Aus den Sektionen – Arbeitsgemeinschaft für Endoprothetik

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Gibt es die ideale Knietotalendoprothese für jüngere Patienten?

Autoren

T. Pfitzner, P. von Roth, B. Preininger, C. Perka

Institut

Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Klinik für Orthopädie, Charité – Universitätsmedizin Berlin

Schlüsselwörter " Knieendoprothese l " jüngerer Patient l " Beweglichkeit l " Stabilität l

Zusammenfassung

Abstract

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Hintergrund: Bisherige Knieendoprothesensysteme sind nicht in der Lage, die komplexe Kinematik des Kniegelenks adäquat zu rekonstruieren. Da neue Prothesensysteme diese biomechanischen Anforderungen berücksichtigen, sollte die Hypothese geprüft werden, dass mit dem neuen ATTUNE™-Prothesensystem (DePuy, Warsaw, IN, USA) bei jüngeren Patienten eine messbar bessere Funktion bereits frühpostoperativ nachweisbar ist. Material und Methoden: In diese prospektive Studie wurden 55 konsekutive Patienten < 70 Jahre mit Implantation einer ATTUNE™-Knieendoprothese (01/2012 bis 07/2012) bei primärer Gonarthrose eingeschlossen. Alle Patienten wurden von 1Operateur kreuzbanderhaltend unter Verwendung einer rotierenden Plattform versorgt. Präoperativ und 6 Monate postoperativ wurden die Beweglichkeit des Kniegelenks und die mediolaterale/sagittale Stabilität (Knee-Society-Score) miteinander verglichen. Ergebnisse: Alle 55 Patienten waren für die Nachuntersuchung verfügbar. Das mittlere Patientenalter betrug 63 ± 8 Jahre. Die Geschlechtsverteilung zeigte 30 weibliche (54 %) und 25 männliche (46%) Patienten. Das durchschnittliche Bewegungsausmaß verbesserte sich von 112,33 ± 13,6° auf 123,60 ± 11,1° (p < 0,001). Die mediolaterale Kniegelenkstabilität konnte signifikant verbessert werden (p < 0,001), während die sagittale Stabilität erhalten blieb (p > 0,05). Schlussfolgerung: Wir konnten im Vergleich zur Literatur verbesserte frühfunktionelle Ergebnisse mit einem modernen Knieprothesensystem bei jüngeren Patienten erreichen. Auch wenn sicher noch keine Prothese als ideal zu bezeichnen ist, erscheint durch die Berücksichtigung der biomechanischen Erkenntnisse im Prothesendesign das Erreichen besserer Ergebnisse in der Knieendoprothetik möglich.

Background: A total knee arthroplasty (TKA) is still not able to reinstate the physiological kinematics of the knee. This results in a considerable number of unsatisfied patients, especially if they are younger and active. Recently developed TKA systems claim to consider these biomechanical properties. The current study investigates the outcome (range of motion, stability) of the new ATTUNE™ TKA system (DePuy, Warsaw, IN, USA) in in young patients. Material and Methods: This was a prospective study design (55 patients, 55 knees, age < 70 years, 01/2012–07/2012). Patients received an ATTUNE™ TKA and were examined preoperatively and at 6 months postoperatively for range of motion and stability (Knee Society score). Results: Age: 63 ± 8 years; range of motion increased from 112.33 ± 13.6° to 123.60 ± 11,1° (p < 0.001). Coronal stability improved significantly (preoperatively vs. postoperatively, p < 0.001). Sagittal stability was not significantly different (preoperatively vs. postoperatively, p > 0.05). Conclusion: The data of this study show improved early functional results in younger patients in comparison to the current literature. However, until now no existing TKA system can be identified as ideal. But taking recent biomechanical knowledge into consideration, modern TKA designs have the potential to improve the functional outcome. Especially for younger patients with superior muscle-status and coordinative abilities this seems beneficial.

Key words " total knee arthroplasty l " younger patient l " range of motion l " stability l

Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0034-1368605 Z Orthop Unfall 2014; 152: 393–398 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 1864‑6697 Korrespondenzadresse Prof. Carsten Perka Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Klinik für Orthopädie Charité – Universitätsmedizin Berlin Charitéplatz 1 10117 Berlin Tel.: 0 30/4 50 51 50 62 Fax: 0 30/4 50 51 59 00 [email protected]

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Does the Ideal Total Knee Arthroplasty for Younger Patients Exist?

