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Studie mit Jugendlichen



Mobbing, körperliche und sexuelle Misshandlungen sowie Konflikte in der Familie begünstigen nach Ergebnissen einer niederländischen Studie chronische Schmerzen bei Jugendlichen. Forscher von der Erasmus-Universität in Rotterdam werteten Angaben von über 15.200 Schülern aus 7.–9. Klassen aus, die an dem Rotterdam Youth Monitor (RYM) teilgenommen hatten. Bei diesem Survey waren die Jugendlichen unter anderem nach chronischen Schmerzen gefragt worden. Als chronisch wurden Schmerzen definiert, wenn sie über drei Monate hinweg regelmäßig auftraten und nicht auf die Menstruation zurückzuführen waren. Dies war bei 9,2% der Befragten der Fall. 43% klagten über Schmerzen in den Beinen, der Leistenregion oder den Füßen, 42% über Kopfschmer-

zen, 30% über Rückenschmerz und 21% über Schmerzen im Bauch-, Hüft- oder Beckenbereich. Ein Viertel aller Jugendlichen mit chronischen Schmerzen sah die Ursache in Sportverletzungen. Immerhin 19% vermuteten Stress als Ursache. Knapp 3% aller Befragten gaben an, schon einmal von ihren Eltern körperlich misshandelt worden zu sein, und 2,6% erfuhren körperliche Gewalt von anderen Personen. Bei den Jugendlichen mit chronischen Schmerzen war der Anteil jeweils doppelt so hoch. 1,7% der Jugendlichen berichteten über sexuellen Missbrauch, bei denjenigen mit chronischen Schmerzen lag der Anteil bei 4%. Gemobbt fühlten sich 9% der Befragten, unter denjenigen mit chronischen Schmerzen waren es 12%. Auch Streit mit den Eltern war bei diesen häufiger (51% vs. 35%)

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Mobbing und Missbrauch fördern chronischen Schmerz

Ein künftiger Schmerzpatient? Insgesamt, so die Studienautoren, haben Kinder mit chronischen Schmerzen häufiger unter erheblichen Stresssituationen zu leiden und hatten öfter traumatische Erlebnisse zu bewältigen als Kinder ohne Schmerzen. Auf solche Stressfaktoren zu achten, scheint wichtig zu sein, um chronische Schmerzen bei Heranwachsenden zu verhindern, schreiben sie. mut ■ ■ Voerman JS et al. Eur J Pain 2015; online 5. März; doi: 10.1002/ejp.689

MMW-Arzneimittelpreis 2015

Ausgezeichnet wurde das Prokinetikum Prucaloprid

© Tanja Schnitzler, Berlin

Der Arzneimittelpreis der MMW-Forschritte der Medizin wurde in diesem Jahr an Prucaloprid verliehen, das derzeit einzige in Deutschland verfügbare serotonerge Prokinetikum zur symptomatischen Behandlung der chronischen Obstipation bei Frauen.

Verleihung des 23. MMW-Arzneimittelpreises 2015. V. l. n. r.: Prof. Dr. Ahmed Madisch, Hannover (wissenschaftlicher Vorsitz); Saskia Mielke, Shire Deutschland GmbH, Berlin; Prof. Dr. Hermann S. Füeßl, Schriftleiter MMW; Dr. Dirk Einecke, Chefredakteur MMW und Director Magazines Springer Medizin.

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Dier MMW-Arzneimittelpreis wird an Medikamente vergeben, die bereits im Praxisalltag etabliert und bewährt sind und sich zugleich durch ein überzeugendes Nutzen-Risiko-Profil auszeichnen. Prucaloprid (Resolor®), das 2015 für die Verleihung des Arzneimittelpreises ausgewählt wurde, ist laut Dr. Dirk Einecke, Chefredakteur der MMW-Fortschritte der Medizin, München, ein „Klassiker mit Zukunft“, der diese Anforderungen überzeugend erfüllt. Eingesetzt wird der Serotonin(5-HT4)-Rezeptoragonist zur symptomatischen Behandlung der chronischen Obstipation bei Frauen, bei denen eine Änderung des Lebensstils und eine konventionelle Laxanzientherapie keine Besserung der Beschwerden bewirken konnte. Wie der Proktologe und Gastroenterologe, Prof. Dr. Thomas Frieling, Krefeld, informierte, sind chronische Obstipationsbeschwerden eine weit verbreitete, mit steigendem Lebensalter häufiger vorkommende und oft stark beeinträchtigende Gesundheitsstörung. Mittlerweile sei die

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Auffassung widerlegt, dass die chronische Obstipation lediglich eine banale Befindlichkeitsstörung ohne Krankheitswert ist. „Vielmehr kann die chronische Obstipation, wenn sie nicht behandelt wird, wegen ihrer multiplen Symptome und ihrer Persistenz enorme Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen haben“, so Frieling. Bei Patienten mit chronischer Obstipation kann der peristaltische Reflex gestört sein. Während Laxanzien ihn nicht unmittelbar auslösen können, beeinflusst der 5-HT4-

