdrucksack zur besseren Oxygenierung

Infobox 1  Symptome der akuten Bergkrankheit F  Kopfschmerzen F  Appetitlosigkeit F  Übelkeit F  Schlaflosigkeit F  Schwindel F  Erbrechen

Infobox 2  Symptome des Höhenhirnödems F  Ataxie F  Schwerste Kopfschmerzen F  Übelkeit und Erbrechen F  Halluzinationen F  Vernunftwidriges Verhalten F  Bewusstseinsstörungen F  Koma Die Steigerung des Hämoglobingehalts im Blut führt dazu, dass bis zu einer Höhe von 5300 m der Sauerstoffgehalt, d. h. das Produkt von Sauerstoffsättigung und Hä­ moglobin sowie des physikalisch gelösten Sauerstoffs, annähernd stabil bleibt [8].

Akklimatisation Akklimatisation ist für gesunde Men­ schen ab einer Höhe von 2500 m notwen­ dig, darunter reichen Akutreaktionen wie die Hyperventilation zur ausreichenden Oxygenierung aus. Wesentliches Element der optimalen Akklimatisation ist eine dem Bedarf nach ausreichende Oxygenie­ rung. Entsprechend sollte ab der Schwel­ lenhöhe von 2500 m versucht werden, an­ aerobe Anstrengungen zu vermeiden. Um eine zu rasche Hypoxie zu verhin­ dern, sollte der tägliche Schlafhöhenge­ winn, d. h. der Unterschied in Höhenme­ tern vom letzten Lagerplatz zum nächs­ ten, nicht mehr als 300–500 m pro Tag betragen. Weiterhin wird empfohlen, al­ le 1000 m Schlafhöhengewinn, also etwa alle 3–4 Tage, einen Ruhetag einzulegen, um ausreichende Akklimatisationszeiten zu ermöglichen. Regeln für eine optimale Akklimatisa­ tion: F Nicht zu hoch steigen und nicht zu schnell („Don’t go too high and too fast“)

Schwerpunkt: Reisemedizin F Nicht aufsteigen, bevor Symptome nachlassen („Don’t go up until symp­ toms go down“) F Hoch hinauf steigen, aber in geringe­ rer Höhe übernachten („Climb high, sleep low“) Um rascher im Urlaub an Höhe gewin­ nen zu können oder um Berge mit un­ günstigem Höhenprofil (Prototyp Kili­ mandscharo) ohne Höhenkrankheit be­ steigen zu können, wurde nach Möglich­ keiten der Präakklimatisation schon zu Hause gesucht. Entscheidend ist vermutlich der zu­ mindest 5-malige Aufenthalt inner­ halb von 3 Monaten auf Höhen von über 3000 m über einen Zeitraum von etwa 6–8 h, um einen ausreichenden Hypoxie­ reiz zu setzen [9], oder ein regelmäßi­ ger, länger dauernder Aufenthalt in Hö­ hen über 3500 m [13]. Eine andere Option ist das Schlafen in Hypoxiezelten mit si­ mulierten Höhen von etwa 2500–3500 m, auch hierdurch lässt sich die Häufigkeit der Höhenkrankheiten vermindern. In der reisemedizinischen Beratung sollte allerdings immer darauf hingewie­ sen werden, dass für Höhenaufenthalte >2500 m Seehöhe ausreichend Zeit ein­ geplant werden muss.

Höhenkrankheiten Der Begriff Höhenkrankheit stellt den ge­ meinsamen Nenner für Syndrome dar, die bei nichtakklimatisierten Reisenden 6–8 h nach dem Aufstieg in Höhen über 2500 m auftreten können. Höhenkrankheiten können aber auch bei Reisenden auftreten, die z. B. in einer Höhe von 3500 m akkli­ matisiert sind und dann rasch in Höhen von über 5000 m aufsteigen.