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Einleitung

Material und Methoden

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Jährlich steigende Implantationszahlen belegen die Bedeutung der Knieendoprothetik in der Therapie der endgradigen Gonarthrose. So wurden in den USA im Jahr 2013 über 600 000 Knietotalendoprothesen (K‑TEP) implantiert [1]. Während auch langfristig exzellente Überlebensraten von > 90% nach 10 Jahren dokumentiert sind [2–6], stellt die Zahl unzufriedener Patienten nach einer K‑TEP die aktuelle Herausforderung auf diesem Gebiet dar. Trotz korrekter Implantation geben bis zu 20 % der Patienten an, mit ihrem künstlichen Gelenk nicht zufrieden zu sein [7, 8]. Dagegen liegt die Zahl unzufriedener Patienten nach hüftendoprothetischer Versorgung bei etwa 5 % [9]. Ursachen sind die höhere Komplexität des Kniegelenks, dessen Biomechanik erst in den letzten Jahren umfassender verstanden wurde. Vor allem junge Patienten, deren Anforderungen an das künstliche Kniegelenk einen weit höheren Aktivitätslevel, einschließlich sportlicher Betätigung, umfassen, sind subjektiv häufiger unzufrieden [8]. Parvizi et al. wiesen dazu in einer aktuellen Studie unter jungen Patienten mit 34 % einen deutlich höheren Anteil an unzufriedenen Patienten nach [1]. Auch objektiv haben junge Patienten unter 55 Jahre ein nahezu 5-fach höheres Risiko einer Revisionsoperation als Patienten über 75 Jahre [8, 10–13]. Der vordere Knieschmerz, die Instabilität, die Bewegungseinschränkung, die aseptische Lockerung und die Infektion sind die Hauptrevisionsgründe [14, 15]. Diese Patientengruppe wird jedoch größer, wie die Verfünffachung der Zahl der Patienten unter 55 Jahren zwischen 1998 und 2007 im schwedischen Prothesenregister zeigt [12]. Dies scheint zum einen dadurch erklärbar, dass die geforderten Ansprüche jüngerer Patienten sowie das Aktivitätslevel über eine längere Zeit deutlich höher sind als bei älteren Patienten [10]. Zum anderen scheinen bisherige Prothesenmodelle die für ein solches Aktivitätsniveau erforderliche komplexe natürliche Kinematik des Kniegelenks nicht ausreichend zu rekonstruieren. Dabei erscheinen 3 biomechanische Aspekte wesentlich: 1. Das physiologische Zurückrollen des Femurs gegenüber der Tibia (engl. „femoral roll back“) erfolgt im Wesentlichen lateral, während die mediale Kondyle relativ stabil bleibt. 2. Während bei der Beugung bis etwa 90° eine hohe Kongruenz (Konformität) zwischen Femur und Inlay notwendig ist, erfordern Tätigkeiten und Übungen in tiefer Kniebeuge eine große rotatorische Freiheit zwischen Femur und Inlay. 3. Das mediale Seitenband verlagert sein Rotationszentrum mit zunehmender Beugung nach distal und posterior, was eine „J-Curve“ der Femurkomponente erfordert, um hier eine ausreichende Stabilität im mittleren Flexionsbereich zu erreichen. Diese biomechanischen Überlegungen haben jedoch erst in die letzte Generation von Prothesendesigns Eingang gefunden. Auch wenn in der Literatur bislang keine Empfehlungen zur Implantatwahl und OP-Technik beim jüngeren Patienten bestehen, sollte aufgrund der Anforderungen an das Implantat auch dieser Aspekt in der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden [10]. Es sollte daher die Hypothese geprüft werden, ob mit einem Implantatdesign, welches diese biomechanischen Aspekte berücksichtigen soll (ATTUNE™ Depuy, Warsaw, IN, USA), bei jüngeren Patienten eine messbar bessere Beweglichkeit unter Erhalt der Stabilität bereits frühpostoperativ nachweisbar ist.