Rezeptoragonist Prucaloprid die gestörte Motilität direkt. 5-HT4-Rezeptoren sind im gesamten Magen-Darm-Trakt lokalisiert und spielen für die Modulation der Motilität eine Schlüsselrolle. „Durch die agonistische Wirkung am 5-HT4-Rezeptor löst Prucaloprid in den Nerven der Kolonwand einen physiologischen peristaltischen Reflex aus“, berichtete Prof. Dr. Michael Schemann, Freising-Weihenstephan. Infolge der direkten Aktivierung des enterischen Nervensystems komme es zu einer beschleunigten Darm-

passage, und die Bewegung des Darminhalts im Kolon und dessen Entleerung würden gefördert, so der Humanbiologe. Prucaloprid war in den Zulassungsstudien gegenüber Placebo signifikant wirksamer (p < 0,0001) [1]. Dr. Silke Wedekind ■ ■ Symposium „Chronische Obstipation – von der Pathophysiologie zur modernen Therapie“ anlässlich der Verleihung des MMW-Arzneimittelpreises 2015 für Prucaloprid (Resolor®); Berlin, 4. März 2015 (Veranstalter: Shire Deutschland) ■ 1. Tack J et al. United European Gastroenterol J 2013;1:48–59

Hoher Nickelgehalt

Systemische Dermatitis nach Jagd auf Ostereier Bei zwei Jungen und zwei Mädchen im Alter zwischen vier und sieben Jahren war eine Nickel-Kontaktallergie festgestellt worden, die zu einer ausgeprägten atopischen Dermatitis geführt hatte. Auch die Therapie mit topischen Kortikoiden und topischen Immunmodulatoren war nicht ausreichend – den Kindern wurde daher eine strikte nickelmeidende Diät auferlegt: Keine Erdnüsse, keine Schokolade, kein Hafer, kein Industriekäse. All diese Nahrungsmittel weisen einen recht hohen Nickelgehalt auf. Wie Dermatologen um Sharon Jacob, Universität in Loma Linda (Kalifornien), berichten, schafften es die Eltern tatsächlich, eine solche Diät bei ihrem Nachwuchs einzuhalten, worauf die Dermatitis langsam zurückging.

Zwei bis vier Tage nach Ostersonntag war es damit aber vorbei: Die vier Kinder erlitten einen schweren Rückschlag mit Ekzemen, die mehr als 60% der Körperoberfläche bedeckten. Die Eltern beteuerten, dass sie die Diät auch über die Osterfeiertage strikt eingehalten hätten. Andere Gründe für die aufflammende generalisierte Dermatitis als eine Nickelaufnahme über die Nahrung ließen sich nicht aufspüren. Schließlich gaben die Kinder zu, sich bei der offensichtlich sehr erfolgreichen Ostereiersuche mit Schokolade vollgestopft zu haben – ohne dass die Eltern dies bemerkt hatten. mut ■ ■ Jacob, S. E. et al. Pädiatrie Dermatologe, online http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/ pde.12490/abstract

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Cave: Nickel!

Erhöhte Mortalität

„Wochenend-Effekt“: Sind die Patienten schuld?



Wer am Wochenende ins Krankenhaus muss, hat schlechtere Karten als an Werktagen: Die Wahrscheinlichkeit, dem Leiden zu erliegen, ist dann höher. Das liegt aber nicht an den Kliniken, sondern an den Patienten. Nach einer großen Analyse dänischer Krankenhausdaten lässt sich die erhöhte Mortalität am Wochenende tatsächlich nicht damit begründen, dass der Chefarzt beim Segeln statt auf Station ist. Vielmehr hätten diejenigen, die in der Notaufnahme auftauchen, besser ein paar Tage früher kommen sollen. Für ihre Untersuchung haben die Forscher um Betina Vest-Hansen von der Uni-

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versität in Aarhus sämtliche dänischen Klinikeinweisungen des Jahres 2010 ausgewertet. Wie erwartet, kamen werktags am meisten Patienten in die Kliniken. Von diesen starben 5,1% in den folgenden 30 Tagen. Deutlich mehr waren es bei Patienten, die am Wochenende aufgenommen wurden: Hier lagen die Mortalitätsraten bei 6,4% (tagsüber) und 6,3% (nachts). Bei Patienten mit Sepsis, Anämie, Angina pectoris, Vorhofflimmern, COPD und Synkopen beobachteten die Forscher bei Wochenend-Einweisungen zum Teil eine zwei- bis dreifach hö-

here 30-Tages-Mortalität als bei Einweisungen an Werktagen. Die Erklärung der Autoren: Viele Patienten, die am Wochenende Symptome entwickeln, versuchen zunächst, bis zum Montag durchzuhalten, um dann zu einem Hausoder Facharzt zu gehen. Den weniger bedrohlich Kranken gelingt dies auch, den anderen nicht. Entsprechend kommen am Wochenende weit weniger Patienten in die Klinik als werktags, dafür sind diejenigen, die kommen, aber schwerer krank. mut ■ ■ Vest-Hansen B et al. BMJ Open 2015;5:e006731; http://dx.doi.org/10.1136/bmjopen-2014-006731

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[Distinguished award for the prokinetic drug prucalopride].

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