»

Das Höhenhirnödem und das Höhenlungenödem sind mit einer Letalität von 50–100% behaftet Der Begriff beinhaltet die eher zerebra­ len Syndrome der akuten Bergkrankheit [“acute mountain sickness (AMS)] so­ wie des Höhenhirnödems [“high altitude cerebral edema“ (HACE)] und das eher pulmonale Syndrom des Höhenlungen­ ödems [“high altitude pulmonary ede­

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Zusammenfassung · Abstract Internist 2014 · 55:268–273  DOI 10.1007/s00108-013-3368-7 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 R. Fischer

Höhenkrankheit. Wie behandeln, wie vermeiden? Zusammenfassung Durch den abnehmenden Sauerstoffpartialdruck können in Höhen über 2500 m Höhenkrankheiten entstehen. Diese werden am besten durch Akklimatisation, also die langsame Höhenanpassung, vermieden. Dabei passt sich der Organismus an die chronische Hyperventilation an, im weiteren Verlauf normalisiert sich der Sauerstoffgehalt durch eine Zunahme der Erythrozyten. Die häufigste Höhenkrankheit ist die akute Bergkrankheit. Sie ist gekennzeichnet durch das Leitsymptom Kopfschmerz. Wenn zusätzlich Zeichen von Ataxie auftreten, besteht die akute Gefahr des Höhenhirnödems, das mit einer hohen Letalität assoziiert ist. Belastungsatem-

not, Husten und rasselnde Atemgeräusche treten beim ebenfalls potenziell letalen Höhenlungenödem auf. Allen Höhenkrankheiten kann durch raschen Abstieg um mindestens 500 Höhenmeter entgegengewirkt werden. Bei der akuten Bergkrankheit kommt zudem Acetazolamid (2-mal 250 mg), beim Höhenhirnödem Dexamethason (3-mal 4–8 mg) und beim Höhenlungenödem Nifedipin (initial 10 mg, dann 20 mg retard) zum Einsatz. Schlüsselwörter Lungenödem · Hirnödem · Akklimatisation · Hypoxie · Acetazolamid

Acute mountain sickness. How can it be treated and how can it be avoided? Abstract Due to the decreasing partial pressure of oxygen, high altitude sickness can occur at heights over 2,500 m. This can be best avoided by slow adaptation to the altitude (acclimatization). In this way the organism adapts to the chronic hyperventilation and in the further process the oxygen content is normalized by an increase in erythrocytes. The commonest form of high altitude sickness is acute mountain sickness which is characterized by the leading symptom of headache. When additional signs of ataxia occur there is an acute danger of edema which is associated with a high mortality. Stress dyspnea,

ma“ (HAPE)]. HACE und HAPE kom­ men wesentlich seltener vor als die akute Bergkrankheit, sind aber mit einer Letali­ tät von 50–100% behaftet [5].

Akute Bergkrankheit und Höhenhirnödem Symptome und Pathomechanismen

Die AMS ist durch unspezifische Symp­ tome und fehlende klinische Untersu­ chungsbefunde gekennzeichnet. Sie be­ ginnt nach etwa 6- bis 12-stündigem Auf­ enthalt in der Höhe. Die Inzidenz der AMS nimmt mit der Höhe zu. Auf 2500 m beträgt die Häufigkeit 2%, bei TrekkingReisenden in der Mount-Everest-Region

coughing and rasping breathing noises also occur by the potentially fatal high altitude pulmonary edema. All forms of high altitude sickness can be countered by a rapid descent to a height of at least 500 m. In acute mountain sickness acetazolamide can be administered (2×250 mg), for high altitude cerebral edema dexamethasone (3×4-8 mg) and for high altitude pulmonary edema nifedipine (initially 10 mg then 20 mg retard). Keywords Pulmonary edema · Cerebral edema · Acclimatization · Hypoxia · Acetazolamide

steigt sie auf >50%. Werden Menschen di­ rekt in Höhen >3500 m geflogen, liegt die AMS-Häufigkeit bei 84%. Die typischen Symptome sind in . Infobox 1 aufge­ führt, Leitsymptom ist der Kopfschmerz [5]. Leitsymptom des HACE ist die Ataxie, die z. B. durch Gehen auf einem geraden Strich überprüft werden kann. Weiterhin kann es zu einem zunehmenden Bewusst­ seinsverlust, zu Halluzinationen, Wahr­ nehmungsstörungen und schließlich zum Koma kommen. Die typischen Symptome sind in . Infobox 2 aufgeführt. Der exakte Mechanismus, der diesen beiden Erkrankungen zugrunde liegt, ist weiterhin unklar. Vermutlich kommt es durch die rasch einsetzende Hypoxämie

Tab. 1  Prävention und Therapie der Höhenkrankheiten [4] Für alle Krankheiten gilt:

– Langsamer Aufstieg – Bei leichten Beschwerden Rasttag auf gleicher Höhe – Bei starken Beschwerden Abstieg um mindestens 500 m Akute Bergkrankheit (AMS) Prävention – Acetazolamid 2-mal 125–250 mg/Tag Therapie – Nichtsteroidale Antirheumatika (z. B. Ibuprofen, Paracetamol) – Acetazolamid 2-mal 250 mg/Tag – Sauerstoff Höhenhirnödem (HACE) Therapie – Sauerstoff – Überdrucksack – Dexamethason initial 8 mg, dann 3-mal 4 mg/Tag – Acetazolamid 2-mal 250 mg/Tag Höhenlungenödem (HAPE) Prävention – Nifedipin 3-mal 20 mg/Tag – Salmeterol 2-mal 125 μg/Tag – Sildenafil 3-mal 20 mg (vermutlich wirksam, nicht systematisch untersucht) – Acetazolamid 2-mal 250 mg (vermutlich wirksam, nicht systematisch untersucht) – Dexamethason 2-mal 8 mg (vermutlich wirksam, nicht systematisch untersucht) Therapie – Nifedipin 10 mg akut, dann 3-mal 20 mg retard – Sauerstoff – Überdrucksack

zu einer Zunahme des zerebralen Blut­ flusses, des zerebralen Blutvolumens und möglicherweise zu einer zunehmenden Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke. Die Folge dieser Veränderungen ist ein Anschwellen des Gehirns und schließ­ lich ein Anstieg der intrakraniellen Drü­ cke. Beim HACE konnten zudem Mikro­ blutungen im Gehirn festgestellt werden, wobei unklar ist, ob sie Ursache oder Fol­ ge des Hirnödems sind [10].

Prävention

Entscheidend für die Vermeidung der Entstehung von AMS, HACE und HAPE ist eine ausreichende und langsame Akkli­ matisation an die Höhe [2]. Besonders bei Gruppenreisen in grö­ ßere Höhen treten bei einem hohen Pro­ zentsatz der Teilnehmer Symptome der AMS auf, da oft nicht genug Rücksicht auf das Befinden der Mitreisenden ge­ nommen wird. Wünschenswert ist da­ her, dass die Reiseroute so flexibel ge­ wählt werden kann, dass bei starken Symptomen eine entsprechende Ruhe­ pause möglich ist. Mit Symptomen der AMS sollte nicht weiter aufgestiegen werden. Denn es be­ steht immer die Möglichkeit, dass sich aus einer AMS entweder ein HACE oder ein

HAPE entwickelt. Bei Beschwerdefreiheit kann der Aufstieg fortgesetzt werden.

Medikamentöse Prophylaxe

Aufgrund des Zielkonflikts zwischen Urlaubswünschen und notwendiger Akklimatisationszeit wird häufig auf pharmakologische Hilfsmittel zurückge­ griffen. Wesentliches Medikament hierfür ist Acetazolamid (Diamox®), das in Dosie­ rungen von 125–500 mg 2-mal täglich ein­ genommen wird [5]. Es wird empfohlen, die Medikation mindestens einen Tag vor Beginn des Höhenaufenthalts einzuneh­ men.

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Acetazolamid sollte während des gesamten Höhenaufenthalts eingenommen werden

Acetazolamid führt über die Hemmung der Carboanhydrase in der Niere zu einer metabolischen Azidose und in der Fol­ ge zu einer zunehmenden Hyperventila­ tion, welche die sonst entstehende Hyp­ oxämie mildert. Da Acetazolamid nur zu einer Hyperventilation führt, solange es eingenommen wird, sollte die Einnah­ me während des gesamten Höhenauf­ enthalts erfolgen, um einen Rebound-

Effekt zu vermeiden. Eine vollständige Beschwerdefreiheit lässt sich mit Ace­ tazolamid allerdings nicht immer errei­ chen, häufig bewirkt es nur eine Reduk­ tion der Intensität. Wesentliche Neben­ wirkungen der Einnahme von Acetazo­ lamid sind eine Parästhesie in den Ext­ remitäten sowie der unangenehme Ge­ schmack von kohlensäurehaltigen Ge­ tränken, da auch die Carboanhydrase im Mund gehemmt wird. Ob Acetazolamid die Häufigkeit des HACE reduziert, ist bisher nicht untersucht, aber aufgrund des Wirkmechanismus – der Hyperven­ tilation – wahrscheinlich. Ein weiteres wirksames Medikament ist Dexamethason in einer Dosis von 8 mg/Tag in 2–3 Einzeldosen. Allerdings erscheint es dem Autor aufgrund der ty­ pischen Nebenwirkung der Steroidmedi­ kation für eine Prävention nicht geeignet.