Patientenkollektiv

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In der vorliegenden prospektiven Studie wurden konsekutiv alle Patienten erfasst, die in der Zeit von 01/2012 bis 07/2012 mit dem ATTUNE™-System operativ versorgt wurden. Die Studie wurde von der zuständigen Ethikkommission begutachtet und bewilligt. Alle konsekutiven Patienten mit primärer Gonarthrose jünger als 70 Jahre wurden in die Studie eingeschlossen. Die Altersgrenze wurde in Anlehnung an die Studie von McCalden et al. gewählt, in der eine Gruppe < 55 Jahre, eine Gruppe 55–70 Jahre und eine Gruppe > 70 Jahre verglichen wurde [13]. Bei aktuell mit höherem Alter steigendem Aktivitäts- und Leistungsanspruch der Bevölkerung, wurden in der vorliegenden Studie Patienten < 55 Jahre und 55–70 Jahre als „jüngere Patienten“ zusammengefasst. Patienten mit schweren internistischen Vorerkrankungen (ASA > III), chronischer Polyarthritis, Patienten mit einem Gelenkinfekt in der Vorgeschichte, mit schweren Achsfehlstellungen über 20° sowie höhergradigen mediolateralen und/oder sagittalen Kniegelenkinstabilitäten (> II°) wurden ausgeschlossen. Es erfolgte keine Selektion hinsichtlich Geschlecht und Body-Mass-Index (BMI).

OP-Technik Präoperativ wurde anhand digitaler Ganzbeinstandaufnahmen die Beinachse sowie der Winkel zwischen mechanischer und anatomischer Femurachse bestimmt. Dazu wurden die Resektionsebenen am Femur 90° zur mechanischen Femurachse und an der Tibia 90° zur mechanischen Tibiaachse geplant. Der tibiale Slope wurde auf langen lateralen Röntgenaufnahmen als Winkel zwischen der Tangente des medialen und lateralen Tibiaplateaus und der diaphysären Mittelpunkte 5 und 15 cm unterhalb des Tibiaplateaus gemessen [16, 17]. Alle Operationen wurden durch 1 Operateur (C. P.) durchgeführt. Bei allen untersuchten Patienten wurde das ATTUNE-System (Depuy; Warsaw, IN, USA) verwendet. Die distale Femurresektion erfolgte über eine intramedulläre Ausrichtung mit individueller Umsetzung des Winkels zwischen anatomischer und mechanischer Femurachse, sodass eine koronare Resektion 90° zur mechanischen Femurachse resultierte. Die Tibiaresektion erfolgte über eine extramedulläre Ausrichtung ebenfalls 90° zur mechanischen Tibiaachse. Die Resektion der Tibia in der Sagittalebene erfolgte gemäß der Planung zur anatomischen Rekonstruktion des tibialen Slopes. Alle Implantationen erfolgten zementiert unter Verwendung eines kreuzbanderhaltenden Designs mit rotierender Plattform ohne Retropatellarersatz. Alle Patienten wurden in Allgemeinanästhesie und zusätzlichen peripheren Schmerzkathetern (3-in-1-Block) operiert, welche nach 24 h reduziert und nach 48 h Stunden entfernt wurden. Eine entsprechende Einwilligung der Patienten lag schriftlich vor.

Physiotherapie Die stationäre Nachbehandlung der Patienten erfolgte standardisiert mit schmerzadaptierter Vollbelastung der operierten Extremität ab dem 1. postoperativen Tag. Bis zur sicheren motorischen Kontrolle nach Reduktion der Schmerzkatheter erfolgte die Mobilisation ausschließlich assistiert. Eine Teilbelastung wurde nicht verordnet. Hierbei wurden die Gangschulung im 3-PunktGang an 2 Unterarmgehstützen sowie Übungen zur aktiven Thromboseprophylaxe durchgeführt. Darüber hinaus wurde das operierte Kniegelenk symptomadaptiert ohne weitere zusätzliche Maßnahmen aktiv und passiv mobilisiert. Die Anschluss-

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Tab. 1 Die Bewegungsumfänge (ROM) prä- und postoperativ sind in der Tabelle zusammengefasst. Es zeigt sich die signifikante Verbesserung der Beweglichkeit (p < 0,001). ROM

ROM [°] Standardabweichung Minimum Maximum

präoperativ

postoperativ

Differenz

112,33 13,62 40 140 (p < 0,001)

123,60 11,07 90 140

11,83 0,16 15 10

Datenerhebung Das vorliegende Patientenkollektiv wurde 1 Tag vor der Operation sowie 6 Monate postoperativ untersucht. Dabei wurden die klinischen Parameter erhoben, welche die Beweglichkeit und Stabilität präoperativ sowie postoperativ umfassten. Die Beweglichkeit wurde als maximale aktive Beugung mittels eines Goniometers gemessen und dokumentiert [18]. Zur Stabilitätsprüfung in mediolateraler Richtung wurde das Knie auf einem Keilkissen gelagert und der Flexionsgrad mit einem Goniometer überprüft. In 30°-Flexion (Mid-Flexion) wurde die mediolaterale Stabilität erhoben und entsprechend der Einteilung des Knee-Society-Scores (KSS) gruppiert. Zur Prüfung der sagittalen Stabilität wurde das Kniegelenk in 90°-Beugung aufgestellt, der Fuß fixiert und der Flexionsgrad ebenfalls mit dem Goniometer überprüft. Die sagittale Stabilität wurde dann in 90°-Beugung geprüft und ebenfalls gemäß der Einteilung aus dem KSSScore eingeordnet [19]. Die klinischen Nachuntersuchungen erfolgten verblindet durch 1 Untersucher (T. P.).

Statistik Die Datenanalyse erfolgte unter Zuhilfenahme der Software SPSS Version 19.0. (IBM Corporation, Somers, NY, USA). Deskriptiv wurden Mittelwerte, Standardabweichungen sowie Spannweiten der erfassten Parameter berechnet. Gepaarte Stichproben und Häufigkeitstabellen wurden mit dem Wilcoxon-Test bzw. dem Chi-Quadrat-Test auf signifikante Unterschiede hin untersucht. Als Signifikanzniveau wurde p < 0,05 angenommen.

Abb. 1 Die für die maximale Flexion gemessenen präoperativen (links) sind den postoperativen (rechts) Werten gegenübergestellt. Die erzielte Verbesserung um 11 ± 0,16° zeigte sich statistisch signifikant (WilcoxonTest für gepaarte Stichproben: p < 0,001) (prä OP = präoperativ, post OP = 6 Monate postoperativ).

diolaterale Aufklappbarkeit von 6–9° (Grad 2). Sechs Monate postoperativ wurde bei 51 Patienten (93%) eine mediolaterale Aufklappbarkeit von 0–6° und bei 4 Patienten (7%) eine Aufklappbarkeit von 6–9° festgestellt. Damit konnte die Kniegelenkstabilität in mediolateraler Richtung im Vergleich zur präoperativen Ausgangssituation signifikant verbessert werden (p < 0,001). In der sagittalen Ebene wurde bei 50 Patienten (90%) präoperativ eine sagittale Instabilität < 5 mm (Grad 1) und bei 5 Patienten (10%) eine sagittale Instabilität von 5–10 mm (Grad 2) erhoben. Postoperativ zeigten 51 Patienten (93%) eine sagittale Instabilität < 5 mm und 4 Patienten (7%) eine sagittale Instabilität von 5– 10 mm. Verglichen mit der präoperativen Situation zeigte sich keine signifikante Veränderung der sagittalen Stabilität (p > 0,05). Die " Tab. 2 a und 2 b abgegruppenabhängigen KSS-Scores sind in l bildet. Während der Studie traten im untersuchten Patientenkollektiv 2 Komplikationen auf. Eine Patientin erhielt eine Wundrevision bei persistierender Wundsekretion am 6. postoperativen Tag. Ein Patient erlitt während der Rehabilitation eine tiefe Beinvenenthrombose.

Ergebnisse !

Diskussion

In die vorliegende Studie wurden 55 Patienten eingeschlossen. Alle Patienten waren auch 6 Monate postoperativ für die Nachuntersuchung verfügbar. Das mittlere Alter betrug 63 ± 8 Jahre (36–70 Jahre). 30 weibliche Patienten (54 %) und 25 männliche Patienten wurden eingeschlossen. Es wurden 23 rechte und 32 linke Kniegelenke operiert. Die standardisierte Messung des Bewegungsausmaßes ergab ein durchschnittliches präoperatives Bewegungsausmaß von 112,33 ± 13,6°. Sechs Monate postoperativ betrug das durch" Tab. 1). Damit schnittliche Bewegungsausmaß 123,60 ± 11,1° (l verbesserte sich die Beweglichkeit von prä- zu postoperativ um " Abb. 1). durchschnittlich 11,83 ± 0,2° (p < 0,001, l Präoperativ zeigten 26 Patienten (47%) eine mediolaterale Aufklappbarkeit von 0–6° (Grad 1) und 29 Patienten (53%) eine me-

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In der vorliegenden Studie wurden erstmals relevante frühfunktionelle Parameter nach Implantation eines neuen Prothesensystems bei jüngeren Patienten prospektiv untersucht. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen eine sehr gute frühpostoperative Beweglichkeit sowie eine hohe Präzision hinsichtlich der Gelenkstabilität. Wir führen dies auf die verbesserte Kinematik des hier verwendeten Prothesensystems zurück, welche auf dem Zuwachs an biomechanischen Erkenntnissen der letzten Jahre beruht. Ein entscheidender Parameter für die postoperative Funktion und Zufriedenheit ist die Beweglichkeit des Kniegelenks. Während die erforderliche Beugefähigkeit für die täglichen Aktivitäten früher mit 100–110° bemessen wurde, erscheint dies für die heutigen Ansprüche an das Gelenk nicht mehr ausreichend [20–22].