Therapie

Zur Behandlung der AMS sollte in mil­ den Fällen lediglich ein Ruhetag eingelegt oder ein Abstieg um mindestens 500 Hö­ henmeter vorgenommen werden [9]. So lässt sich in der Regel ein vollständiges Abklingen der Symptomatik erreichen. Ist der Abstieg nicht möglich oder nur über einen weiteren Zwischenaufstieg zu erreichen, sollte neben der Einnahme von Acetazolamid (250 mg 2-mal täglich) vorsorglich Dexamethason in einer Do­ sierung von 4 mg alle 6 h eingenommen werden. Soweit vorhanden, sollte zusätzlich Sauerstoff gegeben werden. Alternativ lässt sich mithilfe eines tragbaren Über­ drucksacks (. Abb. 1) durch Erhöhung des Umgebungsdrucks im Sack eine bes­ sere Oxygenierung erzielen. Liegt bereits ein HACE vor, müssen neben dem möglichst passiven Abstieg unbedingt Sauerstoff, Dexamethason und Acetazolamid verabreicht werden. Wenn möglich ist auch der Einsatz der tragbaren hyperbaren Kammer („Certec® bag“) zu erwägen (. Tab. 1). Man darf nie verges­ sen, dass das HACE eine potenziell tödli­ che Erkrankung ist und nur durch eine ra­ sche und suffiziente Therapie das Überle­ ben gewährleistet werden kann.

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Schwerpunkt: Reisemedizin Infobox 3  Warn- und Alarmsymptome des Höhenlungenödems Warnsymptome:

F  Plötzlicher Leistungsabfall F  Belastungsdyspnoe F  Später Ruhedyspnoe F  Zyanose F  Initial trockener Husten Alarmsymptome:

F  Später Husten mit blutig-schaumigem Auswurf

F  Feinblasige Rasselgeräusche F  Später Distanzrasseln F  Tachykardie

Weiterführende Informationen F  Die Deutsche Gesellschaft für Berg- und

Expeditionsmedizin (www.bexmed.de) bietet gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin (www.alpinmedizin.org) Kurse zum Erwerb des International Diploma of Mountain Medicine an. F  International Society for Mountain Medicine (www.ismmed.org)

Höhenlungenödem Das HAPE tritt typischerweise in den ers­ ten 2–4 Tagen nach Erreichen von Höhen >2500 m auf, typischerweise bei raschem Aufstieg. Eine Vergesellschaftung mit der AMS ist nicht immer gegeben [3]. Das HAPE ist ein nichtkardiogenes Lungenödem und durch einen überstei­ gerten pulmonalarteriellen Druck als Folge des Hypoxiereizes bedingt. Offen­ bar kommt es insbesondere bei prädispo­ nierten Patienten durch die Hypoxie zu einem übersteigerten Anstieg im Bereich des pulmonalen Gefäßbetts, zu einer Zu­ nahme der endothelialen Scherkräfte und schließlich zu einem Leck im Bereich der alveolär-kapillaren Membran. Dies führt zur Exsudation von Plasma in die Al­ veolen. Die dadurch zunehmende Hyp­ oxie führt zu einem weiteren Anstieg des pulmonalarteriellen Drucks, zur Zunah­ me des Lecks und damit zu einem Circu­ lus vitiosus, der nur durch Sauerstoff oder Senkung des pulmonalarteriellen Drucks durchbrochen werden kann [11]. Warnund Alarmsymptome des HAPE sind in . Infobox 3 aufgelistet.