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heilbehandlung erfolgte in 3 Rehabilitationseinrichtungen, in welchen jeweils ein vorab standardisiertes Nachbehandlungsprotokoll zur postoperativen Rehabilitation angewandt wurde.

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Tab. 2 a Kniegelenkstabilität in mediolateraler Richtung nach Anzahl und Verteilung prä-OP und post-OP. Es zeigte sich ein signifikanter Unterschied zwischen den Untersuchungszeitpunkten (Chi-Quadrat: p < 0,001). Mediolaterale Stabilität: Einteilung n. KSS

n [0–6°]

% [0–6°]

n [6–9°]

% [6–9°]

p

präoperativ postoperativ

26 51

47 93

29 4

53 7

p < 0,001

Tab. 2 b Kniegelenkstabilität in sagittaler Richtung nach Anzahl und Verteilung prä-OP und post-OP. Sagittale Instabilität: Einteilung n. KSS

n [< 5 mm]

% [< 5 mm]

n [5–10 mm]

% [5–10 mm]

p

präoperativ postoperativ

50 51

90 93

5 4

10 7

p = 0,6

In der vorliegenden Studie konnte die Beugefähigkeit von 112 ± 13,6° auf 123 ± 11° (p < 0,0001) gesteigert werden, was einem Zuwachs von durchschnittlich 12° entspricht. Yaffe et al. erhoben bei Patienten vergleichbaren Alters die postoperative Beweglichkeit unter Verwendung von klassischen Prothesendesigns nach 6 Monaten. Dabei lag die Zunahme des Bewegungsumfangs bei durchschnittlich nur 2,9° [23]. In einer weiteren Studie bei durchschnittlich 68 Jahre alten Patienten, zeigte sich eine Steigerung der Beweglichkeit von 112,2 auf 114,6° nach 6 Monaten und auf 120,8° nach 2 Jahren [24]. Damit lässt sich anhand unserer Daten sowohl im Vergleich zu einem jüngeren als auch älteren Patientenkollektiv eine verbesserte Beweglichkeit nachweisen. Diese bessere Beweglichkeit führen wir auf die bei diesem Kniedesign gewählte „J-Curve“ der Femurkomponente zurück, aus der ein der physiologischen Situation stark angenähertes „roll back“ lateral und eine nur geringe Bewegung der medialen Kondyle während des Beugevorgangs resultiert. Zudem wird die bei anderen Knieprothesen auftretende paradoxe Translation nach anterior („roll forward“) vermieden [25]. Der bei höherer Beugung graduell abnehmende Radius der Femurkomponente erlaubt zudem die notwendige rotatorische Freiheit in dieser Bewegungsposition. Neben der Annäherung an die Physiologie durch die Rückwärtsbewegung und somit das optimierte Zusammenwirken der Muskulatur wird aber insbesondere auch der Anpressdruck der Femurkomponente auf die Patella und deren Halteapparat vermin" Abb. 2 und 3) [26]. Die gleichzeitige Reduktion der Dicke dert (l des vorderen Femurschilds sowie die asymmetrische Patella verhindern ein patellofemorales Overstuffing und somit eine wesentliche Ursache des vorderen Knieschmerzes. Unter Verwendung des ATTUNE-Systems konnte eine hervorragende mediolaterale Stabilität in Mid-Flexion erreicht werden. Trotz präoperativ häufig nur durch den Substanzverlust im betroffenen Kompartiment verursachte Instabilität zeigen einige Patienten nach Prothesenimplantation besonders in Mid-Flexion eine verminderte Stabilität. Diese Instabilität in Mid-Flexion ist eine der Hauptursachen für postoperative Beschwerden [27], die Instabilität insgesamt eine der Hauptversagensursachen einer Knieendoprothese in den ersten Jahren nach der Operation [14, 15, 28]. Die höhere Stabilität führen wir auf die nachgewiesene höhere Konformität der Prothese insbesondere im mittleren Flexionsbereich, die Möglichkeit, die Inlayhöhe in Abstufungen von 1 mm auszuwählen, und die optimierte Instrumentation mit der Möglichkeit der anatomischen und funktionellen Ausrichtung zurück. Klinisch resultiert aus der höheren Stabilität bei Beugung