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Prävention und Therapie

Analog zu den oben beschriebenen Akkli­ matisationsmechanismen besteht die si­ cherste Methode zur Vermeidung des HAPE in der langsamen Akklimatisation. Patienten mit einem HAPE in der Vor­ geschichte können durch die Einnahme von retardiertem Nifedipin (oral 20 mg alle 8 h) die Entstehung eines HAPE ver­ mindern [1]. Eine weitere Möglichkeit be­ steht in der Inhalation von retardierten β2-Agonisten (Salmeterol 2-mal 125 μg), wodurch die alveoläre Flüssigkeitsclea­ rance verbessert wird. Entscheidend in der Therapie des HA­ PE sind das rasche Erkennen der Erkran­ kung und der sofortige Abstieg um min­ destens 1000 m. Soweit möglich sollte zu­ sätzlich Sauerstoff gegeben werden. Kör­ perliche Anstrengung ist zu vermeiden, ein passiver Abtransport immer sinnvoll! Schließlich kann die Gabe von 10 mg Nifedipin gefolgt von 20–30 mg Nifedi­ pin retardiert akut eine rasche Senkung des pulmonalarteriellen Drucks bewir­ ken und damit zu einer schnellen klini­ schen Verbesserung führen. Auch der Einsatz einer tragbaren hyperbaren Kam­ mer („Certec® bag“) ist sinnvoll. Prinzipiell sind alle medikamentö­ sen Optionen der pulmonalarteriellen Drucksenkung auch bei HAPE wirksam. Dies gilt auch für die Phosphodiestera­ sehemmer. So vermindert beispielswei­ se Sildenafil in einer Dosis von 50 mg 1- bis 2-mal täglich den hypoxiebeding­ ten pulmonalarteriellen Druckanstieg. In einem Teil der Studien hat es auch zu einer Verbesserung der Leistungsfähig­ keit geführt. Allerdings wurde die The­ rapie des HAPE mit Phosphodiesterase­ hemmern bislang nicht in klinischen Stu­ dien untersucht; eine Empfehlung kann daher nicht gegeben werden, auch wenn sie in der klinischen Praxis bereits einge­ setzt werden.

Fazit für die Praxis F Der menschliche Organismus kann sich an Höhen von bis zu 5300 m problemlos anpassen. Wesentliche Anpassungsvorgänge sind die steigende Ventilation, eine initiale Hämokonzentration und langfristig die Zunahme des Gesamthämoglobins.

F Entscheidend für die Prävention und Behandlung der akuten Höhenkrankheiten ist neben der Diagnose die Verminderung der Hypoxie – sei es durch Medikation, Zufuhr von Sauerstoff oder am einfachsten durch einen raschen Abstieg [2]. F Drei Medikamente kommen in der Höhenmedizin zur Anwendung:   Acetazolamid bei AMS, Dexamethason bei schwerer AMS und HACE,   Nifedipin bei HAPE. F Die 5 goldenen Regeln der Himalayan Rescue Asssociation (www.himalayanrescue.org) sollten stets beachtet werden: 1Jeder kann höhenkrank werden, aber niemand muss daran sterben (auch wenn er sich so fühlt). 1Jede Gesundheitsstörung in der Höhe muss als Höhenkrankheit gelten, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist. 1Bei Symptomen der Höhenkrankheit ist jeder weitere Aufstieg zu vermeiden. 1Nehmen die Symptome zu, muss sofort abgestiegen werden. 1Personen mit akuter Bergkrankheit dürfen niemals allein gelassen werden.

Korrespondenzadresse PD Dr. R. Fischer Pneumologische Praxis München-Pasing Gleichmannstr. 5, 81241 München [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  R. Fischer gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.     Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur   1. Bartsch P, Maggiorini M, Ritter M et al (1991) Prevention of high altitude pulmonary edema by nifedipine. N Engl J Med 325:1284–1289   2. Bartsch P (1992) Treatment of high altitude diseases without drugs. Int J Sports Med 13(Suppl 1):S71–S74   3. Bartsch P (1997) High altitude pulmonary edema. Respiration 64:435–443

Buchbesprechungen   4. Bärtsch P, Swenson ER (2013) Clinical practice: acute high-altitude illnesses. N Engl J Med 368:2294– 2302   5. Basnyat B, Murdoch DR (2003) High-altitude illness. Lancet 361:1967–1974   6. León-Velarde F, Mejía O (2008) Gene expression in chronic high altitude diseases. High Alt Med Biol 9:130–139   7. Loeppky JA, Icenogle MV, Maes D et al (2005) Early fluid retention and severe acute mountain sickness. J Appl Physiol 98:591–597   8. Martin D, Windsor J (2008) From mountain to bedside: understanding the clinical relevance of human acclimatisation to high-altitude hypoxia. Postgrad Med J 84:622–627   9. Schneider M, Bernasch D, Weymann J et al (2002) Acute mountain sickness: influence of susceptibility, preexposure, and ascent rate. Med Sci Sports Exerc 34:1886–1891 10. Schommer K, Kallenberg K, Lutz K et al (2013) Hemosiderin deposition in the brain as footprint of high-altitude cerebral edema. Neurology 81:1776– 1779 11. West JB, Mathieu Costello O (1992) High altitude pulmonary edema is caused by stress failure of pulmonary capillaries. Int J Sports Med 13(Suppl 1):54–58 12. West JB (2000) Human limits for hypoxia. The physiological challenge of climbing Mt. Everest. Ann N Y Acad Sci 899:15–27 13. Wu TY, Ding SQ, Liu JL et al (2009) Reduced incidence and severity of acute mountain sickness in Qinghai-Tibet railroad construction workers after repeated 7-month exposures despite 5-month low altitude periods. High Alt Med Biol 10:221–232

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J. Köbberling

Diagnoseirrtum, Diagnosefehler, Befunderhebungsfehler Bewertungen und Vermeidungsstrategien Verlag Versicherungswirtschaft 2013, 1. Auflage, 181 S., (ISBN 3899527704), Taschenbuch, 39.00 EUR Ärzte müssen sich in Ihrer Berufsausübung zunehmend mit Vorwürfen über tatsächliche oder vermeintliche Fehler bei diagnostischen Maßnahmen und damit zusammenhängenden Haftungsfragen befassen. Dies führt nicht selten zu großer Verunsicherung. Aus verschiedenen Gründen nehmen Verfahren, in denen Ärzten oder Kliniken Behandlungsfehler vorgeworfen werden, deutlich zu. Medienberichte über die moderne Medizin führen zu Fehleinschätzungen über das medizinisch Machbare und zu einer steigenden Erwartungshaltung bei Patienten. Die breiten Darstellungen von Leitlinien, die von jedermann im Internet aufrufbar sind, können leicht zu einer Fehleinschätzung der Verbindlichkeit von medizinischen Standards im Einzelfall führen. Komplikationen und Misserfolge werden ohne kritische Hinterfragung auf Behandlungsfehler zurückgeführt. Hinzu kommen steigende Erwartungen an einen möglichen Schadenersatz, eine gegenüber früher deutlich verminderte Hemmschwelle für Klagen und in vielen Fällen ein fehlendes Prozessrisiko durch bestehende Rechtsschutzversicherungen oder Prozessfinanzierungen. Fast ein Viertel aller Vorwürfe über Behandlungsfehler beziehen sich auf Diagnosefehler. Den meisten Ärzten sind die rechtlichen Aspekte, die sich im Zusammenhang mit möglichen Diagnosefehlern ergeben, nur unzureichend bekannt. Mit dem vorliegenden Buch soll hier eine Lücke geschlossen werden. Die beiden Kapitel über „Diagnoseirrtum“ und „Diagnosefehler“ beginnen jeweils mit den Definitionen und mit den wichtigen Fragen der Abgrenzung voneinander. Während ein „noch verständlicher“ Diagnoseirrtum nicht zu einer Haftung führt, ist ein nicht mehr verständlicher Diagnosefehler haftungsbegründend, wenn er zu einem Schaden bei dem Patienten führt. Diese in der Rechtsprechung entwickelten und in das Patientenrechtegesetz vom Februar 2013 übernommenen Definitionen lassen jeweils breite Deutungs- und Ermessensspielräume zu. Dies war Anlass für die Erstellung der

Fallsammlung aus Gutachten oder Bescheiden der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler und aus gerichtlichen Urteilen. Alle aufgeführten 54 Beispiele sind authentisch und mit Aktenzeichen versehen. Ausführlich wird in einem gesonderten Kapitel auf die dritte Kategorie, den „Befunderhebungsfehler“ eingegangen, der dazu führen kann, dass ein einfacher Diagnosefehler zu einem groben Behandlungsfehler mit Beweislastumkehr wird. Dieses komplizierte Konstrukt mit mehrstufiger Beweiswürdigung ist ebenfalls in das Patientenrechtegesetz aufgenommen worden. Das sehr kompakte Kompendium ist bei der Abklärung von Behandlungsfehlern für Juristen, Ärzte und Patienten ein unverzichtbarer Ratgeber. Ärzte erhalten wertvolle Empfehlungen für das richtige Verhalten bei Vorliegen eines vermeintlichen Behandlungsfehlers. M. Broglie (Wiesbaden)

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[Acute mountain sickness : How can it be treated and how can it be avoided?].

Due to the decreasing partial pressure of oxygen, high altitude sickness can occur at heights over 2,500 m. This can be best avoided by slow adaptatio...
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