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Abb. 2 Intraoperativer Situs mit Probeteilen bei lateralem Zugang. Mit zunehmender Beugung ist das „femoral roll back“ der lateralen Femurkondyle zu erkennen.

des Kniegelenks eine verbesserte Funktion beim Treppenabsteigen und Kniebeugen [29, 30]. Die vorliegende Studie hat einige Limitationen. Der Nachuntersuchungszeitraum ist relativ kurz. Schlussfolgerungen bez. des langfristigen Outcomes sind nicht möglich. Ziel dieser Studie war es jedoch, die initiale Verbesserung der Bewegungsfunktion und Stabilität zu untersuchen. Zweitens wurden die fluoroskopischen Untersuchungen passiv in Narkose durchgeführt und sind nicht vollständig auf die aktive Kinematik übertragbar. Die zur

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Veranschaulichung gezeigten passiven Unterschiede wurden daher auch nicht quantifiziert und im Ergebnisteil aufgeführt. Mit den vorliegenden Untersuchungsmethoden ist eine Überprüfung aller biomechanischen Aspekte eines modernen Prothesendesigns nicht möglich. Weitere Studien zur Untersuchung der aktiven Kinematik sind hier notwendig. Trotz des prospektiven und konsekutiven Studiendesigns kann aufgrund des Ausschlusses von höhergradigen Deformitäten und Instabilitäten und des Einschlusskriteriums der primären Gonarthrose ein gewisser Selektionsbias nicht ausgeschlossen werden. Diese Kriterien wurden zur besseren Vergleichbarkeit bei relativ kleiner Fallzahl und kurzem Nachuntersuchungszeitraum gewählt. Die klinischen Untersuchungen wurden nur durch 1 Nachuntersucher durchgeführt, welcher jedoch sehr erfahren in der klinischen Untersuchung des Kniegelenks ist. Dazu wurden etablierte Verfahren zur Beurteilung des klinischen Outcomes verwendet und der Untersucher bez. des Implantats verblindet. Zusammenfassend konnten wir in der vorliegenden Untersuchung im Vergleich zur Literatur eine verbesserte postoperative Beweglichkeit bei guter Stabilität mit einem modernen Knieprothesensystem bei jüngeren Patienten erreichen. Wir führen dies auf die Berücksichtigung der biomechanischen Erkenntnisse der letzten Jahre im Design der verwendeten Knieprothese zurück. Auch wenn sicher noch keine Prothese als ideal zu bezeichnen ist, erscheint durch die Berücksichtigung der normalen Anatomie und Physiologie das Erreichen besserer Ergebnisse in der Knieendoprothetik möglich, wobei vor allem jüngere Patienten aufgrund der im Regelfall besseren muskulären Bedingungen und koordinativen Fähigkeiten davon profitieren. Interessenkonflikt: Die Autoren erklären folgende Interessenkonflikte innerhalb der vergangenen 3 Jahre: Tilman Pfitzner: Der Autor hat Forschungsunterstützung von B. Braun Aesculap, Vortragshonorare von B. Braun Aesculap, DePuy und Smith & Nephew erhalten und hat einen Beratervertrag mit DePuy. Philipp von Roth: Kein Interessenkonflikt angegeben. Bernd Preininger: Kein Interessenkonflikt angegeben. Carsten Perka: Der Autor ist Berater für B. Braun/Aesculap, DePuy und Smith & Nephew und

hat Forschungsunterstützung von B. Braun/Aesculap und Smith & Nephew erhalten. Er hat Vortragshonorare von B. Braun Aesculap, DePuy, Biomet, Smith & Nephew und Zimmer erhalten sowie weitere Honorare von DePuy und Smith & Nephew bezogen.

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Abb. 3 Fluoroskopie postoperativ. Mit zunehmender Beugung ist das „femoral roll back“ zu erkennen.

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[Does the ideal total knee arthroplasty for younger patients exist?].

A total knee arthroplasty (TKA) is still not able to reinstate the physiological kinematics of the knee. This results in a considerable number of unsa...
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